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Turmbau zu Babel

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Maciejowski

Der Turmbau zu Babel ist eine bekannte mythische Erzählung der Bibel. Die Stadtbezeichnung "Babel" ist dabei ein hebräisches Wortspiel, das einen deutlichen Verweis auf die Stadt Babylon enthält und soviel wie "Geplapper, Gebrabbel" bedeutet. Nachdem man die Geschichte zunächst als rein mythologischen Text verstanden hatte, ist seit 1913 durch archäologische Funde belegt, dass sich die Geschichte auf einen historischen Turm bezieht. Die Umstände der Erzählung sind allerdings nicht historisch, sondern mythologisch.

Die biblische Erzählung

Meister der Weltenchronik
Der Turm zu Babylon von Pieter Bruegel, 1563, Kunsthistorisches Museum Wien

Die Erzählung vom Turmbau zu Babel (Genesis 11,1-9) beschließt die biblische Erzählungen des Buchs Genesis. Sie liefert die Erklärung, weshalb nicht nur die Menschheit, sondern der Mensch an und für sich gespalten ist, die "Sprache" des Anderen nicht mehr versteht und in die Welt zerstreut ist, und sieht den Grund dafür im Streben des Menschen zum Himmel, in seinem Machbarkeitswahn, sich ein Zeichen zu setzen, die Völker zu vereinen und letztlich darin, nicht den Willen Gottes zu suchen, sondern sich mit dem eigenen Werk zu erhöhen. Der Mensch wird zum Gotteslästerer im Namen der Ordnung (Albert Camus).

Der Jahwist als Schöpfer dieser Erzählung bringt damit zum Ausdruck, dass der Mensch als homo faber in theologischem Sinne schon gescheitert ist, bevor er sich zivilisatorisch zu eigener Größe erheben kann. In Fortführung des Themas der Genesis, dass der erste biblische Mörder Kain, der seinen Bruder Abel erschlägt, zum Gründer der ersten Stadt wird, der Engführung also von städtischer Zivilisation und Mord, wird hier wieder Zivilisationskritik geübt, die natürlich der nomadisch-hebräischen Lebensweise gegenübersteht. Ironisch wird sprachlich, in der hebräischen Bibel, zudem auf die Vorstellung des Menschen Bezug genommen, sich in die Höhen des Gottes begeben zu können, Gott im Himmel zu suchen. Dem Motiv einer Ursprungsgeschichte entsprechend könnte man somit sagen, dass hier ein Thema behandelt wird, das „schon immer“ aktuell war und die hebräische Bibel durchzieht.

Der Turmbau zu Babel ist die Allegorie für das menschliche Trauma, mit einem anderen Menschen nicht reden zu können, weil er eine andere Sprache spricht. Die Auflösung dieses Traumas bietet im Christentum das Pfingstwunder der Apostelgeschichte (Apg 2). Nach einer modernen/wissenschaftlichen Umkehrung des Traumas sucht die automatische Übersetzung, die den Menschen mithilfe von Übersetzungsprogrammen die Sprachbarrieren überwinden lassen will, oder die Aufklärung, die durchaus eine Einheit der Menschen in der Vielgestaltigkeit sehen kann, diese erforscht und bewahren hilft. Der jüdischen Kultur und Tradition zeigt die mythische Erzählung vom Turmbau zu Babel jedoch schlicht den Willen Gottes, der die Vielfalt und Uneinheit der Völker will und deshalb gezielt hervorruft.

1679 stellte der Jesuit Athanasius Kircher eine Theorie auf, die gegen die Existenz des Turmes sprach. Seiner Meinung nach beträgt die Entfernung Erde und Himmel 265.380 km. Hierfür hätten ca. 4.500.000 Arbeiter etwa 3400 Jahre ununterbrochen arbeiten müssen. Das Gewicht des Turmes hätte das Gewicht der Erde übertroffen und so die Erde aus dem Mittelpunkt des Universums herausgeschoben. Der Fehler von Kirchers Berechnung liegt bei der Entfernung Erde-Himmel, die er viel zu hoch berechnete. Mit dieser Höhe wäre man dem Mond (350.000 km Entfernung) näher als der Erde.

Die christliche Auslegung

Die Menschen damals wurden überheblich und sahen den Turm als ihr Zentrum an. Das gefiel Gott nicht, denn er hatte den Menschen mit der Aufgabe geschaffen, die gesamte Erde zu bevölkern und sie sich untertan zu machen. Der Bau dieses hohen Turmes stellte einen Akt der Gotteslästerung dar, da er von Nimrod, einem gewaltigen Kämpfer im Widerstand gegen Gott, mit dem Vorsatz begonnen wurde, sich offen Gott zu widersetzen. ( ...und machen wir uns einen berühmten Namen, damit wir nicht über die ganze Erdoberfläche zerstreut werden. 1. Mose 11:4 ) In Folge verwirrte Gott die Sprache der Menschen, die den Turm bauten und zerstreute sie über die ganze Erde.

Historische Grundlage

Die Existenz eines Turms zu Babylon ist seit 1913 archäologisch nachgewiesen. Es handelt sich um eine Tempelanlage (Zikkurat) in Babylon, deren Fundamente der deutsche Architekt und Archäologe Robert Koldewey freigelegt hat.

