Marsch für das Leben

Der Marsch für das Leben ist eine Demonstration der Lebensrechtsbewegung in Berlin. Veranstalter ist der Bundesverband Lebensrecht (BVL). Die Demonstration richtet sich gegen Schwangerschaftsabbrüche und Praktiken der Sterbehilfe, Stammzellforschung und Präimplantationsdiagnostik. Die Demonstration fand 2002 zum ersten mal statt. Danach folgten Märsche 2004 und 2006. Seit 2008 findet der Marsch jährlich statt. Bis 2006 hatte der Marsch den Namen 1000 Kreuze für das Leben.
Die Teilnehmerzahl des Marsches stieg über die Jahre stetig an;[1] 2014 betrug sie nach Angaben des Veranstalters über 5000.[2]
Inhalte und Unterstützer
Inhaltliche Basis des Marsches ist die vom Bundesverband Lebensrecht verfasste Berliner Erklärung zum Schutz des ungeborenen Lebens. Kernthese ist, dass menschliches Lebens und die Menschenwürde mit der Zeugung beginne. In diesem Sinne sei Abtreibung eine Tötung ungeborener Kinder und als schweres Unrecht zu betrachten. Vom Gesetzgeber wird gefordert „die geltenden Abtreibungsgesetze und ihre Praxis einer gründlichen und umfassenden Prüfung und Korrektur zu unterziehen.“[3] Weitere Forderungen sind ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik und die Strafbarkeit jeder Form der Beihilfe zur Selbsttötung (Sterbehilfe).[4]
Viele Teilnehmer tragen weiße Kreuze als Symbol für getötete Kinder. Der Marsch endet mit einem Abschlussgottesdienst.
Unterstützt wird der Marsch für das Leben von verschiedenen christlichen Gruppen unterschiedlicher Konfessionen,[5] unter anderem von Papst Franziskus, Reinhard Kardinal Marx, dem Weihbischof in Berlin Matthias Heinrich, und verschiedenen Bundestagsabgeordnete der CDU, wie Patrick Sensburg, Andreas Schockenhoff, Frank Heinrich und Sven Volmering.[6] Weitere Teilnehmer und Sprecher in den letzten Jahren waren die Politiker Beatrix von Storch und Hubert Hüppe.
Kritik
Der Marsch für das Leben ist innerhalb der Kirchen umstritten. Während die katholische Kirche den Marsch weitgehend unterstützt, wird er in der evangelischen Kirche unterschiedlich bewertet.
2013 distanzierte sich die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) von dem Marsch. Die Vorsitzende des Domkirchenkollegiums, Irmgard Schwaetzer, erklärte: „Wir sehen es als höchst problematisch an, die ausgesprochen sensiblen und komplexen Themen menschlicher Existenz – wie zum Beispiel einen Schwangerschaftsabbruch oder die Präimplantationsdiagnostik – zum Gegenstand einer Aktion mit dem Namen ‚Marsch für das Leben‘ zu machen.“[7][8][9] Ein im Berliner Dom geplanter Abschlussgottesdienst wurde 2013 vom Domkirchenkollegium abgelehnt.[10][11][12][7][13][14] Auch die Aussagen des Organisators Martin Lohmann, Vorsitzender des Bundesverbandes für Lebensrecht, zum Thema Ehe und gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften sowie über die Pille danach im Falle einer Vergewaltigung wurden von dem Domkirchenkollegium als Grund für die Absage genannt.[15][14] Der ökumenische Abschlussgottesdienst wurde stattdessen im Lustgarten vor dem Berliner Dom gehalten.[16][17]
Für Eike Sanders, Ulli Jentsch und Felix Hansen ist der Marsch für das Leben die wichtigste öffentliche Aktionsform der Lebensrechtsbewegung. Anhand dieser werde die Kampagnenfähigkeit der Lebensrechtsbewegung, vor allem unter der Dachorganisation BVL, am deutlichsten. Liberale und reaktionäre Teile des Spektrums stünden hier unwidersprochen nebeneinander auf der Bühne und könnten ihre jeweiligen Botschaften verkünden.[18]
