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Borderline-Persönlichkeitsstörung

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emotional instabile Persönlichkeitsstörung
ICD-10-Code: F60.30 Impulsiver Typ
F60.31 Borderline-Typ
ICD-9-Code: 301.83

Die schwere, meist klinisch nicht auffällige Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS), auch emotional instabile Persönlichkeitsstörung genannt, äußert sich vielgestaltig durch sehr wechselhafte Stimmungen und Affekte, gestörte zwischenmenschliche Beziehungen, mangelndes Selbstvertrauen, Dissoziationen, mangelnde Impulskontrolle und (auto)aggressive Verhaltensweisen. Diese Instabilitäten ziehen oft das persönliche Umfeld in Mitleidenschaft und beeinträchtigen Alltag, langfristige Lebensplanung und das Selbstbild.

Der Name Borderline stammt aus Zeiten, als man BPS als einen Grenzfall (engl. borderline) zwischen Psychose und Neurose beschrieb. Menschen mit BPS leiden jedoch an ihren starken, oft in ihrer Stärke nicht zu reduzierenden Reaktionen auf äußere Einflüsse und Gefühle, wie Erinnerungen. Sie können ihren oft starken „Gefühlsimpulsen“ nichts entgegensetzen.

Obwohl nicht so bekannt wie Schizophrenie oder Bipolare Störung (früher manisch-depressive Erkrankung), ist Borderline häufiger und betrifft zwei Prozent der Erwachsenen. Frauen sind zweimal häufiger betroffen als Männer. Diese auffällige Geschlechterdifferenz könnte damit zusammenhängen, dass missbrauchte Frauen eher klinisch und misshandelte Männer eher forensisch auffällig werden und dass Männer mit Borderline-Symptomatik eher anderen Persönlichkeitsstörungen (z.B. antisoziale Persönlichkeitsstörung) zugeordnet werden.

Kennzeichnend sind häufig selbstverletzende (parasuizidale) Handlungen, gelegentlich Suizidversuche bis zum vollendeten Suizid. Patienten mit BPS benötigen oft umfangreiche psychische Betreuung und belegen etwa 20 Prozent der psychischen Behandlungsplätze. Dank moderner Therapien kann jedoch vielen langfristig zu einem eigenständigen und sinnvollen Leben verholfen werden.

„Es handelt sich um Leute, zumeist Frauen, die aufgewachsen sind in dem Gefühl, nicht die ihnen zustehende Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten zu haben. Sie sind wütend darüber und suchen Wege dies in ihren Beziehungen zu kompensieren. Sie haben hohe Erwartungen und antworten mit Wut und Verzweifelung, wenn ihr Bedürfnis erneut im Stich gelassen wird.“ (John Gunderson, Arzt aus Belmont, USA)

Klassifizierung nach ICD und DSM

Eine Persönlichkeitsstörung mit deutlicher Tendenz, ohne Berücksichtigung von Konsequenzen impulsiv zu handeln und wechselnder, instabiler Stimmung. Die Fähigkeit vorauszuplanen ist gering und Ausbrüche intensiven Ärgers können zu oft gewalttätigem und explosivem Verhalten führen; dieses Verhalten wird leicht ausgelöst, wenn impulsive Handlungen von anderen kritisiert oder behindert werden. Zwei Erscheinungsformen dieser Persönlichkeitsstörung können näher beschrieben werden, bei beiden finden sich Impulsivität und mangelnde Selbstkontrolle.

F60.30 impulsiver Typus. Die wesentlichen Charakterzüge des impulsiven Typus sind emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle. Ausbrüche von gewalttätigem und bedrohlichem Verhalten sind häufig, vor allem bei Kritik durch andere.
Mindestens drei der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen müssen vorliegen, darunter 2.:

  1. deutliche Tendenz unerwartet und ohne Berücksichtigung der Konsequenzen zu handeln;
  2. deutliche Tendenz zu Streitereien und Konflikten mit anderen, vor allem dann, wenn impulsive Handlungen unterbunden oder getadelt werden;
  3. Neigung zu Ausbrüchen von Wut oder Gewalt mit Unfähigkeit zur Kontrolle explosiven Verhaltens;
  4. Schwierigkeiten in der Beibehaltung von Handlungen, die nicht unmittelbar belohnt werden;
  5. unbeständige und unberechenbare Stimmung.

