Frankfurt am Main in der Literatur



Frankfurt ist, vor allem seit der Zeit der Weimarer Republik, Handlungsort vieler biographischer Zeugnisse bzw. literarischer Rezeptionen in Form von Gedichten, Erzählungen und Romanen. In ihnen spielt, zumindest für den ortskundigen Leser, die Stadt als Kulisse mit, d. h. die sprachlichen Bilder werden durch die erinnerten Visualisierungen der Straßen und Plätze mit ihren Bauwerken ergänzt und evozieren zusätzlich die Atmosphäre.[1]
Gründungssage und Preislied
Den ersten in Hexametern verfassten Text über den Namen der Stadt[2] schrieb 1187 der Zisterziensermönch Gunther von Pairis, der nach seinem Epos Ligurinus über die Kämpfe Barbarossas auch Gunther Ligurinus genannt wird:
[…]
Doch gar kunstlosen Namens: es nennt sie
der deutsche Bewohner
Franconeforte. Mir sei erlaubt mit latei-
nischen Lauten
„Francoforum vadum“ sie zu nennen, da
Carol der Kaiser
Einst beim Kampf mit dem ungebändigten
Volke der Sachsen
Dort die breit sich ergießende Flut des
reißenden Mainstroms
Ohne Kenntnis der Furt überwunden
und mitten durchs Flussbett
Seine Scharen geführet, da keine Brücke
vorhanden:
[…]
Das älteste Spruchgedicht Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt von Johann Steinwert von Soest[3] ist aus dem Jahr 1501 nachgewiesen. Der 1500 als Stadtarzt angestellte Dichter lobt in seinem Preislied u. a. die soziale Brotgesetzgebung und den als Rechenmeister für die Finanzpolitik verantwortlichen Patrizier Daniel Bromm:
Franckfortt, du edle Statt gezyrt,
Myt tugend off das hogst probyrt,
Dyn fruntlich, gutt und erbar art
Zwingt mich, das ich moß ongespart
Dyn lob usspriesen mancherley,
[…]
Und durch den wysen ratt gefonden,
Das iglicher zu allen stonden
Gutt brott mag essen umb syn gelt,
Gebacken wol dyr numer felt,
Auch swer genug an synem gewicht,
Das ich hy billich meld und dicht,
Dan ny keyn fur von disser zit
Gefunden ist, also geschytt,
Der das durch rechnung dar zu brecht,
Das brott gemeynlich wer offrecht;
Da wydder dan eyn erbar rott
Eyn ertzeny gefunden hott,
Darzu Daniel Bromm myt flyß
Gehulffen hott in hohem pryß.
Er ist da hyn, Gott trost dy sel
Und gyb ym ruh behend und snel.
Er ist gewesen from und wyß,
Den gmeynen nutz meynt er myt flyß.
Als ander auch don in dem rott,
Dar off eyn gmeyner nutz dan stott.
Wol dem, der gmeynen nutz an sicht
Myt flyß vil me dann alle pflicht.
Got lybt eyn solchen ussermossen
Und wort yn entlich numer lossen.
[…]
So ich in leben numer byn,
Sprich myner armen sel zu trost:
Nu trost dich gott, Johan von Sost
18. und 19. Jahrhundert
Johann Wolfgang Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit
Johann Wolfgang von Goethe wohnte, unterbrochen von Studien- bzw. Ausbildungsaufenthalten in Leipzig, Straßburg und Wetzlar bzw. Reisen, von 1749 bis 1775 in seiner Geburtsstadt. Seine Erlebnisse und seine Entwicklung zum Dichter[4] erzählt er in seiner vierteiligen Autobiographie Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit.[5]
Im ersten Buch des ersten Teils[6] stellt er seine Familie und damit die großbürgerlichen Sozialisationsbedingungen vor. Einige Verwandte spielen im öffentlichen Leben der Freien Reichsstadt eine Rolle: Der Großvater mütterlicherseits, Johann Wolfgang Textor, ist Ratsherr, Schöffe und als Stadtschultheiß der ranghöchste Justizbeamte Frankfurts, der Vater Kaiserlicher Rat. Der gebildete promovierte Jurist hat in seinem Haus am Hirschgraben eine stattliche Privatbibliothek mit lateinischen und italienischen, aber auch zeitgenössischen deutschen[7] Schriftstellern aufgebaut. Da er seine Familie von den Erträgen seines Vermögens finanzieren kann, hat er Zeit, Wolfgang und dessen Schwester Cornelia zu unterrichten,[8] bzw. Privatstunden gemeinsam mit Nachbarskindern zu organisieren. Während des Hausumbaus (1755) muss der Sohn allerdings eine öffentliche Schule besuchen.

Goethe beschreibt auf den ersten Seiten seiner Erinnerungen anschaulich das historische Stadtbild, beispielsweise bei Spaziergängen über die Mainbrücke nach Sachsenhausen, von wo aus er die Entladung der Marktschiffe mit Hilfe der Kräne beobachtet. An Markttagen verliert er sich im Gewühl zwischen den Buden um die Bartholomäuskirche. Ihn beeindrucken bei den Rundgängen auf der Stadtmauer die verwinkelten Bezirke, die aus den früheren unruhigen Jahrhunderten stammenden burgartigen Räume, die wie kleine Städte in der Stadt liegen: dann abermals Pforten, Türme, Mauern, Brücken, Wälle, Gräben, womit die neue Stadt umschlossen ist. Dazwischen erstrecken sich die „Putz- und Schaugärten des Reichen“ neben den „Obstgärten des für seinen Nutzen besorgten Bürgers“. Ein herausragendes Erlebnis für den Fünfzehnjährigen ist die Krönung Erzherzog Josephs zum Römischen König am 3. April 1764.[9] Wolfgang verfolgt beeindruckt die Zeremonien: die Ankunft der Gesandten, den Einzug der Fürsten des Reichs und den Festzug zum Dom.
Goethes Freunde und Bekannte gehören vorwiegend der großbürgerlichen Klasse an, aber er hat auch Kontakte zu Jugendlichen des mittleren und niederen Standes,[10] die als Kanzleischreiber oder Gehilfen bei Kaufleuten arbeiten. So schließt sich der Vierzehnjährige einmal einer sozial gemischten Gesellschaft an, zu der auch ein Mädchen namens Gretchen zählt, in das er sich verliebt. Einen der jungen Männer empfiehlt er seinem Großvater Textor für eine Anstellung und unterstützt damit ungewollt einen Betrug, wodurch er selbst in Schwierigkeiten gerät. Eine andere Liebesgeschichte führt den 26-Jährigen in die Palais der Geldaristokratie.[11] Die Verlobung mit der Bankierstochter Lili wird jedoch bereits 1775 aus privaten, der Diskrepanz zwischen einem Leben als Dichter und Familienvater, und familienpolitischen, den Heiratsstrategien der Bankiersfamilie, Gründen[12] wieder aufgelöst.
Durch Elternhaus und Freunde beeinflusst nimmt Goethe teil an den unterschiedlichen religionsphilosophischen und politischen Diskussionen seiner Zeit: Das Erdbeben von Lissabon am 1. November 1755 mit der hohen Zahl von Toten stellt das christliche Gottvaterbild in Frage.[13] Die Freundschaft mit Susanne von Klettenberg[14] bewirkt dagegen eine pietistische Vorstellung des 29-jährigen, der in dieser Zeit auch mystische und alchemistische Schriften liest. Der Siebenjährigen Krieg spaltet Goethes Familie in zwei Lager: einige, wie sein Vater, sympathisieren mit den Preußen, andere mit den Habsburgern, z. B. der Großvater. Der Zehnjährige erlebt die Einquartierung des französischen Königslieutenants Graf Thoranc im Elternhaus[15] und die nicht weit von der Stadt entfernt stattfindende Schlacht bei Bergen am 13. April, in der die französische Armee den Angriff der mit Preußen verbündeten norddeutschen Regimenter abwehrt.
Goethe lernt durch das Kunstinteresse des französischen Offiziers im Elternhaus auch Maler aus Frankfurt und Umgebung kennen (Friedrich Wilhelm Hirt, Christian Georg Schütz, Johann Georg Trautmann, Johann Andreas Benjamin Nothnagel, Justus Juncker, Johann Conrad Seekatz, Philipp Hieronymus Brinckmann[16] und später Georg Melchior Kraus und Philipp Hackert[17]), ebenso regt dieser ihn zum Erlernen der französischen Sprache an und sie besuchen Theateraufführungen.[18] Gespielt werden vorwiegend französische Komödien von Destouches, Marivaux, Pierre-Claude Nivelle de La Chaussée, und Wolfgang liest, dadurch angeregt, in der väterlichen Bibliothek u. a. Corneille, Racine und Molière und studiert Diderots Dramaturgie der Natürlichkeit. Durch diese Erlebnisse in und um Frankfurt ist Goethe gut gerüstet für seine politische und literarische Karriere am Fürstenhof in Weimar.
Mundartdichtung
Karl Ludwig Textor, Johann Wilhelm Sauerwein, Friedrich und Adolf Stoltze
Im ausgehenden 18. und im 19. Jh. dominieren Frankfurter Mundartdichter die literarische Szene. Sie glossieren in ihren Gedichten und Lustspielen, z. B. Alt-Frankfurt von Adolf Stoltze, vorwiegend lokale Ereignisse und Persönlichkeiten.
Friedrich Karl Ludwig Textor, ein Cousin Goethes, karikiert in der Posse Der Prorector (1794) den Unterricht beim Latein- und Griechischlehrer Scherbius. Dieses Theaterstück gilt als die früheste erhaltene mundartliche Dichtung.
Johann Wilhelm Sauerwein schrieb ebenfalls humorvolle Theaterstücke, z. B. Frankfurt, wie es leibt und lebt. Von überregionaler Bedeutung ist das nach der Melodie „Ich bin der Doktor Eisenbarth“ gesungene Lizius-Lied. Bernhard Lizius und andere revolutionäre Studenten planten 1833 Bundestag in Frankfurt als Ausgangspunkt für eine Revolution in Deutschland zu besetzen. Im sogenannten Frankfurter Wachensturm überfielen sie am 3. April die Haupt- und die Konstablerwache. Ihr Ansturm wurde jedoch von der Miliz niedergeschlagen. Dem verhafteten Lizius gelang die Flucht aus dem Gefängnis Konstabler Wache auf der Zeil. Von diesem Coup („Bricht Gitter, Kasten – und mit Seil/Läßt er sich nieder auf die Zeil“) handelt Sauerweins Spottgedicht über den die überrumpelte Polizei repräsentierenden Wachmann Schnitzspahn.
Der bekannteste Mundartdichter ist Friedrich Stoltze mit den oft zitierten Sätzen aus seinem selbstbewusst-ironischen Gedicht Frankfurt (1880):[19] „un es will merr net in mein Kopp enei:/wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei!“
Die Kaufmannsstadt
In Romanen ausländischer Schriftsteller bzw. Autoren des 20. Jhs. repräsentiert Frankfurt dagegen, mit unterschiedlicher Bewertung, den Typus der wohlhabenden Kaufmannsstadt mit Geschäften für den gehobenen Bedarf und wird unter diesem Aspekt porträtiert: z. B. im Roman Ein Sommer in Baden-Baden[20] des russischen Schriftstellers Leonid Zypkin, der auf den Notizen Anna Dostojewskajas[21] aufbauend u. a. den Einkaufsbummel Fjodor Dostojewskis und seiner Frau Anna Grigorjewnas über Frankfurts großen, von den Gästen bewunderten, Geschäftsstraßen während ihrer Deutschland-Reise 1867 schildert.
Dagegen spiegeln sich im Aufenthalt der Protagonistin von Johanna Spyris Kinderbuch Heidis Lehr- und Wanderjahre[22] (1879) in der großen Stadt die ungesunden Kräfte der Zivilisation und die Gegenwelt zur Natur: Das achtjährige Waisenkind wird in die Kaufmannsfamilie Sesemann als Gesellschafterin der vereinsamten gehbehinderten zwölfjährigen Tochter Klara aufgenommen. Die den Haushalt des verwitweten Geschäftsmannes streng organisierende Hausdame, Fräulein Rottenmeier, will das Naturkind aus der Schweiz zivilisieren. Heidi fühlt sich deshalb, trotz der Freundschaft Klaras und der Zuwendung von deren Großmutter, die ihr bei ihren Stippvisiten das Lesen beibringt, in der fremden Stadtumgebung nicht heimisch, erkrankt psychisch und die Sesemanns schicken sie wieder zu ihrem Großvater in die Bergwelt zurück. Dort bringen die Heilungskräfte des einfachen autonomen Lebens in der Natur nicht nur ihr die schnelle Erholung, sondern auch Klara lernt beim Besuch auf der Alm durch Selbstvertrauen wieder das Gehen.
Martin Mosebach: Der Nebelfürst