Nach Auffassung der Historikerin und früheren Bundesvorsitzenden von pro familia Gisela Notz werden in dem Motto „Ja zum Leben – für ein Europa ohne Abtreibung und Euthanasie“ Sterbehilfe, Euthanasie, Schwangerschaftsabbruch und Mord gleichgesetzt. Sie kritisiert insbesondere die Rhetorik der Veranstalter der Märsche in verschiedenen Ländern, so z. B. die Aussagen des evangelischen Pfarrers Philipp Vulff, der den französischen „Marche pour la vie“ organisiert, oder Bryan Kemper von den Stand True Ministries, der vom „Abortion Holocaust“ spreche. Die internationalen Vertreter der Lebensrechtsbewegung würden durch ihre Verweise auf den Nationalsozialismus diesen relativieren. In ihrer Argumentation werde „das Recht der Frau auf Selbstbestimmung darüber, ob sie ein Kind austragen will oder nicht, gleichgesetzt mit den NS-Verbrechen, die sich aus der Vernichtungsideologie der Nazis speisten“, so Notz.[19]
Gegendemonstrationen und Farbanschläge
Im Jahr 2014 demonstrierten auf zwei Gegenveranstaltungen rund tausend Menschen gegen den Marsch für das Leben.[20] Mehrfach wurde der Marsch durch Sitzblockaden gestört,[21] die auch eine spontane Änderung der Wegstrecke des Marsches erzwangen. Eine Gruppe Gegendemonstranten warf innerhalb des Marsches Farbpulver in die Luft und rief Parolen.[22]
Am Vortag hatten Gegner der Demonstration einen Farbanschlag auf das Büro des Bundesverbandes Lebensrecht in Berlin verübt. Dabei wurden Beratungsräume und eine Kleiderkammer durch Lack und Glassplitter unbrauchbar gemacht. Fensterscheiben und die Fassade der angrenzenden denkmalgeschützten Herz-Jesu-Kirche wurden beschädigt.[23] Die Täter bekannten sich auf der linken Szeneplattform Indymedia zu dem Anschlag.[24] Der Berliner polizeiliche Staatsschutz hat daraufhin Ermittlungen wegen Sachbeschädigung mit politischem Hintergrund aufgenommen. Auch wurden bereits gewalttätige Übergriffe für den nächsten Marsch für das Leben angekündigt, unter anderem mit der Androhung, man werde „nicht nur eure Holzkreuze zerschmettern“.[25]
Besondere mediale Aufmerksamkeit erhielt der Fall des Bundestagsabgeordneten und ehemaligen Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen Hubert Hüppe, der als Teilnehmer am Marsch für das Leben mit einem Farbbeutel angegriffen wurde und erklärte, er sei von einem Kamerateam der Satiresendung Heute-Show des ZDFs tätlich angegriffen worden.[26] Das ZDF behauptete seinerseits, Hüppe habe Mitarbeiter des Senders körperlich bedrängt und versucht, Interviews „verbal“ und „durch physische Präsenz“ zu stören, lehnte jedoch die geforderte Veröffentlichung des ungeschnittenen Filmmaterials ab.[27][28] Hüppe gab an, Zeugen zu haben; er wolle aber von einer Strafanzeige absehen.[29]
Vergleichbare Märsche
Außer dem Marsch für das Leben in Berlin finden in Deutschland regelmäßig ähnliche Demonstrationen in anderen Städten statt. Unter anderem in München, Fulda und Münster organisiert von der christlich-fundamentalistischen Gruppierung EuroProLife, in Freiburg organisiert von der Piusbruderschaft und in Annaberg-Buchholz organisiert von den Christdemokraten für das Leben.[30]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Eike Sanders, Ulli Jentsch, Felix Hansen: »Deutschland treibt sich ab«. Organisierter »Lebenschutz«. Christlicher Fundamentalismus. Antifemismus. Münster 2014, S. 48
- ↑ Presseaussendung des Bundesverbandes Lebensrecht: Marsch für das Leben endet mit ökumenischem Gottesdienst Mehr als 5000 Teilnehmer.
- ↑ Berliner Erklärung, zitiert von Gisela Notz: Die neue Radikalität der Abtreibungsgegner_innen (2012) S. 49
- ↑ http://www.marsch-fuer-das-leben.de/berliner_erklaerung.php
- ↑ http://www.marsch-fuer-das-leben.de/unterstuetzer.php
- ↑ Kirchenvertreter rufen zum Marsch für das Leben in Berlin auf
- ↑ a b Entscheidung gegen 'Marsch für das Leben'. Pressemitteilung des Berliner Doms, abgerufen am 15. April 2014.
