Regelmäßiges Polygon

Ein regelmäßiges Polygon, reguläres Polygon, regelmäßiges Vieleck, reguläres Vieleck oder Isogon ist in der Geometrie ein ebenes Polygon, das sowohl gleichseitig, als auch gleichwinklig ist. Bei einem regelmäßigen Polygon sind demnach alle Seiten gleich lang und alle Innenwinkel gleich groß. Die Ecken eines regelmäßigen Polygons liegen alle auf einem gemeinsamen Kreis, wobei benachbarte Ecken unter dem gleichen Mittelpunktswinkel erscheinen. Die Symmetriegruppe eines regelmäßigen -Ecks ist die Diedergruppe bestehend aus genau Drehungen und Spiegelungen.
Regelmäßige Polygone können einfach oder überschlagen sein. Einfache regelmäßige Polygone sind stets konvex. Überschlagene regelmäßige Polygone werden als reguläre Sternpolygone bezeichnet. Regelmäßige Polygone werden unter anderem bei der Näherung der Kreiszahl , bei Parkettierungen, in der Architektur und als Symbol verwendet.
Definition
Ein Polygon mit den Seiten und den Innenwinkeln heißt regelmäßig, wenn
- und
gilt. In einem regelmäßigen Polygon sind demnach alle Seiten zueinander kongruent und alle Winkel gleich groß.
Klassifikation

Man unterscheidet einfache und überschlagene regelmäßige Polygone. Alle einfachen regelmäßigen Polygone mit Ecken sind zueinander ähnlich und werden in der kombinatorischen Geometrie mit dem Schläfli-Symbol bezeichnet. Um degenerierte Fälle auszuschließen wird in der Regel angenommen. Die ersten einfachen regelmäßigen Polygone sind
- das gleichseitige Dreieck ,
- das Quadrat ,
- das regelmäßige Fünfeck und
- das regelmäßige Sechseck .
Überschlagene regelmäßige Polygone werden reguläre Sternpolygone genannt und weisen eine größere Vielfalt an Formen auf. Sie werden mit dem Schläfli-Symbol bezeichnet, wobei die Windungszahl des Polygons um seinen Mittelpunkt angibt. Die Windungszahl muss dabei teilerfremd zu sein, ansonsten entartet das Polygon. Die ersten regelmäßigen Sternpolygone sind
- der Fünfstern ,
- die Siebensterne und sowie
- der Achterstern .
Sind und nicht teilerfremd, werden mit dem Schläfli-Symbol Sterne bezeichnet, die aus mehreren regelmäßigen Polygonen zusammengesetzt sind. Beispiele sind das Hexagramm und das Oktagramm .
Eigenschaften
Winkel

Die Ecken eines regelmäßigen Polygons sind konzyklisch, das heißt sie liegen alle auf einem gemeinsamen Kreis. Ein regelmäßiges Polygon ist damit ein Sehnenvieleck und besitzt so einen Umkreis mit Umkreisradius . Zudem liegen die Ecken eines regelmäßigen Polygons gleichabständig auf dem Kreis, das heißt nebeneinander liegende Ecken erscheinen unter dem gleichen Mittelpunktswinkel (Zentriwinkel)
- .
Damit ist ein regelmäßiges Polygon auch ein Tangentenvieleck mit einem Inkreis mit Inkreisradius . Der Inkreis berührt die Polygonseiten dabei in den Seitenmittelpunkten. Nachdem die Winkelsumme in einem einfachen -Eck stets ergibt, messen in einem einfachen regelmäßigen Polygon alle Innenwinkel
- .
Da sich an den Ecken eines Polygons Innen- und Außenwinkel zu ergänzen, sind in einem einfachen regelmäßigen Polygon auch alle Außenwinkel gleich groß und messen jeweils
- .
Längen

