Mehrheitswahl
Mehrheitswahl (siehe Wahlsysteme) heißt, dass aus jedem Wahlkreis nur derjenige Kandidat in das Parlament einzieht, der die relative Mehrheit an Stimmen auf sich vereinigen konnte. Alle anderen Stimmen verfallen ("The winner takes it all"). Dies führt laut dem umstrittenen Medianwähler-Modell zur Konkurrenz um den "mittleren" Wähler und somit eine Ausrichtung der Programme an der "politischen Mitte" (siehe auch Beitrag unter Politisches Spektrum).
Angewandt wird dieses System vor allem im anglophonen Raum, unter anderem
- zur Wahl des Unterhauses in Großbritannien und
- zur Präsidentschaftswahl in den USA, wo es zu einem Eklat kam, als George W. Bush die Wahlen 2000 gewann, obwohl sein Gegner Al Gore mehr Stimmen erzielt hatte, weil die Wahlmänner jedes Bundesstaats nach dem Mehrheitswahlrecht ausgewählt wurden.
In Deutschland gilt ein personalisiertes Verhältniswahlrecht: Zwar werden in den Wahlkreisen auch Direktkandidaten gewählt (die Hälfte der Bundestagssitze), aber damit jede Partei genau die Anzahl Sitze im Bundestag bekommt, die ihr nach der Zweitstimme zusteht, werden die restlichen Sitze mit Listenkandidaten besetzt. Stehen der Partei mehr Direktmandate nach der Erststimme zu als Sitze nach der Zweitstimme, so erhält sie alle Direktmandate. Die Differenz zwischen Direktmandaten und Sitzen nach der Zweitstimme werden in diesem Fall Überhangmandate genannt.
Vor- und Nachteile des Mehrheitswahlrechts?
Das Mehrheitswahlrecht tendiert typischerweise zu einem Zweiparteien-System (Duvergers Gesetz). Kleinparteien haben wenig Chancen, Mandate zu erringen, wenn sie nicht regional dominierende Minderheiten vertreten. Statt dessen schwächen sie eher den eigenen politischen Flügel durch Zersplitterung der Wahlstimmen. Kritiker bemängeln zudem, dass gesellschaftliche Minderheiten nicht ausreichend vertreten werden.
Außerdem kann es zu Wahlergebnissen kommen, bei denen der Wahlverlierer effektiv mehr Stimmen auf sich vereinigen kann. Dies ist möglich, wenn der Wahlsieger in bevölkerungsreichen Wahlbezirken knappere Ergebnisse erzielt und daher die Summierung der abgegebenen Stimmen ein anderes Bild ergibt, als die Auszählung nach geltendem Wahlrecht. Weiter ist es möglich, dass Wahlergebniss durch "geschicktes" Ziehen der Wahlsprengelgrenzen zu beinflussen ("Gerrymandering".
Beide Phänomene haben sich bei den amerikanischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2000 bemerkbar gemacht:
- der demokratische Kandidat Al Gore verlor mehrere Bundesstaaten (vor allem an der Westküste, wo traditionell demokratische Hochburgen liegen), weil der Kandidat der Grünen, Ralph Nader eine starke Minderheit an sich binden konnte. Dadurch erhielt George W. Bush mit einer konservativen Minderheit (weniger Stimmen als die Summe von Demokraten und Grünen) alle Wahlmänner des jeweiligen Bundesstaats zugeschlagen.
- insgesamt erhielt Gore trotz Naders Konkurrenz in absoluten Zahlen ("popular vote") etwa eine halbe Million mehr Stimmen als Bush. Wahlentscheidend waren jedoch nur rund 1500 strittige Stimmen in Florida.
Als Vorteil des Mehrheitswahlrechts wird häufig angeführt, dass stabilere Mehrheitsverhältnisse im Parlament gebildet werden. Als Grund für das Scheitern der Weimarer Republik wird allgemein die Menge der im Parlament vertretenen Parteien angesehen, die die Bildung regierungsfähiger Mehrheiten erschwerte.
Des Weiteren sind im Gegensatz zu Stimmverteilungen nach dem Verhältniswahlrecht Koalitionsbildungen zur Erreichung einer erforderlichen parlamentarischen Mehrheit in der Regel nicht erforderlich. Damit stellt der Wahlsieger die Regierung und nicht ein Bündnis, dessen Koalitionsverhandlungen vom Wähler kaum beeinflussbar sind.
Siehe auch: