August Merges
August Ernst Reinhold Merges (* 3. März 1870 in Malstatt-Burbach (Saarbrücken); † 6. März 1945 in Braunschweig) war deutscher Politiker und Revolutionär, Mitglied der verschiedener kommunistischer und syndikalistischer Organisationen. Einer der Wortführer der Novemberrevolution in Braunschweig, Präsident der Sozialistischen Republik Braunschweig, Abgeordneter der [[Verfassungsgebenden Nationalversammlung|Weimarer Nationalversammlung]] und des Braunschweiger Landtags. Nach 1933 war Merges Mitglied in einer Widerstandsgruppe gegen das NS-Regime. Er starb an den Folgen von Misshandlungen durch die Gestapo.
Leben
August Merges wurde am 3. März 1870 in Malstatt-Burbach, einen heutigen Stadtteil von Saarbrücken geboren. Merges war von Geburt an behindert, so dass die Ärzte davon ausgingen, dass er bald sterben würde. August Merges blieb Zeit seines Lebens sehr klein und hatte einen Buckel, was ihm den Spitznamen "Krummer August" einbrachte (Rother, S. 274; Bein, Stadt und Herzogtum, S. 239).
Sein Vater schickte ihn zunächst in eine Schneiderlehre. Danach lernte er in der Zuschneideakademie in Berlin. Seine Gesellenzeit absolvierte er in Bremen.
1899 ging er nach Delligsen im Kreis Gandersheim, wo er als Schneider arbeite. Er wurde für die SPD Mitglied im Gemeinderat und trat als Agitationsredner auf.
1900 wird sein Sohn Alfred geboren (Köster). Er hatte einen weiteren Sohn, Walter, und vermutlich eine Tochter und zwei weitere Kinder .
1906 hörte er auf in seinem Beruf zu arbeiten und war als bezahlter Funktionär für die SPD in Hildesheim und Alfeld an der Leine tätig. Dort verwaltete er das Gewerkschaftshaus. Er nahm u.a. an den Demonstrationen der Arbeiterbewegung gegen das drei Klassenwahlrecht und für demokratische und gleiche Wahlen im Land Braunschweig teil (Bein, Stadt und Herzogtum).
1911 zog er mit seiner Familie nach Braunschweig, wo er eine Kunststopferei betrieb. Er arbeite außerdem zunächst als Anzeigenwerber für den "Braunschweiger Volksfreund" und wurde dann Herausgeber und Redakteur dieser sozialdemokratischen Zeitung (Bein, Stadt und Herzogtum, S. 239).
1914 - 1918: Agitation gegen den 1. Weltkrieg
Anfang 1915 wird von August Merges, Sepp Oerter und August Thalheimer der "Revolutionsclub" gegründet. Er steht der „Spartakusbund“ nahe. Über Tahlheimer und Merges besteht Kontakt zur Berliner "Zentrale".
Dem "Revolutionsclub" gehören ca. 15 Personen an, die in Opposition gegen den Kriegsunterstützung des SPD-Vorstandes stehen. Die Hälfte der Mitglieder sind Funktionäre der SPD und der Gewerkschaft, die andere Hälfte oppositionelle Jugendliche aus dem "Bildungsverein". Besonders für die Jugendlichen ist Merges Vorbild und Bezugspunkt.
Merges gehört zu den Erstunterzeichnern eines Protestbriefes, den die Gruppe Internationale am 9. Juni 1915 an den Vorstand der SPD schreibt und darin das Ende der Unterstützung der Kriegspolitik fordert (Bartel, S. 240).
Anfang 1916 nennt sich der „Revolutionsclub“ in „Spartakusgruppe Braunschweig“ um. Die Gruppe diskutiert ihre Leitsätze in den Versammlungen der SPD und wird schnell zum bestimmenden Faktor innerhalb der Partei. In fast allen Betrieben gelingt es Vertrauensleute des Spartakus zu etablieren.
Im gleichen Jahr wird wird Merges wegen "antimilitaristischer Aktivitäten gegen den Krieg" in Schutzhaft genommen (Berger, S. 110 - Anm.: Berger ist der einzige, der das berichtet).
1917 spaltet sich die SPD in USDP und Mehrheitssozialdemokratie (MSPD) und Merges wird Mitglied der USPD (die in Braunschweig im Gegensatz zum Reich die Mehrheit stellte) (Rother, S. 274). Er war gleichzeitig Mitglied des Spartakusbund und arbeitete aktiv bei den Internationalen Kommunisten Deutschlands mit.
Am 3.11.1918 spricht Merges bei einer illegalen Protestkundgebung mit ca. 1000 Teilnehmern. Bei der Kundgebung sollte eigentlich Karl Liebknecht sprechen, der aber kurzfristig absagte.