F60.31 Borderline Typus. Einige Kennzeichen emotionaler Instabilität sind vorhanden, zusätzlich sind oft das eigene Selbstbild, Ziele und „innere Präferenzen“ (einschließlich der sexuellen) unklar und gestört. Meist besteht ein chronisches Gefühl innerer Leere. Die Neigung zu intensiven, aber unbeständigen Anstrengungen, nicht verlassen zu werden und zu Suiziddrohungen oder selbstschädigenden Handlungen (diese können auch ohne deutliche Auslöser vorkommen).
Mindestens drei der fünf eben erwähnten Kriterien des impulsiven Typus müssen vorliegen und zusätzlich mindestens zwei der folgenden Eigenschaften und Verhaltensweisen:

  1. Störungen und Unsicherheit bezüglich Selbstbild, Zielen und „inneren Präferenzen“ (einschließlich sexueller);
  2. Neigung sich in intensive aber instabile Beziehungen einzulassen, oft mit der Folge von emotionalen Krisen;
  3. übertriebene Bemühungen, das Verlassenwerden zu vermeiden;
  4. wiederholt Drohungen oder Handlungen mit Selbstbeschädigung;
  5. anhaltende Gefühle von Leere.

Ein tief greifendes Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, im Selbstbild und in den Affekten sowie deutliche Impulsivität. Der Beginn liegt im frühen Erwachsenenalter und manifestiert sich in verschiedenen Lebensbereichen. Mindestens fünf der folgenden Kriterien müssen erfüllt sein:

  1. verzweifeltes Bemühen, tatsächliches oder vermutetes Verlassenwerden zu vermeiden. Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.
  2. Ein Muster instabiler, aber intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, das durch einen Wechsel zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung gekennzeichnet ist.
  3. Identitätsstörung: ausgeprägte und andauernde Instabilität des Selbstbildes oder der Selbstwahrnehmung.
  4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (Geldausgaben, Sexualität, Substanzmißbrauch, rücksichtsloses Fahren, „Fressanfälle“). Beachte: Hier werden keine suizidalen oder selbstverletzenden Handlungen berücksichtigt, die in Kriterium 5 enthalten sind.
  5. Wiederholte suizidale Handlungen, Selbstmordandeutungen oder -drohungen oder Selbstverletzungsverhalten.
  6. Affektive Instabilität infolge einer ausgeprägten Reaktivität der Stimmung (z. B. hochgradige episodische Dysphorie, Reizbarkeit oder Angst, wobei diese Verstimmungen gewöhnlich einige Stunden und nur selten mehr als einige Tage andauern).
  7. Chronische Gefühle von Leere.
  8. Unangemessene, heftige Wut oder Schwierigkeiten, die Wut zu kontrollieren, (z. B. häufige Wutausbrüche, andauernde Wut, wiederholte körperliche Auseinandersetzungen).
  9. Vorübergehende, durch Belastungen ausgelöste paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.

DSM-Kritik: a) 1,3,5,7,9 können auch von Depressionen erfüllt werden. b) 1-3,5-9 können auch bei Schizophrenien auftreten. c) 1-9 können auch in schizoaffektiven Psychosen auftreten. d) 1-9 können auch bei schizoiden Persönlichkeitsstörungen auftreten. e) 1-9 können auch bei narzißtischen Persönlichkeitsstörungen auftreten. f) 1-9 können auch bei paranoiden Persönlichkeitsstörungen auftreten. Siehe auch: http://www.sgipt.org/doceval/diag_k.htm

Symptome

Während bei einer Person mit Depressionen oder Bipolarer Störung eine Stimmung für mehrere Wochen anhält, kann ein Mensch mit Borderline intensive Schübe aus Angst, Depression oder Wut erleben, die oft nur wenige Stunden bis zu mehreren Tagen andauern, jedoch auch länger anhalten können. Diese können in Verbindung mit Störungen der Impulskontrolle wie impulsiver Aggression, selbstverletzendem Verhalten und Drogen- oder Alkoholmissbrauch auftreten sowie zu übermäßigem Geldausgeben, Völlerei, Beziehungssucht und riskanten Sexualpraktiken führen.
Suchtverhalten ist eine häufige Begleiterscheinung bei Betroffenen. Im Unterschied zu anderen Süchtigen kommt es bei Menschen mit BPS oft zur Suchtverlagerung, sie beenden eine Sucht plötzlich, die Dynamik setzt sich aber dann in einem anderen Suchtbereich fort. Die meist mit der Sucht einhergehenden selbstzerstörerischen Verhaltensweisen verstärken das Krankheitsbild.

