Weibliche Genitalverstümmelung
Die Verstümmelung weiblicher Genitalien (englisch: female genital mutilation oder kurz FGM) bezeichnet schwer wiegende tätliche Verletzungen der weiblichen Genitalien: das Entfernen der Klitoris, der Labien oder Teilen davon. In den betreffenden Kulturkreisen ist diese Praxis häufig allgemein üblich, meist sind junge Mädchen, zuweilen auch erwachsenen Frauen betroffen.
Verstümmelung ist keine "Beschneidung"
Die teilweise verwendete euphemistische Bezeichnung "weibliche Beschneidung" erweckt den Eindruck, bei den unter weiblicher Genitalverstümmelung zusammengefassten Eingriffen handle es sich um das Pendant zur "Beschneidung" der männlichen Vorhaut. Lediglich die am wenigsten invasive Variante, die sogenannte "milde Sunna", das Einritzen, Einstechen oder Entfernen der Klitorisvorhaut, ähnelt - gemessen am Ausmaß des Eingriffes - dem Entfernen der männlichen Vorhaut, vergl. Zirkumzision. Tatsächlich entsprechen die übrigen Formen weiblicher Genitalverstümmelung im Vergleich der Funktionseinschränkung eher dem Entfernen eines Teils oder der gesamten Eichel, bzw. sogar des gesamten Penis'.
Arten und Verbreitung
In 28 afrikanischen Ländern, im Süden der arabischen Halbinsel, im Irak und in Teilen Asiens (Indonesien, Malaysia) ist es üblich, bei jungen Mädchen oder Frauen eine Verstümmelung der Geschlechtsorgane vorzunehmen. Diese wird in der Regel durch so genannte Beschneiderinnen durchgeführt. Von einer Verstümmelung sind etwa drei Millionen Mädchen weltweit jährlich betroffen. Weltweit, so schätzen ExpertInnen, gibt es 130 Millionen Betroffene.
Methodisch kann unterschieden werden zwischen Sunna, Klitoridektomie, Exzision und Infibulation.
Der Ursprung der Genitalverstümmelung ist nicht verortet, sie kommt in den betroffenen Kulturkreisen unter Moslems, Christen, Juden und Animisten vor.
Die UNO, UNICEF, UNIFEM und verschiedene Menschenrechtsorganisationen wie Terre des Femmes wenden sich gegen die weibliche Genitalverstümmelung.
Unterscheidung der Verstümmelungen
Als milde Sunna gelten Ritzen, Einstechen oder Entfernen der Klitorisvorhaut. Diese Form der genitalen Verstümmelung ist als Einzige mit der Beschneidung der männlichen Vorhaut vergleichbar. "Sunna" ist ein arabisches Wort und bedeutet in etwa "Tradition".
Bei der modifizierten Sunna (Klitoridektomie) wird die Klitoris teilweise oder komplett entfernt. Diese Form gehört neben der Exzision zu den häufigsten Formen weiblicher Genitalverstümmelung.
Die Exzision bezeichnet die teilweise oder komplette Amputation der Klitoris mit teilweiser oder vollständiger Entfernung der kleinen Labien. Bei der Introcision werden zusätzlich Haut und Gewebe aus der Vagina ausgeschält.
Die Infibulation (auch als pharaonische Beschneidung bekannt) ist die radikalste Beschneidungsform. Dabei werden die Klitoris und die inneren und äußeren Schamlippen entfernt. Nach der Amputation werden die beiden offenen, blutigen Seiten der Vulva so zusammengenäht, dass die verbliebene Haut zu einer Brücke aus Narbengewebe über der Vaginalöffnung und dem Ausgang der Harnröhre zusammenwächst. Indem bei der Wundvernähung ein kleines Holzstückchen oder ein Strohhalm eingelegt wird, wächst die Narbe bis auf eine kleine Öffnung zu. Durch diese knapp erbsengroße Öffnung müssen Urin, Menstruationsblut und Vaginalsekrete austreten können, durch die Behinderung dieser Vorgänge kommt es zu zusätzlichen Schmerzen und Infektionsrisiken. Nach dem Eingriff werden die Betroffenen von den Knöcheln an bis zur Hüfte bandagiert, bis die Wunde verheilt ist. Dies kann bis zu vier Wochen dauern.