1918 - 1919: Novemberrevolution und Sozialistische Republik Braunschweig
Merges, der als als geschickter Redner und Agitator massiven Einfluss auf die politischen Streiks der Zeit hatte trug in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des örtlichen Arbeiter- und Bauernrates dazu bei, dass der letzte Braunschweigische Welfen-Herzog Ernst August am 8. November 1918 zur Abdankung gezwungen wurde (und Braunschweig anschließend verließ).
Der Arbeiter- und Soldatenrat übernahm darauf hin die öffentliche Gewalt in Braunschweig. Bereits zwei Tage später, am 10. November 1918, wurde eine Alleinregierung der USPD durch den Arbeiter- und Soldatenrat ausgerufen. Merges wurde zum ersten Präsidenten der „Sozialistischen Republik Braunschweig“ ernannt. Kurzzeitig war er damit auch Mitglied der Weimarer Nationalversammlung und des Landtages.
Am 23.11.1918 nimmt Merges an der Reichskonferenz des Rates der Volksbeauftragten in Berlin teil. Zusammen mit dem Vertreter aus Gotha stimmt Merges als einziger gegen die Einberufung der Nationalversammlung.
Am 25.1.1919 wird Merges zum Bezirksvorsitzenden der USPD gewählt (Volksfreund 29.1.1919).
Nach der Wahl des Landesparlamentes im Februar 1919, in dem die MSPD, DDP und die die bürgerliche Einheitsliste die Mehrheit stellten, lehnten diese den Art. 14 des Verfassungsentwurfs ab. Im Entwurf war vorgesehen, dass der Arbeiter- und Soldatenrat die "oberste Gesetzgebende Gewalt" ausübt. Daraufhin legte August Merges alle seine parlamentarischen Ämter nieder und verzichtete auf den Präsidenten-Titel, weil er die Revolution durch den Parlamentarismus verraten sah (Bein, Stadt und Herzogtum, S. 239).
Bis zum Einmarsch der Truppen General Maerckers in Braunschweig im April 1919 zwecks Beendigung des Generalstreiks in Stadt und Land Braunschweig, war Merges Anführer lokaler Aufstände. Um seiner Verhaftung zu entgehen tauchte er beim Einmarsch der Maerker-Truppen zunächst in Braunschweig unter und flüchtete dann nach Berlin.
1920 - 1933 Arbeit in (links-)kommunistischen und syndikalistischen Organisationen
Bis 1920 war Merges Mitglied der KPD. 1920 trat er aus und zählte zu den Gründungsmitgliedern der linkskommunistischen KAPD. Er war zeitweise Mitglied des Vorstand. Merges war Anhänger der "föderalistischen Minderheit" in der KAPD, die eine Auflösung der kommunistischen Parteien und die Bildung von "Unionen" forderte und jeder Zentralisierung und damit der Internationalen sehr ablehnend gegenüber stand.
Im Juli 1920 reiste er zum 2. Weltkongress der Komintern nach Moskau, um dort gemeinsam mit Otto Rühle über die Aufnahme der KAPD in der 3. Internationalen zu verhandeln. Das Exekutivkomitee wollte der KAPD-Delegation zunächst eine beratende Stimme einräumen und drängte sie zu einer Kongressteilnahme. In den Vorberatungen mit den Mitglieder des Exekutivkomitees der Internationalen, Lenin, Bucharin und Sinowjew, lehnten Merges und Rühle die von Karl Radek entworfenen "Leitsätze über die Grundaufgaben der Kommunistischen Internationale" ab, die auf dem Kongress beschlossen werden sollten und Aufnahmebedingungen in die Komintern enthielten.
Sowohl Merges als auch Rühle sprachen sich gegen den zentralistischen und bürokratischen Aufbau der Internationale aus und wollten die Abhängigkeit der einzelnen Parteien von der "Machtzentrale" nicht akzeptieren. Die in den Leitsätzen formulierten Grundsätze zur Frage des Verhältnisses von Partei, Klasse und Masse, zum Parlamentarismus und zur Gewerkschaftsfrage standen den Auffassungen der KAPD entgegen.
Merges und Rühle reisten deshalb schon vor Beginn des Kongresses wieder ab. Noch auf dem Rückweg erreichte sie eine erneute Einladung des Exekutivkomitees, mit der Zusicherung, dass die KAPD das volle Stimmrecht bekäme, ohne dass dafür Forderungen jedweder Art zu erfüllen seien. Merges und Rühle ließen sich aber nicht von ihrem Entschluss der Nichtteilnahme abbringen. Ihr Verhalten führte nach ihrer Rückkehr zu heftiger Kritik innerhalb der KAPD in deren Folge die politische Strömung um Rühle und Merges aus der Partei ausgeschlossen wurde.
