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Assyrisches Reich

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Das assyrische Reich existierte ca. 1000 Jahre, vom 17. Jahrhundert vor Christus bis zu seiner vollständigen Vernichtung um 608 v. Chr. Es ist von der Forschung in drei Perioden eingeteilt worden: das alt-, mittel- und neuassyrische Reich. Das neuassyrische Reich (ca. 750–620 v. Chr.) gilt als das erste Großreich der Weltgeschichte.

Die Assyrer waren semitische Einwanderer, die sich ca. seit dem 2. Jahrtausend v. Chr. am mittleren Tigris niedergelassen hatten und dort ein Reich errichteten, das im 8. Jahrhundert v. Chr. zum Großreich aufstieg. Die Kultur Assyriens war wie die der Akkader sumerisch beeinflusst, jedoch lassen sich auch Einflüsse der Hurriter sowie der Iranier feststellen. Insofern stand der Volkstypus den Babyloniern nahe.

Die Sprache der Assyrer ist Assyrisch, ein akkadischer Dialekt. Die Assyrer zeichneten sich einerseits durch ihre kriegerische Aktivität aus, vollbrachten aber auch hohe kulturelle Leistungen. Ihr Hauptgott war Assur, der auch Schutzgottheit der alten gleichnamigen Hauptstadt war.

Aufstieg zur Regionalmacht – das altassyrische Reich

Alter Orient

In der Nachfolge der sumerischen Reiche gewann Assur an Bedeutung, als es die nördlichen Gebiete von Babylon eroberte, und wurde unter Schamschi-Adad I. (König der Gesamtheit, 1745 v. Chr.–1712 v. Chr) zu einer Regionalmacht in Mesopotamien; jedoch wurde das Zweistromland zu großen Teilen weiterhin von Babylon dominiert.

Es folgte eine Zeit unter den Hurritern, bis sie von Salmanassar I. besiegt wurden. Durch einen Hethitereinfall wurde Assyrien geschwächt. In der Endphase des altassyrischen Reiches, das von 1800 v. Chr. bis 1375 v. Chr. dauerte, wurde Assyrien ein Vasallenstaat der Mitannis (ab 1450 v. Chr.).

Die Levante war zwischen Hethitern, Mitanni und Assyrern umkämpft. Die durch das aufstrebende Ägypten im Süden und die Hethiter im Norden geschwächten Mitanner unterlagen Assyrien unter Schalmaneser (etwa 1400 v. Chr.).

Übernahme der Vormachtstellung in Mesopotamien – das mittelassyrische Reich

Assur-uballit I. – der Wegbereiter

Assyrien übernahm die Vormachtstellung in Mesopotamien unter König Assur-uballit I. (1363 v. Chr.–1328 v. Chr.). Sein Vater Eriba-adad (1392 v. Chr.–1366 v. Chr.) konnte Assyrien von der Vasallenschaft Mitannis befreien, gegen den von den Hethitern eingerichteten Nachfolgestaat Hanigalbat mussten die Assyrer aber auch weiterhin schwere Kämpfe austragen, um sich in Obermesopotamien als Macht etablieren zu können. Um seine Position auch im südlichen Mesopotamien zu festigen, hatte Assur-uballit seine Tochter mit dem babylonischen König verheiratet; als deren Sohn bei einem Aufstand in Babylon getötet wurde, schritt der assyrische König ein und installierte einen neuen Herrscher in Babylon, was Assyrien die kurzzeitige Kontrolle über die Stadt brachte.

Tukulti-ninurta – erster Höhepunkt der Macht

Tukulti-ninurta (1243–1207) legte sich nach Siegen über die Hethiter und die Babylonier stolz den Titel „König der Gesamtheit“ zu. Unter ihm werden außerdem erstmals Deportationen der Bevölkerung aus den unterworfenen Gebieten erwähnt – eine Praxis, die im späteren neuassyrischen Großreich zum probaten Mittel werden sollte. Etwa 3 km nördlich von Assur ließ sich der König eine neue Residenz errichten; diese wurde aber bereits kurze Zeit später wieder aufgegeben, nachdem Tukulti-ninurta von seinen eigenen Söhnen bei einer Palastrevolution getötet worden war. Durch diese inneren Unruhen geschwächt, musste das mittelassyrische Reich Babylon an den Herrscher des westiranischen Reiches Elam abgeben. Erst unter König Assur-rescha-ischi I. (1132–1115) begann Assyrien erneut, Expansionspolitik zu betreiben; damit ebnete er seinem Nachfolger Tiglatpileser I. den Weg.