Die Bibel spricht vom Turmbau zu Babel, der griechischen Form des hebräischen Wortes bavel für Babylon, das auf das akkadische Wort babilum, Gottes Tor, zurückgeht. Das Wort Zikkurat könnte man auch mit Hochhaus übersetzen, abgeleitet aus dem akkadischen Wort zaqaru für aufrichten, hochheben.

Datei:Turm-babylon.jpg
Künstlerische Darstellung des Turms zu Babylon

Nach der Zerstörung um 2300 v. Chr. durch Sargon von Akkad machte Hammurabi (1792 v. Chr.-1749 v. Chr.) 600 Jahre später Babylon zur Hauptstadt. Er erhob den Stadtgott Marduk (Altes Testament: Merodach) zur höchsten Gottheit des babylonischen Reichs. Der Hinweis in der Bibel im Zusammenhang mit der babylonischen Sprachverwirrung bezieht sich wahrscheinlich auf einen Tempelturm in der Stadt.

Urkundlich erwähnt wird der Turm als Zikkurat von Etemenanki (sumerisch: Haus des Himmelsfundaments auf der Erde) in der Tempelanlage Esagila (sumerisch: Tempel des erhobenen Hauptes) erstmals in den Annalen des assyrischen Königs Sanherib (Sennacherib), der 689 v. Chr. den Tempel zerstörte, aber die Stadt verschonte.

Seine Nachfolger Esarhadon (Assurhaddon) und Assurbanipal (680 v. Chr.-659 v. Chr.) begannen mit dem Wiederaufbau, wie Inschriften im Fundament belegen. Nach der Befreiung von der assyrischen Herrschaft setzte der babylonische Herrscher Nabopolassar den Ausbau der Anlage fort, sein Sohn Nebukadnezar II. (604 v. Chr.-562 v. Chr.) vollendete ihn. Zusammen mit den hängenden Gärten der Semiramis und den Stadtmauern von Babylon bildete der Turm zu Babylon eines der Sieben Weltwunder der Antike, wobei in späteren Zeiten oftmals nur noch die hängenden Gärten erwähnt wurden.

In der Folgezeit verfiel das Bauwerk, möglicherweise auch durch Zerstörungen durch den Perserkönig Xerxes I. (586 v. Chr.-465 v. Chr.).

Bei seinem Einzug in Babylon im Frühjahr 323 v. Chr. ließ Alexander der Große die Reste bis auf das Fundament abreißen, um den Turm neu zu errichten. Dabei blieb es bis heute, da Alexander wenige Monate später verstarb.

Der Turm hatte eine Grundfläche von 91,48 x 91,66 m und eine Höhe von ca. 91 m, wahrscheinlich abgestuft in sieben, nach dem Geschichtsschreiber Herodot in acht Plateaus. Den Abschluss bildete ein Tempel, dessen Räume nur von Priesterinnen betreten werden durften. Wahrscheinlich nutzten Priester das Dach des Gebäudes, um dort astronomische Beobachtungen durchzuführen.

Als Baumaterial verwandten die Babylonier gebrannte Lehmziegel, wobei sie die Außenziegel farbig (blau?) emaillierten.

Der Turmbau zu Babel in der Bildenden Kunst

"Die Sprachverwirrung" von Gustave Doré, 1865

Der Turmbau zu Babel ist in der Bildenden Kunst ein Symbol menschlicher Hybris. Im Laufe der Kunstgeschichte ist er mehrfach dargestellt worden. In der Regel ist die Darstellung begrenzt auf das Bauwerk selbst, seine großen Ausmaße, die daran arbeitenden Menschen und die Fortschritte in der Bautechnik. Ungewöhnlich ist daher die Darstellung von Gustave Doré, der die Menschen vor dem Turmbau zu Babel nach der Sprachverwirrung darstellt. Sie entstand im Rahmen von Arbeiten zur Illustration der Bibel.

Die bekannteste künstlerische Darstellung des Turmbaus zu Babel stammt von Pieter Bruegel dem Älteren und hängt im Kunsthistorischen Museum in Wien. Für sein Bild setzte er einfach siebenmal das Kolosseum aufeinander. Auf anderen Gemälden stellte man den Turm von Babel oft als spiralförmigen Turm, wie die Minarett von Samarra, oder als Stufenturm dar.

Sonstiges

Der Turm zu Babel bildete, unter anderem neben dem Kolosseum, die Vorlage des EU-Parlamentes in Strasbourg.


Commons: Turmbau zu Babel – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Religionsgeschichtlich

Archäologisch

Literatur

  • Karl M. Woschitz: Der Mensch in der Revolte und unter dem Gottesgeist - Der Turmbau von Babel und das Pfingstwunder" (in Der Turmbau zu Babel - Ursprung und Vielfalt von Sprache und Schrift, 1. von 4 Bänden, Kunsthistorisches Museum, Wien, 2003)
  • Fred Hartmann: Der Turmbau zu Babel : Mythos oder Wirklichkeit? Turmbausagen im Vergleich mit der Bibel. Hänssler, Neuhausen-Stuttgart 1999 ISBN 3-7751-3432-8

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