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Hunnen

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Der Begriff Hunnen ist eine Sammelbezeichnung für eine Gruppe zentralasiatischer Völkerschaften mit nomadischer, später halbnomadischer Lebensweise, die ursprünglich im Gebiet zwischen Issyk-Kul und Ulan-Bator beheimatet gewesen waren.

Die ursprüngliche Volksbezeichnung der hunnischen Stämme war wohl einst Turuken oder Türüken. Diese Volksbezeichnung bedeutet wohl "die Tapferen" oder "die Ehrenvollen" und wurde recht bald vom Adel (Khagan, Khan, Tajang, Batur u. a.) beansprucht. Statt dessen wurde nach der hunnischen Reichsgründung (209 v. Chr.) die Volksbezeichnung "Hunne" üblich und 174 v. Chr. durch den damaligen Hunnenkönig Mete Khan schriftlich als Volksname dem chinesischen Han-Kaiser übermittelt.

(Die Volksbezeichnung Turuk (= "Türük") selbst wurde über den Namen Turkut (= "Türküt") zum Vorläufer des mittelalterlichen Volksnamens Turk zum modernen Türk, zum Türken der Neuzeit. Dabei darf man nicht außer Acht lassen, daß die heutigen Türken - wie die Hunnen vor ihnen - ein Mischvolk darstellen. Und auf dieses Mischvolk wurde der Name des Turukenstammes übertragen bzw. von diesem übernommen. Die heutigen Ungarn benennen die heutigen Türkeitürken z. B. noch mit dem alten Namen: Török = "Turuk".)


Ursprünge

Es spricht heute vieles für eine Herkunft der Turuken, Hunnen und Hsing-nu aus der heutigen Mongolei und der angrenzenden Altai- und Sajangebirge.

Die Hunnen gingen demnach aus einer Verschmelzung verschiedener Altai- und Sajanvölker hervor. Dort vermischten sich über mehrere Jahrhunderte etliche iranisch-indogermanische Gruppen (Saken, Sarmaten) einerseits und mongolisch-tungusische Volksteile aus der Taiga sowie aus dem chinesischen Randgebiet vertriebene Viehzüchter andererseits. Die Chieh, einer der 19 Stämme der Hsiung-nu-Konföderation wurden z.B. an ihren langen Nasen und vollen Bärten erkannt (349 v. Chr.).

Im 8. Jhrd. v. Chr. verzeichnet man am Altai Pferdeschirrungen und das Fehlen fester Siedlungen. Den Chinesen waren diese Barbaren unter den nacheinander benutzten Sammel-Bezeichnungen Jung, Ti und Hu/Hiu-yun bekannt. Die Ti werden in zwei Feldzügen (714 und 541 v. Chr.) als zu Fuß kämpfend beschrieben. Die Hsiung-nu - laut gängiger Überlieferung ein "Zweig" ebendieser Hu/Hiu/Hiun-yun/Ti-Barbaren - waren aber Reiternomaden, wenn auch nicht vollständig (in Transbaikalien nicht).

Als legendenhafter Stammvater der Hunnen gilt Chungvi Khan (türkisch: Çungvi Han), der erstmals 1800 v. Chr. erwähnt wird. Im Jahre 1766 v. Chr. wird in Inschriften der chinesischen Xia-Dynastie erwähnt, dass Kia, das 17. Mitglied dieser Dynastie, entmachtet wurde. Dessen Sohn Sunni begründete nun mit 500 Stammesangehörigen den eigenständigen "Hui-Stamm". Dieses "Hui-Volk" wurde wohl zum tragenden Stamm der späteren Hunnen, da vor allem die heutige türkische Geschichtsschreibung sie als solchen bezeichnet. Sunni begründete vielleicht auch den bedeutenden "Aschina-" oder "Tukyu"-Klan", auf den sich alle späteren Hunnenherrscher (aber auch die ersten Führer der frühen "Gök-Türken") zurückführten.

Um 300 v. Chr. setzte sich nun bei diesem Mischvolk die Volksbezeichnung "Hunne" durch, während die alte Bezeichnung "Turuken" nur noch auf den hunnischen Erbadel angewendet wurde.


Die Hsiung-nu

Im 3. Jhrd. v. Chr. gründeten die Hsiung-nu unter Mao Tun (209 - 174 v. Chr.) ein großes Reich, das mehrfach Han-China bedrohte. Dieses Reich der "Groß-Hunnen" (türkisch: Büyük Hun) umfasste formal rund 18 Mio. km². In der Praxis bestanden die eingegliederten Stämme aber weiter, die Hsiung-nu tauschten nur die jeweilige Führungselite aus. Zudem hatte das einheitliche Reich keinen langen Bestand.

