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Alfred Redl

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Alfred Redl

Alfred Redl (* 14. März 1864 in Lemberg, Galizien (heute Lwíw, Ukraine), † 25. Mai 1913 in Wien) war Oberst der österreich-ungarischen Armee, Generalstabschef des 8. Korps und einer der bekanntesten russischen Spione.

Leben

1894 bis 1895 war Redl im Eisenbahnbureau tätig, einer für die auseinanderstrebende k.u.k.-Monarchie Österreich-Ungarns auch militärisch ausgesprochen wichtigen Institution. Seit 1900 war er im Generalstab für die Spionageabwehr Evidenzbureau zuständig, davon bis 1905 in der russischen Gruppe. Von 1907 bis 1911 war er stellvertretender Bureauchef im Evidenzbureau. Seine Arbeit war geprägt von Innovationen und er nutzte für die damalige Zeit sehr fortschrittliche Techniken, um feindliche Geheimagenten umzudrehen.

Von 1903 bis zu seinem Tod arbeitete er als Spion für Russland, jedoch sind seine Motive dafür bis heute unklar, weil er kurz nach seiner Enttarnung im Jahre 1913 Selbstmord beging. Es wird gemutmaßt, dass von den Russen herausgefunden wurde, dass er homosexuell war. Diese Information hätte seine Karriere beenden können. Der russische Militärattachée Martschenko charakterisierte Redl im Oktober 1907 als „tückisch, verschlossen, konzentriert und pflichtbewußt, gutes Gedächtnis... Süße, weiche, sanfte Sprache, ... eher schlau und falsch, als intelligent und talentiert. Zyniker, Frauenliebhaber...“ Andererseits erhielt er eine außergewöhlich hohe finanzielle Entlohnung und führte einen Lebensstil, der weit luxuriöser war, als es sein Offiziersgehalt zugelassen hätte, und unter anderem im Besitz zweier Autos und eines Reitpferds zum Ausdruck kam.

Man geht davon aus, dass Redl viele Informationen an die russische Geheimpolizei Ochrana weitergegeben hat. Darunter waren Pläne für eine zukünftige österreich-ungarische Offensive gegen Serbien. Vermutlich hat er auch russische Offiziere verraten, die sich an den österreich-ungarischen Geheimdienst gewandt hatten, wodurch diese festgenommen werden konnten.

Redls Enttarnung ist mehreren Zufällen zu verdanken. Die Scheide eines Taschenmessers, das er in Prag verlor, wurde ausgerechnet von einem von ihm selbst ausgebildeten Agenten gefunden. Dieser Agent wurde misstrauisch und ihm fielen mehr und mehr Anomalien bei Redl auf. Redl erhielt beispielsweise Nachrichten aus Eydtkuhnen in Ostpreußen, damals ein von Agenten häufig genutzter Grenzübergang. Im April 1913 war ein postlagernder Brief an „Nikon Nizetas“ vom Wiener Hauptpostamt an seinen Absender in Berlin zurückgeschickt worden. Wohl um den Absender feststellen zu können, wurde der Umschlag in Berlin geöffnet und zu Tage kamen 6.000 Kronen und zwei Adressen in Paris und Genf, die den Preußen und Österreichern bekannt waren. Der preußische Major Walter Nicolai informierte den österreichischen Hauptmann Max Ronge vom Evidenzbureau, der zusammen mit dem Chef der Staatspolizei Edmund von Gayer den Schalter für postlagernde Briefe im Wiener Hauptpostamt beobachten ließ. Am 24. Mai 1913 holte Oberst Redl dann weitere, für ihn eingetroffene Briefe ab und wurde verfolgt. An Hand von ihm zerrissener handschriftlich ausgefüllter Abholscheine und Aufgabescheine, die er wegwarf, wurde er identifiziert und beobachtet.

Der Chef des k.u.k. Generalstabes Franz Conrad von Hötzendorf befahl daraufhin seine Festnahme im Hotel Klomser. Sein Zimmer wurde von einer Offizierskommission umstellt und er wurde einem kurzen Verhör unterzogen, in dem er dem Kundschaftsoffizier Ronge gestand, „in den Jahren 1910 und 1911 fremde Staaten im Großen bedient zu haben“. Redl behauptete, ohne Komplizen zu sein.

Nachdem Redl ein Geständnis abgelegt hatte, zog sich die Kommission zurück, um „dem Verbrecher sodann die Möglichkeit zu geben, seinem Leben ein rasches Ende zu bereiten“. Redl beging mit einer ihm übergebenen Pistole Selbstmord, was vom Kaiser Franz Joseph sehr bedauert wurde, weil er sich um das Seelenheil Redls sorgte. Am Morgen wurde ein Detektiv in Marsch gesetzt, um „Nachschau“ in dem bewachten Hotel zu halten. Als die österreichische Abwehr feststellen musste, dass Redls Konto bei der Neuen Wiener Sparkasse seit Anfang 1907 in auffallend schneller Folge Einlagen verzeichnete, die sich von 1905 bis 1913 auf insgesamt 116.700 Kronen beliefen, hätte man Redl gerne näher verhört, um das Ausmaß des Verrats in Erfahrung zu bringen. Nachdem man in seinem Nachlass die „Kriegsordre de Bataille“, die Mobilisierungsanweisungen für alle Eventualfälle, das „Reservathandbuch“, Maßnahmen der Spionageabwehr in Galizien, Deckadressen fremder Generalstäbe, Spionagekorrespondenzen, Dokumente über das Kundschaftswesen u. a. gefunden hatte, ging man vom größten anzunehmenden Schaden - dem Verrat der österreichischen Aufmarschplanung gegen Russland - aus. Diese stellte die erforderlichen Kräfte zur Eröffnung von kriegerischen Operationen und ihre Verteilung im Raum dar. Die Annahme wurde durch die russische Literatur inzwischen bestätigt.

Nachdem die Affäre sich trotz Redls Selbstmord nicht vertuschen ließ und ans Licht kam - angeblich weil der Schlosser plauderte, der den Ermittlern Zutritt zu Redls Wohnung in Prag verschaffte - bemühte sich der österreichische Geheimdienst nach Kräften, die Angelegenheit in der Öffentlichkeit herunterzureden: Es wurde von einer ersten Spur der Spionage im März 1912 gesprochen, sein gesteigerter Geldbedarf „im Zusammenhang mit seiner verhängnisvollen Leidenschaft“ gesetzt und durch einen veröffentlichten Obduktionsbericht eine krankhafte Veränderung seines Gehirns konstatiert, um so schnell als möglich die Aufmarschplanung zu überarbeiten und der russischen Seite zu suggerieren, der verratene Plan sei noch in Geltung.

Es wird angenommen, dass Redls Verrat zu den Niederlagen Österreich-Ungarns während der ersten Monate des Ersten Weltkriegs beitrug, da die von ihm verratenen Pläne sehr umfangreich waren und nicht ohne weiteres in der Zeit zwischen seinem Selbstmord und dem Ausbruch des Kriegs geändert werden konnten. Da Redl außerdem österreichische und deutsche Spione in Russland auffliegen ließ und so die massive Aufrüstung der russischen Armee nach Kräften abschirmte, erhielt Österreich-Ungarn eine viel zu optimistische Vorstellung von den Kräfteverhältnissen. Der österreichische Abgeordnete zum Reichsrat Graf Adalbert Sternberg äußerte sich nach dem Ersten Weltkrieg hierzu (und in Hinblick auf den Verrat Redls an dem russischen Generalstabsoberst Kyrill Petrowitsch Laikow, der Österreich nicht weniger den gesamten russischen Aufmarschplan angeboten haben soll) wie folgt: "Dieser Schurke [Redl] hat jeden österreichischen Spion denunziert, denn der Fall des russischen Obersten [Laikow] wiederholte sich mehrmals. Redl lieferte unsere Geheminisse den Russen aus und verhinderte, dass wir die russischen Geheimnisse durch Spione erfuhren. So blieb den Österreichern und Deutschen im Jahre 1914 die Existenz von 75 Divisionen, die mehr als die gesamte österreichisch-ungarische Armee ausmachten, unbekannt...". Von Sternberg geht so weit, die Folgen des Falles Redl wie folgt zu analysieren: "Hätten wir klargesehen, dann hätten unsere Generäle den Hofwürdenträger nicht zur Kriegserklärung getrieben."

Andererseits vertraute der zaristische Generalstab offenbar ebenfalls auf die unveränderte Gültigkeit des von ihm gekauften Aufmarschplans und war überrascht, als die österreich-ungarische Hauptmacht 100 bis 200 km weiter westlich, als von ihm angenommen vordrang, was zu den schmerzlichen Schlägen bei den Schlachten von Krasnik und Komarow führte.

Verfilmung

  • Der Film »Spionage« (1955) erzählt die authentische Geschichte des Oberst Redl, der 1913 der Spionage überführt wurde und danach Selbstmord beging. Es werden hierbei die historischen und psychologischen Hintergründe des Geschehens rekonstruiert. An dem Film wirkten Ewald Balser (Oberst Redl), Rudolf Forster, Gerhard Riedmann und Oskar Werner mit. Regie: Franz Antel.
  • 1985 kam die Geschichte Redls im Spielfilm »Oberst Redl« erneut ins Kino, in der Klaus Maria Brandauer die Hauptrolle spielte. Weitere Mitwirkende waren Armin Mueller-Stahl und Gudrun Landgrebe. Regie: István Szabó.

Literatur

  • Stefan Zweig hat in seinem Werk Die Welt von Gestern dem Fall Redl drei Seiten gewidmet.
  • Egon Erwin Kisch schrieb im Jahr 1924 den Bericht "Der Fall des Generalstabschefs Redl", der heute unter dem Titel "Wie ich erfuhr, dass Redl ein Spion war" publiziert ist.