Merges trat danach erneut kurzzeitig zur KPD über und war nach seiner Rückkehr nach Braunschweig in der anarcho-syndikalistischen „Freien Arbeiter-Union“ tätig.
1926 trat er der rätekommunistisch-syndikalistischen Allgemeinen Arbeiter Union (AAU) bei und stand dessen erster und einziger Reichskonferenz in Göttingen vor. In Braunschweig gehörten ihr neben Merges rund 20 weitere Personen an, darunter die ehemalige Kultusministerin der Braunschweiger Räterepublik Minna Faßhauer. Gegen Ende der weimarer Republik zog er sich aus dem aktiven Parteileben heraus, Politik sollten nun Jüngere machen.
1933 - 1945: Resignation und Widerstand gegen das NS-Regime
Zur Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 schrieb Merges ein Flugblatt mit dem Titel "Hitler bedeutet Krieg und Untergang", welches sein Sohn Walther und Oswald Berger druckten und vor dem Arbeitsamt verteilten.
Er und Minna Faßhauer kamen jedoch schnell zu der Überzeugung, dass Widerstand gegen den Nationalsozialismus in der damaligen situation nichts bewirken würde und nur "Märtyrer" produziere.
Andere aus der Gruppe der AAU, wie der Maurer Hermann Schade, sammelten dagegen meist junge Menschen um sich, um Aktionen gegen die Nazis durchzuführen. Die "Schade-Widerstandsgruppe" - die sich Kommunistische Räte-Union nannte - traf sich konspirativ und betrieb zunächst keine nach außen gerichteten Aktivitäten.
Schade brachte die Mitglieder der Gruppe mit August Merges zusammen. Dieser wollte zwar aufgrund seines Alters und seiner politischen Bedenken am aktiven revolutionären/antifaschistischen Kampf nicht mehr teilnehmen, führte aber für die jüngeren Mitglieder Schulungen durch und gab politische Ratschläge.
1934 begann die Gruppe diverse Flugschriften herzustellen und zu verteilen ("Kampfsignal", "Der Rote Rebell", "Die braune Pest"), an denen auch Merges mitgearbeitet hatte.

Im Dezember Noch im gleichen Jahr wurden vier Mitglieder der Gruppe von der Polizei verhaftet. Im April 1935 folgten 16 weitere, darunter auch August Merges und Minna Faßhauer. Bei den Verhören wurde Merges von der Gestapo schwer misshandelt, wobei er einen Beckenbruch erlitt. Die Behandlung der eiternden Wunden wurde verboten, so dass er nicht mehr gehen konnte und starke Schmerzen hatte.
Merges wurde wegen "Hochverrats" angeklagt. Der nationalsozialistische Ministerpräsident Dietrich Klagges setzte durch, dass die Prozesse nicht im Berlin vor dem Volksgerichtshof stattfanden, sondern in Braunschweig.
August Merges wurde zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt und 1937 wegen Haftunfähigkeit vorzeitig entlassen. Auf betreiben Klagges’ wurde er sofort wieder verhaftet und in "Schutzhaft" genommen. Seinem Sohn Alfred Merges gelang es durch Eingaben beim Volksgerichtshof, dass er unter Auflagen (er durfte das Haus nicht verlassen, keinen Besuch empfangen und sich nicht am Fenster zeigen) wieder freigelassen wurde.
Wiederholt wurde er von der Gestapo abgeholt und für kürzere Zeit inhaftiert. 1944 brachte sein Sohn ihn heimlich in sein Gartenhaus, wo er die letzten beiden Jahre seines Lebens verbrachte. Am 6. März 1945 starb er dort an den Folgen einer Knochentuberkulose, an der er seit seinen Misshandlungen durch die Gestapo gelitten hatte. Das Grab von August Merges liegt heute neben anderen Opfern des NS-Regimes auf dem Ehrenfriedhof des Braunschweiger Hauptfriedhofs.