Tiglatpileser I. – Ausdehnung bis zum Mittelmeer und erster Niedergang

Tiglatpileser I. (1114–1076) konnte auf neue Waffen mit enormer Durchsetzungskraft zurückgreifen, denn sie waren erstmals aus Eisen gefertigt. Der neue König konnte den assyrischen Machtbereich enorm erweitern. Im Süden waren die in Babylon ansässigen Kassiten bereits sehr schwach, so dass die erneute Einnahme der altehrwürdigen Stadt wohl nicht sehr schwer fiel. Im Norden war das seit Jahrhunderten bestehende Reich der Hethiter zu Grunde gegangen; dadurch konnte Tiglatpileser in seinen Feldzügen in ganz neue Gebiete vordringen und das assyrische Reich bis zum Taurus und der Küste des Mittelmeeres erweitern. In seinen Inschriften stellt der König die Fahrt mit einem Boot, auf dem er ein Meerestier (wohl einen Delphin) erlegte, als großen Höhepunkt seiner Herrschaft dar. In der Folgezeit konnten die Nachfahren Tiglatpilesers dieses große Reich aber nicht mehr zusammenhalten. Insbesondere gegen die einwandernden Aramäer gingen weite Teile der Territorien wieder verloren. Es sollte lange bis zu einem erneuten Erstarken des assyrischen Reiches dauern, denn in den folgenden Jahren wurde die antike Welt durch bis heute nicht ganz geklärte Ereignisse erschüttert. Mehrere Reiche verschwanden vollständig von der Bildfläche, und auch die Assyrer wurden auf ihr Kerngebiet im nördlichen Mesopotamien zurückgedrängt.

Das Neuassyrische Großreich

Assurnasirpal II. – ein erster Höhepunkt neuassyrischer Macht

Nachdem die unmittelbaren Vorgänger von Assur-Nasirpal II. (883–859 v. Chr.) durch zahlreiche Feldzüge die Vormachtstellung Assyriens im mesopotamischen Tiefland wieder hergestellt hatten, konnte der neue König daran gehen, auf diesen Anfangserfolgen aufzubauen. In mehreren Schlachten brachte er die Routen zum Mittelmeer, die bereits unter Tiglatpileser I. kurzfristig kontrolliert worden waren, wieder unter assyrische Herrschaft. Um sie durch dauerhafte Präsenz zu sichern, legte Assurnasirpal II. in diesen Gebieten Garnisonen an und ging gegen Aufstände mit brutaler Grausamkeit vor. Sein Sohn Salmanassar III. (858–824) schob die Grenze des assyrischen Reiches noch weiter in Richtung auf das südliche Syrien und Israel vor. Angesichts der drohenden Gefahr schlossen sich mehrere Fürstentümer zu einer Allianz zusammen, der unter anderm Israel und der König von Damaskus angehörten. In der Schlacht von Karkar 853 v. Chr. konnte diese Koalition aus ansonsten rivalisierenden Herrschern den assyrischen Vormarsch stoppen. Áuch im Norden leistete ein neues Reich namens Urartu Salmanassar erfolgreich Widerstand und konnte sich als dauerhafter Gegner der Assyrer etablieren.

Innere Krisen

In den nächsten 80 Jahren konnte das neu eroberte Reich aber wieder nicht gehalten werden; bedingt durch innere Krisen, die bereits zu Lebzeiten Salmanassars entstanden, mussten sich die folgenden Herrscher wieder mehr auf die Schlichtung innerer Konflikte konzentrieren und Gebietsverluste hinnehmen. Vor allem das Königreich Urartu machte den Königen enorm zu schaffen; aufgrund seiner bergigen Landschaft war es kaum zu erobern und stellte gleichzeitig eine enorme Bedrohung für das assyrische Kernreich dar. So war das neuassyrische Reich beim Regierungsantritt Tiglatpilesers III. an einem neuen Tiefpunkt seiner Geschichte angelangt.

