Bundespräsident (Deutschland)
Der Bundespräsident ist das Staatsoberhaupt der Bundesrepublik Deutschland. Seine Amtssitze sind das Schloss Bellevue in Berlin und die Villa Hammerschmidt in Bonn. In der Ausübung seiner Aufgaben unterstützt ihn das Bundespräsidialamt. Der Bundespräsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren von der Bundesversammlung gewählt. Derzeitiger Amtsinhaber ist Johannes Rau. Am 1. Juli 2004 wird er durch Horst Köhler abgelöst. Vorübergehend wird wegen Bauarbeiten am Schloss Bellevue der neue Bundespräsident im Schloss Charlottenburg arbeiten.
Aufgaben und Befugnisse
Der Bundespräsident hat in seiner Funktion als Staatsoberhaupt vor allem repräsentative Aufgaben. Er vertritt die Bundesrepublik völkerrechtlich, beglaubigt diplomatische Vertreter und hat auf Bundesebene das Begnadigungsrecht.
Im Politischen sind seine Aufgaben und Befugnisse hauptsächlich auf der formalen Ebene angesiedelt:
- Unterzeichnung und Verkündigung der Bundesgesetze (durch Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt). Hierbei hat er ein formales Prüfungsrecht, ob diese verfassungsgemäß zustande gekommen sind. (Die Existenz eines materiellen Prüfungsrechtes ist in der Rechtswissenschaft umstritten).
- Vorschlagen des Bundeskanzlers zur Wahl sowie dessen Ernennung bzw. Entlassung.
- Ernennung und Entlassung von Bundesministern auf Vorschlag des Bundeskanzlers
- Ernennung und Entlassung von Bundesrichtern, Bundesbeamten, Offizieren und Unteroffizieren, sofern nichts anderes durch Anordnungen und Verfügungen bestimmt ist.
In all diesen Fällen ist der Bundespräsident nur Ausführender. Wirkliche politische Befugnisse wachsen dem Amt nur in eng umrissenen Ausnahmesituationen zu. So kann er in zwei Fällen den Bundestag auflösen: Sollte bei der Wahl des Bundeskanzlers der vorgeschlagene Kandidat für dieses Amt auch im dritten Wahlgang nur eine relative Mehrheit erhalten, hat der Bundespräsident die Möglichkeit, ihn zu ernennen (Minderheitsregierung) oder aber den Bundestag aufzulösen. Ebenso kann der Bundespräsident den Bundestag nach einer gescheiterten Vertrauensfrage auflösen. Dies geschah in der bundesdeutschen Geschichte bisher zweimal. 1972 löste Gustav Heinemann den Bundestag auf, 1982 Karl Carstens. (Allerdings wurde diese Situation in beiden Fällen von den jeweiligen Regierungsfraktionen bewusst herbeigeführt, um gewünschte Neuwahlen zu ermöglichen). Außerdem ist der Bundespräsident, mit Zustimmung des Bundesrats, befugt, den Gesetzgebungsnotstand zu erklären.
Diese schwache Position des Bundespräsidenten ist eine Reaktion auf die Erfahrungen der Weimarer Republik. Während der Beratungen des Parlamentarischen Rates herrschte weitgehender Konsens aller Beteiligten, dass dem Präsidenten nicht wieder eine solch überragende Stellung im politischen System zukommen sollte wie seinerzeit dem Reichspräsidenten (zum Beispiel Paul von Hindenburg).
Aus dieser Konstellation ergibt sich, dass der Bundespräsident politische Wirkung hauptsächlich durch Reden erzielt, die gesellschaftliche Debatten aufgreifen oder anstoßen. Als Beispiele hierfür gelten die Weizsäcker-Rede anlässlich des 40. Jahrestages der Beendigung des Zweiten Weltkrieges (1985) und die so genannte 'Ruck-Rede' Roman Herzogs von 1997 (siehe Weblinks). Wie kein anderer Spitzenpolitiker ist der Präsident unabhängig von der Tagespolitik und kann daher wesentlich freier als andere Politiker Themen und Zeitpunkt seiner Äußerungen bestimmen, die der Überparteilichkeit verpflichtet sind (bis auf Gustav Heinemann ließen alle bisherigen Präsidenten ihre Parteimitgliedschaft für die Dauer der Amtszeit ruhen). Eine weitere, bislang ungebrochene, ungeschriebene Regel ist, dass ein ehemaliger Bundespräsident keine weiteren politischen Ämter mehr anstrebt, sondern allenfalls als elder statesman am öffentlichen Leben teilnimmt.