Es werden Elemente eines frühen Staates verzeichnet, die da sind: in bestimmten Bereichen geltende einheitliche Gesetze und Strafen, eine schnell einsetzbare militärische Gefolgschaft, eine von Mao-Dun geschaffene rudimentäre Zentralverwaltung mit mehreren Rangstufen und unter Laosheng (174 - 161 v. Chr.) auch eine Form staatlicher Steuern.

Die Hauptrivalen der Hisung-nu bei der Reichsgründung waren die Yüe-tschi. 160 v. Chr. löste der endgültige Sieg über die Yüe-tschi in der heutigen Provinz Kansu eine Völkerwanderung bis nach Baktrien aus, wo sich die Yüe-tschi und die mitgerissenen Saken (Teil der Skythen) nun niederließen.

Nach wiederholten Auseinandersetzungen besiegte Han-China die Hsiung-nu und drängte diese in ihr Stammland zurück. 119 v. Chr. erlitten die Hsiung-nu unter Mao-duns Enkel Yizhixie (126 - 114 v. Chr) eine schwere Niederlage beim heutigen Urga in der Mongolei, da der Schan-yü den Chinesen eine ungefährdete Durchquerung der Gobi nicht zugetraut hatte (General Huo Qubing).

In diesen Auseinandersetzungen wurde auch die Kontrolle über die Seidenstraße ein wichtiger ökonom. Faktor für die Hsiung-nu, so daß sich die Chinesen dort festsetzten (102/101 v. Chr. und 73 - 94, letzteres unter General Pan Chao).

Um 60 v. Chr. zerfiel der Herrschaft der Hsiung-nu in 5 Horden durch eine Folge von Bruderkämpfen, die von China gefördert wurden. Es gelang unter Hu-han-ye (58 - 31 v. Chr.) nocheinmal eine vorübergehende Einigung. Hu-han-yeh ging an den Hof des Han-Kaisers Chinas, unterwarf sich und triumphierte so über seine Rivalen (51 v. Chr.). Eine Horde unter Chih-chih blieb jedoch unabhängig und ließ sich in der Nachbarschaft der Alanen am Tschu nieder, wo Chih-chih 35 v. Chr. von den Chinesen überrascht und getötet wurde.

Das Hsiung-nu Reich erneuerte sich unter Hu-han-yeh´s Sohn Hudur-shi-dagao (18 - 45/6), der die späten Han gegen Wang Mang unterstützte. Aber im Jahr 48 rebellierten die südlichen Hsiung-nu unter ihrem Führer Khukhenye/Pi gegen Hudur´s Sohn P´u-nu alias Panu Khan (45/6 - 83) und unterwarfen sich dem Kaiser von China. In dem Krieg der beiden Brüder spalteten sich die Hsiung-nu in einen nördlichen (auch westlichen) Teil und in einen südlichen (auch östlichen) Teil auf.

Die Han hetzten sofort die benachbarten Stämme (Sien-pi, Wu-huan, Wu-sun, Ting-ling) auf die nördlichen (auch westlichen) Hsiung-nu und siegten. Im Jahr 87 töteten die protomong. Sien-pi (Xian-bi) den Schan-yü Yu-liu. In den Jahren 89 und 91 trugen zwei chin. Generäle große Siege an den Chi-la-Bergen und dem Altai davon. Sie vertrieben den geschlagenen Schan-yü an den Ili und setzten seinen Bruder Yu-chu-kien ein, der aber schon 93 von den Sien-pi besiegt und getötet wurde. Damit begann die Vorherrschaft der Sien-pi in der Steppe.

Trotzdem verzeichnet man im beginnenden 2. Jahrhundert noch einmal eine Einigung der Hsiung-nu. Als Tan-shi-huai (ca. 156 - 181) die Sien-pi zu ihrem Macht-Höhepunkt führte gaben die Nord-Hsiung-nu laut chinesischen Chroniken 158 Ostturkestan auf und ließen sich nördlich von Kang-chu nieder. Ab 166 rückte Tan-shi-huai (lt. Sien-pi-chuan) in der Dsungarei und im Gebiet der Wu-sun ein, erreichte den Ili.