Unter Defibulation versteht man die Öffnung der infubilierten Vagina. Dies ist oft nötig vor dem ersten Geschlechtsverkehr oder vor oder während Geburten. Gelingt im ersten Fall dem (Ehe-)Mann die Öffnung der Vagina durch Penetration nicht, wird die infibulierte Vagina von ihm -- seltener von einer Beschneiderin -- mit einem Messer oder einem anderen scharfen Gegenstand defibuliert. Zur Entbindung ist eine zusätzliche Erweiterung der Vaginalöffnung notwendig, um einen physiologisch angemessenen Geburtsverlauf zu ermöglichen.
Die Reinfibulation wird durchgeführt bei Frauen, die eine Geburt hinter sich haben. Die Vagina, die für die Geburt defibuliert wurde, wird in vielen Fällen bis auf eine winzige Öffnung reinfibuliert. Dazu werden die Narbenränder entfernt und das verbliebene Gewebe erneut zusammengenäht. Nach mehreren Wiederholungen ist u.U. kein geeignetes Gewebe mehr für eine erneute Reinfibulation vorhanden.
Diese Klassifizierungen dienen lediglich als Orientierung. In der Realität existieren weitaus mehr Varianten.
Die Geschädigten
In Gebieten, in welchen die weibliche Genitalverstümmelung Tradition hat, sind alle Frauen betroffen. Das Beschneidungsalter variiert je nach Tradition, die Mädchen werden zwischen der ersten Lebenswoche, im vorpubertären Alter, in der Pubertät oder vor oder nach der Eheschließung verstümmelt. Erwachsene Frauen werden manchmal kurz vor der Eheschießung einer noch drastischeren Form unterzogen. Dies liegt dann meist darin begründet, dass dem Ehemann oder der Schwiegermutter die bestehende Genitalverstümmelung als nicht ausreichend erscheint. Durchschnittlich sind die Mädchen, die sich einer FGM unterziehen müssen, zwischen vier und zwölf Jahren alt. In letzter Zeit ist zu beobachten, dass die Mädchen noch jünger sind, wenn sie verstümmelt werden. Dies kann eine Gegenreaktion auf bestehende Gesetze gegen FGM und eine gestiegene Aufklärung unter Jugendlichen sein. Je jünger die Mädchen sind, desto geringer ist zum Einen ihr Kenntnisstand über FGM; zum anderen können sie sich nicht gegen die Verstümmelung wehren oder sich ihr gar entziehen. Zahlen des Kinderhilfswerks zeigen, dass FGM unter ländlicher Bevölkerung eher vorkommt als unter der städtischen. In der ländlichen Bevölkerung findet die Praktik bei ca. 73 % der Bevölkerung Zuspruch, unter der städtischen Bevölkerung befürworten ca. 67 % der Menschen FGM. Gründe hierfür sind der geringe Zugang zu Schulbildung auf dem Land, insbesondere für Frauen. Damit geht ein stärkeres Festhalten an Traditionen und eine größere soziale Kontrolle als in der Großstadt einher. Allerdings ist in letzter Zeit in eher intellektuellen Milieus der Trend zur sog. Medikalisierung, also der Durchführung einer FGM in Krankenhäusern oder durch medizinisches Personal, zu beobachten. Untersuchungen in Europa haben ergeben, dass Migrantinnen und Migranten z.T. an der Praxis der Genitalverstümmelung festhalten. Die Mädchen werden im Herkunftsland der Eltern oder illegal in einem europäischen Land FGM unterzogen.