Tiglatpileser III. – Begründer des neuassyrischen Großreiches

„Auf meinem zweiten Feldzuge lenkte ich den Weg nach Ägypten [...] und zog bis nach Theben, der Stadt seiner Stärke. Er sah das Heranrücken meiner gewaltigen Schlacht, verließ Theben und floh [...]. Diese Stadt ganz und gar eroberten im Vertrauen auf Asúr und Istar meine Hände. Schwere Beute ohne Zahl erbeutete ich aus Theben. Über Ägypten [...] ließ ich meine Waffen funkeln und [...] kehrte wohlbehalten nach Niniveh, meiner Residenz, zurück.“

So überliefern es die Annalen Assurbanipals, des Großkönigs von Assyrien, (667 v. Chr.). Wer war dieser Mann, dessen Imperium sich vom Persischen Golf bis ins ferne Theben erstreckte und der über mehr Untertanen herrschte als je ein Mann vor ihm? Wie entstand dieses riesige Reich, das nur 60 Jahre später wieder vernichtet werden sollte? Es begann im Jahr 744 v. Chr. mit der assyrischen Expansion in Mesopotamien.

Reform der Provinzeinteilung

Als Tiglatpileser III. den Thron bestieg, befand sich das assyrische Reich auf einem Tiefpunkt seiner Geschichte. Das Land war durch Seuchen, innere Unruhen und den Machtanstieg des im Norden angrenzenden Königreichs Urartu geschwächt. Bis heute ist nicht genau geklärt, wie Tiglatpileser an die Macht kam. Da seiner Königskrönung eine Militärrevolte vorausging, gehörte er wahrscheinlich nicht zur bis dahin herrschenden Dynastie. Emil Forrer vermutet, Tiglatpileser sei Statthalter einer der riesigen Bezirke des assyrischen Reiches gewesen. Diese Verwalter hatten im Lauf der Zeit einen enormen Machtzuwachs erfahren, die bis zur Erblichkeit des jeweiligen Gebietes führte. Für die Annahme, dass Tiglatpileser Statthalter eines Bezirks war, würde sprechen, dass er sofort nach seiner Machtübernahme daran ging, diese systematisch zu verkleinern. Vermutlich war ihm aus eigener Erfahrung bewusst, dass unter den bestehenden Verhältnissen ein Statthalter mächtig genug sein konnte, um die herrschende Dynastie – sprich ihn selbst – vom Thron zu stoßen. So finden wir ab der Zeit Tiglatpilesers die doppelte Zahl eingetragener Bezirke für das Reich. Diese von seinen Nachfolgern übernommene Regelung stellte die Grundvoraussetzung dar für die Feldzüge, die Tiglatpileser nun zur Vergrößerung des Reiches unternahm.

Auf dem Weg zum Großreich

Stets galt das Hauptinteresse der assyrischen Könige bei ihren Expansionen dem Mittelmeer und damit dem Zugang zum Handel. In mehreren Schlachten gelang es Tiglatpileser, die Fürstentümer des heutigen Syrien und Libanon zu erobern und im Jahr 733 v. Chr. bis Aram (Damaskus) vorzudringen, das er umschloss und belagerte. Damaskus war noch nie zuvor von einem assyrischen König erobert worden, und Tiglatpileser berichtet von seinem größten Erfolg in seinen Annalen: „Jener (der König von Damaskus) floh allein, um sein Leben zu retten, und ging durch das Tor seiner Stadt wie eine Gans. […] 45 Tage lang lagerte ich um seine Stadt und hielt ihn gefangen wie einen Vogel im Käfig.“ Über den Fall der Stadt wird hier nicht berichtet, die Forschung stimmt darin überein, dass dieser im Jahr darauf erfolgt sein muss. Jedenfalls spielt Damaskus ab dieser Zeit als Gegner Assyriens keine Rolle mehr und Tiglatpileser kann sein Herrschaftsgebiet bis nach Palästina und Gaza an die ägyptische Grenze ausweiten: „Hanno von Gaza […] floh zum Lande Ägypten. Gaza... eroberte ich.“ Damit erstreckte sich das assyrische Reich bereits vom heutigen Israel bis zum persischen Golf. Nun ging Tiglatpileser daran, das eroberte Gebiet fester in sein Reich einzubinden.