Die Vertretung des Bundespräsidenten wird durch den Bundesratspräsidenten wahrgenommen.
Präsidentenanklage und Amtsenthebung
Während seiner Amtszeit genießt der Bundespräsident Immunität. Der Bundespräsident kann nicht abgewählt werden. Die einzige Möglichkeit ihn seines Amtes zu entheben ist die Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht nach Artikel 61 GG.
Die Präsidentenanklage kann auf Antrag eines Viertel der Mitglieder des Bundestages oder des Bundesrates durch Beschluss mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag oder Bundesrat beim Bundesverfassungsgericht eingereicht werden. Nach Erhebung der Anklage kann das Bundesverfassungsgericht per einstweiliger Anordnung erklären, dass der Präsident an der Ausübung seines Amtes verhindert ist. Kommt es im Verfahren dann zu dem Schluss, der Bundespräsident habe vorsätzlich gegen das Grundgesetz oder gegen ein Bundesgesetz verstoßen, kann es ihn des Amtes entheben.
Das Instrument der Präsidentenanklage ist in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland bisher noch nie angewendet worden.
Wahl des Bundespräsidenten und Vereidigung
Der Präsident wird von der Bundesversammlung ohne Aussprache und geheim gewählt. Bei der Wahl muss ein Kandidat die absolute Mehrheit auf sich vereinen, erst wenn dies in zwei Wahlgängen keinem Kandidaten gelingt, reicht in einem dritten Wahlgang die relative Mehrheit aus. Die Wahl erfolgt auf fünf Jahre, eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Staatsrechtler sind überwiegend der Meinung, dass die Formulierung »Anschließende Wiederwahl ist nur einmal zulässig« im Artikel 54 des Grundgesetzes mehr als zwei Amtszeiten einer Person gestattet, sofern die zusammenhängenden Zeiten zehn Jahre jeweils nicht übersteigen. Wählbar ist jeder Deutsche, der das 40. Lebensjahr vollendet hat und das passive Wahlrecht besitzt.
Die Zusammensetzung der Bundesversammlung spiegelt das föderative System der Bundesrepublik Deutschland: Sie besteht aus den Mitgliedern des Bundestags und ebenso vielen von den 16 Landesparlamenten gewählten Wahlmännern. Üblicherweise handelt es sich hierbei um Landtagsabgeordnete und einige Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, z.B. aus Wirtschaftsverbänden oder Prominente, wobei alle Mitglieder der Bundesversammlung (also auch die Vertreter aus Wirtschaft und Prominenz) mit der Annahme ihrer Wahl bis zum Zusammentreten der Bundesversammlung Immunität genießen. Der Bundestagspräsident hat den Vorsitz der Bundesversammlung inne.
In einer gemeinsamen Sitzung von Bundestag und Bundesrat wird der neue Bundespräsident am Tag des Amtsantritts (üblicherweise der 1. Juli) vom Bundestagspräsidenten vereidigt. Der Eid lautet nach Artikel 56 GG: »Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.« Die religiöse Beteuerung kann auch weggelassen werden.
Kandidatenauswahl
Die Kandidatenauswahl im Vorfeld der eigentlichen Bundespräsidentenwahl ist stark von der absehbaren parteipolitischen Stimmverteilung in der Bundesversammlung und entsprechenden parteitaktischen Überlegungen geprägt. Je nach Ausgangslage versuchen die beiden großen Parteien, in einem (wie auch immer gearteten) innerparteilichen Prozess einen Kandidaten zu finden, für den sich in der Bundesversammlung eine Mehrheit organisieren lässt. Im Allgemeinen erfolgt auch dies bereits im Vorfeld mittels Absprachen zwischen einzelnen Parteien.
