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Stadienbestimmung (Onkologie)

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Als Stadienbestimmung oder „Staging“ (englisch) bezeichnet man in der Onkologie das diagnostische Vorgehen im Anschluss an die Diagnose eines bösartigen Tumors. Es dient der Feststellung des Ausbreitungsgrades und damit als Basis für die Entscheidung, zu welcher Therapie dem Patienten geraten wird.

Methoden

Für die Stadienbestimmung einer Krebserkrankung werden alle Möglichkeiten der Diagnostik herangezogen. Bereits eine körperliche Untersuchung mit einfachen Hilfsmitteln liefert erste Hinweise, zum Beispiel auf die Beteiligung oberflächlicher Lymphknoten. Besonders wichtig sind beim Staging die bildgebenden Verfahren. Oft werden Biopsien aus dem Primärherd, aus Metastasen oder aus verdächtigen Lymphknoten entnommen. In manchen Situationen kann die Tumorausbreitung nur mit einer diagnostischen (explorativen) Operation (Chirurgie) geklärt werden. Wird Gewebe gewonnen, kann man zusätzlich aus der Histologie und der Zytologie auf die biologischen Eigenschaften des Tumors geschlossen werden (Grading; im pathologischen Befund ausgewiesen als G1, G2, G3, evtl. auch G4).

Systematiken

Verschiedene Systeme sind für das Staging entwickelt worden. Solide Tumoren werden normalerweise nach dem TNM-System klassifiziert. Dabei steht T für Tumor (dessen lokale Ausbreitung), N für node (Lymphknotenbefall) und M für Metastasen (Tochtergeschwulste außerhalb des primär betroffenen Organs). Jedem Buchstaben wird eine Zahl zugeordnet, die den jeweiligen Ausbreitungsgrad angibt. Die Bedeutung der Zahlen ist von der diagnostizierten Erkrankung abhängig. Die folgende Aufstellung zeigt als Beispiel die möglichen TNM-Stadien bei einem Karzinom der Prostata.

Tumor

  • TX: Tumor kann nicht klassifiziert werden.
  • T0: Kein Tumorverdacht.
  • T1: Tumor ist nicht tastbar und kann in der Bildgebung nicht gesehen werden.
  • T2: Tumorwachstum beschränkt sich auf die Prostata selbst.
  • T3: Tumor ist durch die Organkapsel gebrochen oder in die Samenbläschen hineingewachsen.
  • T4: Tumor ist mit anderen Beckenorganen verwachsen.

Lymphknoten

  • NX: Beckenlymphknoten können nicht untersucht werden.
  • N0: Keine Prostatakrebszellen in Lymphknoten.
  • N1: Prostatakrebs hat Lymphknoten befallen.

Metastasen

  • MX: Tumorausbreitung in andere Organe kann nicht beurteilt werden.
  • M0: Kein Hinweis auf Tochtergeschwulste anderswo im Körper.
  • M1: Prostatakrebszellen konnten außerhalb der Prostata nachgewiesen werden.

(American Joint Committee on Cancer (2002). Prostate. In: AJCC Cancer Staging Manual, 6th ed., pp. 309–316. New York: Springer-Verlag.)

Auf der Basis des TNM-Systems oder aufgrund anderer Kriterien wird die Erkrankung dann einem von vier mit römischen Zahlen benannten Stadien zugeordnet. Auch hier variieren die Kriterien und Konsequenzen entsprechend der Grunderkrankung, aber typischerweise bedeutet Stadium I einen lokalisierten Befund, Stadium II einen ausgedehnteren Befund mit prognostisch günstigen Merkmalen, Stadium III einen ausgedehnten Befund mit ungünstigen Merkmalen, und Stadium IV eine Erkrankung mit Fernmetastasen.

Stadium als Entscheidungsgrundlage

Für die Behandlung von Krebserkrankungen stehen verschiedene Therapieansätze zur Auswahl. Die meisten Behandlungsmethoden sind hochwirksam, aber auch mit erheblichen Nebenwirkungen und Gefahren belastet. Die Stadienbestimmung hilft, in der jeweiligen Situation die beste Auswahl zu treffen. In den Stadien I und II ist dies oft ein chirurgischer Eingriff mit Resektion des Tumors oder Entfernung des betroffenen Organs, gelegentlich ergänzt durch eine lokale Strahlentherapie. Bei weiterer Ausbreitung nützt eine Operation oft wenig. Stattdessen kann eine systemische Therapie (Strahlen- oder Chemotherapie) aussichtsreicher sein.

Wenn aufgrund des Stagings feststeht, dass eine Krebserkrankung nicht kurativ (mit Heilungsaussicht) behandelt werden kann, geht der Onkologe zurückhaltender vor und bietet eine palliative Therapie an, also eine, die die Verbesserung der Lebensqualität statt der Lebensverlängerung zum Ziel hat.

Die vorhandenen Stagingsysteme erheben nicht den Anspruch, die Ausbreitung einer Krankheit vollständig zu beschreiben. Sie ermöglichen vielmehr eine grobe Klassifikation, eine Einschätzung der Prognose und eine systematische Aufzeichnung des Verlaufs einer Erkrankung und des Erfolgs oder Misserfolgs einer Therapie. Der letztere Aspekt ist besonders wichtig, wenn es darum geht, die Erfahrungen an verschiedenen Behandlungszentren zu sammeln (Krebsregister) und für einen individuellen Patienten nutzbar zu machen.

siehe auch: Gleason-Score

[prostate cancerenglish]