Martin Mosebachs Roman Der Nebelfürst[23] greift in seiner Parodie des Kolonial- und Industriezeitalters mit seiner wirtschaftlichen Prosperität ein historisches Ereignis auf und lokalisiert die zweite Etappe der Handlung in die aufstrebende Handelsstadt Frankfurt.
Eine einfallsreiche Dame, Helga Hanhaus, hat den Journalisten Theodor Lerner für eine vom Berliner Lokalanzeiger finanzierte Expedition gewonnen, um angeblich den im Eismeer verschwundenen Ballonfahrer André zu retten, in Wirklichkeit jedoch um die Kohlevorkommen auf der herrenlosen Bäreninsel hinsichtlich einer wirtschaftlichen Nutzung zu erkunden. Seine Berichte hat Frau Hanhaus verschönt an die Presse weitergeleitet und nach der Rückkehr des als Nebelfürst bekannt gewordenen Journalisten organisiert sie in Frankfurt mit ihrem Kompagnon den Aufbau eines Bären-Insel-Syndikats (Kap. 15 Morgenstunde im »Monopol«).
Sie residieren, nachdem Lerner sein flüchtiges Quartier in Bornheim (Kap. 14) verlassen hat, beide im Hotel »Monopol« im neuen und großzügiger als „das verbaute Fachwerkgeschachtel der Innenstadt“[24] errichteten Bahnhofsviertel: Hier ist man verschont vom „Eingenistetsein uralter Lokal-Dämonen, die jeden ungewohnten Gedanken vergifte[]n und erstick[]en, […] Hier am Bahnhof deute[]n sich weite Häuserfluchten an […] und der Blick auf die riesenhaften Glasgewölbe ver[heißt] Reisen, Aufbrüche, Beweglichkeit.[25] Im nahe gelegenen Schachcafé »Pique-Dame« (Kap. 16) erklärt Frau Hanhaus ihrem Geschäftsführer, „[d]er Anleger sitze in seinem Mahagonikontor umgeben von seinen realen Werten und müsse zu dem Schritt geführt werden, diese mit Schmerzen oder List oder Fleiß erworbenen Werte hinzugeben für etwas, das bisher gar keinen Wert besaß, durch diesen Akt der Hinwendung aber plötzlich Form und Namen und Gewicht an[nimmt]. In zweierlei Hinsicht [gebe] es die Bären-Insel nun: einmal als Steinhaufen unter der Mitternachtssonne […] und mindestens ebenso real, wenn nicht realer auf dem Papier, in Gestalt des »Deutschen Bären-Insel-Unternehmens«, einer kurz vor der Eintragung stehenden Gesellschaft aus potenten Investoren.“[26]
Die beiden unternehmen nun von Frankfurt aus Geschäftsreisen, verhandeln mit privaten und staatlichen Investoren in Wiesbaden, Köln, Schwerin, Lübeck usw. und suchen bei der Regierung in Berlin um militärischen Schutz für die Unternehmungen nach. Frau Hanhaus fordert von sich und Lerner auch private Opfer. So muss dieser die im Schumann-Theater (ab Kap. 18) kennengelernte kohlrabenschwarze Varieté-Schönheit Louloubou für eine Nacht an den potentiellen Investor Sholto Douglas abgeben, der auch den Hanhaus-Sohn Alexander in seine Dienste nimmt (Kap. 21 Vormittag eines Tycoon, 23 Die Lobby übt Druck aus). Später besucht der Protagonist in einem Pavillon auf dem für Ausstellungen und Zirkusveranstaltungen am Zoologischen Garten auf der Pfingstweide im Osten der Stadt eingerichteten Messegelände die Präsentation neuer Werke des Malers Hector Courbeaux und erkennt Louloubou auf einer ganzen Serie von Gemälden, u. a. als »Schwarze Venus« wieder, für die sie als Muse und Geliebte des Künstler Modell stand (Kap. 39 Die Königin von Saba).
Am Ende scheitert das Bäreninsel-Konzept wegen Unwirtschaftlichkeit und die beiden Hochstapler müssen das Hotel verlassen und in ein Westend-Miethaus (Kap. 37) ziehen. Frau Hanhaus heiratet als Olga Vladimirowna dann den russischen Diplomaten Vlasimir Gawrilvich (Kap. 41 Die Petersburger Schlittenfahrt), Lerner die arme Nichte des Lübecker Bankdirektors Kohrs Ilse (Kap 42 Eine goldene Zukunft), die in »Karl Riesels Reisebüro, Berlin, Unter den Linden – Frankfurt am Main, Kaiserstraße« arbeitet. Ihr Ehemann schließt mit diesem Unternehmen einen Dreijahresvertrag „zur Arrangierung von Gesellschaftsreisen und Sport-Tourismus nach Norwegen, Bären-Insel und Spitzbergen“[27] und stellt Ilse seine Vision vor: „Heute im Jahr 1900 können wir sagen, dass die Epoche der europäischen Kriege endgültig zu Ende ist. […] Zusehen, verstehst du, das ist die Zukunft. […] Bald wird die Maschine die Arbeit des Menschen vollständig übernommen haben. Dann werden wir, zu unserer Unterhaltung und Belehrung, primitiven Völkern beim Arbeiten zusehen. […] Die ganze Aufregung um Ingenieur André in seinem Luftballon bestand eigentlich darin, dass die Welt ihm beim Entdecken und dann sogar beim Abstürzen und Erfrieren zusehen wollte. Ich sehe jetzt, dass ich schon ganz früh auf der richtigen Fährte war.[28]
Weimarer Republik
Elias Canetti: Inflation und Ohnmacht
Im zweiten Buch (Teil I Inflation und Ohnmacht Frankfurt 1921–1924) der dreibändigen literarisch gestalteten Lebensgeschichte Canettis[29] erinnert sich der Autor an seine Frankfurter Jugendjahre. Es ist die Zeit der Inflation mit hoher Arbeitslosigkeit. Der Autor beobachtet, wie in diesem Zusammenhang die jüdische Bevölkerung immer mehr in den Fokus nationaler Gruppierungen gerät, und ist dadurch besonders sensibilisiert für die Herausbildung von Feindbildern, die für Massenbewegungen agitatorisch genutzt werden.
1921 zieht Frau Canetti mit ihren drei Söhnen von Zürich nach Frankfurt um, wo sie in der Pension Charlotte in der Bockenheimer Landstraße wohnen und Elias die Oberstufe der Wöhlerschule besucht. Die anderen Gäste am Pensionstisch repräsentieren bürgerliche Schicksale der Nachkriegszeit und bilden mit ihren Gesprächen über Politik, Wirtschaft, Malerei und Literatur oder die Theateraufführungen für den Jugendlichen einen kleinen Kosmos für seine Beobachtungen. Er vermutet als Ursache ihrer Positionen die Auswirkung des Ersten Weltkrieges. Mit seinen Mitschülern diskutiert Elias dagegen ihn betreffende religiöse und gesellschaftliche Themen, v. a. die Rolle der Juden in der Gesellschaft und die antisemitischen Vorurteile.
Im Zentrum der Erinnerungen stehen die Porträts einiger Freunde aus meist wohlhabenden, gebildeten jüdischen Familien, Theateraufführungen, eine Gilgamesch-Lesung des Schauspielers Carl Ebert sowie die Spannungen im Verhältnis zu seiner Mutter, die sich den Fragen des Jugendlichen über ihm unverständliche Verhaltensweisen der Menschen verschließt, als er sie mit seinen Beobachtungen aus dem Alltag konfrontiert, z. B. den Hungernden auf den Straßen in der Zeit der Inflation, die er als „Dämon mit einer Riesenpeitsche“[30] personifiziert, und gesellschaftspolitischen oder sexuellen Aspekten. Sie flieht schließlich vor den Unruhen und ersten Demonstrationen, dem „Hexenkessel“ der „Getrenntheit der ‚Meinungen’“[31] aus der Stadt nach Wien. Canetti erinnert sich an seine damalige Wahrnehmung des Nebeneinanders menschlicher Verhaltensweisen in der Wirklichkeit und auf der Bühne, für das er schließlich in den aristophanischen Komödien eine Verbindung sieht: „Auch hier [zur Zeit der Inflation] leitete sich alles von einer einzigen Grundvoraussetzung ab, der rasenden Bewegung des Geldes. Es war kein Einfall, es war die Wirklichkeit, darum war es nicht komisch, sondern entsetzlich, doch als Gebilde, wenn man es als Ganzes zu sehen versuchte, war es einer Komödie ähnlich. Man könnte sagen, dass die Grausamkeit der aristophanischen Sehweise die einzige Möglichkeit bot, zusammenzuhalten, was in tausend Teilchen zersplitterte.“[32]
Canetti resümiert, „[…] dass [seine] Erinnerung an das letzte Frankfurter Jahr von der Turbulenz der öffentlichen Ereignisse bis zum Bersten erfüllt ist und gleich daneben, als ginge es um ein und dieselbe Welt, die aristophanischen Komödien erscheinen, wie sie beim ersten Lesen [ihn] überfielen. […] die enge Nachbarschaft, in die sie für [seine] Erinnerung gerückt sind, muss die Bedeutung haben, dass es die für [ihn] wichtigsten Dinge jener Zeit waren und dass eins auf das andere von bestimmendem Einfluß war.“[33]
Jakob Wassermann: Der Fall Maurizius
Jakob Wassermanns Roman Der Fall Maurizius (1928) greift zwei Problemfelder der Zeit auf, den in der Literatur des Expressionismus oft gestalteten Vater-Sohn-Konflikt und die Frage nach der Gerechtigkeit und deren Repräsentanz im Justizsystem. Diese Schwerpunkte werden in Form einer Detektivgeschichte über die Aufklärung eines Justizirrtums mit dem Familienkonflikt Andergast in einer um 1925 in Frankfurt spielenden Handlung verzahnt.
Der 16-jährige Etzel opponiert gegen seinen Vater, den Oberstaatsanwalt Wolf Freiherr von Andergast, der 1905/06 in einem Indizienprozess die Geschworenen von der Schuld des Dozenten Otto Leonart Maurizius am Mordes an seiner Frau Elli überzeugt hat. Seit mehr als 18 Jahren sitzt der zu lebenslänglicher Haft Verurteilte im Zuchthaus Kressa. Dessen in Hanau wohnender Vater reicht nun ein Gnadengesuch ein und sucht Andergast in seiner Wohnung im Kettenhofweg im Frankfurter Westend auf, um seine Zustimmung zu erreichen. Dadurch erfährt Etzel von dem Fall. Im Laufe der Jahre hat sich zwischen dem autoritären Vater und seinem unter strenger Kontrolle stehenden Sohn ein Spannungsverhältnis aufgebaut. Oberstes Prinzip im Leben des Juristen ist das Gesetz und er sieht sich als strenger Vertreter der Regelapparate, sowohl im öffentlichen wie im privaten Feld. Verstöße müssen seiner Meinung nach unnachgiebig bestraft werden: „Das Recht sei eine Idee, keine Angelegenheit des Herzens; das Gesetz kein beliebig zu modelndes Übereinkommen zwischen Parteien, sondern heilig ewige Form.“[34] Er selbst fühlt sich als Instanz, die nicht in Frage zu stellen ist. Seine Ehe zerbrach an dieser Einstellung und seine Frau Sophia suchte Trost in einer Affäre und wurde nach deren Entdeckung von ihrem Mann verstoßen: Sie musste ihm vertraglich zusichern, ins Ausland zu ziehen und auf jegliche Verbindung zu ihrem Sohn zu verzichten. Etzel gegenüber wird nicht über sie gesprochen, auch die Haushälterin Rie sowie seine Mutter setzt Andergast unter Druck und verpflichtet sie zur Verschwiegenheit. (1. Teil, 1. Kap., Abschnitt 1). So hat Etzel sich als Kind eingebildet, „dass der Vater im Mittelpunkt des Weltalls saß“[35] und ihm deshalb den Namen Trismegistos gegeben. Nun zweifelt er an seiner Allmacht und durchschaut seine Strategien, sowohl die außereheliche Beziehung seiner Frau als auch den Fall Maurizius als Kreuzzug von Ordnung, Pflicht und Moral gegen Genusssucht und Zügellosigkeit der jungen Generation (1,4,2) zu instrumentalisieren und, wie er es in seinem Plädoyer im August 1906 formuliert, „das ganze Verhängnis einer Zeit, die Krankheit einer Nation“[36] in der Person des Angeklagten zu bestrafen. Etzel bricht aus dieser Ordnung immer mehr aus, er schwänzt die Schule und wandert stattdessen im Taunus (1,2,1), er sucht Rat bei seinem Klassenkameraden Robert Thielemann (1,3,4) in der Feyerleinstraße im Nordend, spricht in der Miquelstraße, an einem Platz beim Palmengarten, mit seinem Lehrer Dr. Camill Raff (1,4,5) über das Problem der Wahrheit bzw. der Verantwortung für den vielleicht unschuldigen Maurizius und befragt die Großmutter Cilly, die Generalin, in ihrem Landhaus in Eschersheim über seine Mutter (1,2,5).
Auslöser für seine Emanzipationsbestrebungen sind die Informationen, die ihm Peter Paul Maurizius bei einer Zusammenkunft am Portal der Christuskirche im Westend und in Hanau über den Prozess gegen seinen Sohn gibt. Er entdeckt beim Studium der alten Zeitungsartikel Fragwürdiges in der Indizienkette und in der Strategie des Staatsanwaltes (1,4,1–4). Darauf reist er nach Berlin und findet dort den Kronzeugen Gregor Waremme, der sich jetzt Georg Warschauer nennt.
Nach der Abreise seines Sohnes fühlt Andergast, dass er die Kontrolle über sein mühsam aufgebautes System verliert und sich Etzel seinem Einfluss entzieht. Er lässt polizeilich nach ihm fahnden (1,5,2), allerdings ohne Erfolg, er macht der Haushälterin und seiner Mutter Vorwürfe, vermutet eine Verschwörung gegen seine Anweisungen, stößt jedoch auf Widerspruch (1,5,3–4) und er veranlasst die Versetzung Dr. Raffs an ein Provinzgymnasium, nachdem er in diesem den Vertreter einer freien Persönlichkeitserziehung erkannt hat und ihn für die Entwicklung seines Sohnes verantwortlich macht.(1,5,5–6). Doch parallel zu diesen Abwehrmaßnahmen studiert Andergast in seinem häuslichen Arbeitszimmer die Prozessakten des Falles Maurizius, zugleich erinnert er sich immer wieder an Etzels Kindheit (1, 5, 7–1,6,9). Dies führt zu einer langsamen Aufweichung seiner Position: Er fragt sich, ob „hinter der gewussten Wirklichkeit eine andere, geheimnisvollere [stecke]“.[37] Er ist nun sensibilisiert, die Motive Gregor Waremmes und Anna Jahns, der Schwester Ellis, und deren Beziehungen zu Maurizius und Elli zu untersuchen, und er reflektiert während eines Spaziergangs an der Dammheide und über die Rödelheimer Straße in Bockenheim Lücken in der Indizienkette und Widersprüche im Verhalten der Zeugen, denen er während des Prozesses nicht nachgegangen ist (1,7,2). Der dadurch nachdenklich gewordene Andergast spürt in sich diese Veränderung. Zeichen dafür sind die Trennung von seiner Geliebten, der Kalifornierin Violet Winston, die in Frankfurt am Konservatorium studiert und der er eine Wohnung in Bornheim am Pestalozziplatz finanziert (1,7,3–4), und das Gespräch mit Peter Paul Maurizius (1,7,5) über ihre aus der Art geschlagenen Söhne.
Er besucht nun mehrmals den inhaftierten Maurizius in Kressa, erfährt nach und nach dessen Geschichte und hört sich dessen Kritik am Gerichtswesen an (1, 9, 2–9; 2, 12, 1–7): die angebliche Allwissenheit der Richter und Staatsanwälte, die nicht die Ambivalenz des Menschen berücksichtigen.[38] In den Machtbereich der Justiz zu geraten bedeute, diesem ausgeliefert zu sein, die Menschenwürde und „jeden Anspruch auf Respekt“[39] zu verlieren. Auch in seiner Familiengeschichte wird der Staatsanwalt zunehmend zum Angeklagten. Seine Mutter Cilly hat seine Frau vom Verschwinden ihres Sohnes benachrichtigt und diese in ihr Haus aufgenommen. Sophia beschuldigt bei einem Besuch im Kettenhofweg ihren Mann des arrangierten Meineids: Er zwang nämlich ihren Liebhaber Georg Hofer zu der Falschaussage, mit ihr keine Affäre gehabt zu haben, um ihn dann mit ihrem Geständnis des Ehebruchs zu konfrontieren, worauf sich dieser das Leben nahm (2,13,1–5). Obwohl Andergasts Position zusammengebrochen ist und er jetzt weiß, dass Maurizius unschuldig ist, versucht er das Gesicht zu wahren und verhindert durch die Begnadigung Maurizius’ eine Revision des Urteils (2, 13, 6–10). Als Etzel nach siebenwöchigen Recherchen von Berlin zurückkehrt, kann er das Eingeständnis Waremmes, einen Meineid geschworen und damit Maurizius zu Unrecht beschuldigt zu haben (3, 14, 1–5), nicht mehr für eine Rehabilitierung nutzen und zerschlägt besinnungslos Glasscheiben und Gefäße. Während der Vater wegen der Abwendung des Sohnes einen Schlaganfall erleidet und in eine Heilanstalt gebracht wird, bittet der mit Schnittwunden verletzte Sohn darum, seine Mutter zu holen (3, Letztes Kp., 1–3).
Nationalsozialistische Diktatur, Emigration und Holocaust
Irmgard Keun: Nach Mitternacht
Irmgard Keuns Roman Nach Mitternacht (1937) spielt an zwei Tagen in Frankfurt um das Jahr 1936 und veranschaulicht, wie die nationalsozialistischen Diktatur zunehmend das Leben und Denken der Menschen kontrolliert und die jüdische Bevölkerung diskriminiert und zur Emigration drängt.
Die Erzählerin, die 19-jährige Susanne Moder, genannt Sanna, ist vor einem Jahr aus Köln zu ihrem 17 Jahre älteren Halbbruder Alois in dessen teure Wohnung in der Bockenheimer Landstraße[40] gezogen. Sie hilft dessen Frau Liska im Haushalt und bei ihren kunstgewerblichen Arbeiten, die im in bester Gegend der Stadt liegenden Geschäft der Eltern ihrer Freundin Gerti verkauft werden. Sie begleitet die Schwägerin und Gerti z. B. ins Café am Roßmarkt, vor dem noch kein Schild mit der Aufschrift »Juden unerwünscht«[41] hängt oder beim Einkaufsbummel in der Goethestraße und auf der Zeil.
Die beiden im Zentrum des Romans stehenden Tage in Frankfurt skizzieren die gesellschaftliche Situation. Sanna ist im Wesentlichen Beobachterin und Zuhörerin und versteht oft nicht die Redeinhalte und deren ideologischen Hintergrund, aber die Autorin lässt sie das Verhalten der Menschen im Alltag mit dem kindlichen, unverbildeten Blick eines Landmädchens beobachten und, ergänzt durch kluge Bemerkungen einer lebenserfahrenen Frau, die Phrasen und grotesken Widersprüche der Parteigänger und die eigennützigen Umorientierungsversuche vieler Bürger entlarven. Sanna fühlt ständig in sich die Angst davor, unbewusst etwas Falsches zu sagen und von der Gestapo verhaftet zu werden. Vor allem ihre in angetrunkenem Zustand leichtsinnig-redseligen Freunde sieht sie bei den langen Abenden und Nächten im Henninger-Bräu in der Nähe des Opernplatzes oder in einem Lokal in der Goethestraße, in Bogeners Weinstuben, in ständiger Gefahr.
In Frankfurt erlebt Sanna (Kap. 1) die Repressionen der Machthaber und ihrer Organe: Gerti kommt wegen ihrer Liebe zu dem Halbjuden Dieter Aaron, dem Sohn eines den Nationalsozialismus verständnisvoll betrachtenden Exporthändlers, in Konflikt mit den Rassengesetzen. Zu Alois und Liskas Freundeskreis zählen auch jüdische Geschäftsleute und Ärzte. Sie ziehen sich immer mehr aus der Öffentlichkeit und aus den wenigen ihnen noch zugänglichen Cafés zurück. Während Aaron weiterhin seine Geschäfte machen und noch wie gewohnt standesgemäß in einer prächtigen Villa leben kann, darf sein Sohn Dieter nicht mehr in einer Chemiefabrik arbeiten (Kap. 1). Doktor Breslauer ist es verboten, in Deutschland zu operieren. Deshalb wandert er in den nächsten Tagen über Rotterdam nach Nord-Amerika aus und wird dort, mit der Aussicht auf die amerikanischen Bürgerrechte, Chefarzt einer Klinik. Den Großteil seines Vermögens hat er bereits im Ausland angelegt (Kap. 5).
Sannas Bruder Alois Moder, mit dem Künstlernamen Algin, war während der Zeit der Weimarer Republik ein erfolgreicher sozialkritischer Journalist und Schriftsteller. Nach dem Regierungswechsel wurde sein verfilmter Roman »Schatten ohne Sonne« wegen zersetzender Tendenz verboten und er steht vor der Entscheidung zwischen der Aufgabe seines Berufes oder Anpassung an die erwünschte linientreue Literatur. Er tendiert zu der zweiten Richtung und „äußert sich neuerdings als Dichter über die Natur und seine naturverbundene Heimatliebe“,[42] denn er ist von der Reichsschrifttumskammer gewarnt worden, eine neue „Säuberungsaktion unter den Schriftstellern soll[e] stattfinden, bei der man Algin wahrscheinlich aussieben wird.“[43]
Im 7. Kapitel trifft sich der heterogene Freundeskreis bei Liskas Fest in ihrer Wohnung. Während die ausgelassenen Gästen feiern und Algin sich nicht mehr um seine Frau kümmert, philosophiert sein Freund, der 40-jährige Journalist Heini: »Diese Gesellschaft ist eine Gesellschaft von Zuchthäuslern […] Alle sind nette brave bürgerliche Menschen, nach den neuen deutschen Gesetzen oder dem nationalsozialistischen Gefühl nach müssten sie allerdings alle eingesperrt sein. Daß sie hier frei umherlaufen, verdanken sie einem Zufall.« Kurz vor Mitternacht erschießt er sich.
Heini ist die zentrale Figur der letzten beiden Romankapitel (Kap. 6 und 7), in denen er konsequent die Position des Widerstandes vertritt. Wegen seiner kritischen Haltung dem System gegenüber kann er kaum mehr Artikel schreiben. Er kam vor sechs Monaten in die Stadt und wohnt „in dem trübseligsten Absteigquartier Frankfurts. In einer dumpfen, muffig grauen Straße hinter dem Bahnhof.“[44] Im Gegensatz zum unentschlossenen Algin sagt er, z. B. bei Restaurantbesuchen, in langen Tiraden seine Meinung. Dem Freund wirft er vor (Kap. 6), „lächerliche Konzessionen“[45] zu machen. Er habe „gegen [s]ein Gefühl, gegen [s]ein Gewissen geschrieben“ und sei „[e]in armer Literat“, denn [e]in Schriftsteller, der Angst hat, [sei] kein Schriftsteller.“[46] Er gibt ihm den Rat: „Wo keine Kritik mehr möglich ist, hast du zu schweigen.[…] Bring dich um oder lern Harfe spielen und mach Sphärenmusik“.[47] Seine Analyse der Situation ist trostlos. Sarkastisch erklärt er Manderscheid, dem ehemaligen liberalen Volksparteiler und Inseratenabteilungsleiter einer Zeitung, der an diesem Tag für die Winterhilfe gesammelt hat: „Wir leben nun mal in der Zeit der großen deutschen Denunziationsbewegung. Jeder hat jeden zu bewachen, jeder hat Macht über jeden […] Die edelsten Instinkte des deutschen Volkes sind geweckt und werden sorgsam gepflegt.“[48]

Höhepunkt im öffentlichen Bild der Stadt ist am ersten Tag der Romanhandlung der Auftritt Adolf Hitlers am Opernplatz,[49] dem Sanna und Gerti vom Balkon des Cafés Esplanade aus zuschauen: Schon vor der Vorfahrt der Autokolonne hat sich der Konvoi angekündigt: „Von weitem schwollen Rufe an: Heil Hitler, näher kam der Mengen Ruf herangewellt, immer näher – nun stieg er zu unserem Balkon empor – breit, heiser und etwas müde. Und langsam fuhr ein Auto vorbei, darin stand der Führer wie der Prinz Karneval im Karnevalsanzug. Aber er war nicht so lustig und fröhlich wie der Prinz Karneval und warf auch keine Bonbons und Sträußchen, sondern hob nur die leere Hand.“[50] Diese symbolkräftig- ahnungsvolle Szene wird kontrastiert von der missglückten Führer-mit-Kind-Nummer. Das fünfjährige Bertchen Silias wurde als „Reihendurchbrecherin“ ausgewählt, um einen aus Nizza importierten riesigen Fliederstrauß zu überreichen, aber der vorbeirauschende Hitler übersah sie. Dieser eilt nun zwischen den Reihen Fackeln tragender Soldaten mit blinkenden Stahlhelmen hindurch zu den anderen Herrschenden auf dem Balkon des Opernhauses, um sich dem Volk zu zeigen. Im Henninger-Bräu (Kap. 2) erlebt Sanna anschließend, wie das stark erkältete Kind vor seinen stolzen Eltern, inmitten SA- und SS-Leuten, als Ersatz für den entgangenen Auftritt das einstudierte Gedicht »Ich bin ein deutsches Mägdelein/und künftges deutsches Mütterlein/und bringe dir, o Führer mein/aus deutschen Gauen Blümelein…«[51] immer wieder wie eine erneut aufgezogene Spieluhr vorträgt, bis es tot auf dem Tisch zusammenbricht.
Für Sanna und ihre politisch engagierten oder gefährdeten Freunde und Bekannten spiegeln diese beiden Frankfurter Tage die Zeit des Umbruchs und der Entscheidungen für ein an das Regime angepasstes Leben oder die Flucht aus Deutschland. Der neue Tag eröffnet für viele Änderungen in ihrem Leben: Liska, deren unglückliche Liebe zu dem mit sich und der politischen Lage beschäftigten Heini (Kap. 5 und 7) nicht erwidert wurde, trennt sich von Algin und dieser heiratet deren 30-jährige Freundin Betty Raff, die seine neue Ausrichtung als Dichter bewundert wie zuvor seine erste Frau die alte. Sanna trifft ihre Lebensentscheidung und zieht damit die Folgerung aus den miterlebten Schicksalen. Nachdem ihr Freund Franz sich in Köln an einem Denunzianten gerächt hat und zu ihr geflohen ist, verlassen die beiden gemeinsam nach Mitternacht, „[u]m ein Uhr nachts“,[52] mit dem Zug Frankfurt. In Rotterdam hoffen sie auf die Hilfe des ebenfalls emigrierten Breslauer.
Anna Seghers: Das siebte Kreuz
Der Handlungsfaden des zweiten Teil von Anna Seghers’ 1942 veröffentlichtem Roman Das siebte Kreuz zieht sich kreuz und quer durch verschiedene Stadtteile Frankfurts mit teils authentischen, teils abgewandelten bzw. fiktiven Straßennamen. Hier versteckt sich der Protagonist vor den nationalsozialistischen Verfolgern.
Nachdem der Kommunist Georg Heislers im Herbst 1937 aus dem Konzentrationslager Westhofen bei Worms geflohen ist, findet er bei sozialistisch bzw. kommunistisch orientierten Freunden und Bekannten in Frankfurt Unterschlupf und entkommt dadurch der Gestapo, die seiner Spur von Station zu Station folgt und seine potentiellen Zufluchtsorte überwacht. Die Figuren repräsentieren Positionen und Verhaltensweisen der Menschen unter der Kontrolle durch die Organe der nationalsozialistischen Diktatur zwischen linientreuem Engagement für das Regime und Denunziation, Anpassung und Rückzug aus dem öffentlichen Leben oder Hilfe für Verfolgte und Mitarbeit in Untergrundbewegungen. Ein Klima des Misstrauens fördert die Angst der Menschen, ihre wahre Meinung zu äußern. Dadurch wird im Roman die von Hermann bereits geplante Unterstützung des untergetauchten Protagonisten erschwert: Liesel Röder befürchtet, dass der Besucher ein Geheimagent ist und verhindert dadurch die Kontaktaufnahme Franz Marnets mit Georg. Umgekehrt argwöhnt Herr Sauer, ein ihm unbekannter Mann, es ist Paul Röder, wolle ihm eine Falle stellen (Kap. 5, Abschnitt 3[53]). So schließen sich die Verbindungsglieder erst spät zu einer Kette und der Erfolg wird durch die vorübergehende Verhaftung Pauls und die Gefahr, dass er unter Druck der Gestapo Fiedlers Namen nennt, gefährdet.
Am Morgen des dritten Fluchttags (3./3) erreicht Heissler Frankfurt-Höchst, fährt dann mit der Elektrischen nach Niederrad und besucht in einem mit Häusern, Höfen und Gärten verschachtelten Wohngebiet seine Freundin Leni, mit der er nach der Trennung von seiner Frau Elli zusammen war. Aber sie verweigert ihm jegliche Hilfe, da sie jetzt mit einem Nationalsozialisten zusammenlebt. Nächste Anlaufstelle ist eine Adresse in der Innenstadt, die ihm sein Mithäftling Belloni gegeben hat: Bei der Schneiderin Frau Marelli kann er seine Kleider wechseln (3/4). Mit acht Mark ausgestattet verlässt er ihre Wohnung in Nähe der Schillerstraße. Am Güterbahnhof trifft er auf eine heruntergekommene Prostituierte, die ihn in ihrem Zimmer im Ostend übernachten lässt. In der Nacht wird er durch Geräusche geweckt und flüchtet misstrauisch, da die ganze Stadt ein Fangnetz sein konnte, durchs Fenster an den Main (3/5).
Sein Verdacht ist berechtigt. In Parallelhandlungen werden seine Freunde überwacht, die sich wiederum durch Geheimbotschaften verständigen, mit Georg den Kontakt suchen, um ihm zur Flucht ins Ausland zu verhelfen. So trifft sich Franz Marnet, der in den Höchster Farbwerken arbeitet, als Verbindungsmann mit Georgs Frau Elli z. B. im Kino Olympia (3/4), in der Markthalle und bei ihrer mit dem SS-Mann Otto Reiners verheirateten Schwester (4/6), um sich zu beraten. Sie wissen, dass Elli bei ihren Gängen durch die Stadt abwechselnd von mehreren Gestapoleuten beschattet (4/3) und von dem Polizeikommissar Overkamp verhört wird (6/3). Der in der Griesheimer Eisenwerkstätte arbeitende Hermann, spielt in diesem Untergrundnetz eine zentrale Rolle (5/3), verknüpft die Nachrichtungen von Franz, Sauer bzw. Paul und organisiert schließlich die Rettung seines Freundes Georg.