Deportationen und Grausamkeit

Bereits 100 Jahre zuvor hatten die Könige Assurnasirpal und Salmanassar III. das assyrische Gebiet ähnlich ausgeweitet, jedoch nicht verstanden, es längerfristig zu behaupten. Dies wollte Tiglatpileser nicht wiederholen, und er begann, die eroberten Gebiete ebenso wie das Kernland in kleinere Distrikte aufzuteilen, die er ihm genehmen Statthaltern übertrug. Außerdem griff Tiglatpileser rigoros zum Mittel der Massendeportation. Während Tausende von treuen Landsleuten in den Grenzgebieten angesiedelt wurden, mussten die meisten der dort lebenden Stämme den weiten Weg ins assyrische Kernland antreten: „Tausende in die Provinz der Turtanu, 10.000 in die Provinz des Palastboten, [...] tausend in die Provinz des obersten Mundschenks, Tausende in die Provinz Barhalzi, 5.000 in die Provinz Mazamua, die ich aufteilte und wo ich siedeln ließ. Ich vereinte sie; ich behandelte sie als Bewohner Assyriens.“ Alleine für die Regierungszeit Tiglatpilesers wird mit der Deportation von mehreren 100.000 Personen gerechnet. Ziel dieser Politik war einerseits die stärkere Vermischung der Bevölkerung, um die Gefahr eines nationalen Aufstandes zu verhindern; zum anderen wurde damit aber auch eine sprachliche Vereinheitlichung der verschiedenen Volksgruppen gefördert. Die trotz dieser Vermischung immer wieder auftretenden Aufstände schlug Tiglatpileser mit brutaler Gewalt grausam nieder. Nachdem Tiglatpileser nun den ganzen vorderen Orient kontrollierte, ergab sich in den letzten Jahren seiner Regierung noch einmal ein Problem, das zu einem Novum in der weit zurückreichenden Geschichte Mesopotamiens führen sollte.

Pulu, König von Babylon

In der altehrwürdigen Stadt Babylon regierte seit 747 v. Chr. König Nabunasir von Gnaden Tiglatpilesers. Da er eine starke Herrschaft ausübte und die assyrischen Besitztümer nördlich des persischen Golfes unter Kontrolle hatte, gab es für Tiglatpileser keinen Grund einzugreifen. Dies änderte sich, als nach dem Tod Nabunasirs in Babylon Thronwirren ausbrachen, die die Südgrenze Assyriens gefährdeten. Die Forschung ist sich über die nun folgende Machtübernahme Tiglatpilesers nicht einig, doch liefert die babylonische Chronik einen relativ detaillierten Bericht: „Nadinu […] setzte sich in Babylon auf den Thron. Im Jahre 2 wurde Nadinu in einem Aufstand getötet. […] Sumu-ukin, […] am Aufstand beteiligt, setzte sich auf den Thron. Ukin-zir […] bemächtigte sich des Thrones. Im dritten Jahre Ukin-zirs zog Tiglatpileser nach Akkad […] und nahm Ukin-Zir gefangen. Tiglatpileser bestieg in Babylon den Thron.“ Damit kam es unter Tiglatpileser, der sich als babylonischer König unter dem Namen Pulu krönen ließ, erstmals zu einer Personalunion der Throne Assyriens und Babyloniens. Als Tiglatpileser 727 v. Chr. starb, hinterließ er seinem Sohn Salmanassar V. ein Reich ungeheuren Ausmaßes, das sich sowohl im Inneren als auch nach außen hin relativ stabil und gefestigt präsentierte. Es gab jedoch ein Reich, das Tiglatpileser während seiner Regierung nicht erobern konnte, das im Gegenteil immer wieder an die Grenzen Assyriens stieß und sich anschickte, zu einem ebenbürtigen Gegner der mesopotamischen Zentralmacht aufzusteigen.

Urartu – Gefahr aus dem Norden

Im Bergland nördlich der Euphratebene hatte sich bereits unter den Vorgängern Tiglatpilesers – wahrscheinlich ironischerweise durch die Bedrohung Assyriens – aus mehreren Kleinfürstentümern das Königreich Urartu entwickelt, das dem aufstrebenden neuassyrischen Reich zunehmend Widerstand leisten sollte. So war Tiglatpileser auf seinem Weg zum Mittelmeer bereits auf eine urartäische Armee getroffen, die er nach heftigem Kampf aber nach Norden zurückschlagen konnte: „Sardauri vom Lande Urartu fiel von mir ab und (…) im Lande Kista und dem Lande Halpi schlug ich ihn bis zur Vernichtung.“ Auf Dauer konnte das den urartäischen Widerstand aber nicht brechen und zwei Jahrzehnte später sollte es erneut zu einer – diesmal entscheidenden – Schlacht kommen.

