Fundamentalpunkt
Die klassische Festlegung
Unter einem Fundamentalpunkt versteht die klassische Geodäsie den zentralen Vermessungspunkt eines Landes. Er stellt - zusammen mit einem Referenzellipsoid und der präzisen Richtung einer langen Dreiecksseite - das terrestrische Bezugssystem jeder nationalen Landesvermessung dar. Zusammen mit dem Referenzellipsoid spricht man vom geodätischen Datum.
Moderne Festlegungen
Mit dem Entstehen der Satellitengeodäsie ergab sich die Möglichkeit, erstmalig geozentrische Erdmodelle abzuleiten, deren Ausprägungen auf den unterschiedlichen Erdmassenverteilungen beruhen. Da sich die geodätische Rechenfläche in Form des Ellipsoids jetzt aus einer Vielzahl von Messungen ableitet und nicht mehr von einem einzigen Punkt ohne Bezug zum Geozentrum, haben klassische Fundamentalpunkte ihre Bedeutung weitgehend verloren. Was das geodätische Datum angeht, so spricht man nicht mehr vom Datum, sondern vom System - wegen der Mannigfaltig der Bestimmungsmöglichkeiten.
International haben die Systeme WGS72 und vor allem WGS84 große Bedeutung im Hinblick auf das GPS erlangt. Viele Staaten haben ihre Landesvermessungen auf diese geozentrischen Systeme umgestellt.
In Deutschland wird das Potsdam-Datum mit Fundamentalpunkt Rauenberg, dem Bessel-Ellipsoid und der konformen Gauß-Krüger-Abbildung derzeit vom System ETRS89 mit dem Ellipsoid GRS80 und der UTM-Abbildung abgelöst.
Das klassische Verfahren
Die "Lagerung" (Festlegung) eines Referenzellipsoids relativ zum Erdkörper erfolgt, indem die geografische Breite und Länge des Fundamentalpunktes astronomisch bestimmt und mit seiner ellipsoidischen Breite/Länge gleichgesetzt wird. Zusammen mit der genauen Richtung zu einem entfernten Triangulationspunkt wird dadurch die Rotationsachse des Ellipsoids parallel zu jener der wirklichen Erde. Der Mittelpunkt des Ellipsoids fällt allerdings nicht mit dem Erdmittelpunkt zusammen, weil das Schwerefeld jeder Region gewisse Unregelmäßigkeiten aufweist (siehe Geoid). Die Mittelpunkte können um einige 100 Meter differieren - je nach der Lage des Fundamentalpunktes in der Region und ihren geologischen Verhältnissen.
Diese Tatsache ist Vor- und Nachteil zugleich:
- vorteilig ist die bessere Anpassung eines regionalen Ellipsoids an die dort vorherrschende Erdkrümmung, und damit eine genauere Grundlage der Landesvermessung
- nachteilig ist die schwierigere Transformation zwischen Nachbarstaaten (die Koordinaten der Grenzpunkte differieren um bis zu 500m), und heutzutage die "Diskrepanzen" zu GPS-Ortungen.
Wichtige Fundamentalpunkte in Mitteleuropa sind der Hermannskogel bei Wien (542 m.ü.Adria) für die Staatsgebiete von Österreich, Ungarn, der früheren Tschechoslowakei und Jugoslawiens, sowie der Rauenberg bei Potsdam für die Staatsgebiete von Deutschland, Polen und benachbarte Regionen. Kleinere Vermessungsgebiete Mitteleuropas wurden auf andere Punkte bezogen, z.B. die Schweiz auf eine Sternwarte bei Bern oder Ostpreußen auf Königsberg.
In den 1920er Jahren gingen Deutschland, Österreich und andere Staaten auf das 3°-Streifensystem der Gauß-Krüger-Projektion über, doch spielen die früheren Fundamentalpunkte dennoch eine Rolle, z.B. bei der Analyse von Vermessungsnetzen und der Digitalisierung von älteren Daten des Katasters. In nächster Zeit wird der Übergang auf ein EU-einheitliches 6°-Bezugssystem erfolgen.
Literatur
[1] Heckmann, Bernhard: Einführung des Lagebezugssystems ETRS89/UTM beim Umstieg auf ALKIS; in: Mitteilungen des DVW Hessen-Thüringen, 1/2005; S.17ff.
[2] NIMA - National Imagery And Mapping Agency: Department of Defense World Geodetic System 1984; Technical Report, TR 8350.2, 3rd edition; January 2000.
[3] Heck, Bernhard: Rechenverfahren und Auswertemodelle der Landesvermessung; Karlsruhe, 1987.
Siehe auch: Bessel-Ellipsoid, Erdellipsoid, Vermessungsnetz, WGS 84
Weblinks
- MapRef - Europäische Referenzsysteme und Kartenprojektionen