Die Geheimpolizisten erhalten durch die Festnahmen der anderen geflohenen Häftlinge immer mehr Informationen über die Kontaktleute, finden beispielsweise in der Wohnung Frau Marellis Heislers Pullover (4/2) und wissen so, dass er in seine Stadt zurückgekehrt ist. Nun fahnen sie gezielt nach ihm, veröffentlichen in Frankfurt seinen Steckbrief und setzen eine Belohnung aus. Dadurch wird er, als er in einem Büfett am Schauspielhaus etwas isst, erkannt, aber in diesem Fall nicht verraten. Dagegen gibt sein Mithäftling Füllgrabe, der entnervt seine Flucht abbricht und sich der Gestapo in der Mainzer Landstraße stellt, zu Protokoll, dass er kurz vorher Georg am Eschenheimer Turm begegnet ist (4/3, 5/3). Dieser will zu diesem Zeitpunkt die Stadt verlassen, um im ländlichen Botzenbach unterzutauchen und fährt nach dem Zusammentreffen mit der Linie 23 in Richtung Eschersheim, doch ändert er seinen Plan, springt ab, bleibt in der Stadt, weil er nur hier Freunde hat, und überlegt, wer von ihnen nicht überwacht wird und ihn verstecken könnte. So geht er nach Bockenheim in die Brunnengasse 12 zu Liesel und Paul Röder, die ihn gastfreundlich bewirten. Sein Jugendfreund war lange arbeitslos und ist den Nationalsozialisten für seine Anstellung in der Munitionsfabrik Pokorny dankbar. Außerdem unterstützt die NS-Wohlfahrt seine kinderreiche Familie. Trotz der Entdeckungsgefahr nimmt er jedoch Georg auf.(4/5) und erkundet am nächsten Morgen (Freitag) für ihn erfolglos Schlupfwinkel im Bahnhofsviertel: Paul Schenk in der Moselgasse 12 ist jedoch bereits verhaftet worden und der als Parteimitglied getarnte Architekt Sauer in der Taunusstraße reagiert aus Vorsicht nicht auf das Passwort, weil er Paul für einen Spitzel hält, beschreibt aber später Hermann den Besucher, den dieser als Paul identifiziert (6/6).
Paul findet einen Weg zu einem neuen Quartier. Er führt Georg am Abend zu seiner Tante Katharina Grabber in die Metzgergasse und gibt ihn als seinen Schwager Otto aus Offenbach aus, dem er in ihrem Fuhrunternehmen eine Anstellung als Automechaniker vermittelt hat (5/3). Am nächsten Tag sucht er im Betrieb nach einem vertrauenswürdigen Arbeitskollegen und spricht Fiedler an (6/5). Damit hat er instinktiv den Richtigen ausgewählt, denn dieser nutzt nun seine Verbindungen und sorgt dafür, dass Georg am Abend von dem Chemiker Dr. Kreß in der Schäfergasse vom Olympia Kino in der Innenstadt abgeholt wird (6/9). Sie fahren mit seinem blauen Opel am Ostbahnhof und Ostpark vorbei zu seinem Haus Goetheblick 18 am Rand der Riederwaldsiedlung. Fiedler geht am nächsten Tag zu Hermanns Freund Reinhard. Dieser übergibt ihm Geld und einen Ausweis auf den Namen des Neffen eines holländischen Schleppdampferkapitäns mit Georgs eingearbeitetem Passbild ab (7/2). Grete Fiedler bringt die Papiere mit der Nachricht zu Georg, am nächsten Morgen um halb sechs an der Anlegestelle an der Kasteler Brücke in Mainz zu sein (7/3), und die Kreß’ fahren ihn nach Kostheim. Tags darauf geht er an Bord der „Wilhelmine“ (7/5).
Valentin Senger: Kaiserhofstraße 12

Der Frankfurter Schriftstellers und Journalisten Valentin Senger publizierte 1978 seine Familiengeschichte in dem Buch Kaiserhofstraße 12. In einem Hinterhaus überlebt er mit seinen Eltern und Geschwistern die Zeit des Nationalsozialismus und der Judenverfolgung, getarnt im normalen Alltag der deutschen Nachbarn.
Der Vater Moissee Rabisanowitsch und die Mutter Olga Moissejewna Sudakowitsch müssen wegen revolutionärer Aktivitäten das zaristische Russland verlassen. Sie fliehen nach Deutschland, verbergen ihre Biographien und leben ab 1911 mit gefälschten Ausweisen unter dem neuen Namen Senger als staatenlose Juden in Frankfurt (Kap. Mama, Der Revolutionär, Die Tarnung). Ihren Unterhalt verdienen der Vater bis zu seiner Arbeitslosigkeit 1931 als Revolverdreher in den Adlerwerken und die Mutter als Schneiderin. Nach jüdischer Tradition werden der 1918 geborene Sohn Valentin sowie sein Bruder Alex (Kap. Die Beschneidung) beschnitten und der Vater besucht mit ihnen an den Feiertagen die reformierte Synagoge in der Freiherr-vom-Stein-Straße. Die beiden Kinder und ihre Schwester Paula wachsen in der Kaiserhofstraße der Innenstadt zwischen Opernhaus und Hauptwache auf.
Senger beschreibt (Kap. Unsere Straße) die sozialen Strukturen dieses kleinbürgerlichen und mittelständischen Gebietes: Hier wohnen in der Zeit der Weimarer Republik, entsprechend ihrem Einkommen entweder in den Vorder- oder den Hinterhäusern, Angestellte, städtische Beamte, Arbeiter, Handwerker, Geschäftsleute und einige wenige Paradiesvögel und Originale: z. B. der Kunstmaler Lino Salini, Opernsänger, Prostituierte, der später von den Nazis ermordete Transvestit Didi, der mit einer spanischen Geigerin befreundete Sattler Gustav Lapp (Kap. Leben und Tod eine Don Juan) oder die Modistin Anna Leutze (Kap. Die närrische Modistin). Sie hat unter der Kinderbande, der sich mit den benachbarten Hochstraßen- und Meisengassencliquen prügelnden Kaiserhofclique, zu leiden. Valentins Familie gehört zu den armen Hinterhausmietern, die auf dem Weg von der Straße zu ihren Wohnungen den Innenhof mit Kellergewölben für Weinfässer bzw. Käseräder sowie eine Spenglerwerkstatt passieren: „Wenn ich aus dem Fenster unserer Hinterhauswohnung hinaussah, hatte ich, etwa in acht Meter Entfernung, die graue, rissige Fassade der Vorderhauses vor mit, und ich mußte, obwohl wir im zweiten Stock wohnten, den Kopf weit zurücklegen, wenn ich ein Stück Himmel sehen wollte. Vor fast allen Fenstern mit den hässlichen Spanngardinen waren Leinen gezogen, auf denen immer viele Wäschestücke hingen […] Aus dem vergitterten Waschküchenfenster im Hof zogen Dampfschwaden die Hauswand hoch, so daß an dieser Stelle der Verputz faulte und abbröckelte. […] So war es in allen Hinterhöfen, sie nahmen sich gegenüber den protzigen sandsteinverzierten Straßenfassaden trist aus.“[54] „Unser Hinterhof war ein Ort immerwährender Geschäftigkeit. Menschen kamen und gingen, Handkarren zuckelten hin und her, oder Spenglermeister Reiter knatterte auf seiner »Horex«-Seitenwagenmaschine in den Hof, daß die Spatzen davonstieben.“[55] Wenn Valentin in der nahe gelegenen Große Bockenheimerstraße, der sogenannten „Freßgass“, wo sich die Lebensmittel- und Delikatessengeschäfte reihen, einkauft, darf er nur nach Restbeständen oder Mangelware fragen: »für zehn Pfennig angestoßenes Obst« bzw. »für zwanzig Pfennig Wurststückchen«[56] Ebenso holt der Vater jeden Abend vor Ladenschluss aus der Gemüseabteilung vom Kaufhaus Tietz an der Hauptwache leicht verderbliche Ware zum reduzierten Preis.
Als es dem „Hinterhofkind gelungen [ist], aus dem gesellschaftlichen Souterrain in die etwas erhabeneren Mittelschulräume aufzusteigen,“[57] „bedeutet[] [das] eine gewisse gesellschaftliche Gleichstellung mit denen aus dem Vorderhaus und stärkt[] ein wenig [s]ein kaum ausgeprägtes Selbstwertgefühl“,[58] was auch mit dem geringern Status des Judenkindes zusammenhängt. Seine Mutter will ihm und seinen Geschwistern die täglichen Demütigungen und Kränkungen in einer nichtjüdischen Umwelt ersparen und fälscht bereits vor 1933 mit Hilfe des Polizisten Kaspar (Kap. Polizeimeister Kaspar) die Einwohnermeldekarte und den Fremdenpass. Aus der Familie »mosaischen« Glaubens werden »religionslos[e]«,[59] russischstämmige »Dissident[en]«,[60] die nicht auf der Judenliste der Staatspolizei aufgeführt sind. Olga erfindet nach der nationalsozialistischen Machtergreifung auch einen neuen Stammbaum (Kap. Der Stammbaum), der wolgadeutsche Vorfahren suggeriert, und instruiert ihre Familie, sich zu tarnen und im Alltag zu verstecken. Kaspar beschützt die Sengers auch später vor der Entdeckung, indem er Informationen nicht weitergibt. Sogar die Nachbarn, selbst Parteimitglieder und SA-Leute, halten sich aus einer gewissen menschlichen Verbundenheit zurück, machen keine Meldung, helfen sogar bei Nachfragen, wie der Spenglermeister Otto Reiter und Frau Volk (Kap. Rivalitäten), oder stellen sich ahnungslos und schweigen: „Wir wohnten weiter zusammen in der Kaiserhofstraße, Hitler kam, der Judenboykott, die Kristallnacht, die Judenverfolgung, der Krieg, und immer sah ich die von der Clique, oft in ihren Uniformen, und sie sahen mich, sprachen sogar mit mir. […] Jeder einzelne hätte fragen können: »Wieso trägst du keinen Judenstern? […] « Doch keiner fragte.“[61]
Eine doppelte Gefahr entsteht der Familie durch ihre Aktivitäten in der Kommunistischen Partei. Während der nationalsozialistischen Diktatur muss man diese einstellen und auch das nächtliche Ankleben von Plakaten, die zum Widerstand gegen die Nazis aufrufen, und Äußerungen in der Schule über die Machthaber werden dem Sohn von der Mutter verboten (Kap. »Haben wir nicht schon genug Zores«). Andererseits übernehmen sie Kurierdienste, leiteten Nachrichten ins Ausland weiter (Kap. Der Koffer), lassen verfolgte Kommunisten für kurze Zeit in ihrer Wohnung übernachten (Kap. Mama macht sich Vorwürfe) und setzen sich so der Gefahr der Entlarvung aus. Einmal, als der arbeitslose Vater bei der Jüdischen Fürsorge in der Königswarterstraße Mittagessen für die fünfköpfige Familie abholt, wird bei einer Kontrolle sein »Fremdenpaß« einbehalten und dem Polizeirevier übergeben, wo Herr Kaspar die weitere Überprüfung verhindert.
Der 15-jährige Valentin erlebt die Veränderung des politischen Klimas in der Stadt und im Land (Kap. 30 Januar 1933, Der deutsche Gruß, Kristallnacht). Die judenfeindlichen Lieder der SA-Leute werden lauter gegrölt. Die Lehrer der Westend-Mittelschule passen sich immer mehr der politischen Entwicklung an und befolgen die Anordnungen teils widerwillig und nur formal, leisten aber keinen Widerstand, andere propagieren die NS-Rassentheorie oder pflegen „einen subtileren Antisemitismus“.[62] Die Angst vor Entdeckung und Verfolgung überlagert die alltäglichen Verstrickungen und Sorgen, die starke Mutter wird herzkrank. Man tarnt sich im Alltag, Valentin besucht die öffentliche Schule, beginnt 1935 eine Lehre als Technischer Zeichner in den Luftheizungswerken und kann diese nach seiner vorzeitigen Entlassung durch das Verständnis des Industriellen Remy Eyssen in dessen Eisen- und Stahlbaufirma Fries Sohn in Sachsenhausen, dann 1938 im Hauptwerk im Riederwald beenden. Auf dem Weg zu seiner Arbeitsstelle in Sachsenhausen erfährt Valentin auf dem Eisernen Steg vom Brand der Synagogen (Kap. Kristallnacht). Er eilt zum Börneplatz und erblickt den in Flammen stehenden Kuppelbau: „Ein Gefühl überwältigte mich, wie ich es bisher nicht gekannt hatte: auch ich war einer von denen, die da gequält und geschunden wurden. Es waren meine Brüder und Schwestern, denen man die Scheiben zertrümmerte, die Wohnungen demolierte, die Geschäfte zerschlug, die Gotteshäuser zerstörte, die Thorarollen schändete und denen man Schlimmes an Leib und Leben antat. […] Ich empfand keinen Haß auf die neugierig glotzende Menschenmenge um mich herum, obwohl ich wußte, daß bei den meisten von ihnen die brennende Synagoge keine Erschütterung auslöste. Es war für sie ein Schauspiel, bei dem man für kurze Zeit eine Gänsehaut bekam.“[63]
Besonders Valentins Frauen-Affären sind durch das Versteckspiel belastet und können sich nicht wie im normalen Leben eines Jugendlichen entwickeln. Die Mutter befürchtet, dass jede Freundschaft des Sohnes das von ihr geknüpfte Tarnnetz zerreißen durchlöchern könnte. So schleicht er sich heimlich nachts zur Prostituierten Rosa in die Vogelsgesanggasse (Kap. Die Dirne Rosa) oder versteckt sich nach einer von Polizisten entdeckten Plakataktion am Ostbahnhof bei Mimi, die er 1938 in einer konspirativen Gruppe kennengelernt hat, in der Brüder-Grimm-Straße (Kap. Mimi – eine Liebe auf Zeit). Besonders riskant ist im Jahr 1942 das Verhältnis zu der in einem Haushalt in der Beethoven-Straße angestellten Bulgarin Ionka Michailowa Dragowa (Kap. Ionka). Ihr Annäherungsweg beginnt in der Königswarterstraße im Ostend, führt über Zeil, Hauptwache, Opernplatz, Bockenheimer Landstraße, Freiherr-vom-Stein-Straße zur Liebesbank am Beethovenplatz. Weitere Treffpunkte sind die Anlagen am Main, der Paulsplatz oder der Ostpark. Wie gefährlich diese Verhältnisse sind, erkennt Valentin oft erst nach deren Beendigung: nach der Verhaftung Rosas und Ionkas rätselhafter, überraschender Rückreise nach Sofia, offenbar unter Druck des Geheimdienstes.
Überall lauert die Entdeckung und die Reaktionen der Deutschen sind nicht abzuschätzen: Nach zehnjähriger Arbeitslosigkeit findet der siebzigjährige Vater 1940 wieder eine Anstellung als Dreher in einer Zahnradfabrik in Sachsenhausen (Kap. Sie nannten ihn Papitschka), wird dann wegen seiner Russischkenntnisse als Dolmetscher für die Zwangsarbeiterinnen eingesetzt und muss die Kolonne bei ihren täglichen Märschen vom Massenquartier in der Uhlandstraße im Ostend bis zum Werk begleiten. Da er sich für die Frauen einsetzt, wird er von ihnen »Papitschka« genannt. Dieses über seine Dienstpflicht hinausgehende Vertrauensverhältnis meldet aber eine russische V-Frau 1943 der Gestapo. Im Quartier in der Lindenstraße verhört man den alten Mann und entlässt ihn nach 12 Stunden mit einer Verwarnung (Kap. Von den Toten auferstanden).
Valentin ist nach seiner Ausbildung ins Werk in der Sachsenhausener Schulstraße zurückgekehrt, wo er bis zum Betriebsleiter aufsteigt. Da man hier Kriegsgeräte, u. a. Torpedoträger herstellt, wird die Fabrik 1944 bombardiert (Kp. Bomben auf Sachsenhausen). Dabei sterben auch viele russische Fremdarbeiterinnen. In dieser Zeit erlebt er mit seiner Familie die ab 1943 zunehmenden Luftangriffe in den Schutzkellern und die Zerstörung der Stadt. Auch Teile des Hinterhauses brennen aus und die Sengers kommen bei Mimi in Jügesheim unter. Im Herbst 1944 stirbt dort die herzkranke Mutter und Valentin überführt sie in einer abenteuerlichen, ungesetzlichen Fahrt mit einem von Pferden gezogenen Leichenwagen zum Hauptfriedhof nach Frankfurt (Kap. Mamas letzte Fahrt). Bisher sind er und sein Bruder als Ausländer nicht kriegsverpflichtet, doch im Frühjahr 1944 werden sie für das letzte Aufgebot im Kreiswehrersatzamt in der Wiesenhüttenstraße gemustert. Wie bei anderen Untersuchungen vorher (Kap. Besuch beim Arzt) bedeutet dies eine Gefahr, doch auch der Arzt ignoriert die Beschneidung und macht keine Meldung. Zwar wird Valentin in Fritzlar zum Artillerie-Kanonier ausgebildet, doch wegen eines fälschlicherweise diagnostizierten Herzfehlers nicht an die Front geschickt (Kap. Der Herzfehler). So überlebt er die Hitler-Diktatur in Nordhessen und kehrt nach Beendigung des Krieges in die befreite, aber zerstörte Kaiserhofstraße zurück (Kap. Am Fenster stand Papa).
Erinnerungen an Emigration und Holocaust
Martin Mosebach: Das Bett
Martin Mosebachs 1983 erschienener Roman Das Bett handelt vom Emigrantenschicksal der fiktiven jüdischen Familie Korn. In den Biographien der Protagonisten spiegelt sich die Flucht zahlreicher deutschen Juden: Gerade noch rechtzeitig vor Beginn des Zweiten Weltkrieges und der Deportation verkaufen die Korns ihre Fabrik sowie die Frankfurter Villa und retten sich nach New York.

Ihr Sohn Stephan kehrt in das Frankfurt der Nachkriegszeit zurück, sucht die Stätten seiner Kindheit auf, v. a. die Obhut seiner Kinderfrau Agnes (Titel) in ihrem „aus dem billigsten Material einzig zur Behebung der größten Wohnungsnot zusammengehauen[en]“[64] Siedlungshäuschen in einer abgelegenen Vorstadtgegend, und verliebt sich in die Tante des Ich-Erzählers, die er bei den Besuchen der früheren Nachbarsfamilie in einer ehemaligen Villengegend im Frankfurter Westend und den gemeinsamen Ausflügen kennenlernt. Stephan spaziert auch auf der Suche nach Kindheitsspuren mit der Freundin durch den an das Westend anschließenden Stadtteil Bockenheim (Zweiter Teil, Kapitel III und IV). Er spürt der Stimmung in einem alten geschlossenen Vorstadtkino, dem Titania-Palast, nach, erlebt die „mürben Reize der Farbenwelt“[65] der Straßen und erzählt in einer Konditorei der Begleiterin von Pariser Theateraufführungen. Diese Reise in die Vergangenheit, die unglücklich endende Beziehung und die Rückholung des Sohnes nach New York, nach einer Kette von Missverständnissen, durch seine argwöhnische und eifersüchtige Mutter Florence symbolisiert Stephans Entwurzelung bzw. seine Identitätssuche und Neuorientierung. In eingeblendeten Rückblicken werden die beiden Familiengeschichten und die Schicksale der Protagonisten während des Zeit der NS-Diktatur und der Judenverfolgung sowie des Zweiten Weltkrieges entfaltet.
Der Autor führt die Lebenswege der Hauptfiguren in der zum großen Teil zerstörten Stadt zusammen. Deren Schicksale kontrastieren mit der scheinbaren Nachkriegs-Normalität des Erzählers in seinem den Krieg unversehrt überstandenen Elternhaus im Westend. Aus der Perspektive des Kindes entsteht ein, im Vergleich zu den Vorgängen der Vergangenheit, bizarres, märchenhaftes Bild seiner Umwelt. Politisch-historische Erörterungen bzw. Verarbeitungen, die sich durch den Besuch Stephan Korns eigentlich ergeben müssten, werden verschwiegen oder sind für den Erzähler zumindest nicht wahrnehmbar: Seine Mutter geht nur aus Gewohnheit regelmäßig zur Beichte, hat jedoch im privaten Bereich keine Sünden zu bekennen. Auf die passive Widerstandshaltung in Frankfurt, die Innere Emigration, in der Hitlerzeit könnte ein magischer Zirkel anspielen, der sich mit Methoden der Geister- und Totenbeschwörung beschäftigt. In ihren geheimnisvollen Privatissima beim Monsignore Eichhorn befragt Ines Wafelaert, eine durch reiche Heirat mit Henry zugezogene Belgierin, deren Villa später zerbombt wurde, „weniger […] aus einem Haß gegen Hitler heraus, sondern wohl hauptsächlich, weil sie die spirituellen Formen der Beeinflussung auf die Probe stellen [will]“[66] den Priester darüber, ob durch Beschwörungen die politischen Verhältnisse verändert werden können und ein „Attentat des Willens“[67] einen Diktator zu töten vermag. Eichhorn vertritt die Auffassung, „daß die Willenskraft, wenn sie genügend ausgebildet ist, geradezu körperlich verdichtet auftreten kann.“[68] Relativiert wird die Ernsthaftigkeit solcher Überlegungen durch die Erklärungen des Geistlichen, dass es sich „um rein theoretische Probleme“[69] handele, „die ihm aus der Literatur in ihrem schillernden Für und Wider zu genau bekannt seien, um durch praktische Erprobung zu gewinnen, da die außerordentlichen Gefahren solcher Übungen im Grunde ihre Anwendung bereits regelmäßig verböten.“[70] Diese Affinität zum Irrationalen, verbunden mit einem Realitätsverlust, findet man in der Familie der Mutter des Erzählers im mehrfach auftretenden Motiv des Wahnsinns gesteigert: v. a. im Rückzug der Tante in ihre Traumwelt.
Dan Ben-Amoz: Masken in Frankfurt
Der israelische Schriftsteller Dan Ben-Amoz erzählt in seinem Roman Masken in Frankfurt (1969) vom Aufenthalt des Holocaust-Überlebenden Uri Lam vom September 1959 bis Mai des nächsten Jahres in seiner Geburtsstadt Frankfurt. Der Handlungsort trägt allerdings wenig charakteristische Züge, sondern repräsentiert eher den Typus einer deutschen Stadt mit einer einst großen jüdischen Bevölkerungsgruppe.
Grund der mit den Erinnerungen des Ich-Erzählers belasteten Reise ist, vor Ort einen Antrag auf Entschädigung für den Verlust seiner 1941 in Konzentrationslager deportierten und dort ermordeten Familie sowie „für Besitzverlust, Freiheitsberaubung, Verwaisung [usw.]“[71] zu stellen (Kap. 12 Begegnung im Dunkeln), da der Stichtag für Zahlungen bereits elf Jahre zurückliegt. Mit dem Rechtsanwalt Dr. Ernst erörtert Uri die rechtliche Lage und die entsprechende Verfahrensweise, z. B. Dokumente und Gutachten über seinen Gesundheitszustand einzureichen. Er braucht das Geld, um ein Darlehen für den Kauf eines Hauses zu bezahlen, doch er hat Gewissensbisse, für das Leid seines Vater, des jüdischen Tierarztes Dr. Erich Lampel, seiner Mutter und seiner Schwester Miri eine nach Tabellen errechnete Geldsumme entgegenzunehmen (Kap. 11 Schwarzer Kaffee).
Auch aus einem anderen Grund betritt Uri Frankfurt nicht unvoreingenommen. Die alten Bilder sind immer als Hintergrundfilm präsent und die Gesichter der gegenwärtigen Menschen überlagern sich mit den vergangenen. So führt die Begegnung mit der wieder aufgebauten Stadt (Kap. 9 Heller Morgen) zu zwiespältigen Reaktionen. Rational versteht er zwar die Klagen der Einwohner über die Schrecken der Bombardierung (»Nichts ist mehr von unserem Deutschland übriggeblieben«[72]) und den Stolz des Reiseleiters bei der Stadtrundfahrt auf die Wiederaufbauleistung der Bürger (Kap. 10 Am Abend), aber er erinnert sich an die erlittenen Diskriminierungen der Kindheit. Er sucht dann nach einer Befreiung („Jeder kennt die Fragen, aber keiner die Antwort. Man muss vergessen […] Eine andere Lösung gibt es nicht.“[73]), betrinkt sich in einer Bar und beschimpft dann unkontrolliert andere Gäste als Nazis. Auf seinen Wanderungen durch die Stadt und in den Fieberträumen während seiner Krankheit (Kap. 28–30) verwischen sich die Grenzen zwischen Vergangenheit, Gegenwart, Phantasie und Realität.
Bei einem Besuch seines Elternhauses in der Wagnergasse (Kap. 22 Herrenloser Besitz), das ihm wie eine „leere und ausgeraubte Kiste vor[kommt]“,[74] erzählt ihm der neue Besitzer, dass er aus seinem eigenen Haus in den Ostgebieten vertrieben worden sei und das jetzige im heruntergekommenen Zustand von der Stadt gekauft und repariert habe. Uri denkt bei diesem Gespräch an ein von einem Maler bewohntes Haus an der israelischen Grenze, dessen arabische Besitzer während der Befreiungskriege nach Nazareth geflohen sind und das dieser vom Amt für besitzloses Eigentum gepachtet hat. Auch Uri wohnt in einem gesetzmäßig gekauften arabischen Haus, woran ihn seine Freundin Barbara erinnert (Kap. 33 Waffenstillstand). So versucht er sich in seiner Gefühlsambivalenz auch in die Lage der passiven, die Deportationen ignorierenden deutschen Bürger zu versetzen, z. B. als er bei einer Schlägerei zusieht, ohne einzugreifen (Kap. 21 Prügel). Später erkennt er im Opfer den femininen Modeschöpfer und Transvestiten Martin Schiller, den er im Zug von Mailand nach Frankfurt kennengelernt hat. In seinen Gesprächen über ein anderes Deutschland vertreten Barbara und Martin Schiller die extremen Positionen. Martin demonstriert ihm an seiner eigenen Behandlung als Homosexueller, dass sich prinzipiell nicht geändert habe: Die Durchschnittsbürger würden ihre Vorurteile nach wie vor an Außenseitergruppen abreagieren und Feindbilder konstruierten, beispielsweise von den Kommunisten, die ihnen ihr Ostgebiet abgenommen hätten. Aber Martin gibt auch zu, dass es nachdenkliche Menschen gebe, die „hartnäckig Fragen stellen. Die wissen wollen, warum.“[75] Bei ihm selbst sei „das Schuldgefühl so stark, dass [er sich] nicht von dem Zwang befreien [könne, sich ihm] gegenüber zu rechtfertigen. Immer und überall.“[76] Uri reagiert auf dieses Gespräch, das sein eigenes Misstrauen aktiviert, verwirrt: „Was ich vergessen will, will er im Gedächtnis verankern. Das einzige Mittel, um das Hämmern in meinem Kopf zur Ruhe zu bringen, das Vergessen, das allein diesen Wahnsinnsschrei, den endlosen Fall in weite Fernen rücken könnte, das nennt er Gift.“[77] Auf diesen Kerngedanken bezieht sich der hebräische Originaltitel des Romans Liszkor W’Lischkoach (= „To remember, to forget“). Barbara differenziert zwischen Vergangenheit und Gegenwart und bestärkt ihn in seinem Gedanken, „[d]ie Kinder von Nazis [müssten] ja nicht unbedingt auch wieder Nazis werden.“[78] Sie vertritt die junge deutsche Generation und ist sich sicher: »[…] Der Traum ist Vergangenheit und kommt nicht wieder. Weder hier noch irgendwo sonst auf der Welt. Die Welt hat daraus gelernt. Und auch wir.«[79] Die Revanchisten seien nur »[e]ine geisteskranke Minderheit […] «.[80] Sie sieht keine Probleme, mit Uri in Deutschland zu leben, ist jedoch, als er dies ablehnt, sofort bereit, mit ihm und dem erwarteten Sohn Jonathan nach Israel zu gehen. Seine Skrupel, die Entschädigungszahlungen anzunehmen, („Ich werde weder mein Haus noch unsere Zukunft mit diesen Geldern finanzieren.“[81]) versucht sie zu zerstreuen, indem sie diese nicht als eine unmögliche Wiedergutmachung ansieht, sondern als einen Ausgleich, eine Starthilfe für die Überlebenden und ihre Kinder, um eine neue Existenz aufbauen zu können. Martin dagegen repräsentiert die Gegenposition. In den privaten und öffentlichen Verlautbarungen sieht er nur höfliche, nichtssagende Deklarationen. Auch Uri vermisst die Empathie mit den Opfern, wenn unterschieden wird zwischen einer abgelehnten „Kollektivschuld“ der Deutschen und einer akzeptierten „kollektive[n] Verantwortung“.[82]
Uri fragt sich dann, wie Juden mit einem ähnlichen Schicksal wie dem seinen in der Stadt leben können, beispielsweise sein Freund Max Hermann und dessen auf Europa fixierte Frau Edna, die Gespräche mit ihren Kindern Joab, Affe und Dudik über die Nazizeit vermeiden (Kap. 11 Schwarzer Kaffe), obwohl Max ebenfalls seine Eltern verlor, wie er als Dreizehnjähriger nach Palästina gebracht wurde und dort die hebräische Sprache lernte. Auch ein jüdisches Ehepaar, der Arzt Dr. Franz Meier und seine Frau Martha, alte Bekannte seiner Eltern, überlebte die Deportation ins Konzentrationslager Dachau und kehrte in der Nachkriegszeit aus Haifa in ihre Wohnung nach Frankfurt zurück. Hier verbringt die Frau den Tag, gespenstisch in ihre Erinnerung eingesponnen, in einem musealen Raum mit geschlossenen Vorhängen (Kap. 18 Doktor Meier).
Die Überlegung, in Deutschland zu leben und in einem von seinem Schwiegervater vermittelten Architektenbüro zu arbeiten, wird auch für den Erzähler aktuell, nachdem er auf dem Weg zum Rechtsanwaltsbüro in einem steckengebliebenen Fahrstuhl die Studentin der deutschen Literatur und Geschichte Barbara Stahl (Kap. 12 Begegnung im Dunkeln) kennenlernt. Sie verlieben sich ineinander, besuchen Theater- Musik- und Kinoveranstaltungen (ab Kap. 13) und heiraten (Kap. 25 Die Hochzeit), als Barbara schwanger wird (Kap. 20 Entscheidung). Uris Reflexionen erweitern sich dadurch um weitere Aspekte. Er fragt sich nun, ob er als Erbe einer Familientragödie vor diesem Hintergrund mit einer deutschen Frau in Frankfurt oder Düsseldorf leben kann. Er konstruiert sich die Vorwürfe der Juden: „Heiratet die Tochter der Mörder seiner Familie und baut ihr mit den Wiedergutmachungsgeldern ein Haus.“[83] Er zweifelt, ob es richtig ist, für den Tod von Menschen Entschädigungszahlungen zu erhalten, und übergibt später auf der Rückreise nach Israel einen Teil des Geldes, die Summe für die Haft seiner Eltern, den italienischen Pflegeeltern Anna und Michele, die ihn als Neunjährigen in San Castello aufnahmen und drei Jahre lang versteckten. Seine Aversion gegenüber den jüdischen Rückkehrern nach Frankfurt, die sich seiner Meinung nach zu wenig von den Deutschen absetzen und zu leicht vergessen, zeigt sich auch im 34. Kapitel (Maskenball), auf das sich der Titel der deutschen Übersetzung bezieht. Er erscheint auf dem Maskenball im Kostüm eines Dybbuk, d. h. eines Totengeistes, mit gelbem Judenstern auf dem Kaftan, wird wegen Geschmacklosigkeit aus dem Saal gewiesen, kehrt aber mit Max, der als SS-Mann verkleidet ist, zurück und führt eine Verfolgungsszene aus der Nazizeit auf.
Barbara erkennt, dass Uri nicht in einem ihm fremden Deutschland mit den Schatten der Vergangenheit leben kann, und entschließt sich für eine gemeinsame Zukunft mit ihm und ihrem Sohn Jonathan in Israel (Kap. 35 Epilog und Prolog).
Bernhard Schlink: Der Vorleser