Sargon II. – Das Reich im Zenit seiner Macht

Gepflügelter Stier aus Khorsabad (Louvre)
Gepflügelter Stier aus Khorsabad (Louvre)

Salmanassar V., der Sohn Tiglatpilesers, sollte sich nicht lange auf dem Königsthron halten. Wie wir aus den Quellen seines Nachfolgers erschließen können, hatte er es gewagt, die Sonderstellung der heiligen Stadt Assur abzuschaffen. In der darauf folgenden Revolte 722 v. Chr. fiel Salmanassar einem Mordanschlag zum Opfer; es heißt, der Gott Assur habe ihn für seinen Frevel gestürzt. Über die Herkunft seines Nachfolgers Sargon II. ist so gut wie nichts bekannt. Sein Name, der übersetzt „rechter Herrscher“ bedeutet und somit eine Überbetonung der Legitimität darstellt, lässt die Forschung darauf schließen, dass er wohl nicht der bis dahin herrschenden Dynastie angehörte. Ein weiteres Indiz dafür könnte auch die Tatsache sein, dass sich Sargon immer als von Gott eingesetzt betrachtet, aber nie seine Vorgänger nennt: „Sargon, (…) der Günstling der großen Götter, (…) welchem Assur und Merodach ein Königthum ohne gleichen verliehen und dessen Namens Ruf sie an die Spitze berufen haben.“

Nachdem Sargon die Ruhe im Reich wieder hergestellt hatte, wandte er sich zuerst gegen Babylon, wo ein Fürst namens Marduk-apla-iddina (biblisch: Merodochbaladan) die Wirren genutzt hatte, um sich auf den Thron zu setzen. Sargon berichtet in seiner großen Prunkinschrift von einem Sieg gegen die Allianz aus Babyloniern und dem König von Elam: „[…] brachte ich Humbanigas von Elam in der Vorstadt von Duril eine Niederlage bei.“ Einen gänzlich anderen Bericht über diese Schlacht liefert uns aber die babylonische Chronik: „Im zweiten Jahre Merodoch-Baladans lieferte Umbanigas, König von Elam, in dem Bezirke Dur-ilu Sargon, dem König von Assyrien, eine Schlacht. Er überzog Assyrien mit Verwüstung und erschlug ihrer viele. Merodach-Baladan und seine Leute, welche zur Hilfe des Königs von Elam gekommen waren, kamen nicht mehr zur rechten Zeit zur Schlacht und zogen hinterher.“ Sargon hat hier also in Wahrheit eine Niederlage erlitten, die er aber durch ein geschicktes Stillhalteabkommen mit Marduk-apla-iddina auf einen minimalen Schaden reduzieren konnte.

Entscheidungsschlacht gegen Urartu

Nach der Niederlage im Süden wandte sich Sargon II. wieder dem Mittelmeer zu. Es gelang ihm, sein Reich bis nach Zypern und Kleinasien auszuweiten und dann mit den dort ansässigen Phrygern einen Waffenstillstand zu schließen. Unausweichlich jedoch war die Tatsache, dass es früher oder später zur entscheidenden Schlacht gegen Urartu kommen würde. Wie gespannt das Verhältnis zum Königreich im Norden war, zeigt der unentwegte Briefwechsel Sargons mit seinen Statthaltern im Norden; so waren die Assyrer durch ein ganzes Heer an Spionen genauestens über alle Truppenbewegungen informiert, bis im Jahr 714 v. Chr. Sanherib, Kronprinz und Chef des Geheimdienstes, seinem Vater die entscheidende Information sandte: „An den König [...]. Der Ukkaen hat mir [diese Botschaft] geschickt: Die Truppen des Königs von Urartu wurden auf seinem Feldzug gegen die Kimmerier vernichtend geschlagen.“ Nun sah Sargon II. seine Chance zum entscheidenden Schlag gekommen, und er wusste sie zu nutzen: „Ursa von Urartu schlug ich auf dem unzugänglichen Berge Uaus und 250 seiner königlichen Sippe nahm ich gefangen. 55 starke mit Mauern versehene Städte seiner acht Gebiete nebst elf seiner Burgen eroberte und verbrannte ich. […] Musasir, das auf Ursa von Urartu sich verlassen […] hatte […] bedecke ich mit Truppenmassen heuschreckengleich. […] Ursa […] hörte, dass Musasir zerstört, sein Gott fortgeschleppt sei, und nahm sich […] mit dem eisernen Dolche seines Gürtels das Leben.“ Urartu konnte sich von dieser gewaltigen Niederlage zwar noch einmal erholen, stellte aber für Assyrien keine Bedrohung mehr dar.

