Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik
Der Ministerrat der DDR war seit November 1950 die Regierung der DDR. Er war laut Verfassung das höchste exekutive Organ des Staates und wurde ausschließlich von der SED und den mit ihr im „Demokratischen Block“ vereinten Parteien gebildet. 1950 bestand er aus 18 Mitgliedern, 1989 gehörten ihm 44 Mitglieder an.
Aufbau
Der Ministerrat der DDR wurde von einem Vorsitzenden geleitet. Es gab zwei 1. Stellvertretende Vorsitzende und neun weitere Stellvertretende Vorsitzende. Zusammen mit einigen Fachministern bildeten sie das Präsidium des Ministerrats. Das Präsidium bereitete sämtliche Entscheidungen in Absprache mit den zuständigen Abteilungen des Zentralkomitees (ZK) der SED und dem SED-Politbüro vor. Die Sekretäre und Abteilungsleiter im ZK der SED konnten den Ministern Anweisungen erteilen.
Erster Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrates waren bis zur Wende 1989 Werner Krolikowski und Alfred Neumann, beide Mitglieder des Politbüros des ZK der SED. Alfred Neumann war schon zuvor unter Ulbricht Vorsitzender des Volkswirtschaftsrates. Weitere Stellvertretende Vorsitzende des Ministerrates waren jeweils führende Vertreter der vier Blockparteien.
Dem Ministerrat gehörten ebenfalls der Vorsitzende der Staatlichen Plankommission, der Präsident der Staatsbank der DDR und etliche Staatssekretäre, die meist selbst Leiter von Ämtern beim Ministerrat waren, an. Alle Mitglieder des Ministerrates - also auch die Minister - wurden von der Volkskammer für jeweils fünf Jahre gewählt. Das Präsidium war das Arbeitsorgan zwischen den wöchentlichen Sitzungen des Ministerrates. Diese fanden regelmäßig mittwochs zur Durchführung der Beschlüsse der Politbürositzung beim ZK der SED vom Dienstag statt.

Dienstsitz des Ministerrats war von 1950 bis 1953 der frühere Preußische Landtag, ab 1961 das frühere Alte Stadthaus in Berlin-Mitte in der Klosterstraße 47. Vom Büro des Ministerrates wurde auch das Gesetzblatt der DDR herausgegeben. Außerdem bestand beim Ministerrat das Presseamt, das regierungsamtliche Verkündungen erließ und für die Akkreditierung der ausländischen Journalisten in der DDR zuständig war. Sein langjähriger Leiter war Kurt Blecha.
Die Ministerien hatten eigene Gebäude in Berlin. Im „Haus der Ministerien“ in der Leipziger Straße nahe der Berliner Mauer waren die Fachministerien der Wirtschaftszweige zusammengefasst.
Vorsitzende des Ministerrates
Die Vorsitzenden des Minsterrates waren:
- Otto Grotewohl (1950-1964), SED
- Willi Stoph (1964-1973), SED
- Horst Sindermann (1973-1976), SED
- Willi Stoph (1976-1989), SED
- Hans Modrow (13. November 1989 - 11. April 1990), SED
- Lothar de Maizière (12. April 1990 - 2. Oktober 1990), CDU
Leiter des Büros des Ministerrates war Staatssekretär Kurt Kleinert (1972-1989).
Stellvertreter des Vorsitzenden des Ministerrats
- Erste Stellvertreter des Vorsitzenden (alle SED):
- Walter Ulbricht (1955-1960)
- Willi Stoph (1962-1964)
- Alfred Neumann (1968-1989)
- Horst Sindermann (1971-1973)
- Dr. Günter Mittag (1973-1976)
- Werner Krolikowski (1976-1988)
- Günther Kleiber (1988-1989)
- Stellvertreter des Vorsitzenden:
- Alexander Abusch (SED, 1961-1971)
- Erich Apel (SED, 1963-1965)
- Julius Balkow (SED, 1965-1967)
- Lothar Bolz (NDPD, 1950-1967)
- Dr. Kurt Fichtner (SED, 1967-1974)
- Manfred Flegel (NDPD, 1967-1989)
- Hans-Joachim Heusinger (LDPD, 1972-1989)
- Hermann Kastner (LDPD, 1949-1950)
- Günther Kleiber (SED, 1971-1988)
- Bruno Leuschner (SED, 1955-1965)
- Hans Loch (LDPD, 1950-1960)
- Alfred Neumann (SED, 1965-1971)
- Otto Nuschke (CDU, 1949-1958)
- Fred Oelßner (SED, 1955-1958)
- Heinrich Rau (SED, 1950-1961)
- Wolfgang Rauchfuß (SED, 1965-1989)
- Dr. Hans Reichelt (DBD, 1972-1989)
- Paul Scholz (DBD, 1952-1967)
- Gerhard Schürer (SED, 1967-1989)
- Rudolph Schulze (CDU, 1971-1989)
- Max Sefrin (CDU, 1958-1971)
- Fritz Selbmann (SED, 1956-1958)
- Willi Stoph (SED, 1954-1958)
- Max Suhrbier (LDPD, 1960-1965)
- Dr. Werner Titel (DBD, 1967-1971)
- Walter Ulbricht (SED, 1949-1955)
- Gerhard Weiss (SED, 1965-1986)
- Herbert Weiz (SED, 1967-1989)
- Margarete Wittkowski (SED, 1961-1967)
- Kurt Wünsche (LDPD, 1965-1972)
Ministerien
Neben den in jeder Regierung üblichen Ressorts war der Ministerrat geprägt durch eine Vielzahl von Industrieministerien, die jeweils nur einer Hauptabteilung eines, allerdings nie vorhandenen, einheitlichen Wirtschaftsministeriums entsprachen. Faktisch übernahm die Funktion des „Wirtschaftsministers“ der jeweilige Sekretär für Wirtschaftsfragen im ZK der SED, ab 1976 war dies Günter Mittag. Insgesamt bestanden zuletzt etwa 30 Ministerien.