An die Auschwitzprozesse in Frankfurt anknüpfend erscheint die Stadt als Handlungsort des zweiten Teils von Bernhard Schlinks Roman Der Vorleser (entstanden 1995, erschienen 1997).[84] Der Gymnasiast Michael hat im ersten Romanteil mit der doppelt so alten Straßenbahnschaffnerin Hanna ein Verhältnis, das durch das plötzliche Verschwinden der Geliebten abgebrochen wird, aber sein weiteres Beziehungsleben (dritter Teil) mitbestimmt. Sieben Jahre nach der Trennung besucht er als Jura-Student einen Kriegsverbrecherprozess. Aus den Angaben des Autors kann man auf Frankfurt als Handlungsort und den dritten der Frankfurter Auschwitzprozesse in den späten 1960er bzw. einen der Folgeprozesse in den 1970er Jahren schließen, in denen Wachleute vor Gericht standen, wie im Roman: Wärterinnen des Konzentrationslagers Auschwitz, eine davon ist die Hanna Schmitz. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie an Selektionen beteiligt waren und als Begleiterinnen bei einer Verlegung inhaftierter Frauen und Kinder gegen Ende des Zweiten Weltkrieges die Gefangenen in eine Kirche sperrten und sie nach einem Bombenangriff nicht aus dem brennenden Gebäude befreiten. Durch die Zeugenaussagen ist Michael schockiert über das Geständnis der Geliebten und ihre offenbare emotionslose Ausführung von Befehlen sowie das fehlende Gefühl einer persönlichen Verantwortung, aber er erinnert sich auch an ihm damals unerklärliche Verhaltensweisen der Frau und ihm fallen Ähnlichkeiten auf: Wie er, so hatte Hanna im KZ zeitweilig junge Mädchen als Schützlinge, die ihr vorlasen. Er entdeckt, dass seine Freundin nicht lesen kann, also auch nicht die von ihr unterschriebenen Dokumente und Protokolle, was sie aber vor Gericht nicht zugibt, wodurch sie sich selbst belastet. Da sie als Einzige die Taten gesteht, wird ihr von den anderen Angeklagten die Hauptschuld zugeschoben. In seiner Gefühlsambivalenz ist sich der Erzähler unsicher, ob er in den Prozess eingreifen und seine Beobachtung dem Gericht mitteilen soll, was er jedoch nach einem Gespräch mit seinem Vater über die Eigenverantwortung der Angeklagten unterlässt. Nach Hannas Verurteilung zu lebenslänglicher Haft nimmt er zu ihr Kontakt auf, besucht sie und will ihr nach ihrer Entlassung bei der Neuorientierung helfen. Doch bevor es dazu kommt, tötet sich die inzwischen 61-Jährige.

Nachkriegszeit und Wiederaufbau
Marie Luise Kaschnitz: Rückkehr nach Frankfurt
Marie Luise Kaschnitz beschreibt ihre Empfindungen bei der Rückkehr (Wie sah sie dich an/ Aus ihren erloschenen Augen,/ Die Stadt? […] Und wie hörtest du’s klingen/Dir unterm Fuß/Aus den versunkenen Dingen?) im Gedichtzyklus Rückkehr nach Frankfurt. Symbolkräftig stellt sie in ihrer Phantasie den Repräsentanten der Deutschen Klassik seinem in Schutt liegenden Elternhaus gegenüber:[85]
Und das Haus war ein Loch, ein Kellerschacht,
Ein Haufen Dreck und Hohn,
Und Schilder waren dort angebracht;
Darauf stand: Besitz der Nation.
[…]
Und plötzlich stand am Straßenrand
Er selber in Fleisch und Blut:
[…]
Er trug nicht einmal sein eigen Gesicht,
Ich wußte nur: er war da.
Und ich erschrak wie vorm Jüngsten Gericht,
Weil er sein Haus ansah.
Max Frisch: Tagebuch 1946–1949

In vier Eintragungen im literarischen Tagebuch 1946–1949 sind die Impressionen des Schweizer Schriftstellers Max Frisch über die im Krieg zerstörte Stadt und den beginnenden Aufbau notiert. Ein Jahr nach Kriegsende, im Mai 1946, erlebt der Autor das Bild der Zerstörung als elementaren Einschnitt: „Wenn man in Frankfurt steht, zumal in der alten Innenstadt, und wenn man an München zurückdenkt: München kann man sich vorstellen, Frankfurt nicht mehr. Eine Tafel zeigt, wo das Goethehaus stand. […] die Ruinen stehen nicht, sondern versinken in ihrem eigenen Schutt. […] das Gras, das in den Häusern wächst […] und plötzlich kann man sich vorstellen, wie es weiterwächst, wie sich ein Urwald über unsere Städte zieht, langsam, unaufhaltsam […] Atem der Jahre, die niemand mehr zählt – […] am Bahnhof: Flüchtlinge liegen auf den Treppen […] Ihr Leben ist scheinbar, ein Warten ohne Erwartung, sie hangen nicht mehr daran; nur das Leben hangt noch an ihnen, gespensterhaft, ein unsichtbares Tier […] es atmet aus schlafenden Kindern, die auf dem Schutt liegen, ihren Kopf zwischen den knöchernen Armen, zusammengebückt wie die Frucht im Mutterleib, so, als wollten sie dahin zurück.“[86]
Eineinhalb Jahre später notiert Max Frisch: „Die Not hat an Abenteuer verloren, Alltag, es ist nicht abzusehen, was kommen soll. Eine gewisse Hoffnung, die der Zusammenbruch ausgelöst hat, wird schäbig, wie die letzten Kleider. Ich lese Plakatwände: Aufrufe für das Goethehaus […].“[87]
Im April 1948, während die Maurer zum hundertsten Jahrestag der deutschen Demokratie die Paulskirche wiederherstellen, spürt Frisch die Poesie einer Seiltänzeraufführung auf dem Platz der zerstörten Altstadt zwischen Römer und Dom: „Vor dem alten Römer: Hohes Seil über Trümmern […] Am Abend aber, wenn die Ruinen im Scheinwerferlicht stehen ist alles noch märchenhafter […] Und darüber auch noch der Mond […] die Garantie, dass das All nicht ohne Poesie ist, das All, die Nacht, der Tod […]“[88] Als makabren Höhepunkt schildert er den von einer jungen Artistin spektakulär und erfolgreich ausgeführten „Todesgang der Camilla Mayer“ zur Spitze der Nikolaikirche.[89]
Hans-Christian Kirsch: Mit Haut und Haar
Frederik Hetmanns Erstling, der noch unter seinem Namen Hans-Christian Kirsch erschienene On the Road-Roman Mit Haut und Haar (1961) thematisiert den Aufbruch vieler Jugendlicher der Beat Generation in den 1950er Jahren. Der Ich-Erzähler „Chase“ Görmer, aus dessen Perspektive die Geschichte präsentiert wird, und seine Freunde versuchen sich von ihren Eltern und den bürgerlichen Normen der Nachkriegszeit abzusetzen und mit Gleichgesinnten, zuerst bei einem Konzert auf der Loreley, dann in Schweden, Dänemark, Holland, Frankreich, Spanien und Großbritannien, in den Subkultur-Kneipen und in wechselnden Liebesbeziehungen rauschhafte Erfahrungen zu machen. In diesem Zusammenhang diskutieren sie bei ihre Sinnsuche die extremen Positionen Anpassung oder Selbstfindung.
Nach ihren ersten Fahrten treffen der Erzähler, sein Freund aus der Ostzonen-Zeit Harry Winter und ihr Kumpel Frank Lorre 1955 in Frankfurt als Studenten wieder aufeinander. Ihre Ankunft wird im Kapitel „Station im Schatten“ erzählt, dem ein Brechtzitat aus „An die Nachgeborenen“ vorangestellt ist: „In die Städte kam ich zur Zeit der Unordnung/als da Hunger herrschte./Unter die Menschen kam ich zur Zeit des Aufruhrs,/und ich empörte mich mit ihnen./So verging meine Zeit,/die auf Erden mir gegeben war.“[90] Gegen den Willen seines Vaters hat Chase seine Stellung bei einer Bank gekündigt und sich an der Universität immatrikuliert. Seinen Unterhalt verdient er als Übersetzer von Ausschreibungen und Angeboten bei einer Exportfirma. Harry bewohnt ein Zimmer in Sachsenhausen, Frank eines am Holzhausen-Park. In langen Spaziergängen durchstreifen sie die Stadt, „ beobacht[]en den Eingang der Bettinaschule um die Zeiten, wenn die Mädchen vom Nachmittagsunterricht heimgeschickt [werden] […] durchquer[]en die ruhigen, schattigen Straßen des Westends mit ihren alten Bäumen und den Villen aus dem vorigen Jahrhundert […] spazier[]en im Palmengarten am Sonntagnachmittag zu dem Steg mit dem Bootsverleih und such[]en die Kähne auf dem großen Teich mit hastigen Blicken ab […] [treiben sich] an Sonnabendnachmittagen im Nizza [einem Uferabschnitt am Main] herum.“[91] Sie flanieren abends über die „grell bunt[e], wie eine Tiefseeflora“,[92] Kaiserstraße, den Bahnhofsvorplatz mit den „modern gestopften“[93] Bombenlücken, am Eschenheimer Turm vorbei zum Osthafen, zurück zu den „Äppelwoischenken in Sachsenhausen und dem düster ehrwürdigen Gebäude des Städelschen Kunstinstituts, in dem Bilder in duftigen Farben mit sich allein“[94] sind, über die Untermainbrücke, durch die Bockenheimer Landstraße, zum Rothschildschen Park, zum Café Kranzler an der Hauptwache. Im Stadtbild findet man noch die Spuren der Luftangriffe: z. B. im „riesige[n] Totenschädel der Opernruine“,[95] der „aus seinen Augenhöhlen Schwärme von Tauben aus[spuckt]“[96] Auf dem Uhrenschild der Katharinenkirche sind die Zeiger in der Bombennacht auf halb drei Uhr stehengeblieben. Harry entdeckt für sich die Halle des Hauptbahnhofs: „Sie ist so echt, eine riesige verdreckte Höhle. Die Masten mit den Bahnsteignummern und Richtungsschildern sehen aus wie die Totenpfähle eines Südseestammes, sechs große Halbbögen spannen sich über eine Pfanne, in der Menschen, Atem, Flüche, Ruß, Abschiedsküsse, Düfte, Kommandos, Maschinengekreische und Lautsprecherkrach zusammenkochen und über einem steinernen Grund umtreiben in niemals anhaltender Unruhe.“[97] Er liebt den Bahnhof zur frühen Morgenstunde der „Arbeiterzüge und der Bierleichen aus der letzten Nacht, und später gibt es eine Zeit der kleinen Stenotypistinnen mit raschen niedlichen Trippelschrittchen, und dann eine Zeit der Vertreter mit Musterkoffern und Spesengesichtern“.[98]
Diese Frankfurt-Phase läuft jedoch bald ab und damit auch der sie verbindende nonkonformistische Lebensstil. Auf Franks Zukunft verweist die sprühende Fontäne am Rondell vor dem „ersten Hotel am Platz“,[99] dessen Wasserstaubglanz „sich in den Fenstern des Mercedes-Salons über der Kühlerhaube eines schwarzen Wagens“[100] spiegelt. Er, der früher Gedichte geschrieben hat, wird als erster der Gruppe zum „Opportunisten“, er spekuliert an der Börse und wird sich nach seinem Examen „ins ‚big business’ in Düsseldorf stürzen“:[101] „Dieser schöne Idealismus, den ihr euch alle noch bewahrt habt, ist mir abhanden gekommen. Weißt du, Chase, ich lebe verdammt gerne, und ich lebe gerne gut.“[102] Harry und Chase dagegen gehen nach der Zeit des Gammelns in Frankfurt zusammen mit ihrem Kumpel Piero wieder auf große Fahrt (‚O Lord I am on my way’“[103]) nach Frankreich und Spanien. Das Geld dafür verdienen sie sich als Stauer im Osthafen bzw. Übersetzer der neuesten Weltnachrichten für Presseagenturen.
Im Herbst kehren Chase und Harry nach Frankfurt zurück (Kap. Die Frankfurter Depression). Sie haben zuerst keine Unterkunft, versuchen im Bahnhof zu übernachten, werden hinausgeworfen, schlafen in den Opernplatzanlagen. Dann normalisiert sich ihr Leben: Harry arbeitet in der Markthalle und wieder als Übersetzer, sie können bei dem Erlebnis-Künstler Stirner wohnen und Chase setzt sein Studium fort. Aber er sieht darin keine Perspektive, auch die Freizeitaktivitäten erfreuen ihn nicht mehr: „[W]orauf warte ich eigentlich?“[104] Sie denken an ihre Reisefreundinnen Geney und Jeanette und fühlen sich in der kalten Stadt nicht mehr heimisch. Chase erinnert sich später: „[D]er Blick von den Flurfenstern in die schwarzen Hinterhöfe, der verschmutzte Schnee, die leere Uferpromenade, die roten Brücken, die gegen den Strom schwammen: es war traurig. […] Ich hatte keinen Pfennig Geld […] Was tat’s, ob ich unterwegs fror oder in einem leeren Zimmer? Die Straße hatte mich wieder.“[105] Er fährt nach Paris, um Geney zu suchen, und tritt als Straßensänger auf. Harry fliegt im Frühjahr nach Amerika und will Jeanette zur Rückkehr bewegen.
Im September 1956 kommt Chase für einige Tage wider nach Frankfurt (Kap. Solo für Sindbad). Er durchstreift allein die Stadt, Kaiserstraße bis zur Hauptwache, vom Steinweg über den Opernplatz und die Bockenheimer Landstraße zu seiner Pension im Westend. Geney besucht ihn für eine Woche: „Die Frage „wie wird es weitergehen?“ wurde nicht gestellt. Sie war überflüssig. Es musste weitergehen. Das wussten wir beide.“[106] Sie fährt nach Paris, er reist nach Düsseldorf, wo Frank für ihn eine Stelle bei einer Exportfirma gefunden hat und er als Klarinettist in einer Jazz-Band auftritt.
Im Frühjahr 1957 ruft ihn ein Brief Harrys nach Frankfurt. Nach seiner Rückkehr ohne Jeanette hat er einen biographischen Roman geschrieben (Kap. Der süße Duft von Erfolg), der von einem Verlag angenommen worden ist. Er verarbeitet darin das Trauma der Flucht mit Chase aus der Ostzone in den Westen, bei der sie ihren Freund Helmut zurückließen, der dann bei seinem Versuch, die Grenze zu überqueren, erschossen wurde. Der Lektor Stappenhorst ist vom Erstling überzeugt und hält den jungen Autor für einen Rohdiamanten. Chase soll einige Tage in Frankfurt bleiben, um den Fototermin im Hotel und die Buchpräsentation im Saalbau mitzuerleben. Bei einem Spaziergang am Eisernen Steg klagt sein Freund über die Publicity-Veranstaltungen und seine Vermarktung: „Ich glaube ich will das alles nicht“ […] und jetzt die vielen Leute […] ich glaube, es ist alles ein Irrtum […] lieber „stolz und verloren“ als „entdeckt und erniedrigt.“[107] Harry hat Erfolg mit dieser Geschichte einer Schuld, die Chases Meinung nach „auch eine wütende Proklamation für das Recht auf Glück, das für den Helden nirgendwo anders zu finden wäre als in dieser Welt“[108] ausdrückt. Die Kritiken sind „entweder überschwenglich oder vernichtend“.[109] Er lässt sich feiern und unternimmt Lesereisen z. B. nach Düsseldorf. Harry genießt auch den neuen Reichtum, läuft mit dem Freund kaufwütig durch die Stadt, feiert Partys, “Weekendorgien“,[110] und wird alkoholabhängig. Um seinen expansiven Lebensstil zu finanzieren, verfasst er nun Illustrierten-Fortsetzungsromane, „[g]ediegene Maßarbeit“,[111] und verlobt sich mit der 19-jährigen Bankierstochter Detta, obwohl er immer noch Jeanette liebt. Er schreibt keine großen Bücher mehr, sondern lässt einen Ghostwriter unter seinem Namen Dutzendware produzieren. Er bricht ein letztes Mal aus und fährt die alten Freund mit seinem Auto nach Italien.
Danach, im Juli 1958, kehrt Chase mit ihm nach Frankfurt zurück (Kap. Der Ruin eines jungen Hundes). Hier wird Harrys Gemütslage, v. a. als er von Jeanettes Heirat erfährt und dies als Verrat auffasst, immer depressiver und sein Gesundheitszustand labiler. Auch die freundliche Beurteilung seines neues Theaterstückes, zu der Chase die Musik komponiert hat, über eine Liebe zwischen Partnern aus verschiedenen sozialen Schichten mit dem bezeichnenden Titel „Der Erfolg eines jungen Hundes“ kann ihn nicht mehr aufrichten. Harry verschwindet nach der Verlagsparty, rast auf der Autobahn in der Nähe des Flughafens gegen einen Brückenpfeiler und stirbt im Krankenhaus.
Im Kontrast zum unglücklichen Erfolgsschriftsteller geht der Erzähler den selbstbestimmten Weg (Kap. Zeig uns den Weg heim). Er trennt sich von der Düsseldorfer Band, weil die Mitspieler das erfolgreiche Jazz-Repertoire für die Konzerte beibehalten und nicht mehr experimentieren wollen. Seine Botschaft („[…] solange es Musik ist und dir die Möglichkeit gibt, dich auszudrücken […] Wir spielen für uns selber. Haben wir nicht immer daran den meisten Spaß gehabt?“[112]) kommt bei ihnen nicht mehr an. Nach der Beerdigung Harrys verlässt Chase im September 1958 Frankfurt und geht wieder auf Reisen (Kap. Retraite). Bei Arles durchwandert er bei großer Hitze eine Steppenlandschaft: „Es war nicht nur ein Stück schöne, wilde Natur, die zum Kampf herausforderte. Es war auch ein Seelenzustand. Hier fünf Kilometer vorangekommen zu sein, war ein Sieg über sich selbst, gab Selbstvertrauen, das ich lange nicht mehr in solcher Intensität gespürt hatte“.[113]
Martin Mosebach: Westend
Martin Mosebachs Roman Westend (1992) erzählt vom Ende der Nachkriegszeit an, etwa 1950, bis zum sich ankündigenden 68er-Aufbruch die achtzehnjährige Geschichte der Nachbarskinder Alfred Labonté und Lilly Has sowie ihrer Familien und deren Häuser in der Schubert- bzw. der Mendelssohnstraße. Ausgehend von dieser Personengruppe zeichnet der Autor ein Porträt des Westends, seiner Straßen und Häuser, als Schauplatz einer heterogenen Gesellschaft mit ihren Konflikten und schicksalhaften sowie sozialen Abhängigkeiten, beispielsweise die Beziehungsproblematik der aus Zoppot geflohenen Etelka, der Frau des Schrotthändlers Kalkofen und Geliebten Eduard Has’, die zum Verhandlungsobjekt der Männer wird und am Ende des Romans mit ihrem Liebhaber nach Paris abreist. Zusammen mit Rückblicken entsteht so ein Bild der Veränderungen dieses bürgerlichen Stadtgebietes im Laufe des 20. Jahrhunderts (3. Teil Das Haus) sowie seiner Bewohner und ihrer Wertvorstellungen vom Ende der Nachkriegszeit über die Immobilienspekulation und großdimensionierte, funktionale urbane Planung bis in die Zeit des Aufbruchs: der sich ankündigenden Häuserbesetzungen und Studentenunruhen.