Babylon kommt erneut unter assyrische Herrschaft

Mit dem Sieg über Urartu 714 v. Chr. hatte Sargon die größte Bedrohung für das mesopotamische Kernland ausgeschaltet. Es galt nun, die Schmach der Niederlage gegen Merodochbaladan zu rächen und Babylon zurückzuerobern. 710 v. Chr. zog Sargon gegen Marduk-apla-iddina, der daraufhin nach Süden in die Sümpfe floh. Die ländlichen Gebiete südlich von Babylon verwüstete Sargon, während er die alten Residenzstädte im Norden verschonte. Sargon zog als Sieger in Babylon ein und ließ sich dort zum König krönen. Allerdings führte er diesen Titel in Zukunft – wahrscheinlich wegen der damit verbundenen Verpflichtungen – wohl nicht, wie aus einer seiner Inschriften hervorgeht: „Palast Sargons, des großen Königs, des mächtigen Königs, des Königs der Gesamtheit, des Königs von Assur, des Machthabers von Babel.“ Gegenteilige Meinungen in der Forschung sind damit wahrscheinlich nicht korrekt.

Bau einer neuen Residenzstadt – Dur Scharrukin entsteht

Eines der größten Anliegen Sargons war der Bau einer neuen Residenzstadt in der Nähe des heutigen Khorsabad, zu dem er bereits 717 den Auftrag erteilte. Vor allem in den letzten, ruhigen Jahren seiner Herrschaft forcierte er diesen Plan mit allen Mitteln: „Baute ich […] oberhalb Ninives eine Stadt und nannte Dur Scharrukin ihren Namen. […] Jene Stadt bewohnt zu machen […] plante ich bei Tag und bei Nacht.“ Die Anlage, die 706 v. Chr. fertig gestellt wurde, ist jedoch nie zu einer funktionsfähigen Hauptstadt geworden, da Sargon bereits ein Jahr später bei einem Feldzug ums Leben kam und sein Sohn Sanherib den Regierungssitz nach Ninive verlagerte.

Die Sprache

Das in Nordmesopotamien gesprochene Assyrisch bildet gemeinsam mit dem Babylonischen Südmesopotamiens die akkadische Sprache. Akkadisch wurde jedoch schon zur sargonischen und neubabylonischen Zeit vom Aramäischen verdrängt. Aramäer hatten sich in der Region um Mesopotamien herum angesiedelt und ihre Sprache wurde gewollt von den babylonischen und assyrischen Königen überall verbreitet. Assyrisch blieb jedoch die offizielle Sprache, in der auch die amtlichen Schriftstücke abgefasst wurden, deren Zeugnisse in Form gebrannter Tontafeln erhalten geblieben sind. Das in Keilschrift geschriebene Akkadisch nimmt schon unter den Sargoniden die Stellung ein, die Latein im mittelalterlichen Europa hatte.