Wahrnehmungs- und Bewusstseinsstörungen können zu häufiger Änderung von Langzeitzielen, Karriereplänen, Berufen, Freundschaften, Geschlechtsidentität, Religionszugehörigkeit, der Meinung und Werten führen. Häufig berichten die Patienten, dass sie „sich selbst nicht fühlen können“ (Depersonalisation), oft fühlen sie sich selbst gegenüber fremd, es handelt sich dabei um auch sehr stark auftretende dissoziative Symptome.
Manchmal empfinden sich Menschen mit BPS als grundsätzlich schlecht oder wertlos.
Häufig fühlen sie sich gelangweilt, leer und haben keinen Sinn dafür, wer sie sind. Solche Symptome treten verstärkt auf, wenn sich Menschen mit Borderline einsam oder isoliert fühlen und können dann zu verzweifelten Versuchen führen, Situationen des Alleinseins zu vermeiden.

Selbstverletzendes Verhalten bis hin zum Suizid sind symptomatisch für diese Erkrankung. Häufig äußern sich Selbsthass und die Unfähigkeit, die plötzlich auftretenden Spannungen abzubauen sowie ein Gefühl des „sich nicht mehr Spürens“ in autoagressivem Verhalten. Große Gefahr der Selbstverletzung/eines Selbstmordes besteht auch zu dem Zeitpunkt einer Hochstimmung. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Borderline-Patienten ein verringertes Schmerzempfinden besitzen, d.h. auf einen Schmerzreiz weniger reagieren als Vergleichspersonen. Dies wird auf einen aktiven Unterdrückungsmechanismus des Gehirnes zurückgeführt.

Sozialverhalten und Partnerschaft

Die zwischenmenschlichen Beziehungen von Menschen mit einer Borderline-Störung sind oft höchst instabil (von Experten wird auch oft von stabil-instabil gesprochen), was auch mit dem gestörten Selbstbild in Verbindung steht. Auch intensive emotionale Bindungen schützen nicht davor, dass die Einstellung gegenüber Familienmitgliedern, Freunden oder Liebespartnern plötzlich von Idealisierung (starke Bewunderung und Liebe) in Abwertung (intensive Wut und Hass) umschlägt. Dabei schwanken sie zwischen vorwurfsvollen Angriffen und Klammerverhalten. Nicht selten demütigen sie dann Angehörige und Personen maßlos, die sie sonst mögen. Das ist nach neueren Erkenntnissen zwar zwanghaft, aber ich-synton.

Werden Borderlinepatienten - real oder vermeintlich - ungerecht behandelt, reagieren sie oft sehr heftig und impulsiv und finden häufig über Tage oder sogar Wochen keinen Ausweg aus ihrer Gedankenwelt aus Selbstvorwürfen, Selbsthass und Rachegedanken. Viele Äußerungen sowie Gesten, Mimik und Betonung anderer Personen werden oft falsch oder durch Überinterpretationen als feindlich ausgelegt, jedenfalls aber sehr intensiv analysiert und auf „Signalwirkung“ hin untersucht. Ursache ist eine häufig anzutreffende generelle Erwartungshaltung, dass Kränkungen vom Gegenüber zu erwarten sind.

Für Borderliner ist es oft schwierig, das Verhalten anderer richtig zu deuten, da ihre starke Sensibilität für ungerechtes Verhalten häufig zu heftigen Überreaktionen führt, und somit für sie selbst schwer abzuschätzen ist, welche Reaktion die Richtige auf die aktuelle Situation ist.