Während die Erben der Feinkost- und Genussmittelhandlung »Wwe. Labonté«, die unverheirateten Töchter des Gründers und Großtanten Alfreds, die 1905 geborene Matilde (Tildchen) und Mi, von ihrem gut angelegten Vermögen leben, profitiert die „Haus- und Grundstückverwaltung“ der Familie Has vom Wiederaufbau der zerstörten Stadt (1. Teil Der Main) und der Sohn Eduard kann sich vom Schweizer Galeristen Guggisheim, der ihm seine exotisch-grazile Frau Dorothée abgeben musste, eine wertvolle Expressionismus-Sammlung aufbauen lassen. Sowohl die Labontés wie die Has zählen zum wohlhabenden Bürgertum, dessen Binnendifferenzierung jedoch der Unterschied zwischen dem Labontéschen Familiengrab, in dem auch Tildchens Urne (7. Teil Der Tod) nach der Trauerfeier im Saal des Neuen Portals beigesetzt wird, und dem nicht weit davon entfernten Olenschlägerschen Mausoleum auf dem Hauptfriedhof veranschaulicht.
Diese Unterschiede verstärken sich noch bei der Enkelgeneration: Alfred Labonté wächst in der Nachkriegszeit im Milieu der Ruinengrundstücke und lückenhafter Familienstrukturen (sein Vater Alfred verschwindet nach einem simulierten Kanu-Unfall im Main aus der Stadt), doch liebevoll von den Tanten umsorgt auf. Er besucht zusammen mit Lilly, die von ihrem Vater mit seinem Sportwagen chauffiert wird, die Westend-Volksschule, später das Gymnasium, lässt sich im Haushaltswarengeschäft Rötzel und im Café der Tierfreunde von der Has-Geliebten Etelka ihr Leid klagen und besucht als 18-Jähriger abends mit seinem Freund Toddi Osten bzw. Etelka und einem sie über die Abwesenheit Eduards hinwegtröstenden Nachbarn Ploogs Bierstuben im Bahnhofsviertel. Lilly dagegen wird zu den Partys der Reichen eingeladen, wächst desinteressiert, vom Wiener Star-Architekten Szépregyi verführt, zwischen Expressionismus-Originalen auf. Den in sie seit seiner Kindheit verliebten Alfred und ihre Klassenkameraden trifft sie im Café Feuerbach in der Feuerbachstraße oder im Penthaus ihrer Eltern, wenn er ihr bei den Schulaufgaben hilft.
Charakteristisch für das Gesellschaftsbild dieses Viertels ist auch das Dienstpersonal: neben Frau Emig im Haus Labonté, vertreten durch den Hausmeister Herr und die Putzfrau Scharnhorst, die während des Krieges aus Schlesien nach Frankfurt gekommen ist, ins Has-Haus eingewiesen wurde und sich dort nützlich macht. Zeitweise lebt sie mit dem den Materialbedarf der Nachkriegszeit nutzenden Schrotthändler Kalkofen zusammen. Da sie von Eduard Has’ Mutter ein Wohnrecht in der alten Villa erhielt, darf sie, nach Fertigstellung des Neubaus, in dessen oberster Etage mit Dachterrasse und Gemäldegalerie Lillys Eltern residieren, als Ersatz für ihren Anspruch und Gegenleistung für ihre Dienste die niedrige Kellerwohnung beziehen. Die soziale Schichtung bleibt also auch in der nächsten Generation: Frau Scharnhorsts in der Schule zurückhängender und vor dem Vater versteckter Sohn Kurt klopft im Viertel die Teppiche. Aber der Wandel kündigt sich an, als der zu Reichtum gekommene Kalkofen den kräftigen Sohn entdeckt und als Nachfolger zu sich ins Geschäft holt.

Der von Has beauftragte Wiener Architekten Szépregyi, dem die Handlungsführung des Romans mehrmals nach Österreich folgt, wenn die Has-Familie ihn dort besucht, propagiert seine Philosophie einer „funktionelle[n] Schönheit.“ Er plant die Gebäude „von innen nach außen“, um „die inneren Funktionen an der Fassade [abzulesen]“.[115] Er ist damit Repräsentant des neuen sachlichen Baustils, der sich seit den 1950er Jahren im Westend zunehmend durchsetzt. Eduards Cousin Fred, der Geschäftsführer der Immobiliengesellschaft, vertritt konsequent die gigantomanischen Ideen, die er Ende des Ersten Weltkrieges als „die Utopien der neuen Stadtplaner“[116] kennen gelernt hat. Er plant „die Schubertstraße aufzurollen“[117] und kauft alte Gebäude mit „Kulissenarchitektur“ auf. „In ihm wohnt der Planer, der wahrhafte Umgestalter ganzer Landstriche. […] Vor allem die Schubertstraße [erscheint] dann vor seinen Augen: nicht Straße mehr hinfort, sondern langgestreckter Hof zwischen gläsernen, betongestützten Schiffen, die mit zahlreichen Brücken verbunden [sind], eine Stadt in der Stadt, mit eigenem Anschluß an das öffentliche Verkehrssystem, mit gegeneinander sich bewegenden Rolltreppen, Rohrpostanlagen, Tausenden von Menschen, die dort Schreibmaschinen zu gleichmäßigem Rattern [bringen], ein Termitenbau, in dem es niemals Nacht werden muß.“[118] Diese Perspektiven führen zu einem Handel mit alten Häusern und Grundstücken, der fieberhafte Formen annimmt. Die Immobilien stehen entweder leer oder werden in der Übergangszeit günstig vermietet, z. B „als Massenquartier an griechische und kroatische Arbeiter“[119] oder Bordellbetreiber. Als Folge davon ziehen viele Alteingesessene weg und bieten ihre Häuser zum Verkauf an: „Der Verfall, seine Verlassenheit und Verwahrlosung [verbinden] sich mit der Bewegung von Summen, als vermute man in den aufgekauften Vorgärten vergrabene Schätze.“[120] Doch „[i]n dem Eifer, das Westend von seinen Bewohnern zu säubern, waren die Behörden in ihren Lizenzen gegenüber den Frankfurter Zuhältern und den wuchertreibenden Vermietern der Massenquartiere zu weit gegangen. Eine Politik, die sich eben noch der Zustimmung aller fortschrittlich Gesinnten sicher war, bekam auf einmal den Beigeschmack des Skandalösen. […] Es galt von jetzt an nur noch die »Armen« zu beschützen, die von »skrupellosen Spekulanten« ins Elend getrieben wurden.“[121]
In der Villa Labonté, als Kontrast zum Neubau Has, ist die alte Zeit in den Möbeln. Bildern und Lebensformen konserviert. In diesem Heim wird Alfred von Mi und Tildchen erzogen und auf die Umbrüche der Umwelt und der Stilepochen aufmerksam gemacht. Für ihn ist „[j]edes Haus […] eine eigene Schöpfung, die alle Elemente [der Gotik und der Renaissance] zwar zitiert, aber in neue, bisher unbekannte Zusammenhänge stellt.[122] Durch die Tanten angeregt sammelt er, trotz Lillys von Szépregyi beeinflusstem Widerspruch, Unterschriften gegen den Plan, die im Krieg zerstörte Christuskirche abzureißen, um eine „Suppenküche für Studenten“[123] zu bauen. Solche Proteste der Bevölkerung gegen die skrupellosen Spekulationen, die in den 1970er Jahren zum Frankfurter Häuserkampf eskalieren, lösen Druck auf die Politiker aus und das Viertel wird unter Denkmalschutz gestellt und die Immobilienblase platzt.
Damit sind auch Fred Ölenschlägers Pläne gescheitert. Er kann die aufgekauften Grundstücke und die unter Denkmalschutz gestellten Häuser nicht mehr wie erwartet vermarkten und Eduard Has’ großzügig-naivem Mäzenatentum und der Mätressenfinanzierung wird die Grundlage entzogen (4. Teil Die Liebe, 6. Teil Das Geld). Die Abrechnung der Fehlplanungen ist im Gange, Has hat die nicht mehr zu realisierenden Verträge mit den Planungskosten Szépregys arglos unterschrieben. Er sieht sich nun, parallel zur Rückkehr Dorothées zu Guggisheim in die Schweiz, mit den Forderungen seines Gesellschafters, der dessen Gemäldesammlung verflüssigen möchte, in Höhe von sieben Millionen Mark konfrontiert. Doch der Kunsthändler hat für Dorothée vor ihrer Abreise die Bilder in einem Depot vor Zugriffen gesichert. Die neue Wohnung ist geräumt, Lilly findet sie bei ihrer Rückkehr aus Wien verlassen vor. Auch im, abgesehen von seinen Zimmern, leeren Labonté-Haus bleibt nach dem Tod Tildchens und dem Auszug Mis in ein komfortables Altersheim in Kronberg Alfred allein als Erbe zurück. „Der Kosmos [ist] zerschlagen.“[124]
Die Schattenseiten der Prosperität in den 1960er Jahren
Ernst Herhaus: Die homburgische Hochzeit
Im satirischen Roman Die homburgische Hochzeit (1967) von Ernst Herhaus wird die gesellschaftliche und wirtschaftliche Situation der 1960er Jahre surrealistisch parodiert.
Der in eine psychiatrische Klinik in Rödelheim eingewiesene Ich-Erzähler Erich Hals berichtet von seinem Aufenthalt in diesem „Freihaus“, den Gesprächen mit anderen Patienten, z. B. dem wegen seiner „politisch-mystischen Schmähschriften“[125] einsitzenden Thilo von Sobeck („ein übervernünftiger Mensch, der das Chaos seines Daseins nur als geisterhafte Miniatur des allgemeinen Chaos sich erklären konnte“[126] und sich „für das Unerreichbare entschied[]“[127]), dem Wärter Paul Bosch (Kap. Wahn, etwas gedehnt) und dem Oberarzt Dr. Weil (Kap. Das Haus der Freiheit). Während der Doktor, nach der Lektüre der als Therapie verfassten Notizen über seine Irrfahrt, Hals mit den Worten „Es ist hoffnungslos […] Ich habe alles versucht, in Ihnen wenigstens Spurenelemente von Geistesgestörtheit zu entdecken; es tut mir leid, Hals, ich habe in Abgründe von Gesundheit geblickt“[128] entlässt, bewertet der Protagonist seine Lebenserinnerungen, in denen sich die Konturen zwischen Realität und Phantasie verwischen, als erfunden: „[D]as gibt’s ja alles nicht, wird es niemals geben, nie!“[129] Bereits während seines Schreibprozesses, ungefähr in der neunzehnten Woche seiner Klausnerei, reflektiert er skeptisch: „Hoch oben auf der Siechenbrücke des Denkens lehne ich mich weit über das Geländer aus Wortsystemen und Theorien, die gebrechlicher sind als Ameisenknöchel, und schaue hinab auf einen, der in früher Morgenstunde über sein Frühstücksei gebeugt ist, als wäre es eine Hilfe gegen die Angst, so ruhig und gemessen ein Ei zu verzehren.“[130]
In der Tat begegnet er, wie er in seinen Aufzeichnungen demonstriert, sowohl im homburgischen Land seiner Kindheit, in das er vorübergehend, „nach Jahren konfusen Umherziehens“[131] als Student, zurückkehrt, um die 19-jährige Rosemund Erben in Bergfelden zu heiraten, als auch in der Großstadt bizarren Situationen und merkwürdigen Figuren. Es mischen sich die Zeitebenen, personalen Zuordnungen (Mutter und Frau) und Identitäten (Vater und Sohn). „Die Welt des Verstehbaren löst[] sich auf“.[132][133] Der Erzähler sieht seine „individuelle Person längst zerrüttet“[134] von den Verhängnissen seiner Vergangenheit und ist in Gefahr ausgelöscht zu werden: „[E]ine Außenwelt, die keine Aussicht hat, ist für mich keine wirkliche Welt, und eine Innenwelt, in die ich kaum Einsicht besitze, wird mir immer mehr zu einer Zumutung“.[135]
Nach der ländlich-traditionellen Hochzeitsfeier mit abschließendem koital-eruptivem Lachkrampf reist Erich nach Frankfurt zurück (Kap. Die Rückkehr ins Zwischenreich). Die Stadt verwandelt sich immer wieder in ein absurdes Panoptikum und übt eine Faszination auf ihn aus, „denn das Phantastische ist das Reelle […] das […] was einzig zu verwirklichen sich lohnte. Frankfurt am Main mit seiner Nüchternheit, seinem umwerfenden Pragmatismus, diese Stadt mit ihrem unkonventionellen Überlebens-Trend, der Tote aufweckt, mit ihrem hektischen verbrecherhaften Geldgeruch […] und ihrem in Westdeutschland einmaligen Misstrauen gegen allzu schöne und allzu gebräuchliche Gedanken, Ideen und Ideale“.[136]
So treibt der Erzähler durch die Straßen und Bars der Stadt mit meist fiktiven oder leicht abgewandelten Namen von einer Begegnung zur anderen. Im Suff versuchen die auf der Erfolgsleiter abgestürzten Figuren (wie der ehemalige kommunistische Funktionär Fred[137] oder der gescheiterte Gerüstebauer Teddi Schnapp[138]) ihren Lebens- und Weltschmerz zu ertränken. Die Handlungen wuchern durch- und übereinander, etwa im Preislied Erichs auf den triebhaften „Große[n] Mandarin“[139] sowie in den Monologen (Kap. Wahn etwas gedehnt) der von den Höhen der Wissenschaft zur „schlechteste[n] Barfrau Deutschlands“[140] abgestiegen Hanne über ihre Liebeslust und die wechselnden internationalen homo- und heterosexuellen Beziehungen mit Harry, Tristani, ihrem Chinesen, Fritjof oder Plexi im Koseclub (Kap. Die Werkzeuge des Lebens).[141] Ihre Zuhörer sind der Protagonist und die Alkoholikerin Loulou Weiß, die schon wegen Polyneuritis in die Nordwestklinik eingeliefert wurde. Hals nimmt die ehemalige Kollegin bei sich auf, sieht in ihrem Gesicht die „Halluzinationen des Selbstbetrugs“[142] und hofft vergeblich ihren Zerfall zu verlangsamen bzw. den „Irrsinn aus dem Leben eines Menschen fernzuhalten.[143] Immer wieder begegnet er solchen Grenzgängern, auch anderen, die sich mit dem Alltag arrangiert haben, z. B. Manfred Mosch, den Bearbeiter für Kirchenaustritte, Buchstaben H-L, beim Amtsgericht und Gelegenheitsbesucher des Frauenlokals Kleines Paradies.
Aus der Embryo-Perspektive beobachtet der Erzähler (Kap. Ein tiefes glühendes schönes Auge) die mondän-kokette und fleißige Prostituierte La Divine („nur auf tausend Samen blüht der Weizen“[144]). Sie ist eine seiner drei biologischen Mütter. Im edlen Milieu an der Bar des Hotels Orlando erklärt sie dem exzentrischen, vom „Frankfurt-Stil“[145] begeisterten Wiener Maler Heinz Herschel: „Frankfurt ist Mystik, Mystik mit dem blanken Messer“.[146] Herschel malt nach einem Gashahn-Selbstmordversuch im neuen Atelier im Westend oder später im Hotel Orlando unter dem „dumpfen Gefühl der Hilflosigkeit und Bewusstseinsschwäche“[147] neue Werke. La Divines neuer Finanzier, der zweiundzwanzigjährige schwermütige Kunsthändler und Betreiber der Galerie im Haus Nr. 33 an der Eisernen Hand Jean Benjamin Thérèse de Maisch (Kap. Heroisch-galanter Bericht) interpretiert sie folgendermaßen: „Die seltsame Lähmung, die einem vor diesen Bildern befällt, dieses mit Schmerz und Verwunderung geladene Erstaunen, hebt unser Fühlen über den Gefrierpunkt, weil wir erkennen, dass sich in dieser Kunst das Böse nie ganz verwirklichen kann. In diesen Bildern ist unser Verlangen nach Reinigung und Umkehr für immer festgehalten.“[148] Nachdem La Divine, entgegen ihrem Versprechen, wieder Herschel im Hotel getroffen hat, erschießt de Maisch sie und tötet damit auch den Embryo Erich. Doktor Weil analysiert dem Patienten dieses surrealistische Erlebnis: „Es riecht alles ein wenig nach Kolportage […] Nur dass die Welt, die Sie oder ich nicht interpretieren können, deshalb keine Welt sei, das kann ich Ihnen leider nicht bestätigen.“[149]
In seiner Rödelheimer Zelle beschreibt Hals ebenfalls seine Arbeit im Frankfurter Tochterbüro der Pilgrim-Investment-Gruppe »Investment für morgen« als C2-Angestellter (Kap. Wahn, etwas gedehnt). Es ist ein Kosmos des Wahnsinns: „Keiner durchschaut den hektischen Betrieb, „alle operier[]en mit Zahlen; keiner [weiß], was sie bedeute[]n“[150] Der Bürodirektor Dr. Philip, der sogenannte Krächzer, „[bringt] täglich einen Strom abstrakter Drohungen und Katastrophenbegriffe in Umlauf, das Geflüster von deflatorischen Kursen, Kuponsteuerzusagen, Restriktionen und Rezessionen, konjunkturelle Abschwächungen, kaputten Kreditplafondierungen, von Wechsel- und Aktieninflation, Bankembargos und sonstigen im Hinterhalt lauernden Todesstößen [reißen] niemals ab.“[151]

Ein amerikanischer Besucher, Mister Friedman, soll den Besuch des obersten Bosses, Herbie Pilgram („Herbie ist nicht blind, Herbie kommt und nimmt.“[153]), vorbereiten und skizziert Hals im Café Kranzler an der Hauptwache die Grundzüge des Programms, „eines internationalen Bluffs, bei dem sich die Eventuellsager und die cleversten Börsenpsychen gegenseitig zulächel[]n und be[steigen], um jedermann ihre Kennzeichen zu offenbaren: Blindheit und geheimnisvolle Stärke.“[154] Friedman ruft Hals auf, zur Erlösung von der Isolation und Einsamkeit der Menschen missionarisch für den Fond zu werben: „Wir werden eine gewisse Heilspose […] natürlich nicht verschmähen […] Die Pilgrimgruppe »Investment für morgen« sammelt das Geld der Einsamen ein und wird ihnen große Verheißungen zukommen lassen […] Unsere Arbeit ist sehr geeignet, Optimismus in der westlichen Welt zu verbreiten.“[155] Später lernt Hals im Hotel Orlando Herbie Pilgram als charismatischen Redner kennen. Er lockt die der „jahrelangen Lethargie der deutsche Börsen“[156] überdrüssigen Kunden mit hohen Renditen und betont immer wieder die „strenge[] amerikanische[] Börsenaufsicht Securities & Exchange Commission“, die „sehr renommierte Brokerfirma Laugh & Co“ mit Tochtergruppen in der ganzen Welt, auch in Frankfurt am Main, und die „mit Riesenschritten […] auf den europäischen Kapitalmarkt“[157] drängenden amerikanischen Wertpapiere. Allein der Pilgrim-Fond „mit Sitz in Genf“ habe eine „380 Millionen Dollar Kapitalansammlung“.[158] Hals kündigt, nach erfolgreichen Geschäften, seine Anstellung, verkauft dann als Hausierer flüssige Seife und verfasst Manifeste.
In der nächsten Frankfurter Etappe setzt sich die Tendenz einer Dystopie fort: Hals wird Sekretär des Präsidenten Bernhard Alma im 36stöckigen Haus der Freiheit am Berliner Platz. Dort sammelt die Zentrale für Aufklärung jede Äußerung aus der Vergangenheit, „die mit dem Ziel gefasst wurde[], die Erscheinungsformen irdischer Herrschaft und Ordnung zu ändern.“[159] Anschließend registriert die nächste Zentrale die Daten im Zusammenhang mit „der Auswertung der sogenannten »Informationsexplosion«[160] und der „Freie Großrat“ diskutiert mit allen, die „unsere Freiheit verkörpern“,[161] den Zukunftsaspekt, die Solidarität aller Freiheitsdurstigen“.[162] Teilnehmer dieser ständigen Konferenz sind: „Politiker, Wirtschaftsphilosophen, Dialektiker mit Bremsvorrichtungen, Frustrierte von der strengen Observanz, Metaphysiker, Seinstrommler, Negationsfachleute, Kryptosozialisten, Attentisten, dreimal umgedrehte Kulturkämpfer, Sprachhexer, Tabukitzler […] Es gibt keine These, keine Provokation, die vor dem Großrat nicht angesprochen werden dürfte. […] Jeder soll […] zu seinen wahren Überzeugungen stehen. […] wir verlangen es!“[163] Alma und Hals, die beiden Melancholiker, sagen sich beim Blick vom oberen Stockwerk mit „Einfalt und Strenge“, dass „selbst bei prinzipieller Klärung aller Vorgänge noch Zeit bleibt für [ihre] Unfähigkeit, sie zu begreifen“.[164] Der Präsident Alma warnt deshalb seinen Mitarbeiter: „Der Sog des Leerlaufs, Herr Sekretär, der Sog in den Protest, er wird sie verschlingen.“[165]