Die Ministerien und Minister waren:
- Außenministerium: Georg Dertinger, Lothar Bolz, Otto Winzer, Oskar Fischer, Markus Meckel (1990)
- Finanzen: Hans Loch, Willy Rumpf, Siegfried Böhm (1966-80), Werner Schmieder, Ernst Höfner (1981-90), Uta Nickel (1989/90), Walter Romberg, Werner Skowron (1990)
- Verkehrswesen: Erwin Kramer, Otto Arndt, Herbert Keddi, Horst Gibtner (1990)
- Post- und Fernmeldewesen: Friedrich Burmeister, Rudolph Schulze (CDU), Klaus Wolf (CDU), Emil Schnell (1990)
- Kultur: Johannes R. Becher, Alexander Abusch, Hans Bentzien Klaus Gysi, Hans-Joachim Hoffmann; Dietmar Keller, Herbert Schirmer (1990)
- Volksbildung: Fritz Lange, Alfred Lemmnitz, Margot Honecker, Helga Labs, Hans-Heinz Emons
- Hoch- und Fachschulwesen: Ernst-Joachim Gießmann, Hans-Joachim Böhme
- Wissenschaft und Technik: Herbert Weiz (1974-89), zugleich 1967-89 einer der Stellv. Vorsitzenden des MR; Peter-Klaus Budig (LDPD)
- Gesundheitswesen: Max Sefrin, Ludwig Mecklinger, Klaus Thielmann, Jürgen Kleditzsch (1990)
- Umweltschutz und Wasserwirtschaft: Werner Titel (1971), Hans Reichelt (DBD), Karl H. Steinberg (1990)
- Justiz: Max Fechner, Hilde Benjamin, Kurt Wünsche (auch 1990), Hans-Joachim Heusinger (beiden letzteren Mitglieder der LDPD)
- Minister und Vorsitzender des Komitees der ABI: Heinz Matthes
Ministerien der Wirtschaftszweige (1961-1965 im Zuge der NÖSPL waren die Ministerien im Volkswirtschaftsrat unter seinem Vorsitzenden Alfred Neumann zusammengefasst):
- Erzbergbau, Metallurgie und Kali: Kurt Fichtner, Kurt Singhuber (1967-89)
- Elektrotechnik und Elektronik: Otfried Steger, Felix Meier
- Kohle und Energie: Wolfgang Mitzinger
- Chemische Industrie: Siegbert Löschau, Günther Wyschofsky
- Bauwesen: Ernst Scholz, Wolfgang Junker (1963-89); Gerhard Baumgärtel, Axel Vieweger (1990)
- Grundstoffindustrie:
- Glas- und Keramikindustrie: Werner Greiner-Petter, Karl Grünheid (1983-89)
- Materialwirtschaft: Alfred Neumann (1965-68), Manfred Flegel, Wolfgang Rauchfuß
- Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau: Rudi Georgi (1973-89)
- Allgemeiner Maschinen-, Landmaschinen- und Fahrzeugbau: Günther Kleiber, Gerhard Tautenhahn
- Schwermaschinen- und Anlagenbau: Fritz Selbmann, Rolf Kersten, Hans-Joachim Lauck
- Land-, Forst- und Nahrungsgüterwirtschaft: Ernst Goldenbaum, Paul Scholz, Georg Ewald, Heinz Kuhrig, Bruno Lietz; Peter Kauffold Peter Pollack (1990)
- Leichtindustrie: Karl Bettin, Werner Buschmann
- Bezirksgeleitete und Lebensmittelindustrie: Erhard Krack, Udo-Dieter Lange
- Handel und Versorgung: Curt-Heinz Merkel, Karl Hamann, Gerhard Lucht, Günter Sieber (1965-72)
- Außenhandel (und Innerdeutscher Handel): Georg Ulrich Handke, Heinrich Rau (1955-61), Julius Balkow, Horst Sölle, Gerhard Beil
Wirtschaftsminister: Christa Luft (1989/90), Gerhard Pohl (1990)
Die Ministerien der bewaffneten Organe:
- Inneres (siehe Volkspolizei, Kampfgruppen): Karl Steinhoff, Karl Maron, Friedrich Dickel; Peter-Michael Diestel (1990)
- Staatssicherheit: Wilhelm Zaisser, Ernst Wollweber, Erich Mielke, Wolfgang Schwanitz (AfNS, 1989/90)
- Nationale Verteidigung (siehe Nationale Volksarmee): Willi Stoph, Heinz Hoffmann, Heinz Keßler, Theodor Hoffmann; Minister für Abrüstung und Verteidigung Rainer Eppelmann (1990)
Außerdem gab es diverse Ämter, die direkt dem Ministerrat unterstellt waren, wie beispielsweise das Amt für Preise unter Staatssekretär im Ministerrang Walter Halbritter oder das Amt für Industrielle Formgestaltung. Je nach Bedeutung des Amtes war der jeweilige Amtsleiter Staatssekretär, einer der meist zahlreichen Stellvertreter des Ministers oder im Ausnahmefall sogar im Ministerrang.