Bereits kleine Anlässe lösen stärkste „Gefühlimpulse“ aus, die vom Kranken nicht in Relation zur Ursache gebracht werden können und zu heftigen emotionalen Verwicklungen führen können. Wenn sie eine enge Bindung eingehen, tendieren sie dazu, die andere Person zu idealisieren. Tritt jedoch ein Konflikt auf, können sie unerwartet in das andere Extrem wechseln und das Gegenüber aus einer Verteidigungshaltung heraus entwerten. Häufig wird die Bindung zumindest vorübergehend, oft aber auch dauerhaft beendet. Die Beziehungen von Borderlinern dauern im Durchschnitt 12-16 Monate, wobei aber auch erhebliche Abweichungen möglich sind.

Die Angst verlassen zu werden scheint in Beziehung zu stehen mit Schwierigkeiten, sich gefühlsmäßig mit Schlüsselpersonen verbunden zu fühlen, wenn diese nicht anwesend sind (mangelhafte Objektkonstanz), was dann zu einem Gefühl des Verlassenseins oder der Wertlosigkeit führt. Suiziddrohungen und -handlungen können in Verbindung mit Gefühlen des Verlassenseins oder der Enttäuschung auftreten. Es fällt ihnen schwer Nähe zuzulassen, auch wenn sie ständig danach suchen und davon reden. Dieses Problem ist ich-synton, d.h. Borderliner wissen nicht, dass sie de facto Angst vor Nähe haben.

Tragisch kann es werden, wenn sich ein Kind in der Abhängigkeit einer solchen Person befindet, weil sie keine harmonische, enge Beziehung zu dem Kind aufbauen können. Bei Kleinkindern und Säuglingen macht sich das noch nicht bemerkbar, wohl aber, je mehr das Kind versucht selbstständig zu handeln. Das Kind wird dabei nicht ernst genommen und stattdessen regelmäßig ironisiert und verspottet, was aber von den Eltern nach der Tat versucht wird wieder gut zu machen. In der Regel oszilliert dieses Verhalten. Dem Kind wird die vorgebrachte Beschwerde keiner glauben, auch amtliits nicht, weil ihr diese Unlogik innewohnt. Personen mit einer ausgeprägten Borderline-Störung sollten deshalb vom Kinderwunsch abgebracht werden, solange die Krankheit nicht geheilt ist.

Gelegentlich ist es schwierig, die Borderline-Störung gegen die Aufmerksamkeitsdefizitstörung (ADHS / ADS) abzugrenzen. Probleme der Differentialdiagnose

Behandlung

Die Behandlungsmöglichkeiten für das Borderline-Syndrom haben sich in den letzten Jahren verbessert. Gruppen- und Einzelpsychotherapie sind für viele Patienten zumindest teilweise erfolgreich. In jedem Falle ist eine spezifische und systematische Psychotherapie effektiver als eine „allgemeine Behandlung“, wie sie die meisten Patienten immer noch erfahren. In den letzten fünfzehn Jahren wurden zwei neue vielversprechende, psychosoziale Behandlungsmethoden entwickelt: die Dialektisch-behaviorale Therapie DBT (engl. dialectical behavior therapy) und die TFP (Transference Focused Psychotherapy: Übertragungsfokussierte Psychotherapie). Die DBT wurde von der amerikanischen Psychotherapeutin Marsha Linehan, die selbst Betroffene ist, entwickelt. Beide Verfahren messen der Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten eine besondere Bedeutung bei; die DBT legte jedoch mehr Wert auf verhaltenstherapeutische Techniken und vertritt auch philosophische Elemente wie Achtsamkeit und Konstruktivismus, während die von dem amerikanischen Psychiater und Psychoanalytiker Otto F. Kernberg entwickelte TFP psychodynamisch orientiert ist und die Beziehungs- und Identitätsprobleme der Patienten in den Mittelpunkt der Behandlung nimmt.

