Intelligenzquotient
Der Intelligenzquotient (IQ) ist ein Maß für die intellektuellen Fähigkeiten (Intelligenz) eines Menschen, vor allem im logisch-analytischen Bereich (der sog. "akademischen Intelligenz").
Der Begriff wurde zuerst 1912 von Wilhelm Stern geprägt. Zuvor wurde bereits 1904 ein Intelligenztest von Alfred Binet entwickelt, bei dem noch für eine endgültige Beurteilung das Ergebnis in Relation zum Alter der Testperson gesetzt werden musste.
Auch Stern formulierte für die Messung des IQ Aufgaben für unterschiedliche Altersstufen. Erzielt die Testperson Ergebnisse, die höheren Altersstufen zugeordnet sind, so gilt sie als überdurchschnittlich intelligent. Der Quotient entsteht, indem man das "Intelligenzalter" durch das tatsächliche Alter teilt. Durch dieses Verfahren werden ein 10-jähriger mit der Intelligenz eines 12-jährigen und ein 50-jähriger mit der Intelligenz eines 60-jährigen prinzipiell als gleichwertig betrachtet. Später wurde das Ergebnis mit 100 multipliziert, um die heute bekannten Werte zu erhalten.
Aus statistischen Gründen wurde die Formel zur Berechnung des IQ weiter modifiziert, damit sich empirische Ergebnisse der Normalverteilung einer Gauß'schen Glocke annähern. Damit wurde Sterns Ansatz fallen gelassen, verschiedene Altersgruppen miteinander zu vergleichen. Wechsler legte eine Skala fest, in der die Standardabweichung innerhalb einer Altersgruppe den IQ um den Wert 15 verändert. Die heute gebräuchliche Formel lautet:
IQ = 100 + 15 ((X - D) / O)
dabei steht
- X für den gemessenen Wert
- D für den Durchschnitt der jeweiligen Altersgruppe und
- O für die Standardabweichung
Damit sind typischerweise 68% der Bevölkerung durchschnittlich intelligent (IQ zwischen 85 und 115). Im Bereich von 70 bis 130 liegen 95%. Außerhalb dieser Grenzen lassen sich ohne zusätzliche spezialisierte Tests keine verlässlichen Aussagen machen.
Außerdem wurden die Testverfahren verfeinert. 1956 entwickelte John C. Raven ein kulturunabhängiges sprachfreies Verfahren namens Advanced Matrices, das Verzerrungen für Testpersonen aus fremden Kulturen ausschließen sollte, damit aber (was damals noch eine untergeordnete Rolle spielte) zwangsläufig Faktoren sozialer Intelligenz ausklammern muss. Jedoch haben sich diese "culture free"- (oder "culture fair"-)Tests als unbrauchbar werwiesen, da die kulturell verschiedenen Denkweisen sich nicht auf sprachliche Unterschiede reduzieren lassen. Aus Sicht der Kultur, in der der Test definiert wird, müssen diese Unterschiede als Defizite erscheinen. Tatsächlich zeigen sie aber Defizite bei den Testern und nicht bei den Getesteten auf.
Ebenfalls in den 50er-Jahren entwickelte David Wechsler eine Testbatterie, die in 11 Einzeltests Allgemeinwissen, Wortschatz, Rechnerisches Denken, audio-visuelle Aufnahmefähigkeit und Abstraktionsvermögen prüft. Der vom hamburger Psychologen C. Bondy modifizierte Hamburg-Wechsler-Intelligenztest für Erwachsene (HAWIE) ist heute der gängigste Test für Probanden zwischen 16 und 74 Jahren. Analog dazu gibt es einen Test für Kinder zwischen 6 und 15 Jahren (HAWIK). Eine weitere Revision von 1983 wird durch ein angehängtes "-R" gekennzeichnet, der Kindertest liegt inzwischen in einer weiter überarbeiteten Version HAWIK-III vor.
Eine weltweit einheitliche IQ-Skala existiert bis heute nicht. Ein statistischer Mittelwert von 100 ist weitgehend einheitlich. Die Skalen sind jedoch unterschiedlich gestreckt, so dass beispielsweise in den USA verblüffend viele Menschen über einen IQ von 200 oder mehr verfügen.
Durch Standard-Tests werden auch Besonderheiten bei geistig Behinderten nicht berücksichtigt. Charakteristisch für die meisten Krankheitsbilder ist eine verlangsamte Entwicklung. Daher würde bei standardisierten Tests der IQ mit zunehmendem Alter sinken, obwohl sich der Zustand der Testperson aus medizinischer Sicht nicht verschlechtert.
Diese Intelligenztests sind heute umstritten. Sie lassen sich durch entsprechendes Training relativ leicht austricksen. Außerdem ist Intelligenz heute wesentlich komplexer definiert, als zu Zeiten Wilhelm Sterns, da kreative oder soziale Geistesleistungen damals kaum oder gar nicht berücksichtigt wurden. Die Tests können diese umfassendere Einordnung praktisch nicht abbilden. Seit den 80er-Jahren wird jedoch durch Einbeziehung emotionaler, praktischer und schöpferischer Elemente in den Tests eine Annäherung an eine möglichst vollständige Betrachtung intellektueller Leistung versucht.
Die Wahrscheinlichkeit, Schulnoten anhand der Testergebnisse korrekt vorher zu sagen, liegt zwischen 40% und 60%. Bei Prognosen zum Berufserfolg liegt die Korrelation sogar nur bei etwa 30%. Daraus wird gefolgert, dass neben Intelligenz (oder dem, was als Intelligenz gemessen wird) auch andere Einflussfaktoren eine Rolle spielen (was Wissenschaftler so alles rausfinden...).
Besondere Vorsicht ist bei IQ-Angaben von historischen Persönlichkeiten angeraten. Da vor 1912 kein vergleichbares Messverfahren bekannt war, basieren diese Werte auf eher fragwürdigen Schätzungen, die aus veröffentlichten biographischen Daten gewonnen werden mussten. Wissenschaftlich ist diese Vorgehensweise nicht haltbar, die Ergebnisse sind qualitativ eher mit Zeitungshoroskopen vergleichbar.