Die Täter
Die Ausführenden von FGM sind in der Regel Frauen. Es kann sich dabei um traditionelle Hebammen, Heilerinnen oder professionelle Beschneiderinnen handeln. In den Städten wird in den reichen Schichten die Prozedur von Ärzten, ausgebildeten Krankenschwestern oder Hebammen unter klinikähnlichen Bedingungen durchgeführt (sog. Medikalisierung). Eher selten kommt es vor, dass Medizinmänner oder Barbiere die Mädchen verstümmeln, z.B. im Norden der Demokratischen Republik Kongo. Traditionelle Beschneiderinnen lernen das Handwerk von ihren Müttern. Es ist eine hochangesehene Tätigkeit, die der Familie der Beschneiderin ein relativ hohes Einkommen sichert. Die Beschneiderinnen verfügen meistens nicht über fundierte anatomische Kenntnisse. Dies kann zu weiteren schweren Verletzungen führen, zumal im Alter die Sehkräfte und die motorischen Fähigkeiten nachlassen. Als Werkzeuge werden (Spezial-)Messer, Rasierklingen, Scheren, Glasscherben oder auch Fingernägel benutzt. Oft werden mehrere Mädchen mit demselben Werkzeug verstümmelt. Um die Wunde zu verschließen, werden Akaziendornen, Bindfaden, Schafdarm, Pferdehaar, Bast oder Eisenringe verwendet. Substanzen wie Asche, Kräuter, kaltes Wasser, Pflanzensäfte, Blätter oder Wundpressen aus Zuckerrohr sollen die bei der Amputation der äußeren weiblichen Geschlechtsorgane meist auftretende starke Blutung stoppen. Die Verstümmelungen finden meistens unter unhygienischen Bedingungen außerhalb von Krankenhäusern statt. Die Betroffenen erhalten meistens keinerlei Narkose. Da der Genitalbereich mit vielen Nerven versorgt ist, führen Eingriffe ohne Narkose zu starken Schmerzen, so dass die Mädchen oder Frauen von mehreren Erwachsenen gehalten werden müssen.
Gesundheitliche Konsequenzen und Todesfolgen
Die Verstümmelung der äußeren weiblichen Genitalien stellt eine irreparable Schädigung der sexuellen funktionellen Einheit von Frauen dar. Die WHO schätzt, dass ca. 10 % der Betroffenen an akuten und ca. 25 % an langfristigen Komplikationen sterben. Die gesundheitlichen Konsequenzen erstrecken sich auf akute (z.B. Schock oder hoher Blutverlust), chronische (z.B. Harnwegsinfektionen), psychische sowie psychosomatische (Trauma) Folgen. Der Eingriff hat großen Einfluss auf die Sexualität der Frauen, wobei zu bemerken ist, dass die Frauen je nach kulturellem Hintergrund in unterschiedlichem Ausmaß betroffen sind und daher der Grad der Einschränkung variieren kann. Der Geburtsvorgang wird bei infibulierten Frauen erschwert; es kann zu starken Komplikationen und im Extremfall zu Schäden für Mutter und Kind kommen.
Ursprünge und Hintergründe
Es gibt viele "Begründungen" für FGM. Hier werden im Folgenden die geläufigsten vorgestellt. Die Durchführung der weiblichen Genitalverstümmelung reicht zurück bis ins Alte Ägypten. Hier glaubte man an Doppelgeschlechtlichkeit. So war die Vorhaut des Mannes ein Überbleibsel der Frau und die Klitoris ein Überrest des Mannes. Um eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden zu können, wurden Männer und Frauen an ihren Genitalien beschnitten. Mit anderer Begründung ist FGM auch im Europa des 19. Jahrhunderts durchgeführt worden. Hier wurde sie vor allem zur Behandlung der Masturbation, der Hysterie und anderer vermeintlich typisch weiblicher Störungen angewandt. Diese Ansichtsweisen werden z.T. heute noch geteilt. So wird FGM auch praktiziert, um die Frau vor ihrer eigenen Sexualität und vor Übergriffen der Männer zu schützen. Die Durchführung von FGM hat daher auch mit der Erwartung an die Rolle der Frau zu tun.
Tradition und sozialer Druck spielen bei der Durchführung von FGM eine große Rolle. So ist es in Gesellschaften, die FGM praktizieren, fast unmöglich, seine Tochter nicht der Praktik zu unterziehen. Diese Mädchen werden andernfalls sozial ausgegrenzt und stigmatisiert. Sie haben keine Stellung in der Gesellschaft, ganz zu schweigen davon, dass kein Mann sie heiraten wird. Das ist in einer Gesellschaft, in der Frauen ökonomisch abhängig von den Männern sind, fatal. So haben Eltern, kaum eine andere Wahl als ihre Töchter zu einer Beschneiderin zu bringen, auch wenn sie selbst wissen, wie qualvoll ein solcher Eingriff ist.