Pharmakologische Behandlungen werden häufig entsprechend den spezifischen Zielsymptomen des einzelnen Patienten verschrieben. Antidepressiva und Stimmungsstabilisatoren können bei depressiven und/oder labilen Stimmungen sinnvoll sein, es werden jedoch vor allem selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer empfohlen, die Stimmungsstabilisatoren werden zwar immer häufiger angewandt, für ihre Wirksamkeit fehlen jedoch wissenschaftliche Belege. Antipsychotische Medikamente (Neuroleptika) können - unter anderem bei Denkstörungen und Angstreduzierung - Besserung bringen; hier ist zu betonen, dass die modernen, sog. atypischen Neuroleptika den konventionellen Methoden (z.B. Tranquilizer, konventionelle Neuroleptika) vorzuziehen sind, da bei ersteren Nebenwirkungen seltener und vor allem (motorisch und kognitiv) weniger einschränkend sind - insbesondere müssen so genannte Spätdyskinesien, die nicht selten irreversibel sind, kaum befürchtet werden. Im Gegensatz zu Tranquilizern machen Neuroleptika nicht abhängig.

Ursachen

Obwohl der Grund des Borderline-Syndroms unbekannt ist, glaubt man, dass sowohl Umwelt- als auch genetische Faktoren Gründe für die Manifestation einer BPS sind. Studien zeigen, dass viele, aber nicht alle BPS-Patienten, eine Vorgeschichte aufweisen aus Missbrauch, gestörten Beziehungen zu den Eltern, über- oder unterengagierte Eltern, Vernachlässigung oder Trennung im jungen Alter. Das ambivalente Elternhaus spielt hier eine wichtige Rolle, denn fast alle Betroffenen berichten über wenig fürsorgliche, wenig emotional unterstützende Eltern, die gleichzeitig diffuse Erziehungsstile und Überkontrolle anwenden. Ebenfalls kommt körperliche Misshandlung häufig vor. 40 bis 71 Prozent der BPS-Patienten berichten von einem sexuellen Missbrauch, 37 - 64 Prozent von dauerhafter Trennung der Eltern durch Scheidung oder Verlust eines Elternteils. Forscher glauben, dass BPS aus einer Kombination von individueller Verletzlichkeit gegenüber umgebenden Stress, Vernachlässigung oder Missbrauch als kleines Kind und einer Reihe von auslösenden Ereignissen im jungen Erwachsenenalter verursacht wird. Erwachsene mit BPS sind auch wesentlich häufiger Opfer von Gewalt, einschließlich Vergewaltigung und anderen Verbrechen. Dies mag sowohl durch schädigende Umgebungen sowie durch Impulsivität und eine ungünstige Partner- oder Lebensstilwahl bedingt sein.
Besonders ins Gewicht fällt, dass sich bei Borderline-Störungen immer nur einzelne Kriterien/Symptome voraussagen lassen, hingegen bei schizotypischer und ängstlich-vermeidender Persönlichkeit das Störungsbild.

Geschichte

Der Begriff selbst stammt aus dem Jahre 1884 (Borderland). 1938 wurde der Begriff Borderline von Adolph Stern verwendet, um einen Typ von Patienten zu beschreiben, der mit damaligen psychoanalytischen Methoden nicht zufriedenstellend behandelt werden konnte. Stern arbeitete dabei besonders das Charakteristikum der Borderline-Persönlichkeit heraus, im Analytiker ein gutes und allmächtiges Objekt zu sehen, das sich abrupt in ein feindliches verwandelte, sobald der Therapeut nicht vollständig den Erwartungen des Patienten entsprach. In diesem Zusammenhang wurde auch BPS als dissoziative Persönlichkeitsstörung erwähnt. Verbunden damit war eine Störung der Realitätsprüfung bis hin zur Übertragungspsychose.

Resultierend aus der Objektbeziehungsstörung entsteht eine Widersprüchlichkeit des Selbstbildes bis hin zur Identitätsdiffusion, vor allem auch das Vorherrschen von Abwehrmechanismen wie der Persönlichkeitsspaltung, der Projektion und der Verleugnung. Ebenfalls entwickelten Gunderson und Singer 1975 Kriterien der BPS, welche mit denen Kernbergs erstmals 1980 in das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen (DSM-III) als Definition der Borderline-Persönlichkeitsstörung eingingen. Teil der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde BPS erst 1991, und zwar unter dem Begriff „Emotional instabile Persönlichkeitsstörung“, wobei ein „Borderline Typus“ und ein „Impulsiver Typus“ unterschieden werden. Der erstere bezeichnet die Personengruppe, deren Impulse in hohem Maße gegen die eigene Person gerichtet werden, was häufig zu autoaggressivem Verhalten führt. Der impulsive Typus richtet seine Impulse eher nach außen, was sich in einer Tendenz zu aggressiven Impulsen gegen andere Menschen oder Gegenstände bemerkbar machen kann.