Die wichtigsten Kenngrößen einfacher regelmäßiger Polygone können mit Hilfe des Bestimmungsdreiecks, das von dem Mittelpunkt und zwei benachbarten Ecken des Polygons gebildet wird, ermittelt werden. Das Bestimmungsdreieck ist gleichschenklig mit dem Spitzenwinkel , den Basiswinkeln , den Schenkeln , der Basis und der Höhe . Wird das Bestimmungsdreieck entlang der Höhe (dem Apothema) in zwei rechtwinklige Dreiecke unterteilt, ergeben sich mit dem oben angegebenen Mittelpunktswinkel und den trigonometrischen Funktionen die folgenden Beziehungen zwischen der Seitenlänge , dem Umkreisradius und dem Inkreisradius :
Diagonalen

Von jeder Ecke eines regelmäßigen -Ecks gehen Diagonalen bis aus. Bei einem überschlagenen Polygon liegen diese Diagonalen dabei zum Teil außerhalb des Polygons. Die Länge der Diagonalen kann wiederum mit Hilfe des Bestimmungsdreiecks, dass von dem Mittelpunkt des Polygons und den beiden Endpunkten der Diagonale gebildet wird, ermittelt werden. Das Bestimmungsdreieck der -ten Diagonale, , ist wieder gleichschenklig und hat die Schenkel , die Basis und den Spitzenwinkel . Damit ergibt sich für die Länge der -ten Diagonale
- .
Ist die Eckenzahl des Polygons gerade, sind Diagonalen unterschiedlich lang, ist die Eckenzahl ungerade, gibt es verschieden lange Diagonalen.
Umfang und Flächeninhalt
Der Umfang eines einfachen regelmäßigen Polygons ist das -fache der Seitenlänge und damit
- .
Der Flächeninhalt eines einfachen regelmäßigen Polygons ergibt sich als das -fache der Fläche des Bestimmungsdreiecks:
- .
Die letzte Gleichung folgt dabei aus der Doppelwinkelformel.
Kenngrößen
Für einfache regelmäßige Polygone ergeben sich bei gegebenem Umkreisradius damit folgende Werte:
Polygon | Seitenlänge | Zentriwinkel | Innenwinkel | Umfang | Fläche |
---|---|---|---|---|---|
Gleichseitiges Dreieck | |||||
Quadrat | |||||
Regelmäßiges Fünfeck | |||||
Regelmäßiges Sechseck | |||||
Regelmäßiges Achteck | |||||
Regelmäßiges Zehneck | |||||
Regelmäßiges Zwölfeck | |||||
Regelmäßiges -Eck | |||||
Grenzwert (Kreis) |
Symmetrien

Die Symmetriegruppe eines regelmäßigen -Ecks ist die Diedergruppe . Die Diedergruppe weist die Ordnung auf und besteht aus
- Rotationen der zyklischen Gruppe und
- Spiegelungen an den Symmetrieachsen durch den Mittelpunkt des Polygons.
Ist gerade, dann verläuft die eine Hälfte der Symmetrieachsen durch zwei gegenüberliegende Ecken und die andere Hälfte durch zwei Mittelpunkte gegenüberliegender Seiten. Ist ungerade, dann verlaufen alle Symmetrieachsen durch eine Ecke und den Mittelpunkt der gegenüberliegenden Seite.
Zudem ist jedes regelmäßige Polygon punktsymmetrisch bezüglich seines Mittelpunkts.
Zerlegungen