Medizinische Mythen
Es gibt die Vorstellung, dass erst der abgeschlossene weibliche Unterleib "rein" sei, weil aus ihm nur schwer Vaginalsekrete und Menstruationsblut austreten können. Oder den Glauben, dass weibliche Genitalien weiter wachsen, wenn sie nicht "beschnitten" werden. FGM wird in solchen Fällen durchgeführt, um Wucherungen zu vermeiden. Weitere Vorstellungen sind die, dass die Klitoris giftige Sekrete absondere, welche den Mann vergiften oder impotent machen können. Oder gar, dass die Klitoris bei der Geburt den Säugling verletzen könne. Oder dass die Vornahme einer FGM die Gesundheit fördere, indem die Fruchtbarkeit der Frau erhöht wird sowie Geburt und Schwangerschaft erleichtert werden.
Ästhetische Mythen
Es gibt sogar die Vorstellung, dass eine unbeschnittene Vulva unschön und unordentlich sei, besonders wenn die inneren Labia sichtbar würden. Ein beschnittenes weibliches Genital hingegen gilt als ästhetisch akzeptabel und zudem führe der Eingriff zu einem schöneren Gesicht.
Unterdrückung der weiblichen Sexualität
Über allen Rechtfertigungen scheinen abgrundtiefe männliche Ängste vor der zügellosen weiblichen Sexualität und Promiskuität zu schweben, welche die patriarchale Gesellschaft kontrollieren, bändigen und beschneiden will. Ihrer sexuellen Lust beraubt, wird die beschnittene Frau auf ihre Reproduktionsfunktion reduziert: die FGM wird explizit als Massnahme gegen eine "übermässige sexuelle Aktivität" der Frau genannt. Durch die FGM entfällt jede Form von Lust oder Masturbation, die als schädlich angesehenen werden. Ein voreheliches Geschlechtsverkehr wird durch die FGM ebenfalls "vorgebeugt". Da wo Polygynie (Vielweiberei) verbreitet ist, ist der Mann so vor Überforderung sicher.
Tradition
Die stärkste Rechtfertigung für die FGM ist die Tradition, aus dem Wissen, dass die Verstümmelung seit unvordenklichen Zeiten praktiziert wird, ergibt sich der Schluss, dass es sich dabei um etwas absolut Notwendiges handle: ein Mädchen wird erst dann zur Frau, wenn es an seinen Genitalien verstümmelt ist, erst dann ist der Übergang zur Frau vollzogen. Die Vorstellungen der Menschen sind in der Weise geprägt, dass sie sich von unverstümmelten Frauen abgestoßen fühlen, sie als unrein empfinden und Männer nicht bereit sind, sie zu heiraten. Die FGM kann im Rahmen eines Initiationsritual eingebettet sein, ein großes Fest, an dem das Mädchen Geschenke erhält und im Mittelpunkt steht.
FGM wird sowohl in islamischen, christlichen, jüdischen, animtischen oder andersgläubigen Gesellschaften praktiziert.
Weder in der Bibel noch im Koran findet FGM Erwähnung. Es ist vielmehr eine präislamische Praxis, die in zahlreichen islamischen Ländern unbekannt ist.
FGM im Islam
In der Regel wird FGM unter Berufug auf einige Hadithe im Islam religiös legitimiert. Hadith bilden neben dem Koran die zweite Quelle islamischer Gesetze. Dabei handelt es sich um Aussprüche, die dem Propheten Mohammed zugesprochen werden. Laut eines Hadiths soll der Prophet gesagt haben: "Nehme ein wenig weg, aber zerstöre es nicht. Das ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt." Dieses Hadith wird verschieden interpretiert. Eine Ansicht besagt, dass sich das "ist besser für die Frau und wird vom Mann bevorzugt" auf das "zerstöre nicht" bezieht. Mohammed hätte dann mit der vorislamischen Tradition nicht brechen wollen, bevorzugte selbst aber deren Unterlassung. Eine andere Deutung geht davon aus, dass es sich um ein Makrumah handelt, eine freiwillige ehrenvolle Tat, deren Unterlassung nicht bestraft wird. Zu diesen Deutungen kommt hinzu, dass der Islam das Recht der Frau auf sexuelle Befriedigung, wenn sie verheiratet ist, ausdrücklich anerkennt. Außerdem ist einer der höchsten Werte der Scharia, die "Huma", die körperliche Unversehrtheit. Daraus folgt, dass FGM nicht ursprünglich auf den Islam zurückzuführen ist. Gleichwohl begründen einige ihr Vorgehen mit dem Koran.