Kritik

„Offen bleibt beispielsweise, ob es sich bei der allseits konstatierten Zunahme von Borderline-Störungen tatsächlich um eine Folgeerscheinung gesamtgesellschaftlich veränderter Lebensbedingungen handelt oder eher um einen diagnostischen Modetrend, um eine theoriebedingte Veränderung der Untersuchungsperspektive oder um eine subtile Labelingsprozesse.“ (Christa Rohde-Dachser)

Umstritten sind allerdings sowohl der Begriff als auch die diagnostischen Kriterien. Besonders der Psychoanalyse wurde unterstellt, mit dem Begriff Borderline die eigentlichen Ursachen der Störung zu verschleiern. Da in den weitaus meisten Fällen traumatische Vor- und Früherfahrungen vorlägen, plädieren mehrere Autoren (Herman, van der Kolk, Reddemann, Sachsse et al.) besonders aus der Traumaforschung dafür, die Borderline-Diagnose durch die Diagnose einer chronischen posttraumatischen Belastungsstörung zu ersetzen. Neuere Untersuchungen kommen jedoch zu dem Ergebnis, dass ca. ein Viertel der Betroffenen keine entsprechenden Erfahrungen gemacht haben sollen. Genau wie bei dem oft verglichenen Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom wird bei Diagnosen des Borderline-Syndromes oft vorgeworfen, es handle sich um eine sogannte Modediagnose. Dem wird entgegen gehalten, dass die möglichen Ursachen zugenommen haben könnten (Beispiel instabile Familien, Einsamkeit und Arbeitslosigkeit). Der englische Analytiker John Steiner wiederum beschreibt die Borderline-Position als psychischen Rückzugsort, der Zuflucht vor den den Patienten bedrohenden Ängsten bietet.

Literatur

Fachliteratur

  • Mathias Lohmer: Borderline-Therapie Psychodynamik, Behandlungstechnik und therapeutische Settings, 2005, ISBN 3794523822
  • Christa Rohde-Dachser: Das Borderline-Syndrom, 2004, ISBN 345684087X
  • Martin Bohus: Borderline-Störungen, 2002, ISBN 3801710963
  • Gerhard Dammann, Paul L. Janssen (Hrsg.): Psychotherapie der Borderline-Störungen, 2001, ISBN 3131268611
  • Otto F. Kernberg: Borderline-Störungen und pathologischer Narzissmus, 2000, ISBN 3518280295
  • Otto F. Kernberg, Birger Dulz, Ulrich Sachsse: Handbuch der Borderline-Störungen, 2000, ISBN 3794518500
  • Birger Dulz, Angela Schneider: Borderline-Störungen - Theorie und Therapie, 1999, ISBN 3794520130
  • Marsha M. Linehan: Dialektisch Behaviorale Therapie der Borderlin-Persönlichkeitsstörung, 1996, ISBN 3980307484

Für Betroffene

  • Jerold J. Kreisman, Hal Straus: Ich hasse dich, verlaß' mich nicht. Die schwarzweiße Welt der Borderline-Persönlichkeit, 2005, ISBN 3466303265
  • Sonja Szomoru, Viola Valentin: borderline brach herz Hilfe zur Trennungsverarbeitung für Borderline-Partner, 2005, ISBN 3980949656
  • Ewald Rahn: Borderline. Ein Ratgeber für Betroffene und Angehörige, 2005, ISBN 3884142585
  • Vincent E. Noel: Sarah - Vom Ende meines langsamen Abschieds, 2005, ISBN 393710173X
  • Paul T. Mason, Randi Kreger: Schluss mit dem Eiertanz. Ein Ratgeber für Angehörige von Menschen mit Borderline, 2003, ISBN 3884143379
  • Heinz-Peter Röhr: Weg aus dem Chaos, 2003, ISBN 3530300101

Filme

Folgende Filme befassen sich thematisch mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung:

Siehe auch

Weiterführende Linklisten, Foren und Hintergründe