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Stiftskrypta Nörten

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Datei:141005 Nörten (10).JPG
Teilbereich der freigelegten Krypta mit Säule und zerschlagenem Altar

Die Stiftskrypta Nörten wurde bei Ausgrabungen im Jahr 2014 entdeckt. Ihre Reste liegen im Boden des Stiftsplatzes vor der katholischen St.-Martins-Kirche in Nörten-Hardenberg. Die Krypta wird als Teil eines Vorgängerbaus der heutigen, im Jahr 1895 geweihten Kirche angesehen. Anhand der Ausführung einzelner Bauteile lässt sich die Entstehung der Krypta auf 1130 bis 1140 datieren.

Entdeckung und Ausgrabung

Das Umfeld des etwa 20 × 60 Meter großen Stiftsplatzes und der St.-Martins-Kirche gelten als Keimzelle des Ortes Nörten, dessen Anfänge bis ins 10. Jahrhundert zurückgehen. Es war bekannt, dass es hier im Lauf der Zeit mehrere Kirchengebäude gab. Sie wurden wie der Ort wahrscheinlich durch Stadtbrände (in den Jahren 1599 und 1616) sowie Kriegsereignisse (1447, 1626) zerstört.

Aufgrund der geplanten Neugestaltung des Platzes kam es im Jahr 2013 zu archäologischen Maßnahmen, da im Boden historische Baurelikte vermutet wurden. Durch Untersuchungen mittels Georadar ließen sich im Untergrund des Platzes an einigen Stellen massive Baustrukturen feststellen.[1] Bei einem daraufhin durchgeführten Suchschnitt entdeckten Archäologen 35 Zentimeter unter dem Asphalt Fundamente.[2]

Bei baubegleitenden archäologischen Untersuchungen im Frühjahr und Sommer 2014 fanden sich verschiedene Mauer- und Turmfundamente von Kirchengebäuden sowie deren Anbauten aus dem 17. und 18. Jahrhundert; ebenso menschliche Knochen von Bestattungen im Umfeld der Kirche. [3] [4] Im September 2014 stießen Archäologen auf einem Rasenstück vor der St.-Martins-Kirche auf mittelalterliche Mauerreste sowie auf Steinplatten aus dem 17. Jahrhundert [5], die sie als Fußboden einer früheren Kirche identifizierten.[6] Dabei wurde eine mit Schutt und Erdreich verfüllte Krypta entdeckt, die teilweise freilegt wurde. Ursprünglich war geplant, die Grabung wegen der vorgesehenen Bauarbeiten nach kurzer Zeit zu beenden.[7] In Anbetracht des guten Erhaltungszustands und der wissenschaftlichen Bedeutung der Fundstätte wurde die Ausgrabung zunächst fortgesetzt. Sie führte zur Freilegung der Ost- und Südwand sowie des Westabschlusses der Krypta. Da die Nordwand teilweise unter dem Bau der heutigen St. Martins-Kirche liegt, konnte sie wegen der Gefährdung der Kirche nicht ergraben werden. [8]

Mitte Oktober 2014 entschieden der Flecken Nörten-Hardenberg und das Bistum Hildesheim, die Ausgrabungsstelle wieder zu verfüllen, da sich die Kosten für eine dauerhafte Präsentation und Begehbarkeit der Krypta im sechsstelligen Eurobereich bewegt hätten.[9][10] Der niedersächsische Landesarchäologe Henning Haßmann befürwortet aus konservatorischen Gründen eine baldige denkmalgerechte Verfüllung zum Schutz der Fundstätte.[11] Die Sicherung ist noch vor dem Winter notwendig, da in das Mauerwerk eingedrungene Feuchtigkeit durch Frost die Steine sprengen würde. Ebenso bestehe für die freigelegten Sandsteine die Gefahr des Austrocknens.[12] Vor dem Zuschütten mit farbigem Flusssand[13] wird die Krypta zur späteren 3D-Rekonstruktion elektronisch vermessen. [14] Später, wenn entsprechende Fördermittel vorhanden sind, kann die Fundstätte für weitere Grabungen jederzeit wieder geöffnet werden. [15] Die örtliche Kirchengemeinde engagiert sich für die sichtbare Erhaltung der Krypta und sammelt dafür Unterschriften.[16]

Beschreibung

Der Stiftsplatz und die St.-Martins-Kirche, vor der die Krypta liegt

Die Reste der Krypta befinden sich unmittelbar südlich vor der St.-Martins-Kirche und damit auf dem Grund des Bistums Hildesheim. [17] Da die Krypta wegen der Gefährdung der angrenzenden Kirche nicht völlig freigelegt werden konnte, werden ihre Maße auf 15 × 7 Meter geschätzt. [8]

Zum Bau der Krypta ist vorwiegend roter Sandstein verwendet worden, in dem sich einzelne weiße und grünliche Sandsteine sowie Steine aus Travertin finden. Das zweischalige Mauerwerk ist auf der Außen- und der Innenseite sorgfältig gemauert während das Innere mit Bruchsteinen verfüllt ist. Als einzelne Bauteile wurden drei Lichtnischen, ein zerbrochener Altar aus Stein und zwei Säulen, darunter eine mit einem romanischen Würfelkapitell erkannt. Es wird vermutet, dass der Bau über zwei Säulengänge mit jeweils 6 Säulen verfügte. Hinweise auf seine Entstehungszeit liefern die Basen der Säulen. Sie lassen sich anhand ihrer Ausführung dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts zuordnen.[12] Der gute Erhaltungszustand der Krypta ist laut der Archäologen auf die damalige Verwendung hochwertiger Baumaterialien zurückzuführen. An einigen Steinen fanden sich noch Gips- und Farbreste sowie Gewölbeanfänge.[8] Zu den Fundstücken zählen mehrere hundert Gegenstände; darunter eine Pistolenkugel aus Blei und ein sechseckiger eiserner Leuchter. [14]