Die Gesamtzahl aller Diagonalen in einem regelmäßigen -Eck ergibt sich zu (Folge A000096 in OEIS), da von jeder der Ecken Diagonalen ausgehen und bei diser Zählung alle Diagonalen doppelt gezählt werden. Bei einem einfachen regelmäßigen Polygon mit gerader Eckenzahl verlaufen alle Diagonalen durch den Mittelpunkt des Polygons. Bei ungerader Eckenzahl wird durch die Diagonalen im Inneren ein verkleinerte Kopie des Polygons gebildet. Die Anzahl der Teilpolygone, die durch eine vollständige Zerlegung eines einfachen regelmäßigen -Ecks entlang der Diagonalen entsteht, ergibt die Folge
Die Anzahl der in einer solchen Zerlegung sichtbaren Dreiecke findet sich in der Folge A006600 in OEIS. Die Anzahl der Möglichkeiten, ein einfaches regelmäßiges -Eck überschneidungsfrei entlang der Diagonalen in Teilpolygone zu zerteilen, wird durch die kleinen Schröder-Zahlen angegeben. Sollen diese Teilpolygone ausschließlich Dreiecke sein, wird die Anzahl der Möglichkeiten durch die Catalan-Zahlen angegeben.
Konstruktion
Zirkel und Lineal
Die Frage, welche regelmäßigen -Ecke unter ausschließlicher Verwendung von Zirkel und Lineal konstruiert werden kann, wurde bereits in der Antike untersucht, aber erst im 19. Jahrhundert von Carl Friedrich Gauß und Pierre Wantzel abschließend beantwortet. Demnach ist ein regelmäßiges Polygon genau dann mit Zirkel und Lineal konstruierbar, wenn die Zahl seiner Seiten das Produkt einer Potenz von mit paarweise voneinander verschiedenen fermatschen Primzahlen ist. Das kleinste nicht konstruierbare regelmäßige Polygon ist damit das regelmäßige Siebeneck.
Lässt man zur Konstruktion zusätzlich ein Hilfsmittel zur Dreiteilung eines Winkels (Trisektion) zu, so sind alle regelmäßigen Polygone mit Eckenzahlen der Form konstruierbar, wobei mit verschiedene Pierpont-Primzahlen größer als drei der Form sind. Auf diese Weise sind beispielsweise auch das regelmäßige Siebeneck, das regelmäßige Neuneck und das regelmäßige Dreizehneck konstruierbar, nicht jedoch das regelmäßige Elfeck.[1]
Konkrete Konstruktionsvorschriften für regelmäßige Polygone zu finden gestaltet sich jedoch mit wachsender Eckenzahl schnell als sehr aufwändig. Es gibt solche Konstruktionsvorschriften aber unter anderem für das 17-Eck, das 257-Eck und das 65537-Eck.
Koordinaten

Zur Berechnung der Eckpunkte eines regelmäßigen -Ecks können die komplexen Lösungen der Kreisteilungsgleichung verwendet werden. Die Polarkoordinaten des -ten Eckpunkts eines regelmäßigen -Ecks mit der Windungszahl (bei einfachen Polygonen ist ), dem Koordinatenursprung als Mittelpunkt, dem Umkreisradius und dem Drehwinkel haben so die einfache Form
- .
Für und entsprechen diese Eckpunkte gerade den -ten Einheitswurzeln in der komplexen Zahlenebene. In einem kartesischen Koordinatensystem lauten die Koordinaten des -ten Eckpunkts entsprechend
- .
Algorithmus
In Pseudocode kann ein regelmäßiges Polygon mit Ecken, der Windungszahl , dem Umkreisradius und dem Drehwinkel somit wie folgt dargestellt werden:
function regpoly(n,m,r,t)
for k = 1 to n // Schleife über die Seiten bzw. Ecken
w = 2*pi*m/n; // Mittelpunktswinkel
x1 = r*cos(k*w+t); // Koordinaten (x1,y1) des ersten Eckpunkts
y1 = r*sin(k*w+t);
x2 = r*cos((k+1)*w+t); // Koordinaten (x2,y2) des zweiten Eckpunkts
y2 = r*sin((k+1)*w+t);
line(x1,y1,x2,y2) // Linie von (x1,y1) nach (x2,y2)
end
Verwendung
Näherung von π

