Evangelium nach Johannes
Das Evangelium des Johannes ist das vierte Evangelium und das vierte Buch des Neuen Testaments.
Verfasser
traditionelle Auffassung
Die Überschrift gibt (einen) Johannes als Verfasser des Evangeliums an. Im Text des Evangeliums selbst gibt es zwei - nicht ganz eindeutige - Hinweise, die den Verfasser mit dem "Jünger, den Jesus lieb hatte" zu indentifizieren scheinen (Joh 19, 26-35 und 20, 20-24). Es liegt nahe - auch wenn der Text das nie so sagt - wie die Tradition diesen Jünger mit dem Apostel Johannes zu identifizieren: Von den drei Jüngern, die Jesus besonders nahe standen (Petrus, Jakobus, Johannes) ist Jakobus schon im Jahr 44 gestorben (Apg. 12,2) und Petrus wird von dem ungenannten Jünger ausdrücklich unterschieden (Joh 13,15f; 21,20).
Auch die nachbiblische Überlieferung berichtet von Johannes als dem Verfasser. Irenäus (120-202), in seinen frühen Jugendtagen ein Schüler von Polykarp von Smyrna (69-155), der - so wenigstens Irenäus - seinerseits ein Schüler des Johannes war, berichtet, Johannes habe bis in die Zeit Trajans (98-117) in Ephesus gelebt und dort nach Matthäus, Markus und Lukas seinerseits ein Evangelium herausgegeben.
Aus diesen Gründen hat die christliche Tradition den Apostel Johannes als Verfasser angenommen. Diese Position wird auch heute noch von traditionalistischen und evangelikalen Autoren vertreten.
historisch-kritische Auffassung
In der historisch-kritischen Exegese geht man im allgemeinen von einem längeren Entstehungsprozess des Textes aus, in dem deutlich verschiedene Schichten der Bearbeitung durch unterschiedliche Autoren oder Redakteure zu erkennen sind. Wenn man diesem Argument folgt, kommt als Verfasser des gesamten heute vorliegenden Textes Johannes also nicht in Betracht. Außerdem scheinen dem Text zumindest zwei schriftliche Quellen zugrundezuliegen (eine Sammlung von Wundergeschichten und eine Passionserzählung), die sich stilistisch von dem Hauptverfasser zuzuordnenden Texten deutlich unterscheiden. Es ist unwahrscheinlich, daß ein Augenzeuge sich in diesem Ausmaß fremder Quellen bedienen würde. Auch die anachronistischen Entgegensetzung von "den Juden" auf der einen und Jesus und seinen Jüngern auf der anderen Seite spricht gegen einen in der Zeit Jesu schlechthin jüdischen Zeitzeugen als Verfasser, und reflektiert vielmehr die Situation nach dem Ausschluß der Christen aus der Synagoge.
Da Irenäus sich keineswegs darauf beruft, seine Angaben über die Verfasserschaft von Polykarp persönlich gehört zu haben, kann - im Sinne der historisch kritischen Exegese - das Zeugnis des Irenäus nur als Hinweis darauf verwertet werden, daß die Zuschreibung des Evangeliums zu Johannes schon in der Zeit des Irenäus verbreitet war, nicht aber als historisch zuverlässige Quelle zur Verfasserschaft.
Der hauptsächliche Verfasser hat eine gute Kenntnis der jüdischen Festzeiten, Sitten und Gebräuche, was auf einen Judenchristen hinweist. Das deutliche Bemühen im Text des Evangeliums, das Evangelium mit Johannes dem Apostels in Verbindung zu bringen, spricht dann für einen Judenchristen, der sich in besonderer Weise der Tradition des Johannes verpflichtet weiß.
Auch Autoren, die für eine Spätdatierung gegen die Mitte des zweiten Jahrhunderts argumentieren, vertreten natürlich die Ansicht, dass der Apostel Johannes nicht der Autor sein kann.
