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Bildung in Polen im Zweiten Weltkrieg

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Die Geheime Universität Warschau (poln. = Tajny Uniwersytet Warszawski) [1] existierte von 1939 bis 1944 im polnischen Untergrund, nachdem die Nationalsozialisten mit der Besetzung Polens 1939 die Hochschulen aufgelöst hatten.

Geschichte

Die Schließung der polnischen Hochschulen begann mit der Verhaftung der Professoren der Jagiellonen-Universität in Krakau durch die Gestapo am 6. November 1939. Im Generalgouvernement wurden in der Folge alle Universitäten und Gymnasien geschlossen. Geöffnet blieben nur Grund- und Berufsschulen, in denen auf niederem Niveau und nach einem eingeschränkten Lehrplan unterrichtet wurde. Geschichte Polens, polnische Literatur und Geographie war vom Lehrplan gestrichen. Im gleichen Jahr bildete sich die Tajna Organizacja Nauczycielska (Geheime Organisation der Lehrer, TON), die den geheimen Unterricht in polnischer Sprache organisierte. Finanzielle Unterstützung erhielt TON durch Zahlungen der britischen Regierung und durch Zuwendungen durch die Familien der Schüler. [2] Der Unterricht fand in der Regel in kleinen Gruppen in Privatwohnungen und im Ghetto statt. Im Schuljahr 1943/44 nahmen am geheimen Unterricht, der von etwa 5500 Lehrern veranstaltet wurden, rund 90.000 Schüler teil.

Unterricht auf Universitätsniveau begann mit einiger Verzögerung, wurde aber dann zügig durchorganisiert. Im Februar 1940 wurde ein Teil der Professoren aus der Haft entlassen, darunter auch Mieczysław Malewski, der in Übereinkunft mit der Untergrundführung eine Arbeit am Institut für deutsche Ostarbeit aufnahm, um eine Wörterbuch polnischer Wörter, die aus dem Deutschen übernommen worden waren, zu erarbeiten. Das verschaffte ihm Zugang zu der Universitätsbibliothek und den Büchern, die für die illegalen Seminare gebraucht wurden. Malewski gelang es, nach und nach weitere Professoren heranzuziehen, um eine Fakultät nach der anderen aufzubauen. Beteiligt am Unterricht waren schließlich ehemalige Dozenten und Professoren der Universität Warschau, der Freien Polnischen Universität, [Anm. 1], der Medizinischen Hochschule, der Handelshochschule Warschau und des Polnischen Musikkonservatoriums. Die Geheime Universität kooperierte mit der Universität der westlichen Gebiete (UZZ). Der geheime Unterricht wurde von den Besatzern rücksichtslos bekämpft, und die beteiligten Lehrer arbeiteten immer unter Lebensgefahr.

Studienzeiten und akademische Abschlüsse an den Untergrunduniversitäten wurden nach Kriegsende anerkannt.

Die UZZ

Die Universität der westlichen Gebiete (poln. = Uniwersytet Ziem Zachodnich, UZZ)[Anm. 2], rekrutierte sich vor allem aus Professoren der Adam-Mickiewicz-Universität Posen, die von den Nationalsozialisten ihres Amtes enthoben worden waren. Es gab 17 Abteilungen, darunter eine Medizinische und Chirurgische Fakultät. Die Universität war hauptsächlich in Warschau aktiv, unterhielt aber Zweigstellen in Kielce, Jędrzejów, Częstochowa und Milanówek. Gegründet wurde sie im Oktober 1940 auf Initiative des Bildungsdepartements der Polnischen Untergrundregierung. Die Universität nahm ihr Ende mit dem Warschauer Aufstand von 1944.

Historischer Hintergrund

In Polen gibt es eine Tradition geheimen Unterrichts, mit dem man sich der Politik der Besatzungsmacht widersetzt und sich effizient einer staatlichen Kontrolle entzieht. Den ersten geheimen Unterricht gab es nach der dritten Polnischen Teilung, als der Unterricht in polnischer Sprache in den von Preußen und Russland besetzten Gebieten verboten wurde, während der Vielvölkerstaat Österreich der Polnischunterricht förderte [3]. In dieser Zeit organisierten polnische Pädagogen und Intellektuelle geheimen Unterricht in polnischer Sprache, der in privaten Räumen stattfand.

Während des Kulturkampfs in Deutschland verfolgte die preußische Schulpolitik die gleiche restriktive Linie. 1873 wurde der Schulunterricht in polnischer Sprache in den ehemals polnischen Gebieten, mit Ausnahme des Religionsunterrichts, verboten. Ab 1906 musste auch Religion in deutscher Sprache unterrichtet werden. [4] Polnisch wurde also weiterhin im Geheimen unterrichtet.

Nach der kurzen Phase der Unabhängigkeit von 1918 bis 1939 wurde Polen nach Ende des Zweiten Weltkriegs ein weiteres Mal zwischen Deutschland und der Sowjetunion aufgeteilt. Da in beiden Zonen die polnische Sprache entweder verboten (Schlesien, Pommern) oder als minderwertig diskriminiert wurde, organisierte sich wieder eine Untergrundbewegung, die für das Weiterleben der polnischen Sprache und Kultur sorgte. Es gab geheime Schulen, in denen der Unterricht in polnischer Sprache abgehalten wurde, und Verlage, die illegal polnische Druckerzeugnisse herausbrachten.

Während des Kommunistischen Regimes in der 1970er und 1980er Jahren kam es zu einem Wiederaufleben der illegalen „Fliegenden Universität“, an der u.a. der spätere polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowieck unterrichtete.

Quellen

Die Quellenlage zur Organisation, den Aktivitäten und den Beteiligten der Geheimen Universität ist, in Anbetracht der Illegalität des Unternehmens, lückenhaft. Kenntnisse über die Teilnehmer und die Bedingungen, unter denen unterrichtet wurde, stammen meistens aus Memoiren oder Interviews mit den Überlebenden. Eine der wichtigsten Quellen ist Anka Grupińskas Projekt „Aufzeichnungen aus der jüdischen Welt in Polen“ (Zapisywanie świata żydowskiego w Polsce), das 2006 vom Museum of the History of Polish Jews, initiiert worden ist, und in dem sie Interviews mit polnischen Juden aller Generationen durchgeführt und ausgewertet hat. [5]

Literatur

  • Włodzimierz Borodziej: Der Warschauer Aufstand 1944. Frankfurt a.M.: Fischer 2001.
  • Großer Dschungel. Liberale Hochschullehrer und Studenten lassen eine alte polnische Tradition aufleben: Universitäten im Untergrund. In: DER SPIEGEL. Nr. 10. 1978. [1]
  • Gregor Mazur: Illegale Schulen in Polen in den Jahren 1939-1945. [2]
  • Ewa Bukowska:Illegale Schulen in Polen in den Jahren 1939 – 1945. pdf

Einzelnachweise

  1. Deutsche Nationalbibliothek:Uniwersytet Warszawski
  2. Ewa Bukowska: Illegale Schulen in Polen in den Jahren 1939 – 1945
  3. Polnisch – Sprachperioden. Neupolnische Periode, 18. Jh. - 1945.
  4. Auf der Suche nach dem schlesischen Himmelreich. Hrsg. Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit
  5. POLIN; Museum of the history of polish jews. abgerufen am 30. September 2014.

Anmerkungen

  1. Die englische Wikipedia hat einen Artikel über die Free Polish University.
  2. Die englische Wikipedia hat einen Artikel über die University der westlichen Gebiete.