Assurbanipal – Blütezeit und Niedergang

Innerhalb von 40 Jahren hatten Tiglatpileser und Sargon Assyrien zum größten Reich ausgebaut, das Vorderasien bis dahin hervorgebracht hatte. Die Nachfolger Sargons, Sanherib und Assurhaddon, konnten ihr Herrschaftsgebiet durch zahlreiche Feldzüge und brutales Vorgehen gegen Aufstände halten und sogar noch ausbauen. Als Assurhaddon 669 v. Chr. auf einem Feldzug gegen Ägypten starb, übernahm sein Sohn und Kronprinz Assurbanipal die Regierung. Dieser sollte zwei Jahre später mit der Einnahme Thebens, der Hauptstadt Oberägyptens, die größte territoriale Ausdehnung des neuassyrischen Reiches erreichen. Unter der 40-jährigen Herrschaft Assurbanipals (668–627) erlebte das Land noch einmal eine Blütezeit: „ [...] ließ Ramman seinen Regen los, öffnete Ea seine Wasserhöhlen, ward das Getreide fünf Ellen hoch in seinen Ähren, ward die Ähre 5/6 Ellen lang, ließen die Baumpflanzungen die Frucht üppig werden, hatte das Vieh beim Werfen Gelingen. Während meiner Regierungszeit kam der Überfluss massenhaft herab, während meiner Jahre stürzte reichlich Segen hernieder.“ Doch es kam unter Assurbanipal auch zu blutigen Kämpfen, darunter ein Bruderkrieg mit Schamasch-sum-ukkin, dem König von Babylon, durch den das Reich nachhaltig geschwächt wurde.

Aufstand des Schamasch-sum-ukkin, König von Babylon

Assurhaddon hatte sich bereits während seiner Regierungszeit mit seiner Nachfolgeregelung auseinandergesetzt. Er selbst war als einer der jüngeren Söhne Sanheribs nur dank der Fürsprache seiner energischen Mutter Nakia auf den Thron gelangt. Diese beeinflusste ihn nun auch bei der Festlegung seiner Thronfolge. So ernannte er den jüngeren Assurbanipal zum zukünftigen König von Assyrien, während dessen älterer Bruder Schamasch-sum-ukkin den Thron in Babylon besteigen sollte. Diese Regelung sollte sich jedoch im Jahr 652 v. Chr. als verhängnisvoll erweisen. Während das Bruderverhältnis in den ersten Jahren noch loyal gewesen war, verbündete sich Samas-sum-ukkin nun mit dem König von Elam und wandte sich gegen Assurbanipal. Nach zweijähriger Belagerung Babylons gelang Assurbanipal schließlich die Eroberung der ausgehungerten Stadt, die er mit aller Härte bestrafte: „Zu dieser Zeit geschah es, dass die Leute von Akkadu [= Babylon], welche auf Seiten des Sammuges [=Samas-sum-ukkin] standen und Böses planten, der Hunger erfasste, und sie gegen ihren Hunger das Fleisch ihrer Söhne und Töchter aßen; und Asur, Sin […], die vor mir hergingen und meine Widersacher unterjochten, warfen Sammuges, den feindlichen Bruder […] in eine brennende Feuerstelle und vernichteten sein Leben. [...] Kein Einziger entrann. […] Ihr zermetzeltes Fleisch ließ ich Hunde, Schweine und Geier […] essen.“ Nach der Einnahme Babylons zog Assurbanipal nach Elam weiter, dessen Hauptstadt Susa er eroberte und damit dem Reich ein Ende machte.

Letzte Jahre des Assurbanipal und Niedergang

Aus den letzten Jahren des Assurbanipal wird über keine weiteren Feldzüge berichtet, so dass es sich hier wohl noch einmal um eine stabile Phase des Reiches gehandelt hat. Die gut erhaltenen Reliefs Assurbanipals zeigen ihn so auch oft bei der Löwenjagd, die als besondere Leidenschaft des Großkönigs galt. Die Darstellungen zeigen ihn bei übermenschlichen Kämpfen, in denen der König der Tiere durch die Nähe des Großkönigs zum gewöhnlichen Wild degradiert wird. Wann genau Assurbanipal starb, ist wegen der für diese Zeit schlechten Quellenlage nicht bekannt, es wird aber wohl um das Jahr 627 v. Chr. gewesen sein. In den nächsten zehn Jahren, über die wenig bekannt ist, änderten sich die Machtverhältnisse dann anscheinend grundlegend. 616 v. Chr. zog ein babylonisches Heer unter dem neuen König Nabopolassar nach Assyrien, 614 fiel die ehrwürdige Stadt Assur und 612, nach langem Kampf, auch Ninive. Damit war das assyrische Reich faktisch am Ende. Der letzte Assyrerkönig, der sich in den Restteil Assyriens geflüchtet hatte, fand 608 den Tod. Das Ende Assyriens bedeutete gleichzeitig den Aufstieg Babylons zur vorherrschenden Macht in Mesopotamien. Unter Nabopolassar und vor allem seinem Sohn Nebukadnezar II. sollte sich noch einmal für 50 Jahre ein Großreich unter babylonischer Führung etablieren, bis auch diesem dann durch den Perserkönig Kyros II. endgültig ein Ende gesetzt wurde. Um 539 v. Chr. war mit dem Fall Babylons das endgültige Ende der beiden großen mesopotamischen Kulturen gekommen, während eine noch größere Macht in die Geschichte eintrat: das Perserreich.