Ergänzend zu dieser Irritation kann auch der von Hals im Auftrag Almas umworbene Philosoph Tadeus Hallenser[169] die existentiellen Fragen nicht beantworten: „Wer wir sind und wann wir leben, weiß bis heute niemand“.[170] Er vertröstet: „Zur Hoffnung gehört Schulung.“[171] Nach Almas Bestattung sehen zwei Passanten, die aber ihr nächtliches Erlebnis öffentlich verschweigen, um nicht für Geistesgestörte gehalten zu werden, wie das Haus der Freiheit zerbröckelt und einen leeren Berliner Platz zurücklässt.
Bizarrer Höhepunkt ist der Festzug am Stiftungstag (Kap. Ein großer Tag) vom Nervenhaus in Rödelheim „über die Alexanderstraße hinauf […] über die Schlossstrasse zum Platz der Republik.“[172] Im Schnee wandern die mit Kutten und Kapuzen verkleideten Patienten in die Innenstadt, werden dort von einer Abordnung der Bürgerschaft mit einem „Geisterschnaps“[173] empfangen, ziehen an Tausenden schweigender Menschen vorbei über die neue Oper zur Zeil. Sobeck philosophiert: „[W]er einmal in dieser Stadt angekommen ist, findet nie mehr heraus. Einigen gelingt dieser oder jener lächerliche Ausbruchversuch, aber sie kehren zurück, wie unter einem Zwang, wer einmal die paradiesischen Lüste des Isoliertseins genossen hat, kehrt immer wieder zurück.“[174] In einer weiteren surrealistischen Szene sehen nur die Patienten, wie die Hauptwache und die Paulskirche abgetragen und die Steine den „ältesten und angesehensten Frankfurter Familie“ übergeben werden,[175] während die Menschen Kaffe trinken und im „auf offener Straße ausbrechenden Irrsinn“[176] nichts wahrnehmen.
In diesem Augenblick wird Erich von Rosemund geboren. Ein neuer Kreislauf beginnt: „Ich kannte bereits alle Verrücktheiten meines kommenden Lebens auswendig“ […] Diese Geburt [war] Zeichen meiner aller Wunder baren Irrfahrt und Heimkehr […] Von dieser Kammer waren alle Wege ausgegangen, hierhin führten alle zurück […] Ich wußte, dass in dieser homburgischen Schlaf-, Lust-, Zeugungs-, Geburts- und Sterbekammer alles gesehehen, vergessen war, was je auf der Welt ersonnen und wieder verworfen war oder würde, und fühlte, in den Millionen Hirnzellen, eine ungeheuerliche Verneinung zu alledem und gleichzeitig, in meinen bergfeldischen Erinnerungen, ein absolutes, unverrückbares und ungeheuerliches Einverständnis.“[177]
Gerhard Zwerenz: Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond
Gerhard Zwerenz’ 1973 veröffentlichter Roman Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond[178][179] kritisiert die mit Grundstückspekulationen verbundene Stadtsanierungspläne der 1960er Jahre in Frankfurt: Der Protagonist, der aus Israel zurückgekehrte Jude Abraham Mandelstam, ist Immobilienmakler und baut ein Netz von Informanten auf, wie den Invaliden Karl Schuwelbeck, die ihm Tipps geben über potentielle Hausverkäufer, z. B. die alte Cornelia Zwecke mit ihrem für einen Neubau geeigneten Grundstück im Stadtteil Nordend.[180] Solche Objekte versucht er günstig zu erwerben, um sie für den Bau von Appartementhäusern mit Gewinn weiterzuverkaufen. Auch organisiert er für die erforderlichen Investitionen Kredite bei der Bank für Allgemeine Geldwirtschaft (BfAG).[181] Um einzelne Bewohner, die nicht ausziehen wollen, zu vertreiben, quartiert Mandelstam in die leerstehenden Räume gewalttätige, an der Hauptwache angeworbene Asoziale ein, welche die Mieter belästigen. Werden die Helfer für ihren Auftraggeber unbequem, wie Robbe oder Gnom, seine zwergenhafte, unzuverlässig gewordene rechte Hand, ermordet er sie. Verbunden ist mit dieser Handlung die Thematik des Antisemitismus in der deutschen Bevölkerung und der Rache für erlittenes Leid: Als „Mann ohne Heimat“ fühlt sich der Jude in Frankfurt einsam „inmitten einer feindlichen Menge“, die ihn wegen seiner Spekulationen und Verfilzung mit den „hohen Herren“ als „Blutegel des Volkes“ beschimpft.[182]
Die 1970er Jahre
Eckhard Henscheid: Die Vollidioten
Eckhard Henscheid porträtiert in seinem Roman Die Vollidioten, mit dem Untertitel Ein historischer Roman aus dem Jahre 1972, eine Gruppe von Journalisten aus dem künstlerisch-intellektuellen Milieu, v. a. Redakteure und Mitarbeiter einer satirischen Zeitschrift sowie mit ihnen befreundete Schriftsteller, und karikiert, oszillierend zwischen Ernsthaftigkeit und Ironie[183], eine in den 1970er Jahren in diesen Kreisen praktizierte, als progressiv-emanzipatorisch empfundene Lebenshaltung.
Die Werbung des getrennt von seiner Frau Doris lebenden 25-jährigen Schweizers Peter Jackopp um die ein Jahr jüngere Journalistin und Frauenrechtlerin Evamaria Czernatzke bildet das Gerüst der „überaus merkwürdigen Vorkommnisse“,[184] die sich „in einem Teil dieser Stadt[185] und innerhalb einer ganz bestimmten Gruppe von Menschen und Personen“[186] abgespielt haben: Diese den Roman strukturierende 7-Tage Handlung beginnt an einem Samstagabend (Kap. ERSTER TAG). Jackopp verliebt sich in Frl. Czernatzke, trinkt mit ihr an der Theke der Gaststätte »Krentz« Schnaps und drängt „auf sofortigen Vollzug des Geschlechtsverkehrs“[187], was sie mit dem Hinweis auf ihre Beziehung zu Ulf Johannsen ablehnt. Jackopp kann dieses Argument nicht nachvollziehen und ist entsetzt über den „verfluchte[n] Bruch in der Logik“[188] der Ereignisse, da er bereits vorher ihre Faszination von ihm, wie auch die Tänzerin Johanna Knott im Hinblick auf seine Schönheit und Erotik bestätigt, bemerkt habe, während er damals an ihrer Kollegin Mizzi Witlatschil interessiert war. Er berät sich am nächsten Tag (Kap. ZWEITER TAG) mit dem Erzähler Henscheid in einem italienischen Lokal, dann beim gemeinsam am Nachmittag mit der Gruppe besuchten Fußballspiel, im Kino und im Lokal »Alt Heidelberg« über eine Strategie, um doch zu seinem, vorschnell auf acht Uhr terminierten, Ziel zu kommen. Der Erzähler ist zwar von diesen „gewaltigen erotischen Energien“[189] beeindruckt, aber er versucht dem uneinsichtigen Jackopp seinen egozentrisch-weltfremder Auftritt und die mangelnde Kommunikationsfähigkeit am Beispiel des kindlich-unerfahrenen Parzival klarzumachen[190] und kritisiert die machohafte Ausdrucksweise „flachlegen“ bzw. „durchziehen“ des Schweizers. Er orientiert sich lieber an Gedichten Walthers von der Vogelweide, denn was sei „die Liebe schließlich anderes als ein einziger großer Lyrismus…?“,[191] und empfiehlt Jackopp, es einmal mit einem Rosenstrauß zu versuchen. Allerdings ist er auf die Reaktion der Frauenrechtlerlin gespannt. Denn er steht, während die ebenfalls um Rat gefragte Johanna Knott über den „Weiberrat“ diskret auf Frl. Czernatzke eindringen will, diesem Frauenverband männlich-reserviert gegenüber: „Ich bin auch jederzeit für das Gute und den Fortschritt, aber irgendwo muß natürlich eine Grenze sein, denn heraus kommen am Ende nur Unsicherheit und Umsturz, und die Dummen sind die kleinen Sparer.“[192]
Bei einem neugierigen Bürobesuch am Montag (Kap. DRITTER TAG) überzeugt sich Henscheid vom unwillkommenen Blumengruß und wird von der Redakteurin (»Und was soll der Rotz da??«[193]), nicht ganz unerwartet, als Esel, Rhinozeros, Drecksack, Anstifter, Intrigant usw. beschimpft. Er entnimmt ihren Zornausbrüchen, die auch auf zufällig Anwesende expandieren (»Idioten«[194], »Mondkälber«), dass die Verlagsangestellten Rösselmann und Frl. Bitz („Diese Frauen! Wollen den Sozialismus einführen und können nicht einmal eine Information richtig weiterleiten!“[195]) an der Informationsgerüchtekette genusssüchtig beteiligt waren. Darauf rät der Erzähler im »Café Härtlein« Jackopp, beim nächsten Annäherungsversuch der Geliebten einen Brief zu schreiben (Kap. VIERTER TAG), und entwickelt mit Freund Wilhelm Domingo den Plan einer vernetzten Aktion aus echten und fingierten Briefen, die das Partnerschaftsgefüge der Gruppe auflockern und schicksalhaft zu neuen Kombinationen führen könnten. Beim befreundeten Peter Knott, dem Ibiza-Reisenden, angekommen hat dieser allerdings Bedenken, „alles erotische Geschehen nach [ihren] Wünschen zu lenken“,[196] und kritisiert das Spiel als »infantil[en]«, »Voyeurismus«, bzw. »Ersatzbefriedigung«.[197] Henscheid hebt dagegen die „aufklärerische[n] und kritische[n] Züge“[198] hervor, da die Briefmanipulation „allen Beteiligten die Augen öffne für die Relativität ihrer erotischen Aktionen.“[199]
Jackott schreibt jedoch keinen Brief, sondern sucht eine Aussprache, die aber nicht gelingt: In ihrer letzten Begegnung (Kap. SECHSTER TAG) nimmt Czernatzke an einer Demonstration gegen den Paragraphen 218 teil und reagiert auf seine Bitte, die Gruppe für ein Gespräch für einen Augenblick zu verlassen, mit der Parole: »Los, Genosse, reih dich ein, Komm herein in uns’re Reihn!«.[200] Der enttäuschte Liebhaber sieht darin einen erneuten Bruch in der Logik, bricht seinen Eroberungsfeldzug ab, beklagt mit einer Camus-Lektüre sein Schicksal, kauft sich in der Innenstadt eine Dackelin (Kap. SIEBENTER TAG) und verschwindet dann aus dem Blickfeld des Erzählers. Vermutlich versöhnt er sich wieder mit seiner Frau Doris, die beim Ausführen dieses Hundes von Herrn Rösselmann und Frl. Bitz beobachtet wird.
Diese Haupt- und die vielen eingeschobenen Nebenhandlungen werden von einem, mit dem Autor gleichnamigen, Ich-Erzähler präsentiert, auf den sich einer der beiden Vorsprüche bezieht: »In der Tat, ich muß mich selbst darüber wundern, was für eine Klatschbase ich doch geworden bin«.[201] Er erscheint bei den Caféhaus- und Kneiptouren und bei den seinen Alltag bereichernden Telefongesprächen („Und wieder klingelte das Telefon, wie wunderbar!“[202]) als Lebenskünstler, beispielsweise im Kapitel SECHSTER TAG: Nach der gemeinsam mit Frl. Majewski verbrachten Nacht „wischt[] er sich den Schlaf aus den Augen […] und eilt[] aus dem Haus. […] Ach was, Kummer und Sorgen!“[203] Bei den nahe wohnenden Verlagsangestellten mit festem Einkommen, Herrn Rösselmann und Frl. Bitz, genießt er „zu dieser frühen Stunde, halb zehn Uhr“[204] das „rundeste und perfekteste Frühstücksleben bei musikalischer Umrahmung, leider „derbes Schlagerzeug“ und nicht der von Bitz favorisierte Gregorianische Choral, der „die Teemassen gewissermaßen in etwas Außerirdisches verwandle“.[205]. Dabei tauschen die Frühstückenden ihre Beobachtungen zum sich eventuell durch das Auftauchen neuer Gäste verändernden Beziehungsgeflecht am gestrigen Abend bei »Krentz« aus. Die Neugierde Rösselmanns an den wechselhaften Situationen der Freunde ist unterlegt von seinem „rohe[n] Vergnügen“[206] am Intrigieren, das auch dem Erzähler nicht fremd ist. So schiebt man sich beispielsweise den in ständiger Finanznot die Bekannten anpumpenden, einfallsreichen Joachim Kloßen einander zu und macht diesem bei seinen Telefonanrufen mit erfundenen Hinweisen jeweils Hoffnung auf die Hilfe des anderen. Henscheid resümiert nach dem Frühstück: „Wie schön war doch mein Dasein! Zuerst ein berauschender Abend, dann gar das größte Glück, dann ein festliches Frühstück mit Telefoneinlage [den unterhaltsamen Anrufen Kloßens mit seinen verzweifelt-originellen, durchsichtigen Vorschlägen], und nun lag schon wieder etwas in der Luft…[…] ein frischer Wind strich über die Stadt, in die schöne Welt hinunter, ganz wie neugeboren schlenderte ich die Straße entlang“.[207]
Zu Hause überlegt er, wie er Herrn Jackopp „noch einmal verschärft auf Frl. Czernatzke treiben“[208] könnte, und verhandelt telefonisch mit Herrn Reinecke vom Studentenjournal in einer Aktion „wechselseitiger Übertölpelung“[209] über eine »spritzige Polemik«[210] gegen den SPD-Bildungspolitiker Lohmar, seinen Parteigenossen, und erreicht, dass er bei der Auftragsrücknahme des Glasreinigerverbandes, er sollte einen Artikel gegen die Niedrigangebote eines Konkurrenten schreiben, wegen angeblicher Archivarbeit seinen Vorschuss nicht zurückgeben muss. Aus solchen Einkünften finanziert er sich und durch Geldverleih teilweise auch seine Freunde. Bereits vor einer Woche schrieb er im Kaffeehaus kleine Gedichte über Kartoffel-Chips für die Firma Maggi und als Ausgleich dazu eine Glosse gegen Kartoffel-Chips für ein Journal. Die „Leerräume zwischen diesen Aktionen [füllt] [sein] geliebtes Klavier“:[211] „Beethoven war zu anstrengend, und Mozart würde vor dem drohenden Hintergrund der Innungsherren [der Glasreiniger] sicher völlig danebengehen. Also etwas Leichtes, Lockeres, das die Angst vertreibt! Der Musette-Walser – das war es!“[212]
Aber er durchspielt auch selbstironisch flexibel seine zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten. So kokettiert er im Gespräch mit der leichtgläubigen Frau Krause mit dem Wunsch „einfacher Sachbearbeiter in einem Büro […] zu werden, mit einer kleinen Kartei und einem netten sauberen Schreibtisch, »weg von dem mörderischen Rummel der Projektgruppen-Forschung und der Sales-Promotion«“[213] Am Ende des Romans spürt er, offenbar inspiriert durch die Jackopp-Gespräche und die Anhänglichkeit des Schweizers, seine Begabung als Pädagoge und Sozialarbeiter, „in der Kunst der Menschenführung und Lebenshilfe“.[214]
Die Romanfiguren wechseln häufig ihre Partner und so bilden sich immer wieder neue Konstellationen, die bei ihren täglichen und nächtlichen Treffen beim Kartenspiel im »Krentz«, im »Café Härtlein«, im »Alt-Heidelberg«, im Spätlokal »Schildkröte«, samstags im Fußballstadion, im Verlagshaus oder bei den privaten Besuchen (sie wohnen nicht weit voneinander entfernt und in Kneipennähe) meist im angetrunkenen Zustand eingefädelt und bei Ernüchterung bald wieder gelöst werden. Ein Anziehungspunkt für Frauen ist Ulf Johannsen. Er war 15 Jahre lang mit Birgit Majewski verlobt, vor einem halben Jahr trennten sie sich vorübergehend, sie wurde durch ihre Freundin und Wohnungsnachbarin Evamaria Czernatzke ersetzt, aber seit sechs Wochen bilden sie eine Dreiergruppe. In der Zwischenzeit machte sich der Erzähler Hoffnung auf seine ehemalige Wohnungsnachbarin Birgit, diese befreundete sich aber für sechs Wochen mit einem Jürgen Steltzer, der dann eine andere Frau heiratete, sich von dieser wieder scheiden ließ und als Presseattaché nach Burma verschwand. Der Erzähler schildert dieses Beispiel zur Demonstration der Positionsänderungen innerhalb der Gruppe: „So geht es bei uns oft und oft.“[215]
Mit dieser gemischten, „recht ichverliebten“[216] ideologisch linksorientierten Gruppe, wie sie sich beispielsweise beim Betriebsfest (Kap. VIERTER TAG) im Festsaal des Bürogebäudes präsentiert, teilt der Erzähler den lockeren sexuellen Lebensstil im Kneipenmilieu und bezeichnet Herrn Gernhards Abschirmung seines niedlichen Frauchens als „unsportlich, aber sicherlich klug von ihm“,[217] aber dafür müsse „er natürlich mit einem Manko an Vitalität und Freiheitsspielraum büßen.“[218] Henscheid dagegen spielt lieber mit.“[219] Auch er hat die Protagonistinnen verschiedentlich umworben und hofft immer wieder, wenn einmal eine Lücke entsteht, auf seine Chance. Der Erzähler fühlt sich in diesen Situationen als Regisseur und ist auf das Ergebnis seines Spiels neugierig. Er beobachtet wie Jackopp den „Bruch in der Logik“[220] und versucht, zumindest theoretisch, Fäden miteinander zu verknüpfen und dabei für sich Freiräume zu schaffen.
Andererseits belächelt der Protagonist die meist weiblichen dogmatischen Eiferer und vertritt im Allgemeinen pathetisch-ironisch einen bürgerlichen Standpunkt: „Ich für meinen Teil bin da durchaus für das Alte und Zeitlose, das unmittelbar in das Zentrum des Weltgeistes greift und so dem liebwerten, wiewohl geteilten Vaterland letztlich auch nutzt.“[221] Er erholt sich oft vom Rummel der Unternehmungen und Verhandlungen beim Klavierspielen und teilt diesen Rückzugsraum am Abend nach dem Betriebsfest mit dem vom Kämpfen müden Frl. Czernatzke. Nach ihrer Auseinandersetzung mit der befreundeten Rivalin Birgit Majewski lauschen beide Franz Schuberts Idyll »Hirt auf dem Felsen«: »In tiefem Gram verzehr’ ich mich, Mir ist die Freude hin, Auf Erden mir die Hoffnung wich, Ich hier so einsam bin…«[222] Er denkt dabei an seine eigentliche Geliebte: die vor Jahren in ihre Heimat abgereiste türkische Frau.
Ein spezieller Fall, aber wegen der Geldnöte und Planungslabilität der meisten Freiberufler nicht untypisch, ist der vor kurzem in die Stadt gezogene Joachim Kloßen, der neue Wohnungsnachbar des Erzählers. Er ist nicht nur ein Pumpgenie und hartnäckiger Schnorrer bei den Kneipenbesuchen, ein Spezialist der „hohe[n] Politik der Geldbeschaffung und Neuverteilung“,[223] sondern auch ein großer Erfinder immer wieder neuer Projekte („eine »wahnsinnig dufte Story« von einer Ziege, die einmal in der Stadt Velbert vor Gericht erscheinen musste“[224]) mit angeblich vielversprechenden Gewinnen, an denen er die Freunde bei deren Vorfinanzierung beteiligen will (u. a. Kap. SECHSTER TAG): Verkauf von Karten für Fußballspiele zu Schwarzmarktpreisen, Einstieg ins Lottogeschäft, Plan eines sozialkritischen Fernsehspiels mit einem, nach Information eines »Funkfritzen«, 18000 Mark-Honorar.[225] Am Ende (Kap. SIEBENTER TAG) flüchtet er vor den Gläubigern und verlegt seinen Standort nach Garmisch, von wo aus er die Freunde weiterhin kontaktiert und ihnen seine Ideen schmackhaft zu machen versucht.
Hinter den umtriebigen Personen verbergen sich oft melancholische Glücksucher, wie der nur im Schweizerdeutsch wortgewandte und gelöste Jackopp, der bei der Czernatzke-Eroberung ungeschickt-plump auftritt und hilflos Henscheids Rat sucht. Viele Personen des Kreises sind Tagträumer oder gescheiterte Visionäre: „So geht es uns Intellektuellen immer wieder.“[226] Am Ende seiner Bemühungen um Frl. liest Jackopp Camus und bekennt: »Ich bin ein armer Mensch […] ich interessiere mich eigentlich nur mehr für drei Sachen. Für Profi-Boxen, schicke Klamotten und Kellner beleidigen«.[227]
Viele Aspekte seines Menschenbildes teilt der Erzähler Eckhard Henscheid mit seinem Freund Wilhelm Domingo[228], mit dem er sich über die Ereignisse austauscht und eine vertrauliche Koalition bildet. Verbunden mit einer Selbstreflexivität wird ihre Beobachterperspektive, „neugierig […] aus sicherer Entfernung“[229] vom gegenüberliegenden Gehweg aus, bei der Schilderung des Zusammenbruchs einer Greisin besonders deutlich. Sie verfolgen, wie andere Passanten („insgesamt machte das alles einen sehr entschlossenen Eindruck.“[230]), allerdings erfolglos, der Frau zu Hilfe eilen. Herr Domingo tröstet sich darauf mit einer an einem Kiosk gekauften Tafel Schokolade.
Wegen ihrer vermeintlich unentschiedenen Position geraten sie auch ins Spannungsfeld politischer Diskussionen. So werden die beiden Alten im »Krenz« von der jungen, engagierten Barbara Müller darüber befragt, „was [sie] in dieser Gesellschaft und ihrer bevorstehenden Veränderung eigentlich für einen »Stellenwert« hätten und ob [sie] überhaupt »kritisch« über [sich] »reflektierten« usw. usf.“[231]. Henscheid ist stolz über die „elegante Abfuhr, die [er] [durch sein Einschlafen im Sessel] der jungen Frau Müller erteilt hatte. […] Ich meine, natürlich ist es das Vorrecht der Jugend, so zu fragen, uns Ältere zu fragen, meinetwegen sogar nach unserem »Stellenwert« zu befragen, aber irgendwo ist dann doch mal Schluß, und da müssen wir Alten eben unsere Würde bewahren und den Jungen ihre Grenzen aufzeigen.“[232]
Walter Erich Richartz: Büroroman
Richartzs Büroroman (1976) thematisiert eine Phase der wirtschaftlichen Entwicklung Anfang der 1970er Jahre: die Verschiebung des Verhältnisses der Güterproduktion zur Verwaltung sowie, als nächste Etappe, die Rationalisierung durch Umstellung auf EDV und den damit verbundenen Verlust von Arbeitsplätzen in beiden Bereichen. Am Ende werden, nach dem Ausscheiden der Protagonisten, ihre Büros ausgeräumt (Kap. 8.0 Weitergehen, nicht stehen bleiben) und ihre Plätze durch Büroautomaten ersetzt, d. h. durch den „menschenlose[n] TEXTVERARBEITER“[233] mit bisher unvorstellbaren Möglichkeiten und den Aktenvernichter „WONDER-SHREDDER“:[234] „Platz für das Neue, für das Junge, für das neue Büro […] Der Vorgang ist unaufhaltsam.“[235] Der anonyme Erzähler kommentiert vertraulich: „Die Tätigkeit unserer […] langjährigen Mitarbeiter […] war für unsere Firma seit mehr als zwei Jahren völlig wertlos.“[236] Die alten Arbeitsplätze würden nur wegen der Betriebs- und Sozialgesetzgebung aus humanitären Gründen bis zum krankheits- oder rentenbedingten Ausscheiden erhalten, dabei lasse man die Beteiligten „möglichst lange im Glauben […], daß ihre Arbeit für die Firma unentbehrlich ist“.[237] Aber er fügt hinzu: „Großer Täuschungsmanöver bedarf es dabei nicht […] Vielleicht glaubt ers selbst nicht. Vielleicht weiß er mehr, als wir ahnen.“[238]
Demonstriert wird diese sich anbahnende Veränderung am Beispiel der Firma DRAMAG, Abkürzung für Deutsche Regler-, Armaturen- und Messgeräte-A.G., im Frankfurter Ostend. Hier steht vor den Produktions- und Lagerhallen das Verwaltungshochhaus mit den wegen der Klimaanlage nicht zu öffnenden großen Glasscheiben (Kap. 1.0 Die Stirn am Glas). Diese trennen, wie in einem Aquarium, die Tagesbewohner von der Außenwelt, bevor sie um 17 Uhr in einer Kolonne nach draußen marschieren (Kap 2.6 Familienklein): zu ihren Freunden, Ehemännern, Kindern, in die Wohngebiete oder zum Einkauf in die City: Parkhaus, Schaufenster, Rolltreppen.
Im 10. Stock ist die Abteilung Rechnungswesen untergebracht und im Zimmer 28 mit normierter Ausstattung (Anhang: Inventur[239]) arbeiten die drei Protagonisten Wilhelm Kühlwein seit 23 Jahren, Elfriede Fuchs, später Klatt, seit 20 Jahren und seit kurzem das junge Fräulein Mauler, an deren Schreibtisch im Laufe der Zeit wechselnde Mitarbeiterinnen saßen. Aus der Perspektive dieses Büros wird der Betrieb im Tages- und Jahresablauf beschrieben. Die Abteilung ist ein Abbild der Angestellten-Welt mit ihren Figuren, die man kategorisieren kann in den meist still vor sich hinarbeitenden Kühlwein, die leicht aufbrausende Klatt, die naive Mauler, den kalauernden Maier, die blumengießende Klepzig, den Büroboten Holzer mit seiner von den anderen gar nicht mehr bemerkten Hasenscharte, die singend Geld für Jubiläumsgeschenke einsammelnde Martha. Entsprechend ist die Tischzusammensetzung in der Kantine mit vertraulichen kleinen Frauengesprächsgruppen und den lauten Komikerrunden. Von dem Privatleben der Menschen erfährt man wenig, nur die Erfolgserlebnisse, die sie selbst bekannt machen: Ihre spektakulären Sommerreisen und die in den Büroräumen an der Kartenwand gesammelten Ansichtskarten mit den Urlaubsgrüßen (Kap. 4.1 Die Welt in Farbe). Familienprobleme teilen sie nur ihren Vertrauten mit, die diese wieder andeutungsweise weiterleiten. So entstehen die Gerüchtekreisläufe. Erst im vorletzten Kapitel (7.o Die Zeitraffer) mit der ironischen Überschrift Happy-End (7.1) informiert der den Leser durch diese Arbeitswelt führende Erzähler über die Sozialisationsbedingungen in schwierigen Familienverhältnissen mit dominanten Vätern oder Müttern und die sich nicht erfüllenden Lebens- und Berufsträume Klatts oder Kühlweins in seinem Sachsenhausener Elternhaus: So erscheint hinter der Karikatur der unzufrieden in südhessischer Mundart keifernden, auf die jungen Kolleginnen neidischen, schokoladenfrühstücks- und mittagsessenssüchtigen Klatt eine kranke Person, die am Ende mit „COMA DIABETICUM“ von den Kollegen auf ihrem Bürostuhl zum Krankenwagen gerollt werden muss. Kühlwein kann hierbei nicht mithelfen. Er ist gerade mit einem merkwürdigen Lächeln an seinem Schreibtisch gestorben, was allerdings erst nach Dienstschluss von einer türkischen Reinemachefrau bemerkt wird.
Der Arbeitsalltag (Kap. 2.0 Schneckenstunden), den die Angestellten mehr oder weniger engagiert routiniert oder müde gelangweilt zu überstehen versuchen, ist strukturiert durch ihre Sachgebiete, durch aufheiternde Kollegenbesuche bei der Weitergabe von Akten, abteilungsübergreifende Telefongespräche, Rufe zur Büroleitung, Toilettengänge, die Kaffee- und Zigarettenpausen, vor allem das Mittagsessen in der Kantine (Kap. 2.2 Das Zeitwort, Kap. 2.3 Die Kantine), für die meisten eine freudig erwartete Unterbrechung im Tagesablauf (»Und? Wars gut« »Es ging«[240]). Man muss gemeinsam durch die Minuten des Tages, Monats («in 8 Tagen gibt’s wieder Geld»[241]), und Jahres, man lästert gruppenweise über andere, die gerade beim Mittagessen sind, nimmt sie, wenn auf Widerspruch gestimmt, in Schutz, schenkt dem Migräneanfälligen eine Tablette, überbrüht ihm eine Tasse Kaffe, man hält zusammen gegen die in den anderen Abteilungen, freut sich aber über deren die Langeweile unterbrechenden Kurzbesuch, ärgert sich über nicht zum festen Termin abgelieferte Unterlagen, mahnt die Säumigen telefonisch („Die meisten dieser Leute am anderen Ende hat er noch nie gesehen.“[242]), feiert zusammen Geburtstage, Einstands- und Abschiedsfeste, ist neugierig auf das Liebesleben der Kollegin usw. Dann leidet man wieder unter der Enge („Die Nerven, ihr Leut, die Nerven. Der Lärm“[243]), kann sich nicht riechen und die Blicke der anderen nicht ertragen (»s gibt n da ze gucke?«[244]). Jedes Räuspern, Seiten-Blättern, Kritzeln, jedes Radiergummigeräusch („Schabeschabeschab – fuit – Schabeschabeschab – fuit“[245]) nervt, Aggressionen und Mordphantasien (Kap. 2.1 Der tägliche Mord) steigen auf.
„[D]ie DRAMAG ist ein Staat“[246] und „[d]as Büro bürgt für Stabilität“[247] Im Glashochhaus konservieren sich das Weltbild, die pragmatischen Wertvorstellungen und Vorurteile sowie die Sicherheitsbedürfnisse und Existenzängste der Angestellten. Der Erzähler erinnert sich, dass zur Zeit der Baader-Meinhof Anschläge fast in jedem Büro ein Fahndungsplakat hing. Frau Klatt malte nach jeder Festnahme, „[a]usgerechnet in Frankfurt[248] wurden die letzten geschnappt“[249] ein Kreuz auf das Bilder des steckbrieflich Gesuchten: „Es war ein Volksfest […] und Frau Klatt sagte befriedigt […]:»So. Jetz iss e Ruh.«.[250]
Die Firma ist ein strukturierter Apparat. Zum Hof hin schauen die im Hochhaus beschäftigten auf die Werkhallen der in Overalls gekleideten Arbeiter hinunter. Nach oben hin versuchen sie die Geheimnisse der Firmenleitung zu erhorchen. Denn über deren Pläne weiß man wenig, bereits die Chefsekretärinnen Klepzig und Schadow des Abteilungsleiters Dr. Gropengießer gehören einer anderen Schicht an und nur wenigen gelingt der kleine Aufstieg zur Sekretärin, wie der ehemaligen Mitarbeiterin Volz am dritten Schreibtisch in 1028. Man ist sich der Hierarchie bewusst und verfolgt gebannt die wochenlang vorbereitete, wie ein Staatsbesuch inszenierte Inspektion (Kap. 5.0 Der hohe Besuch) des Hauptaktionärs Tülle, eine Schauveranstaltung, die eigentlich der Geschäftsleitung im zwölften Stock gilt und für die Angestellten nur peripher sichtbar ist. Da man über das „Schwarze Brett“ nichts erfährt, lassen Gerüchte, Tratsch und vertrauliche Mitteilungen ein ständiges Kampfszenario der Führung entstehen (Kap. 3.0 Das Gewisper): Die Leiter rivalisieren aus Prestigegründen um die Größe ihrer Abteilung, stellen Mitarbeiter ein, auch wenn es keine Arbeit für sie gibt. Während für die Öffentlichkeit Freundschaft und Harmonie gespielt wird, ringen Fraktionen um die Macht, erstellen ›Abschußlisten‹, sägen an Stühlen, schieben Konkurrenten auf ›Schleudersitze‹ oder locken sie auf ein ›Glattes Parkett‹.[251]
Fremd ist den Angestellten von ihrer Sozialisation her auch der intellektuelle Bereich der Studenten, den Objekten der privaten Aufstiegswünsche junger Angestellten wie Frl. Mauler. Zum allgemeinen Sozialprestige zählen die jährlichen, durch Hautbräunung dokumentierten Urlaubsreisen (Kap. 4.2 Singende Menschen), die Zeichen ihres Wohlstandes und Grundlage ihrer Weltkenntnis, die sie nach ihrer Rückkehr als ›Miss Carthago‹ bzw. ›Signor Ajaccio‹ „mit strahlenden Augen, mit schaumweißen Zähnen, geschwellt und gesteigert vom Überall-Zuhaussein“[252] in der Abteilung vortragen.
Die Turmbewohner sind im Allgemeinen politisch auf Erhalt fixiert und engagieren sich wenig für Änderungen. Die Betriebsversammlung (Kap 4.3 Die Versammlung) erkennen sie mit erfahrenem Blick als Schauspiel mit freundlicher Einleitung, dramatischem Konflikt und versöhnlichem Ausblick, in dem der von den Angestellten eher als Fremdkörper empfundene Gewerkschaftler „Kaluza oder Kionka“[253] als provozierender klassenkämpferischer Angreifer auftritt und schimpft, dass „gewisse unbelehrbare Kräfte auf der Arbeitgeberseite noch immer die hart erkämpften Arbeiterrechte nicht zu Kenntnis nehmen“[254] Auf der Gegenseite analysiert der von den Zuhörern wegen seines Geschicks bewunderte Geschäftsführer Dr. Altenburg besorgt an den Produktionszahlen die globale wirtschaftliche Lage, die für alle eine ernste Herausforderung darstellten („Wir müssten daher alle – er nähme sich hierbei nicht aus – noch härteren Einsatz erwarten. Mehr Härte. Mehr Dynamik. Das Kostenverhältnis muß günstiger werden.“[255]). Beide sind sich jedoch am Schluss ihrer Reden einig, dass man ein starkes Team bilde und dadurch die anstehenden Probleme gemeinsam lösen könne: „Allgemeine Erleichterung. Von allen Seiten erhebt sich starker, erlöster Beifall“.[256]
Eva Demski: Scheintod
Eva Demskis Roman Scheintod (1984) erzählt in Personaler Form aus der Perspektive der für das Theater und den Rundfunk arbeitenden 29-jährigen Schriftstellerin D. („die Frau“ genannt) die Beziehung zu ihrem Mann, einem ein Jahr älteren Rechtsanwalt („der Mann“), vor dem Hintergrund der RAF-Sympathisanten-Szene in Frankfurt. Die Protagonistin lebt seit drei Jahren von ihrem homosexuellen Partner getrennt und muss nach seinem Tod, Ostern 1974, Fragen der ermittelnden Behörden beantworten, auf die Forderungen der revolutionären „Gruppe“ reagieren, Gespräche mit seinen Eltern, den Freunden und Mitarbeitern führen und seine Kanzlei auflösen. Dabei findet sie in seinem Nachlass Materialien, die sie zur Recherche seines Doppellebens, zu Reflexion über ihre Ehe sowie ihre politische Position veranlassen.
Der Roman ist nach den zwölf Tagen vom Tod bis zur Beisetzung am 24. April strukturiert: Am Karsamstag wird die Frau in die Büro-Wohnung des Rechtsanwalts in der Elbestraße im Bahnhofsviertel gerufen (DER ERSTE TAG Die Bühne), wo sie auf den jungen derzeitigen Lebensgefährten ihres Mannes sowie das Untersuchungsteam der Ärzte und der Polizei trifft. Da die Todesursache, vermutlich ein Asthma-Anfall, nicht eindeutig geklärt werden kann, muss die Leiche obduziert werden und kann erst nach der Freigabe beigesetzt werden. Bei der Untersuchung findet man allerdings keine Hinweise auf eine Gewaltanwendung (Kap. 10).
Von ihrer Wohnung aus informiert sie telefonisch den Bekanntenkreis und lässt sich beraten, hier empfängt sie Kondolenzbesuche ihrer Freunde aus der linken Szene wie den ehemaligen Sozius des Mannes Paul, der ihr bei der Abwickelung der Kanzlei hilft, hört die Klagen ihrer am Ostersonntag anreisenden Schwiegereltern aus dem Nürnberger Land über den entfremdeten Sohn an (DER ZWEITE TAG Das Fest) und überträgt dem Bestatter Marder die Organisation (DER DRITTE TAG Der Besuch).
Obwohl sie von ihrem Mann getrennt lebt, fühlt sie sich als junge Witwe verantwortlich für sein Vermächtnis, sie beansprucht ihn für sich und ist sich doch unsicher, ob ihr Bild vom großen idealistischen Rechtsanwalt, der die von der Gesellschaft Ausgestoßenen verteidigt, seine ganze Persönlichkeit erfasst. So ist ihre Trauer verbunden mit einer Recherche nach den ihr unbekannten Seiten der Mannes und ihrer Frage nach einer transzendenten Dimension des Todes, die im Kontrast steht zur atheistischen Weltanschauung der linken Intellektuellen. In diesem Kontext denkt sie über Formen der Trauer und einer katholischen Beerdigung nach, die der Auffassung des Mannes entsprechen könnte: In einem Kaufhaus auf der Zeil findet sie ein Cape als Trauerkleidung, dann sucht sie eine entsprechende geistliche Atmosphäre im Dom, findet sie aber nicht. Sie läuft am Main entlang zum Park „Nizza“, ihrem und ihres Mannes Lieblingsplatz. Auf dem Weg zu Priester Lächler, eine Freundin hat ihr die Adresse des progressiven katholischen Pfarrers gegeben, bemerkt sie, „daß viele Straßen auf Leute wie sie gar nicht mehr eingerichtet [sind]. Abweisend, mit schwerer Luft, laute Bahnen, Kanälen gleich. […] Die vorbeifahrenden Autos [scheinen] den schmalen Fußgängerweg immer schmaler zu rasieren. Er [wird] ja doch nicht gebraucht.“[257]