Archimedes setzte im 3. Jahrhundert v. Chr. erstmals regelmäßige Polygone ein, um die Kreiszahl mit Hilfe der Exhaustionsmethode näherungsweise zu berechnen. Hierzu verwendete er eine Folge von Polygonen, die einem Einheitskreis mit Radius ein- beziehungsweise umschrieben sind. Er begann dabei mit dem regelmäßigen Sechseck und führte die Reihe mit dem Zwölfeck, dem 24-Eck, dem 48-Eck bis hin zum 96-Eck fort. Auf diese Weise gewann er die Abschätzung
- .
Im Mittelalter setzten chinesische und persische Wissenschaftler diese Berechnungen mit dem 192-Eck und weiteren Polygonen fort. Ludolph van Ceulen führte im 16. Jahrhundert Berechnungen bis zum regelmäßigen -Eck durch und ermittelte so die Kreiszahl bis auf 35 Stellen genau. Allgemein ergeben sich durch die Approximation mit einem regelmäßigen -Eck Abschätzungen von der Form
- .
Die trigonometrischen Terme werden dabei mit Hilfe von Rekursionsformeln berechnet.
Geometrie

Regelmäßige Polygone können als Kacheln einer Parkettierung der Ebene verwendet werden. Wird nur ein regelmäßiges Polygon als Kachel zugelassen, wobei die Kacheln Kante an Kante angeordnet werden müssen, ergeben sich die drei platonischen Parkettierungen aus regelmäßigen Dreiecken, Vierecken und Sechsecken. Werden verschiedene regelmäßige Polygone als Kacheln zugelassen, wobei an den Ecken stets die gleiche Anordnung von Polygonen zusammenstoßen muss, erhält man die acht archimedischen Parkettierungen. Eine weitaus größere Vielfalt an Parkettierungen ergibt sich, wenn an den Ecken unterschiedliche Kombinationen von Polygonen zugelassen werden.
Im dreidimensionalen Raum bilden regelmäßige Polygone die Seitenflächen von regulären Polyedern. Wird nur ein regelmäßiges Polygon verwendet, wobei an den Ecken immer gleich viele Polygone zusammenstoßen müssen, erhält man die fünf platonischen Körper Tetraeder, Hexaeder, Oktaeder, Dodekaeder und Ikosaeder. Werden verschiedene regelmäßige Polygone als Seitenflächen zugelassen, wobei an den Ecken stets die gleiche Anordnung von Polygonen zusammenstoßen muss, ergeben sich die 13 archimedischen Körper sowie bestimmte Prismen und Antiprismen. Werden auch nichtuniforme Ecken zugelassen, erhält man die 92 Johnson-Körper. Mit manchen dieser Polyeder lässt sich auch der dreidimensionale Raum parkettieren.
Architektur

Regelmäßige Polygone werden gerne auch als Formen in der Architektur verwendet. Beispiele hierfür sind:
- das Pentagon in Washington, D.C. (Sitz des US-Verteidigungsministeriums)
- die Festung Rosenberg in Kronach mit einem Fünfeck als Grundriss
- das karolingische Oktogon im Grundriss des Aachener Doms
- das Castel del Monte in Apulien mit einem Achteck als Grundriss
Symbolik
Einige regelmäßigen Polygone haben neben der geometrischen auch eine symbolische Bedeutung, zum Beispiel das Dreieck und das Pentagramm. Verkehrszeichen haben häufig die Form eines regelmäßigen Polygons mit abgerundeten Ecken.
Siehe auch
Literatur
- H.S.M. Coxeter: Regular Polytopes. Courier Dover Publications, 1973.
Einzelnachweise
- ↑ Andrew Gleason: Angle Trisection, the Heptagon, and the Triskaidecagon. In: The American Mathematical Monthly. Band 95, Nr. 3, 1988, S. 185–194 (PDF).
Weblinks
- Regular Polygons. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org).
- Eric W. Weisstein: Regular Polygon. In: MathWorld (englisch).
- Wkbj79: Regular Polygon. In: PlanetMath. (englisch)
- Jürgen Köĺler: Regelmäßiges Vieleck. In: Mathematische Basteleien. 2005, abgerufen am 7. November 2014.