Von vier sunnitischen Rechtschulen (madhhab) befürworten drei die FGM (Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten), eine, nämlich die schafiitische Rechtsschule, hält sie für eine religiöse Pflicht. In Ländern mit schafiitischer Rechtsschule ist sie deshalb auch allgemein verbreitet.
In ettlichen Gegenden wird von islamischen Geistlichen die Meinung vertreten wird, der Islam verlange diese "Reinigung". Und es scheint festzustehen, dass Mohammed jedenfalls die Gelegenheit, sich gegen die FGM zu äußern, nicht genutzt hat. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die FGM auch außerhalb des Einflussbereichs des Islam vorkommt. Es gibt also Zusammenhänge zwischen WGV und Islam, aber es handelt sich dabei nur um eine von mehreren Begründungen.
Aktuelle Entwicklungen
Der Familiensenat des Karlsruher BGH hat 2005 (unter dem Aktenzeichen AZ XII ZB 166/03) entschieden, dass der Plan einer Frau, ihre Tochter nach Gambia zu bringen – einem Land, in dem etwa 80–90% der Frauen der pharaonischen Beschneidung unterzogen werden – ausreicht, ihr das Sorgerecht für das Kind zu entziehen und es in eine Pflegefamilie zu geben.
Der Hessische Verwaltungsgerichtshof in Kassel hat im April 2005 einen Asylanspruch festgestellt, wenn Genitalverstümmelung droht. Vor dem Hessischen VGH hatten eine 17-jährige Heranwachsende und ihre 8 Jahre alte Schwester gegen ihre Abschiebung nach Sierra Leone geklagt. Der Gerichtshof stellte fest, dass eine Abschiebung in ein Land unzulässig ist, in dem die Genitalverstümmelung an Frauen fest verwurzelte Tradition ist (80 - 90 Prozent der Frauen in Sierra Leone sind beschnitten) oder von den Behörden geduldet wird. (Quelle: Meldung des hessischen Rundfunks)
dpa. "Beschnittene Frauen oft unfruchtbar". Frankfurter Allgemeine Zeitung 2005-07-29: 7. Die Zeitung meldet unter Berufung auf einen bevorstehenden Beitrag in The Lancet (Band 366, Seiten 385 bs 391), in einer Studie an etwa 280 Frauen, die 2003 und 2004 an zwei Krankenhäusern in Khartum 2003 und 2004 untersucht wurden, seien 99 als unfruchtbar erkannt worden (mehr als jede Dritte), 180 waren erstmals schwanger. Alle waren als Mädchen verstümmelt worden. Die Forscher stellen fest, dass vor allem schwere Genitalverstümmelungen das Risiko einer Frau merklich steigern, unfruchtbar zu werden. Die Wissenschaftler hoffen mit diesem Argument den Glauben vieler Befürworter der Genitalverstümmelung zu widerlegen, ein Mädchen könne nur dann eine gute Ehefrau und Mutter werden, wenn man ihre Geschlechtsteile gemäß dem alten Brauch verändere.
Am 26. Oktober 2005 haben islamische Geistliche in Mogadischu eine "Fatwa" veröffentlicht, die sich gegen die Beschneidung bzw. Genitalverstümmelung an Mädchen richtet. Darin wird die in Afrika weit verbreitete traditionelle Praxis als "unislamisch" verurteilt. Sheich Nur Barud Gurhan, der stellvertretende Vorsitzender der Dachorganisation somalischer Geistlicher, setzte die Beschneidung mit einem Mord gleich. Zur Durchsetzung wird die Fatwa wahrscheinlich nicht kommen, da die in Somalia geltende schafiitische Rechtsschule die "weibliche Beschneidung" als verpflichtend (fard) einstuft und die drei anderen islamischen Rechtsschulen (madhhabs) sie zumindest billigen und Somalia von Clanchefs beherrscht wird.