Siehe auch
Literatur
- Reinhard Bein: Im deutschen Land marschieren wir. Freistaat Braunschweig 1930 – 1945. Braunschweig 1984
- ders.: Widerstand im Nationalsozialismus - Braunschweig 1930 bis 1945. Braunschweig 1985
- ders.: "Braunschweig. Stadt und Herzogtum 1890-1918." Braunschweig 1985
- Peter Berger: "Brunonia mit rotem Halstuch. Novemberrevolution in Braunschweig 1918/19" Hannover 1979
- Hans Manfred Bock: Syndikalismus und Linkskommunismus. Von 1918 - 1923 - zur Geschichte und Soziologie der Freien-Arbeiter-Union Deutschlands (Syndikalisten) der Allgemeinen Arbeiter-Union Deutschlands und der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands. Verlag Kommunistischer Kampf, Berlin 1998 (Reprint)
- Friedhelm Boll: Massenbewegungen in Niedersachsen 1906-1920: eine sozialgeschichtliche Untersuchung zu den unterschiedlichen Entwicklungstypen Braunschweig und Hannover. Verlag Neue Gesellschaft, Bonn 1981
- Peter Dürbeck / Hans Wilhelm-Binder / Jürgen Klose (Hrsg.): Die rote Fahne über dem Braunschweiger Schloß - Novemberrevolution 1918/19 in Braunschweig. Herbert Wallbaum erzählt (Baustein zur Geschichte der Braunschweiger Arbeiterbewegung); Selbstverlag, Braunschweig o. J.
- Jan Foitzik: Zwischen den Fronten. Zur Politik, Organisation und Funktion linker politischer Kleinorganisationen im Widerstand 1933 bis 1939/40 unter besonderer Berücksichtigung des Exils. Bonn 1986
- Robert Gehrke / Robert Seeboth: 50 Jahre Novemberrevolution. Eine Dokumentation über die revolutionären Kämpfe der Braunschweiger Arbeiter am Vorabend der November-Revolution. Selbstverlag, Braunschweig 1968
- Gerd Günter u.a. (Hrsg.): "Braunschweig 1918 : 'Illustrierte Zeitung' zur Geschichte der Braunschweiger Arbeiterbewegung" Braunschweig 1978
- Teutonicus (Pseydonym von Hermann Schroff): "Braunschweig unter der Herrschaft der roten Fahne : Meinungen, Stimmungen und Tatsachen" Braunschweig 1919
- Olaf Ihlau: Die Roten Kämpfer. Ein Beitrag zur Geschichte der Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik und im Dritten Reich. In: Marburger Abhandlungen zur Politischen Wissenschaft, Band 14. Verlag Anton Hain KG, Meissenheim am Glan 1969
- Horst-Rüdiger Jarck, Gerhard Schildt (Hrsg.): Braunschweigische Landesgeschichte. Jahrtausendrückblick einer Region. Braunschweig 2000
- dies. (Hrsg.): Braunschweigisches Biographisches Lexikon. 19. und 20. Jahrhundert. Hannover 1996
- Albrecht Lein: Antifaschistische Aktion 1945 - Die „Stunde Null“ in Braunschweig. In: „Göttinger Politikwissenschaftliche Forschungen“, Band 2. Musterschmidt, Göttingen 1978
- Ernst-August Roloff: Braunschweig und der Staat von Weimar. Waisenhaus-Buchdruckerei und Verlag, Braunschweig 1964
- Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED (Hrsg): "Illustrierte Geschichte der deutschen Novemberrevolution 1918/1919" Berlin 1978
Romane
- Homo (Pseudonym von Richard Wagner): Zigeunerblut im Aktenschrank - Biographischer Roman. Thüringer Verlagsanstalt und Druckerei, Jena ca. 1925 (Der autobiographische Roman des Zeitzeugen Richard Wagner schildert u. a. anschaulich die Novemberrevolution in Braunschweig und das Wirken von August Merges.)
- Ehm Welk: Im Morgennebel Verlag Volk und Welt, Berlin 1953 (Der Roman des Zeitzeugen Ehm Welk schildert die Novemberrevolution und die Zeit bis zur Niederschlagung der „Sozialistischen Republik Braunschweig“. Der Roman basiert auf den Erlebnissen von Ehm Welk sowie historischen Recherchen seiner Frau. August Merges und andere historische Personen sind namentlich leicht verfremdet.)
Literatur im Internet
- Ph. Bourrinet: Der holländische Linkskommunismus und die Weltrevolution (1917-1927)
- Bernhard Reichenbach: Zur Geschichte der Kommunistischen Arbeiterpartei Deutschlands
- Otto Rühle: Report from Moscow
Weblinks
- Kurzbiographie Merges’
- Bild von Merges
- Besprechung des Buches von Roloff: Braunschweig und der Stadt von Weimar
Personendaten | |
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NAME | Merges, August Ernst Reinhold |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Politiker und Revolutionär |
GEBURTSDATUM | 3. März 1870 |
GEBURTSORT | Malstadt-Burbach/Saar |
STERBEDATUM | 6. März 1945 |
STERBEORT | Braunschweig |