In den nächsten Tagen erinnert sie sich auf ihren Wegen durch die Stadt sowie bei den Gesprächen mit Freunden und Gefährten des Mannes an die gemeinsamen Jahre und ihre Diskussionen über die Kampfmethoden der Revolution. Sie hat ihn als widersprüchliche Persönlichkeit in Erinnerung: als von ihr bewunderter, rhetorisch brillanter Anwalt der Armen und Außenseiter, Theoretiker der Revolution, aber im persönlichen Bereich anarchischer und chaotischer Individualist, herrschsüchtiger Patriarch und seine Strichjungen nach kurzem sexuellen Gebrauch wechselnder Egozentriker (in der Szene nennt man ihn „Gräfin“). Sie tolerierte zuerst, ganz dem weltanschaulich freizügigen Menschenbild der intellektuellen und kreativen Freunde entsprechend, diesen von ihrem Mann beanspruchten Freiraum, reagierte darauf mit eigenen Affären, trennte sich schließlich jedoch von ihm und zog in eine eigene Wohnung. Aber sie bewundert immer noch ihren Mann wegen seines flexiblen Engagements und seiner sozialen Arbeit vor Ort: Als „Anarchojurist“[259] verteidigte er vorwiegend Mandanten aus den gesellschaftlichen Randschichten: Prostituierte, Strichjungen, tätowierte, in Leder gekleidete Mitglieder des Motorrad-Rockerclubs „Bones“ mit Namen Blutwurst oder Mike , Kriegsverweigerer, drogenabhängige Jugendliche, Linke aus dem RAF-Umfeld. Er wurde von seinen aus Schlesien nach Franken an die Pegnitz geflohenen Eltern katholisch-konservativ erzogen (DER ELFTE TAG Kindheit), beschäftigte sich erst als Student in Frankfurt mit marxistischen Ideen und schloss sich der sozialistischen Studentengruppe SDS an. In dieser Zeit, als sich die linke Szene formierte, lernte ihn die Frau kennen (3. Tag). Man engagierte sich u. a. für Heimkinder, denen die „normalen soziokulturellen Kommunikationsformen vorenthalten [wurden]“[260] wie der wegen seines Kaufhausbrandprozesses bei seinen Anhängern zu Ruhm gekommene Andreas Baader es gegenüber dem Mann formulierte. Beide beschimpften sich gegenseitig als „Soziofaschist“[261] und elitärer Jurist. Solche Auseinandersetzungen waren typisch für die intellektuelle Szene und ihre Überlegungen eines über Demonstrationen und Hausbesetzungen hinausgehenden politischen Kampfes: Einerseits bewunderte man die klassenkämpferisch-revolutionäre Entschlossenheit der Untergrundorganisation, andererseits schreckte man zurück vor dem dogmatischen Feindbild und den Folgen der Anschläge und so engagierten sich einige mit Botendiensten oder als Übernachtungsgastgeber. Auch die Schriftstellerin diskutierte mit dem Juristen häufig über die Frage der Empathie für die Benachteiligten und die Realitätsfremdheit der Aktionen. Die Frau begleitete anfangs ihren Mann zu den Prozessen, interessierte sich für die Biographien der Angeklagten, suchte Gespräche mit ihnen, z. B mit der Prostituierten Hedwig S., und erfuhr so deren Sozialisationsbedingungen. Er vertrat wie sie die Ideen der Revolution, aber er lachte über ihre grenzenlosen Solidaritätsgefühle mit entlassenen Straftätern, für deren Verbrechen sie die veranlassenden Umstände der Gesellschaft verantwortlich machte und damit auch sich selbst: „Ihr Aufnahmevermögen für Elend war unerschöpflich […] Kein Leid ließ[] sie als gottgegeben gelten“.[262] Die Strafaktionen „gegen die Gemeinheit des Systems“[263] verliehen deshalb der „Gruppe“ „einen romantischen Glanz“.[264] Die Frau wollte sich, zumindest menschlich, engagieren und ihre Bewunderung für die ihrer Meinung nach unschuldig Inhaftierten gipfelt in einer, von ihrem Mann eifersüchtig verfolgten, kurzen Affäre mit dem massigen, barfüßig herumlaufenden ehemaligen Bankräuber Toni (8. Tag), der wegen seiner proletarischen Kindheit und einer Heimkarriere auf den Partys die Attraktion der Künstler und Intellektuellen war. Dessen Gewaltausbruch ihr gegenüber, nachdem sie die geistig doch nicht zufriedenstellende Beziehung wieder löste, und sein anschließender Selbstmordversuch nahm ihr Mann als Beweis für ihre Illusion.
Der Rechtsanwalt vertrat ihr gegenüber eine andere Utopie. In seinem Entwurf (DER ACHTE TAG Ein Entwurf) „waren viele von den alten Dingen als Spiele vorgesehen. […] seine Welt durfte keinem Zweck dienen […] wo es Erlaubnis gab, waren die Verbote nicht weit. Die wiederum sollten natürlich aufgehoben sein, aber nicht wie in den Kinderläden und Wohngemeinschaften, in denen einfach nichts an die Stelle der vormaligen Zwänge getreten war […] nur Langeweile, die sich selbst mit aufgeplusterten Unwichtigkeiten vertrieb. Der Weltentwurf sah eine anstrengende Phantasieschulung vor.“[265] Teile seiner Analyse leuchteten der Frau ein: Schon „einundsiebzig [waren sie] dahintergekommen, dass die Gruppe keinen Weltentwurf hatte.“[266] In ihrem eigenen Entwurf „spielte die Faulheit eine große Rolle, auch die Genusssucht. Macht sollte sich dadurch von selbst erledigen, dass sie dem Genuß hinderlich war“.[267] In seinen Freiräumen versuchte der Mann diese Vorstellung für sich zu leben. Er selbst wahrte immer seinen Mandanten gegenüber eine Distanz und ließ sich, beispielsweise, nicht von dem radikalen „Patientenkollektiv“[268] instrumentalisieren, das ihm nur passive Anwesenheit gestatten, aber ein Plädoyer untersagen wollte (DER FÜNFTE TAG Die Gefangenschaft), auch entwickelte er zu den vielen jungen Männern keine feste Beziehung, sah in seinem Nachtleben keine Gefahr für seine Ehe. Privat und politisch trennte er die Bereiche der Homosexuellen-Bars und der gemeinsamen Wohnung. Er blieb Individualist, schloss sich nicht der „Gruppe“ an. „Er war wirklich der einzige gewesen, der verstanden hat, dass sie nicht mehr Gudrun und Jan, Ulrike und Holger, Andreas und X waren, sondern ein Körper, der Dinge ausdachte, auf die die jeweils einzelnen nicht gekommen wären.“[269] Er kritisierte die Strategie der „Gruppe“: „Wie erschießt man einen Konzern? Wie entführt man eine Kartellabsprache? […] es gibt natürlich Repräsentanten! Aber sie sind die Charaktermasken“.[270] Der in der Kanzlei tätige Referendar Max Hardenberg (7. Tag), welcher an die Revolution und das Überleben des Menschen im irdischen Kollektiv glaubt, bestätigt ihren Eindruck, dass der Anwalt für eine solche dogmatische Auffassung zu sehr katholischer Individualist gewesen sei: „Er hat ihnen seine Arbeit zur Verfügung gestellt, aber er hat ihnen seinen Verstand nicht geopfert – auch nicht seine politischen Vorstellungen. […] Mit dem bewaffneten Kampf in den Metropolen hat er nicht viel anfangen können.“[271] Als Hedonist hätte er außerdem die puritanischen Lebensformen der Untergrundkämpfer nicht ertragen.