Die Süd-Hsiung-nu, bis dahin in "Halbgefangenschaft" an der Großen Mauer (konkret in Shansi) gehalten, drangen unter Hu-chu-ch´üan (195 - 216) als Verbündete der untergehenden Han-Dynastie immer weiter nach Süden vor. Unter Liu Ts´ung, dem Attila Chinas (gest. 318) eroberten sie noch einmal die Hauptstädte Jin-Chinas, wurden aber schon 352 von den nachdrängenden Mujung-Sien-pi unter ihrem Khaqan Tsun vernichtet.


Diskussion über die Identität von Hunnen und Hsiung-nu

Es herrscht keine völlige Einigkeit über die Identität der Hsiung-nu mit den Hunnen. Gewisse Indizien sprechen jedoch dafür, dass beide Völkerschaften identisch waren:

  • beide Stämme sprachen türkisch (siehe hierzu auch: Hunnische Sprache),
  • beide wurden mit den gleichen Schimpfwörtern bedacht,
  • ihre Wanderung ist bis auf die Lücke von etwa 180 Jahren nachvollziehbar und
  • es existieren Briefe sogdischer Handelsleute aus dem 4. Jhrd., welche die Wörter "Hunnen" und "Hsiung-nu" synonym verwendeten (lt. Altheim)

Das Wort "Hunne" (Eigenbezeichnung der Hsiung-nu war wohl Hun bzw. Hunlar) ist ein alttürkisches mit der Bedeutung von "Mensch" oder "Volk". Es ist verwandt mit dem tungusischen Chun, das wohl "Kraft" oder "Mut" bedeutete. Das die Hunnen kurzfristig zum "Herrschervolk" im nördlichen China aufstiegen, belegt die Tatsache, daß Chün zur chinesischen Bezeichnung des Fürsten wurde.

Die "Hun" werden in einer chin. Chronik (lt. Haussig) auch als Unterstamm der Sien-pi verzeichnet, so daß die europäischen Hunnen durchaus auch im Kontext des Sien-pi-Reiches formiert worden sein könnten. Die von den Wolgabulgaren übermittelten Clannamen "Dulo" und "Ermi" weisen nur auf eine mittelasiatische Herkunft hin, speziell auf die Tul-oq, eine Untergruppe der Onoq und auf den Balchaschsee (lt. Altheim).


Die Hunnen

Im Verlauf ihrer Wanderung integrierten die ursprünglich noch stärker mongolisch geprägten Hsiung-nu/ Hunnen zunehmend indogermanische Gruppen, so dass sie in der europäischen Völkerwanderungszeit als ein reines Mischvolk anzusehen sind, das in seiner Sprache mehrheitlich "türkisch" war. Die ethnische Zusammensetzung lag im Auge des Betrachters, man neigte immer dazu den Volksteil hervorzuheben, der am fremdartigsten aussah. In Europa waren es die Mongoloiden, in China die Bartträger.

Der "Hunnensturm" kam im 4. Jahrhundert. Im Jahr 350 begannen Angriffe der Ost-Hunnen, in dem Fall der Chioniten (Rote Hunnen) gegen das Reich der Sassaniden unter Schapur II. (Baktrien). Im Jahr 375 setzte ein mit Teilen der iranischen Alanen liierter Zweig der Hunnen unter Belamir über die Wolga schlug die Ostgoten in Südrussland, vertrieb danach die Westgoten.

Nachdem Attila sich zum Alleinherrscher der Hunnenstämme gemacht hatte, wurden sie durch ständige Kriegszüge von Ungarn ('Hun-garn'= entstanden aus: Hun-Ogur = "hunnischer Ogure") aus eine Gefahr für das Römische Reich.

Das sich über weite Gebiete Ost- und Mitteleuropa erstreckende Hunnenreich (mit Zentrum an der mittleren Donau) unterliegt 451 dem vereinten Widerstand von Germanenstämmen und des Römischen Reichs: In der Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (Frankreich) wird König Attila (*um 395, † 453) von den Römern (Aëtius) und den mit ihnen verbündeten Westgoten (Theoderid) geschlagen. Unmittelbar nach Attilas Tod zerfiel das Reich in einem kurzen Bruderkrieg.

Die Chioniten eroberten bis 360 Baktrien, dazu Teile des Iran und drängten die Kidariten (eher die Reste der Yüe-tschi, unter Kidara) nach Afghanistan und Nordindien. Ihnen folgten die Weiße Hunnen genannten Hephthaliten, die 425 den Syr-daja überschritten und bis 450 die Herrschaft über die Chioniten übernahmen. Zu einem chronologisch unklaren Zeitpunkt (451 oder 484) endete auch die Zeit der Kidariten. Die Hephthaliten hatten wesentlichen Anteil am Niedergang des indischen Großreichs der Gupta.