Kritik/Diskussionen
Die Dominanz von parteitaktischen Überlegungen bei der Kandidatenauswahl (statt der Persönlichkeit der möglichen Kandidaten) und häufige Absprachen im Vorfeld, die die Wahl durch das eigentlich zuständige Gremium zur reinen Formalität herabwürdigen, führten zu Diskussionen, eine Direktwahl des Bundespräsidenten durch das Volk zu ermöglichen. Befürworter argumentieren, eine Direktwahl durch das Volk würde das gesamte Wahlverfahren transparenter machen und Entscheidungen wieder aus politischen Hinterzimmern in das Licht der Öffentlichkeit bringen. Gegner einer Direktwahl meinen, dass eine Direktwahl den Prinzipien einer repräsentativen Demokratie zuwider laufen würde und außerdem das Amt des Präsidenten zu wenig Machtbefugnisse habe, um für eine Direktwahl in Frage zu kommen. Darüberhinaus würde das Amt sowie die Person des Bundespräsidenten im notwendig werdenden Wahlkampf beschädigt werden.
Zur Einführung einer Direktwahl wäre eine Verfassungsänderung notwendig.
Am 23. Mai 1999 wurde Johannes Rau (SPD) zum 8. deutschen Bundespräsidenten gewählt. Rau konnte sich im zweiten Wahlgang mit 690 Stimmen gegen die Ilmenauer Hochschulprofessorin Dagmar Schipanski (CDU) mit 572 Stimmen und die von der PDS nominierten Theologieprofessorin Uta Ranke-Heinemann mit 62 Stimmen durchsetzen. Nachdem im ersten Wahlgang keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erreicht hatte, stellte die FDP-Fraktion ihren Mitgliedern die Abstimmung im zweiten Wahlgang frei. Da eine deutliche Mehrheit der FDP-Delegierten daraufhin für Rau votierte, erhielt dieser im zweiten Wahlgang eine absolute Mehrheit.
CDU/CSU und FDP einigten sich auf Horst Köhler als gemeinsamen Kandidaten, während SPD und Grüne Gesine Schwan als Kandidatin nominierten.
Da die Unionsparteien mit der FDP zusammen über 622 Sitze verfügen (dies sind 19 Stimmen mehr als für die absolute Mehrheit erforderlich), galt Köhlers Wahl als relativ sicher. Er wurde am 23. Mai 2004 von der Bundesversammlung im ersten Wahlgang bei 1204 abgegebenen Stimmen, davon 2 ungültige und 9 Enthaltungen, mit 604 Stimmen gewählt. Für die absolute Mehrheit nötig waren 603 Stimmen.
Köhler übernimmt am 1. Juli 2004 das Amt vom scheidenden Bundespräsidenten Johannes Rau.
Deutsche Bundespräsidenten seit 1949
Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland | ||
Name (Partei) | Amtszeit | Wahl(en) |
---|---|---|
Theodor Heuss (FDP) | 12. Sept. 1949¹ - 12. Sept. 1959 | 1949/1954 |
Heinrich Lübke (CDU) | 12. Sept. 1959 - 30. Juni 1969 | 1959/1964 |
Gustav Heinemann (SPD) | 1. Juli 1969 - 30. Juni 1974 | 1969 |
Walter Scheel (FDP) | 1. Juli 1974 - 30. Juni 1979 | 1974 |
Karl Carstens (CDU) | 1. Juli 1979 - 30. Juni 1984 | 1979 |
Richard von Weizsäcker (CDU) | 1. Juli 1984 - 30. Juni 1994 | 1984/1989 |
Roman Herzog (CDU) | 1. Juli 1994 - 30. Juni 1999 | 1994 |
Johannes Rau (SPD) | seit 1. Juli 1999 Ende der Amtszeit am 30. Juni 2004 |
1999 |
Horst Köhler (CDU) | ab 1. Juli 2004 | 2004 |
¹ Vom 7. bis 12. September 1949 übte Bundesratspräsident Karl Arnold gleichzeitig auch das Amt des Bundespräsidenten aus.
Heinrich Lübke war katholisch, alle anderen Bundespräsidenten evangelisch.