Gründe für den Niedergang

Um die möglichen Gründe für den plötzlichen Niedergang des Reiches genauer zu beleuchten, kehren wir noch einmal zurück zur Einnahme von Theben im Jahr 667. Vermutlich waren bereits hier, zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung, die Vorzeichen gegeben für den späteren Niedergang: Das neuassyrische Reich war nach neuerem Forschungsstand ein System, das einzig und alleine auf Expansion ausgerichtet war. Die eroberten Gebiete wurden durch Deportationen und die verschwendungssüchtigen Könige so lange ausgeblutet, bis nur eine weitere Expansion in Frage kam, um den Lebensstandard der Führungsschicht zu halten. Um die immer weiter entfernten Gebiete unter Kontrolle zu halten, mussten immer mehr Assyrer aus dem Kernland umgesiedelt bzw. zu Verwaltungsaufgaben abgezogen werden. Die daraus resultierende Unproduktivität des Kernlandes führte wiederum zur Ausbeutung der eroberten Gebiete und zu damit zwingend nötigen weiteren Expansionen; dass dieser Teufelskreis irgendwann zwangsläufig zur Katastrophe führen musste, ist offensichtlich. So waren wohl bereits bei der Eroberung Thebens die Ressourcen an Verwaltungspersonal wegen der riesigen Entfernung komplett überfordert. Dies führte jedoch nicht zu einem sofortigen Zusammenbruch, wie sich an der 40-jährigen Herrschaft Assurbanipals zeigt. Das bereits instabil gewordene Reich konnte sich durch einen starken König, reiche Ernten und relativ wenige Unruhen an den Außengrenzen noch einmal behaupten. Doch schließlich kam es durch das Zusammentreffen mehrerer negativer, weitgehend unbekannter Parameter (evtl. schwache Herrscher, Aufstand in Babylon, Erstarken der Meder) zum endgültigen und totalen Kollaps. Die Folge war nicht nur ein Einbruch an den Rändern, sondern der komplette Zusammenbruch des ganzen Reiches bis hin zum Kern. Solche und ähnliche Zusammenbrüche expansiver Imperien sollten sich im Lauf der Geschichte auf vielfältige Weise wiederholen.

Siehe auch

Literatur

Quellen

  • Riekele Borger: Die Inschriften Asarhaddons, König von Assyrien. Weidner, Graz 1956 (Neudr. Biblio, Osnabrück 1967 =Archiv für Orientforschung, Bh. 9).
  • David G. Lyon: Keilschrifttexte Sargon's, Königs von Assyrien. 722-705 v. Chr. Leipzig 1883. (Neudr. Zentralantiquariat, Leipzig 1977)
  • Simon Parpola: The Correspondence of Sargon II. Part I and II. Helsinki Univ. Press, Helsinki 1987. ISBN 951-570-003-5
  • Wolfgang Schramm: Einleitung in die assyrischen Königsinschriften II. in: Handbuch der Orientalistik (HdO). Hrsg. v. Berthold Spuler. Brill, Köln 1973. ISBN 90-04-03783-7 (Brill, Leiden 1953ff.) ISSN 0921-5239
  • Maximilian Streck: Assurbanipal und die letzten assyrischen Könige bis zum Untergang Ninivehs. II. Teil – Die Inschriften Assurbanipals. Hinrichs, Leipzig 1916. (Neudr. Zentralantiquariat, Leipzig 1975).
  • Hayim Tadmor: The Inscriptions of Tiglath-Pileser III., King of Assyria. Israel Academy at Sciences & Humanities, Jerusalem 1994. ISBN 9652081116
  • Kazuko Watanabe: Die adé-Vereidigung anlässlich der Thronfolgeregelung Assarhaddons. in: Baghdader Mitteilungen. Hrsg. v. Deutschen Archäologischen Institut. Gbr. Mann, Berlin 1987. ISBN 3-7861-1446-3

Allgemeine Literatur