Die Hephthaliten werden von den chin. Chroniken zu den Ta-Yüe-tschi gestellt. Laut dem Chronisten Prokop unterschieden sie sich in Lebensweise, Aussehen und Sitten auch von den europäischen Hunnen, trotzdem sind sie nach gängiger Betrachtung "Hunnen".


Sprachverwandtschaften des Hunnischen

Es spricht heute vieles für eine Herkunft der Turuken, Hunnen und Hsing-nu aus der heutigen Mongolei und der angrenzenden Altai- und Sajangebirge. Zum Beispiel, dass vor allem die Russen die Völker der heutigen Türken, Mongolen und Tungusen noch in der hiesigen Zeit als "Hunnische Völker" zusammenfassen.

Doch dürften vor allem die heutigen Mongolen und Türken mehr mit den Hunnen verwandt sein, als z. B. die Tungusen. Das ergibt sich aufgrund vieler übereinstimmender Begriffe des Grundwortschatzes.


Tabelle mit Sprachverwandtschaften zwischen...
Turuk-Hunnisch Göktürkisch Türkisch Mongolisch Deutsch
hun hun hun (heute: halk; aus dem Persisch-Arabischen) hün Mensch, Volk
ulus ulus ulus uls (altmongolisch: ulus) Lager, Stamm, Volk, Nation
tengri, tanry tengri, tanry tanrı tenger (daneben auch alttürkisch: tengri) Himmel, Gott
kok kök gök, mavi (aus dem Persischen; daneben: gökçe!) höh (daneben auch alttürkisch: qök) Blau, Himmel
tengeriz, dengiz tengis deniz tengis (mongolisches dalai nur noch in der Religion) Meer
khan oder qan khan han haan oder xaan (daneben auch alttürkisch: qan) Herrscher, König
khaghan oder qaqan khaghan kağan haan oder xaan (altmongolisch: hagan; daneben auch alttürkisch: qagan) Herrscher, Kaiser
khanum oder qanum khanum oder qanum hanum khatan (daneben auch alttürkisch: qanum) vornehme Dame, Herrscherin; heute auch Bedeutung von: Ehefrau
ordu ordu/orda ordu ördö Horde, Heer, Armee
orta orta orta örtö Gemeinschaft
altun/altyn altyn altın altan (daneben auch alttürkisch: altyn) Gold, golden
su su su us (daneben auch alttürkisch: su) Wasser
ak ak ak aq Weiß
khara khara, qara kara har (daneben auch alttürkisch: qara) Schwarz

Diese Auflistung beweist, dass vor allem die Alt-Türken als sprachliche "Erben" der alten Hunnen anzusehen sind. Die heutigen türkischen Hoch-Sprachen, Türkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch (= Oghusisch) und Usbeko-Uigurisch weisen aufgrund ihrer frühzeitigen Islamisierung seit dem 8. Jahrhundert einen großen arabisch-persischen Einfluss auf. Doch bereits in den Sprachen der Tataren, Kasachen und Kirgisen (= Kyptschakisch) nimmt dieser islamische Einfluss bereits merklich ab und in den Sprachen der Altai-Türken (= Kirgis-Kyptschakisch) fehlt er völlig. Die letzteren zeigen vielmehr einen fließenden Übergang ins Mongolische, während die nordöstliche türkische Sprache, das Nordtürkische, u. a. die Sprache der Jakuten, einen großen tungusischen Spracheinfluss aufweist. (Damit könnten die Turksprachen der hiesigen Zeit im aller weitesten Sinne als "hunnische" Sprachen betrachtet werden...irgendwie.)

Bei den europäischen Nachfahren der alten On(o)guren, den Erben der alten Hunnen Attilas, ist für den Laien nicht mehr und für einen türkischen Muttersprachler die hunnisch-türkische Herkunft dieses Wolgabulgarischen kaum noch zu bemerken - zu sehr gingen diese Hunno-Bulgaren in den benachbarten slawischen und finnischen Sprachen auf, während das hunno-bulgarische Donaubulgarische auf dem Balkan völlig verschwand.


Siehe auch: Geschichte der Mongolei

Liste der hunnischen Könige

Literatur

  • Maenchen-Helfen, Otto: Die Welt der Hunnen. Wiesbaden 1997.
  • Thomson, E.A.: The Huns. 1995