Datierung
Das älteste Textzeugnis für das Johannesevangelium ist der Papyrus P52, gefunden in Ägypten P52 Papyrus. Der Herausgeber C.H. Roberts datiert ihn auf ca. 125 womit die meisten Papyrologen übereinstimmen (einzelne Autoren plädieren für Jahre zwischen 100 und 150). Die Datierung des Johannesevangeliums auf die zweite Hälfte des zweiten Jahrhunderts (Tübinger Schule aus dem 19. Jahrhundert) ist von daher fraglich.
Auch Vertreter der historisch-kritischen Schule datieren das Johannesevangelium heute oft auf den Anfang des zweiten Jahrhunderts, eine Datierung auf 130-150 oder später ist seltener geworden. Konservativere Autoren datieren das Evangelium auf 80-98. Speziell im englischen Sprachraum geben einige Autoren auch frühere Daten an (WF Albright vor 80, John A. T. Robinson vor 70).
Inhalt:
- Prolog: Das ewige Wort kam in die Welt (1,1-18)
- Vom Täufer zum Lamm Gottes: die ersten Jünger (1,19-51)
- Hochzeit zu Kana )2,1-12)
- Tempelreinigung in Jerusalem (2,13-22)
- Gespräch mit Nikodemus, Wirken in Judäa 2, 23-3,36)
- Jesus in Samaria, Gespräch mit der Samariterin am Brunnen (4,1-42)
- Jesus wieder in Galiläa, Heilung des Sohns eines hohen Beamten (4,43-54)
- Heilung des Lahmen am Teich Bethesda in Jerusalem (4,1-47)
- Speisung der 5000 in Galiläa, Jesus das Brot des Lebens (6,1-71)
- Der Kampf in Jerusalem, Laubhüttenfest, Heilung des Blindgeborenen beim Tempelweihfest, der gute Hirte, Auferweckung des Lazarus (7,1-11,54)
- Todesbeschluss der Gegner, Salbung in Bethanien, die letzten öffentlichen Reden Jesu (11,55-12,50)
- Fusswaschung, Abschiedsreden, das Hohepriesterliche Gebet (13,1-17,26)
- Karfreitag: Gefangennahme, Verhör vor Hannas und Kaiphas, Verleugnung des Petrus, Jesus vor Pilatus, Kreuzigung, Grablegung (18,1-19,42)
- Die Begegnungen mit dem Auferstandenen: Maria Magdalena, zehn Jünger, Thomas, Begegnung am See Tiberias (20,1-21,25)
Personen:
- Johannes der Täufer
- Jesus Christus
- Nikodemus
- Simon Petrus
- Der Jünger, den Jesus lieb hatte
- Hannas und Kaiphas
- Pontius Pilatus
- Maria von Magdala
- Apostel Thomas
Bekannte Geschichten
- Hochzeit von Kana (2,1-11)
- Tempelreinigung (2,13-17)
- Jesus und Nikodemus (3,1-21)
- Samariterin am Jakobsbrunnen (4,1-42)
- Jesus und die Ehebrecherin (8,1-11)
- Auferweckung des Lazarus (11,1-46)
- Die Fusswaschung (13,1-15)
- Der ungläubige Thomas (20,24-29)
Bekannte Textstellen
- Prolog (Am Anfang war das Wort...) (1,1ff)
- Also hat Gott die Welt geliebt... (3,16)
- Das Hohepriesterliche Gebet (17,1- 26)
- Ich bin Worte:
- Ich bin das Brot des Lebens (6,35)
- Ich bin das Licht der Welt (8,12)
- Ich bin die Tür (10,9)
- Ich bin der gute Hirte (10,11)
- Ich bin die Auferstehung und das Leben (11,25)
- Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (14,6)
- Ich bin der Weinstock und ihr seid die Reben (15,1)
siehe auch:
- Bibel
- Neues Testament
- Evangelium des Matthäus
- Evangelium des Markus
- Evangelium des Lukas
- Apostelgeschichte des Lukas