Unter der Krypta werden die Reste einer noch älteren hölzernen Kirche als Vorgängerbau aus dem 8. Jahrhundert vermutet. Schriftquellen zufolge kam es zur Gründung der Pfarrkirche St. Martin zwischen den Jahren 741 und 768.[18]

Bewertung

Die Krypta wird als Teil eines Vorgängerbaus der heutigen St.-Martins-Kirche am Stiftsplatz angesehen. Historisch überliefert ist die Stiftsgründung für das Jahr 1055,[12] wobei zu diesem Zeitpunkt eine bereits bestehende Kirche vermutet wird. Die Funde weisen aber darauf hin, dass die Krypta erst um 1130 bis 1140 entstanden ist.[13] Die Archäologen nehmen an, dass die Krypta verschüttet wurde, nachdem 1626 im Dreißigjährigen Krieg Truppen des Braunschweiger Herzogs Christian der Tolle den Ort und die Kirche zerstörten. Dabei könnte auch der Altar der Krypta, der bei der Ausgrabung freigelegt wurde, beschädigt worden sein, um an eine darin eingemauerte Reliquie zu gelangen. [14] Überlieferungen zufolge wurde die Kirche zwischen 1636 und 1651 wieder aufgebaut.[8]

Die Baudenkmalpflege des Bistums Hildesheim betrachtet die Entdeckung der Krypta als archäologische Sensation[19] von europäischem Rang.[20] Auch andere Experten, wie der Bauforscher Cord Meckseper und Uwe Lobbedey als früherer Hauptkonservator des Westfälischen Museums für Archäologie, stufen die Entdeckung als herausragend ein.[12]

Einzelnachweise

  1. Hans-J. Oschmann: Nörtener Stiftsplatz birgt ein Geheimnis bei Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA) vom 5. März 2013
  2. Ute Lawrenz: Archäologen begleiten Baustelle in Nörten-Hardenberg beim Göttinger Tageblatt vom 25. April 2014
  3. Ute Lawrenz: Neue Funde auf dem Stiftsplatz in Nörten-Hardenberg beim Göttinger Tageblatt vom 16. Juli 2014
  4. Archäologen finden Knochen und eine Krypta in Nörten-Hardenberg bei Hessische/Niedersächsische Allgemeine (HNA).de vom 22. September 2014
  5. Ute Lawrenz: Grabung und Funde auf dem Stiftsplatz in Nörten-Hardenberg beim Göttinger Tageblatt vom 19. September 2014
  6. Nörtener können Grabungsstätte besichtigen bei HNA.de vom 19. September 2014
  7. Archäologen hoffen auf „Knüllerfund“ bei NDR.de vom 21. September 2014
  8. a b c d Rüdiger Wala: Archäologische Grabung in Nörten-Hardenberg. „Ein sensationeller Fund“ in: Kirchenzeitung vom 8. Oktober 2014
  9. Krypta-Ausgrabungen sollen zugeschüttet werden bei NDR.de vom 14. Oktober 2014
  10. Krypta in Nörten-Hardenberg wird zugeschüttet bei Göttinger Tageblatt vom 14. Oktober 2014
  11. Hans-J. Oschmann: Krypta in Nörten-Hardenberg: Sicherung ist oberstes Gebot bei HNA.de vom 17. Oktober 2014
  12. a b c d Ute Lawrenz: Historische Krypta in Nörten-Hardenberg bleibt vorerst geöffnet beim Göttinger Tageblatt vom 8. Oktober 2014
  13. a b Hans-Joachim Oschmann: Die Krypta vor der katholischen Kirche Nörten-Hardenberg wird zugeschüttet bei HNA.de vom 15. Oktober 2014
  14. a b c Anna Lischper: Krypta-Fund: Noch eine Woche sind Experten auf Spurensuche bei HNA:de vom 16. Oktober 2014
  15. Ute Lawrenz: [http://www.goettinger-tageblatt.de/Nachrichten/Goettingen/Uebersicht/1000-Jahre-alte-Krypta-in-Noerten-Hardenberg-wird-verschuettet 1000 Jahre alte Krypta in Nörten-Hardenberg wird verschüttet in: Göttinger Tageblatt vom 23. Oktober 2014
  16. Ute Lawrenz: Unterschriften für Erhaltung der Krypta in Nörten-Hardenberg in: Göttinger Tageblatt vom 26. Oktober 2014
  17. Ute Lawrenz: Fortführung der Grabung auf Nörtener Stiftsplatz in Aussicht gestellt beim Göttinger Tageblatt vom 24. September 2014
  18. Forscher: Reste der ältesten Kirche Niedersachsens in Nörten-Hardenberg bei HNA.de vom 12. März 2013
  19. Krypta-Ausgrabungen sollen zugeschüttet werden bei NDR.de vom 14. Oktober 2014
  20. Nörten-Hardenberg: Freigelegte Krypta gilt als Sensationsfund bei HNA.de vom 9. Oktober 2014

Koordinaten: 51° 38′ 3,4″ N, 9° 56′ 12,5″ O