- ↑ "Marsch für das Leben" – Abtreibungsgegner demonstrieren in Berlin. In: Rundfunk Berlin-Brandenburg, 21. September 2013.
- ↑ Demonstration von Abtreibungsgegnern stößt auf Protest. Auf: Evangelisch.de, 22. September 2013.
- ↑ [1]
- ↑ "Der Berliner Dom hat einen Gottesdienst von Abtreibungsgegnern der Aktion "Marsch für das Leben" für diesen Sonnabend abgelehnt." In: Berliner Dom lehnt Feier von Abtreibungsgegnern ab, Berliner Morgenpost, 20. September 2013
- ↑ "Ein zunächst vom Veranstalter der Demonstration geplanter ökumenischer Gottesdienst im Berliner Dom wurde abgesagt." In: "Marsch für das Leben" - Abtreibungsgegner demonstrieren in Berlin, RBB, 21. September 2013
- ↑ "Das evangelische Domkirchenkolloquium hatte den Veranstaltern zuvor eine Absage erteilt und eine Abschlussfeier der Aktion im Dom am Lustgarten abgesagt." In: "Marsch für das Leben". Rund 2000 Abtreibungsgegner ziehen durch Berlin, Berliner Morgenpost, 21. September 2013
- ↑ a b Hunderte Abtreibungsgegner demonstrieren vorm Kanzleramt, Der Tagesspiegel, 21. September 2013
- ↑ Berliner Domkirchenkollegium entschied gegen 'Marsch für das Leben'. In: Christliches Informationsforum, 22. September 2013
- ↑ Rekordbeteiligung beim "Marsch für das Leben", in: idea.de vom 21. September 2013
- ↑ Erneut "Marsch für das Leben" durch Berlin: Vom Anfang bis zum Ende, Domradio Köln, 20. September 2013
- ↑ Eike Sanders, Ulli Jentsch, Felix Hansen: »Deutschland treibt sich ab«. Organisierter »Lebenschutz«. Christlicher Fundamentalismus. Antifeminismus. Münster 2014, S. 48 f.
- ↑ Gisela Notz: Alle Jahre wieder: Die Märsche der Abtreibungsgegner. In: Kirsten Achtelik, Balance (Hrsg.): Die neue Radikalität der Abtreibungsgegner_innen im (inter-)nationalen Raum: Ist die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen heute in Gefahr? AG SPAK Bücher, Neu-Ulm 2012, ISBN 978-3-940865-32-8, S. 49 ff.
- ↑ Timo Kather: Aktivisten stören Demo von Abtreibungsgegnern, Tagesspiegel, 20. September 2014
- ↑ Kristiana Ludwig: Demo der Abtreibungsgegner in Berlin. Gänzlich patriarchales Weltbild, Taz, 21. September 2014
- ↑ Timo Kather: Aktivisten stören Demo von Abtreibungsgegnern, Tagesspiegel, 20. September 2014
- ↑ Gunnar Schupelius: Berlin schweigt zum Anschlag auf eine Kirche, B.Z., 23. September 2014
- ↑ idea.de: Evangelische Kirche verurteilt Gewalt gegen Lebensschützer
- ↑ Ermittlungen wegen Anschlag auf Kirche, Katholisch.de, 25. September 2014
- ↑ Franz Rohleder: ZDF-Mitarbeiter attackieren CDU-Politiker, Merkur, 22. September 2014
- ↑ Hubert Hüppe von ZDF-Team angerempelt, Westfälischer Anzeiger, 22. September 2014
- ↑ MEDRUM: Kneift ZDF vor dem Bundestagsabgeordneten Hüppe?
- ↑ Pro-Medienmagazin: Keine Strafanzeige wegen Heute-Show
- ↑ Eike Sanders, Ulli Jentsch, Felix Hansen: »Deutschland treibt sich ab«. Organisierter »Lebenschutz«. Christlicher Fundamentalismus. Antifemismus. Münster 2014, S. 49, 73