Antagonist (Muskel)
Der Antagonist ist ein Muskel, der der Gegenspieler eines anderen Muskels, des Agonisten, ist. Das muskuläre Zusammenspiel von Gliedmaßen des Körpers, welches durch wechselweise Kontraktion der Beuge- und Streckmuskeln gekennzeichnet ist, wird auch als Gegenspielerprinzip bezeichnet. Den Gegenspieler bezeichnet man als Antagonist.
Die klassische Anatomie geht dabei davon aus, dass dieses Prinzip am Beispiel des Beuge- und Streckmuskeln am Arm grundsätzlich folgendermaßen beschrieben werden kann: Wenn der Beuger (Bizeps) beim Anbeugen des Arms aktiv verkürzt wird, wird dem entgegengesetzt zur gleichen Zeit der Strecker (Trizeps) passiv gedehnt. Wenn umgekehrt beim Ausstrecken des Arms der Strecker aktiv verkürzt wird, wird dabei der Beuger passiv gedehnt.
Tatsächlich wirken fast alle Antagonisten an der Bewegung mit und sind auch in Ruhe innerviert (Tonus). In vielen Fällen (z. B. Schultergelenk) wäre eine Bewegung ohne ein Auskugeln des Gelenks gar nicht möglich, wenn sich der Antagonist nicht in einem bestimmten Verhältnis zum Agonisten kontrahieren würde. Hierbei handelt es sich um eine exzentrische Kontraktion.
Auch gibt es zahlreiche Muskeln, die formal als Antagonisten gelten, aber als Synergisten wirken. Dieses ist vor allem bei über zwei Gelenke ziehenden Muskeln der Fall. Ein bekanntes Beispiel sind die Muskeln der sog. ischiocruralen Muskulatur, die an streckenden Bewegungen des Knies (Aufstehen aus dem Sitzen, Antreten beim Sprint usw.) beteiligt sind, obwohl ihnen in Bezug auf das Kniegelenk eine beugende Funktion zugeschrieben wird (Lombard'sches Paradoxon).
Das antagonistische Wirkungsprinzip ist auch bei der Pupillenreaktion zu beobachten, bei der die Vergrößerung und Verkleinerung durch Musculus dilatator pupillae und Musculus sphincter pupillae erfolgen.
Beispiel äußere Augenmuskeln
An jedem Auge existieren jeweils sechs äußere Augenmuskeln, die für seine koordinierten Bewegungen zuständig sind. Jeweils zwei von ihnen weisen eine ähnliche Muskelebene auf und drehen das Auge um eine fast identische Drehachse, dies jedoch jeweils in einer entgegengesetzten Drehrichtung. Diese Muskeln nennt man Antagonisten. Demgegenüber bezeichnet man Muskeln, die das Auge um eine ähnliche Drehachse in die gleiche Richtung bewegen, als Synergisten. Diese Terminologie findet auch dann Verwendung, wenn lediglich Teilfunktionen der jeweiligen Muskeln übereinstimmen oder einander entgegenwirken.[1] Sie ist nur für Duktionen, also Bewegungen eines Auges, vollständig anwendbar. Erweitert man die Betrachtung auch auf das Gegenauge um die Beschreibung von kontralateralen Synergisten und Antagonisten bei der Ausführung von binokularen Blickbewegungen, so muss diese Definition für Vergenzen, gegensinnige Augenbewegungen, eingeschränkt werden.
Die Bewegungen der Augen werden schließlich durch eine reziproke Änderung der Innervation vollzogen. So besagt das Gesetz von Sherrington, dass die Innervation eines Antagonisten in dem Maße nachlässt, in dem die des Agonisten zunimmt.[2] Dass dies auch in gleichem Maße für die kontralateralen Synergisten und Antagonisten des anderen Auges zutrifft, besagt das Heringsche Gesetz der seitengleichen Innervation.[3]
- Ipsilaterale (gleichseitige) Synergisten und Antagonisten im Hinblick auf die jeweilige Muskelfunktion
Agonist | Funktion | Synergisten | Antagonisten |
---|---|---|---|
M. rect. medialis | Adduktion |
M. rect. superior, M. rect. inferior |
M. rect. lateralis, M. obl. superior, M. obl. inferior |
M. rect. lateralis | Abduktion |
M. obl. superior, M. obl. inferior |
M. rect. medialis, M. rect. superior, M. rect. inferior |
M. rect. superior | Hebung
Innenrollung Adduktion |
M. obl. inferior
M. obl. superior M. rect. medialis, M. rect. inferior |
M. rect. inferior, M. obl. superior
M. rect. inferior, M. obl. inferior M. rect. lateralis, M. obl. superior, M. obl. inferior |
M. rect. inferior | Senkung
Außenrollung Adduktion |
M. obl. superior
M. obl. inferior M. rect. medialis, M. rect. superior |
M. rect. superior, M. obl. inferior
M. obl. superior, M. rect. superior M. rect. lateralis, M. obl. superior, M. obl. inferior |
M. obl. superior | Senkung
Innenrollung Abduktion |
M. rect. inferior
M. rect. superior M. rect. lateralis, M. obl. inferior |
M. rect. superior, M. obl. inferior
M. rect. inferior, M. obl. inferior M. rect. medialis, M. rect. superior, M. rect. inferior |
M. obl. inferior | Hebung
Außenrollung Abduktion |
M. rect. superior
M. rect. inferior M. rect. lateralis, M. obl. superior |
M. rect. inferior, M. obl. superior
M. obl. superior, M. rect. superior M. rect. medialis, M. rect. superior, M. rect. inferior |
- Grafische Darstellung der Beteiligung einzelner Muskeln (Synergisten) an den jeweiligen Drehbewegungen am Beispiel des rechten Auges
Literatur
- Lexikon der Biologie. 1. Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 2004. ISBN 3-8274-0326-X
- Th. Axenfeld (Begr.), H. Pau (Hrsg.): Lehrbuch und Atlas der Augenheilkunde. Unter Mitarbeit von R. Sachsenweger u. a., Stuttgart: Gustav Fischer Verlag, 1980, ISBN 3-437-00255-4
- Albert J. Augustin: Augenheilkunde. Berlin: Springer Verlag, 2007, ISBN 978-3540304548
Einzelnachweise
- ↑ Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a., Stuttgart: Enke, 1986, ISBN 3-432-95391-7, S. 38.
- ↑ Herbert Kaufmann: Strabismus. Unter Mitarbeit von W. de Decker u. a. Enke, Stuttgart 1986, ISBN 3-432-95391-7, S. 61 ff.
- ↑ Albert J. Augustin: Augenheilkunde. Springer-Verlag, 2007, ISBN 978-3-540-30454-8.