Literatur
- Fadumo Korn: Geboren im Großen Regen (Autobiographie). Rowohlt TB Verlag, Hamburg 2004, ISBN 3499237989
- Waris Dirie: Wüstenblume (Autobiographie). Schneekluth Verlag, München 1998, ISBN 3-7951-1626-0
- Waris Dirie: Schmerzenskinder. 256 S., Marion Von Schroeder Verlag, München 2005, ISBN 3-547-71067-7
- Terre des Femmes (Hg.): Schnitt in die Seele - Weibliche Genitalverstümmelung - eine fundamentale Menschenrechtsverletzung. Mabuse-Verl., Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-935964-28-5
- Marion Hulverscheidt: Weibliche Genitalverstümmelung: Diskussion und Praxis in der Medizin während des 19. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum. 189 S., Mabuse-Verl., Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-935964-00-5 (Mabuse-Verlag Wissenschaft 63; Zugl.: Göttingen, Univ., Dissertation 2000)
- Eiman Okroi: Weibliche Genitalverstümmelung im Sudan = Female genital mutilation. 150 S., 1. Aufl. Akademos-Wiss.-Verl., Hamburg 2001, ISBN 3-934410-29-4 (Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Dissertation 2001)
- Maria Pütz: Über die Aussichten einer operativen Therapie in gewissen Fällen von Masturbation jugendlicher weiblicher Individuen. Euskirch, Hochschulschrift: Universität Bonn, Dissertation, 1923.
Siehe auch
Folter, Menschenrechte, Menschenwürde, Intactivism, Orgasmus und Rollenklischees
Weblinks
- "Schnitte in Körper und Seele" - UNICEF, TERRE DES FEMMES und der BERUFSVERBAND DER FRAUENÄRZTE haben die erste Befragung von Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland zum Thema Beschneidung und zur Situation beschnittener Mädchen und Frauen in Deutschland herausgegeben, 2005 (die Studie kann im pdf-Format unter der URL herunter geladen werden)
- "Genitale Verstümmelung bei Mädchen und Frauen" Brochüre des Bundesministeriums für Familie, Frauen, Senioren und Jugend (steht nur als Download zur Verfügung: PDF mit 242,7 KB).
- "Für Ärztinnen und Ärzte" - Empfehlungen der Bundesärztekammer zum Umgang mit Patientinnen nach weiblicher Genitalverstümmelung (female genital mutilation).
- www.forward-germany.de - Forward Germany e.V. Foundation for Women's Health, Research and Development.
- www.frauenrechte.de - Terre des Femmes e.V. - Menschenrechte für die Frau ist eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen, die durch internationale Vernetzung, Öffentlichkeitsarbeit, Aktionen, Einzelfallhilfe und Förderung von einzelnen Projekten Frauen und Mädchen unterstützt.
- www.mwlusa.org - Weibliche Beschneidung und Islam, Muslim Women's League, englischer Text (Deutsche Übersetzung: www.salaamway.de)
- www.intact-ev.de - (I)NTACT Christa Müller gründete 1996 die Organisation, die in Afrika sehr erfolgreiche Schulungsprogramme fördert.
- www.flensburg-online.de - Karawane der Hoffnung - Aktion von Rüdiger Nehberg im Januar 2005
- www.verein-tabu.de - Verein Tabu (Wir brechen ein TABU) gegen weibliche Genitalverstümmelung unterstützt ein Projekt in Kenya
- www.friedensband.de - Aktion Weißes Friedensband erstellte eine medizinische Fachinformation
- www.waris-dirie-foundation.com - Organisation von Waris Dirie gegen die Female Genital Mutilation in Europa
- www.stopfgm.net - Österreichweite Plattform gegen weibliche Genitalverstümmelung
- www.schuelerpatenschaften-senegal.at - Ekando Kumer Das Sudan-Projekt soll Eltern und Kinder aufklären und sozial ausgegrenzten Mädchen (unbeschnitten bedeutet nicht rein) helfen
- www2.netdoktor.de - UNICEF: Beschneidungen weiter verbreitet als bislang angenommen (25. November 2005)