Die Schriftstellerin muss nicht nur ihr Bild differenzieren, sie erbt auch seine Kontakte zur RAF-Gruppe, die sie nicht durchschaut. Sie überlegt, inwieweit ihr Mann in den Untergrundapparat als Drahtzieher oder Mitläufer involviert ist: „Es schien seit Jahren ein immer feinfädigeres, immer undurchschaubareres Netz von Informationen, Ortsnamen, Beschaffungen, Materialien, Treffpunkten und Decknamen zu geben, ein Geflecht voller Knoten und Winkel, in dem jedes Knötchen sich unglaublich wichtig nahm. Irgendwo saß einer und hatte vielleicht den großen Überblick.“[273] Nach seinem Tod erhält sie durch Anrufe und Besuche Botschaften von einem „Gloucester“, sich mit ihm und dann mit der „Chefin“ im Zoo-Café zu treffen, oder sie wird in der U-Bahn von einem „Gadys“ angesprochen. Da die Herausgabe einer Tasche gefordert wird, will sie diese vor einer polizeilichen Durchsuchung sichern und sich über den Inhalt informieren. Die Anwältin Hilde, die „Kirgisin“, begleitet sie in die Kanzlei (DER VIERTE TAG Der Alltag) und sie durchsuchen ergebnislos die Schränke. Am nächsten Tag (DER SECHSTE TAG Die Freunde) steigt sie allein in den mit Akten gefüllten Keller des Büros hinab und findet dort die von der „Gruppe“ gesuchten Materialien. Später entdeckt sie in dem Paket Munition und Ausweispapier. Auf dem Weg über die Zeil zum Zoocafé wird ihr klar, dass ihr Mann eine Funktionslücke hinterlassen hat, und sie bedenkt die verschiedenen Möglichkeiten, wie sie mit dem Fund umgehen soll, und die jeweiligen Konsequenzen. Am Treffpunkt sagt sie „Gloucester“, sie hätte noch nichts gefunden. Sie sucht nun nach Helfern für die Beseitigung der Tasche (DER SIEBENTE TAG Die Gruppe), denn sie fühlt sich ebenso wenig wie ihr Mann in der Pflicht eines unmündigen Gruppenmitglieds und bemängelt, dass man weder ihm noch ihr über „Ziele und Wege Auskunft“[274] gegeben habe. Sie seien nur als Handlanger eingesetzt worden. Sie entschließt sich, „die Taschen aus der Welt zu schaffen. Es [ist] ihre erste Macht, zum erstenmal [hat] sie einen Zipfel der Wirklichkeit in der Hand, der Wirklichkeit, wie die sie gemacht [haben]“,[275] und wirft die Patronen vom Eisernen Steg aus in den Main. Bei einem weiteren Treffen im Zoocafé, diesmal mit der „Chefin“, der Nachfolgerin der inhaftierten Ulrike, mit der sie sich 1972 einmal getroffen hat, weigert sie sich zu kooperieren. Diese weist ihre Kritik der Instrumentalisierung zurückt: „Wir schützen die am Rand, indem wir sie nicht informieren. Wenn du dir missbraucht vorkommst, ist es irgendeine andere kaputte psychische Geschichte, die uns nichts angeht, die nur das System angeht.“[276] Am nächsten Tag erlebt die Frau, dass ihre Lösung aus der Vernetzung ihres Mannes Folgen hatte: Der unter dem Decknamen „Gloucester“ aufgetretene Untergrundkämpfer Müllner ist bei der Suche nach der Tasche in einem anderen Keller erschossen worden (8. Tag) und der Generalbundesanwalt eröffnet ein Verfahren gegen sie: Es bestehe der „Verdacht der Unterstützung einer kriminellen Vereinigung“.[277] Beamte des Bundeskriminalamt durchsuchen am Sonntag (DER NEUNTE TAG Gefahren) ihre Wohnung und nehmen sie mit ins in der Nähe der Kanzlei gelegene Präsidium. Nachher ruft sie vom Bahnhofsvorplatz aus Christoph Koblenz an, der wegen seines Pflanzenretter-und Pflanzenrächer-Ticks von ihrem Mann verteidigt wurde, und bittet um seine Hilfe bei der Beseitigung der versteckten Dinge, die dieser auf seinem Wasserpflanzengelände am Ried versenkt.
Die Frau unterhält sich während der zwölf Tage mit verschiedenen Personen über ihren Mann und erfährt neue Aspekte: mit dem Barkeeper Ewald am Bahnhof, mit dem homosexuellen Wirt Geert in seiner Stammkneipe „Zur Kaub“ und dem Transvestiten Martina Abramiecz an seinem Imbisswagen am Rand eines Schrebergartengeländes (DER ZEHNTE TAG Andere Leben). Sie geht in die von ihm besuchten Homosexuellen-Bars in einer Gasse beim Gericht und betrachtet die jungen „Rättchen“. Der Barmann Erika erzählt von der Freude des Anwalts, sich als „Tunte“ oder „tough guy“[278] zu verkleiden So ergänzt sich ihr Facettenbild vom Tag- und Nachtleben ihres Mannes und seiner Freunde, das sie in einer Fotoreihe zusammenzusetzen versucht (Kap. 10). Diese Mappe legt sie in den Sarg und verlässt mit den Worten „Dieser Fremde muß verschwinden“[279] die Halle. Bei der Beerdigung (DER ZWÖLFTE TAG Abschiede) präsentieren sich am Grab die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppierungen. „Wohin gehör ich? fragt die Frau und der Sozius ihres Mannes Paul erwidert; „Zu niemandem […] Du wirst allein laufen können. Geschützt werden ist nicht deine Sache […] Er hat dich von sich befreit“.[280]
Um die Jahrtausendwende
Andreas Maier: Kirillow

Frankfurt um die Jahrtausendwende ist die Kulisse für Andreas Maiers satirischen Roman Kirillow (2005), dem als Motto ein Zitat des gleichnamigen Bauingenieurs aus Dostojewskis Roman Die Dämonen vorangestellt ist: »Halt! Ich will darüber eine Fratze malen, mit herausgestreckter Zunge.«. Die Hauptfiguren sind mit sich und ihrer Umwelt unzufriedene Studenten und ihre unterhaltungssüchtigen Party-Freundinnen. In labyrinthischen Erörterungen bereden sie in den Szene-Kneipen ihre Weltbilder und fahren auf der Suche nach politischen Aktionen im letzten Kapitel in einer Happening-Stimmung zur Demonstration gegen einen Castor-Transport zum Atommülllager Gorleben (3. Kap.). Hier kommt in einer tragisch-grotesken Situation einer der beiden Protagonisten, Frank Kober, ums Leben und wird als erster Castor-Toter zum Märtyrer der Bewegung gemacht.
Der ordnungsresistente, orientierungslose Kober („Er findet keine wahren Sätze“[281] und beklagt die „totale[] Gleichgültigkeit aller Gedanken“[282]) ist erst kürzlich, nach dem Aufenthalt mit seiner Freundin Anja Nagel in Zürich und einer Amerika-Reise[283], wieder in seine Ginnheimer Wohnung in der Kellerstraße 17 zurückgekehrt. Das Porträt der Bewohner des bürgerlichen Mietshauses, z. B. der Rentnerin Doris Badinski oder des Dozenten-Ehepaars Koch, im Prolog (für Kober: „Prolog in der Hölle“ “[284]) kennzeichnet ihn als Außenseiter, „Sozialschmarotzer“[285] und Träger ihrer Vorurteile gegen linke Studenten mit vermuteten Kontakten nach Moskau. Genährt wird diese Auffassung dadurch, dass er und seine Freunde Anton Kolakow und seine Gruppe Russlanddeutscher aus Chabarowsk betreuen und sie zu ihren Treffen mitnehmen, beispielsweise bei der alten pflegebedürftigen Frau Gerber im Westend, in der Wiesenau, in Julian Nagels Wohnung in der Humboldtstraße im Nordend, zum Ausflug mit der »Wappen von Frankfurt« vom Eisernen Steg aus nach Mainz oder zur Geburtstagsfeier des Landtagsabgeordneten Dr. Nagel in Eppstein. Dort kommt es zwischen einem CDU-Parteifreund seines Vaters und dem angetrunkenen, von den gesellschaftlichen Konventionen angewiderten 22-jährigen Julian Nagel zum Streit, den sein Freund Frank durch eine spektakuläre Selbstverletzung mit einem zerbrochenen Glas unterbricht (1. Kap.).[286][287]
Wie die spontanen, thematisch von einem zum nächsten Punkt wuchernden Gespräche der Romanfiguren so reihen sich deren nächtliche Partys mit wechselnden Beziehungen, etwa zwischen Julian, seiner Freundin Eva Bieroth und der in der Brückenstraße wohnenden Michaela, aneinander und fließen von einer zur anderen der über die Stadt verteilten Stationen ineinander über. In die Wirtschaft Zur Stalburg in der Glauburgstraße, im Café Ausweg oder in Jobsts Wohnung in der Teichstasse wird die Fahrt ins Wendland geplant. Universität, West- und Nordend, Bornheim, Sachsenhausen, Ginnheim usw. sind Treffpunkte der Studenten. In einer der typischen chaotischen Diskussionen über die verschiedensten gesellschaftspolitischen Aspekte und Protestaktionen stellen Julian und sein Freund Jobst im Café Ausweg in der Nähe der neuen Universität, dem Poelzigbau, den Freunden das nach Andrej Kirillow aus Chabarowsk benannte Kirillowsche Gesetz vor, das sie als „Traktat über den Weltzustand“[288] im Internet veröffentlicht haben. Danach ist der Mensch in seinem Streben nach Glück und Wohlbefinden in einem von ihm allein nach seinem Willen, und nicht von dunklen Mächten, geschaffenen riesigen kollektiven System vernetzt und verfangen. Nachdem in einer Novembernacht die betrunkene deutsch-russische Gruppe in der Wielandstraße Gullideckel auf Autos geworfen hat, werden die Sachbeschädigungen von Julian und Jobst als Modell einer „Störung des Ablaufs […] ganz ohne Absicht, ohne politischen Willen, ohne einen revolutionären Ansatz“[289] interpretiert. „Deshalb sei auch niemand als einzelner in besonderer Weise schuld, weil nämlich jeder die Katastrophe in sich enthält, also jeder schuld ist, nicht durch bewusste Handlung, sondern allein durch seine Form des Überlebens. Also durch sein Leben.“[290] Bei einem Ausflug blicken die beiden vom Feldberg aus auf die Welt: „Was geschah, geschah nicht nach Plan, es gab keine Vernunft und es würde nie eine geben […] Die Katastrophe war elementar“.[291] Die „totalitäre[] Freiheit von Handeln und Verkehr“ sehen sie als „Naturgesetz der Menschen“[292] an. Als einzige Lösung, sich aus den Verstrickungen zu lösen, entwickelt Julian während einer Schifffahrt mit den russischen Freunden nach Mainz eine Selbstmordtheorie.[293] (2. Kap). Am Ende des Romans hätte er sie beinahe im betrunkenen Zustand durch eine Traktor-Amokfahrt gegen eine die Sattelschlepper mit den Castoren abschirmende Phalanx Polizisten umgesetzt. „Ich möchte diese Nacht verewigen […] dann möchte ich meine Zunge herausstrecken, der ganzen Welt […] das heißt …eigentlich bloß mir“,[294] ruft er seiner neuen Wendland-Freundin Rebekka zu, bevor er den Schlepper besteigt und von Pistolenschüssen getroffen gestoppt wird. Ums Leben kommt allerdings nicht er, sondern sein Freund Frank, als dieser sich um den Verletzten kümmert und beim Räumen der Straße versehentlich unter die Traktorräder gerät (3. Kap.).
Martin Mosebach: Eine lange Nacht
Martin Mosebachs Roman Eine lange Nacht (2000) zeichnet ein Bild der seit den 1970er Jahren sich verändernden Großstadt und porträtiert durch die eingearbeiteten Rückblicke auf die Nachkriegs- und 68er Generation das erodierte Bildungsbürgertum im Spannungsfeld der Generationen zwischen Lebensträumen und Pragmatismus.
Hauptfigur ist der 27-jährige Ludwig Drais. In Personaler Form wird die Geschichte aus seiner Perspektive erzählt. Er hat sein Juristen-Examen nicht bestanden und übernimmt, nach vergeblichen Versuchen als Kunsthändler, schließlich für den pakistanischen Textilfabrikanten Mr. Khan den Vertrieb von billigen Baumwollkleidern in Europa. Mit seiner Sekretärin und späteren Geliebten (Kp. 4 In Geschäften) Bella Lopez und deren Mann Fidi richtet er im Keller eines Hauses am zersiedelten Rand der Großstadt ein Büro mit Lager ein (Kap 2 Ein Tag von sechsunddreißig Stunden). Die Dreiecksbeziehung ist umgeben von verschiedenen, teils karikierten Personen, die bei Ludwigs geschäftlichen und privaten Besuchen auf seinem Weg durch die Stadt ihre Lebensgeschichten erzählen, wodurch sich ein gesellschaftliches Mosaikbild zusammensetzt: Eine in ihrer Villa im Holzhausenviertel unzufriedene Rechtsanwaltsgemahlin hat ihre Erfüllung als Lokomotivführerin eines Bähnchens im Palmengarten gefunden (Kp. 1 Gründerzeit). Frau Rüsing, die durch wechselnde Partnerschaften liebeserfahrene und nicht uneigennützige Wohltäterin junger, schlecht bezahlter Gehilfen der Buchhandlung von Frau Müller-Servet, (Kp. 2), wohnt in einem kahlen Mietshaus nahe dem Holzhausenpark. Der Rechtsanwalt Bruno Hütte führt nachmittags von der Gaststätte »Zum Purzelbaum« aus die Geschäfte seiner Kanzlei. Erna Klobig ist eine in der Münchener Straße lebende Alt-68er-Bohèmien mit wechselnden, teils tragisch endenden Beziehungen und ihre Tochter Bella dominierende Mutter (Kp.3). Sie hat wegen kleiner Diebstähle Hausverbot in der Aldi-Supermarkt-Filiale in der Eschersheimer Landstraße 588. Der „Zeitkritiker“ und „politische Analysator“ im „Nachkriegsdeutschland“[295] Ernst Walter Koschatzki (Kp. 3), welcher Ellaborate meist weltanschaulich verbrämter eitler Bespiegelung verfasste, reflektiert über seinen Nachruhm und unternimmt schließlich, begleitet von Frau Rüsing, eine Kreuzfahrtreise mit Lesungen für Senioren (Kp. 5 Rote Flämmchen).

Die Kinder dieser Aufbruchszeit sind auf der Suche nach Neuorientierung: Bella flieht aus dem Mutter-Tochter-Haushalt und den Unsicherheiten eines phantasievollen Künstler-Behèmien-Lebens in die ebenso unsolide Ehe mit dem Gelegenheitsarbeiter und Träumer Fidi Lopez. Ludwigs Eltern dagegen werden von vielen als Säulen einer stabilen, beschützenden bürgerlichen Familie bewundert, ihre Söhne setzen jedoch diese Tradition nicht fort: Hermann ist in seiner Weltfremdheit ein Sonderling und empfindet jede Arbeitsstelle nach kurzer Zeit als unerträglich und beendet nach Abbrüchen bei Studium, Gärtner- und Goldschmiedelehre und Beschäftigungen bei der Post und in einem Altersheim nun auch die Anstellung in der Buchhandlung Frau Müller-Sevets, um die Pflege des kranken Vaters zu unterstützen. Halt findet er in einer mit animistischen, magischen Riten und Meditation in einer Hotel-Kapelle im Bahnhofsviertel zelebrierten naiven altchristlichen Gläubigkeit, in einer traditionellen Haltung der Akzeptanz als Gegengewicht zur modernen, sich ständig wandelnden Gesellschaft (Kap. 5). Ludwig dagegen ist wie Bella ein Doppelwesen zwischen träumerischer Selbstüberschätzung und realistischer Diagnose. Als Glücksritter haben die beiden geschäftliche Erfolge (Kp. 3 »Zores«, Kp. 4 In Geschäften). Doch während Ludwig bei dem Gedanken, dass die billigen Textilien in Hyderabad von zweihundert sechsjährigen Kindern an Nähmaschinen im Akkord produziert werden, ein schlechtes Gefühl hat, vertritt Bella eine zukunftsorientierte amerikanische Lebensphilosophie: „Mach das Beste draus!“[298] und rät ihm, er dürfe nicht fragen, „ob man braucht, was er anbiete“,[299] sondern er müsse einfach immer wieder neue Verkaufsideen für die Vermarktung entwickeln. Niemand sei ein solcher Narr zu glauben, ein Hemd für vier Mark sechzig könne öfter als dreimal gewaschen werden.“[300]
Am Beispiel des Billigkleidergroßhandels »Nephew & Nephew Europe« führt der Erzähler den Wandel der alten traditionsreichen Kaufmannsstadt nach dem Krieg in eine anonyme Geschäftswelt mit ständig wechselnder Besetzung vor. Nach den ersten finanziellen Erfolgen wird das Kellerlager mit Büro aus Eschborn in die „im und nach dem Krieg zerstörte“[301] Innenstadt verlegt: „[K]aum eine Straßenbiegung, ein Winkel, ein Sandsteinsockel bewahrt[] die Erinnerung an die gewachsenen Linien der abgeräumten gotischen Stadt. Die Innenstadt [ist] jetzt gegen Zerstörungen jeder Art wunderbar geschützt. […] denn es [gibt] in ihr nichts mehr, was unwiederbringlich verloren gehen [kann]. […] Und wenn die ganze Innenstadt in einer Erdspalte [verschwindet], hindert[] das nicht, daß sie schon zwei Jahre später in dieser oder etwas anders zurechtgeschüttelter Form wieder dort [steht] mit neuen Betonlagern für Mister Khans billige Hemden und Monsieur Cartiers teure Uhren. […] [N]ach dem Brand der Synagogen im Jahre 1938 [ist] nun die ganze Stadt vernichtet, ihr Boden […] unfruchtbar gemacht worden.[302]
Die Stimmungslage des Protagonisten beeinflusst bei seinen Wanderungen durch die Stadt seine Bewertung des heterogenen Straßenbildes. Je nach Gemütsverfassung erlebt er es als Kulisse von impressionistischer Schönheit, abendlichen Friedens oder trostlose Schneise: Er sieht die Münchener Straße und die Kuppel des Hauptbahnhofs im Mittagslicht mit dem Blick eines venezianischen Malers und überlegt. „Vielleicht war der erste Schritt, den Bann der Hässlichkeit Frankfurts zu brechen, dass man sie malte.[303] An einem friedlichen Abend lauscht er im Garten seines Mietshauses dem Glockengeläut des nahen Diakonissenhauses:[304] „Die Gegenstände tauchten aus der Farblosigkeit auf. Die vielen pedantischen Gärten mit ihren Wegen und Bänken schienen auf einmal auf komplizierte Weise zusammenzugehören“.[305] Der nächtliche Heimweg Ludwigs nach dem Kneipenabend mit Bellas offenbar über ihre Affäre informiertem (»Gute Nacht, Schwager«[306]) Mann bei Hermine in ihrem Lokal »Minnies«[307] vom Viertel an der Peripherie des alten Stadtgebietes zurück zum Holzhausenviertel über eine mit Fabriken aus der Jugendstilzeit gesäumte Ausfallstraße deutet bereits atmosphärisch den Unfalltod des betrunkenen Fidi (Kp. 4, 5) an: „Kahle Kulissenstraßen, die sich perspektivisch zu Spielzeuggröße verengten, Pappmachéhäuser in einem vom weißlichen Lampenlicht gepuderten Grau säumten seinen Weg. […] Was ihn umgab, war hässlich und federleicht, nur eine Reihe großer Bäume […] wahrte in den Blättergebirgen noch Höhlen undurchdringlicher Dunkelheit.“[308]
Martin Mosebach: Das Blutbuchenfest
In seinem zu Beginn des jugoslawischen Bürgerkrieges 1991/92 spielenden Roman Das Blutbuchenfest[309] ergänzt Mosebach das Bild einer sich wandelnden Bevölkerung aus der langen Nacht um weitere Aspekte, allerdings mit weniger Frankfurter Lokalkolorit: Die Handlung könnte in jeder westeuropäischen Großstadt spielen. In satirischer Form baut sich das Mosaik einer illustren internationalen Spaß-Gesellschaft mit einem ständig wechselnden Beziehungsreigen auf, das mit dem Schicksal der Mestrovic-Familie und ihrer bis in die 1960er Jahre einfachen und autarken Bauernkultur in Bosnien kontrastiert. Die kroatische Putzfrau Ivana Mestrovic und ein Kunsthistoriker, der Ich-Erzähler der meisten Kapitel, verbinden die beiden Handlungsstränge.
Das Frankfurter Roman-Personal wird in einer komplizierten Struktur miteinander beruflich-privat kreuz und quer vernetzt. Die meisten Protagonisten treffen sich immer wieder im Restaurant des Niederösterreichers Merzinger, wo die beiden Projekte geschmiedet werden, und dann beim abschließenden titelgebenden großen Fest. Die Verknüpfungen haben v.a. zwei Zentren: Wereschnikow und Rotzoff.
Der träumerisch-hochstaplerische Weltbürger russischer Abstammung Sascha Wereschnikow versteht es, sich als spiritus rector internationaler Kongresse mit zeitbezogener, fachübergreifender Thematik, die er durch seine vermeintlichen engen globalen Verbindungen zu einflussreichen Sponsoren zu finanzieren versucht, medienwirksam in Szene zu setzen. Aus dieser Aura bezieht er auch seine Wirkung auf Frauen: Am Romanende, nach dem Fest, versöhnt er sich wieder mit seiner früheren Freundin Inge Markies, der rührigen Chefin einer Agentur für geschäftlich-private Kontakte, nachdem ihn Maruscha, die schöne und einfühlsame polnische Begleiterin erfolgreicher Männer, durch zwei Parallelbeziehungen desavouiert hat: einmal zum Financier ihrer, und Wereschnikows, Wohnung, dem nach einem Konkurs wieder auf die Beine gekommenen Immobilienmakler Breegen und zweitens zum jungen Balkan-Dichter Tomislaw, den sie als schwindelfreien Hochhaus-Fensterputzer bestaunt hat. Maruscha verliert nach der Aufdeckung ihres Dreifachspiels auf der Party alle Liebhaber, landet aber am Ende beim schüchternen und hilfsbereiten Hausherrn, dem Banker Dr. Glück und kann so beruhigt in die Zukunft blicken.
Bei Glück hat sich bereits zuvor der Werbemann Rotzoff eingeschmeichelt und ihn überredet, ihm seine großzügige Wohnung in einer älteren Villa mit großem baumbestandenen Garten im Stadtzentrum, zur Tilgung seiner Schulden, als „Superlocation“ für das „Blutbuchenfest“ zu überlassen. Mit dem Kunsthistoriker ist er indirekt durch zwei mädchenhafte Frauen verbunden. Als dieser, wie die meisten Gäste im bacchantischen Narrenreigen des Festes untergeht, verliebt er sich in Rotzoffs verabschiedete große, schöne Freundin Reni: ein sich durchs Leben treiben lassendes Mädchen: „Jeder nimmt was er bekommt; jeder bekommt, was er gibt; man muß sich mit dem Zweitbesten abfinden lernen – hatte Rotzoffs Anblick mich in diese Gedankentiefen gestoßen?“[310] Das Original dieser Zweitbesetzung ist die ebenfalls abwechselnd mit beiden Männern intime Winnie. Das naive herzkranke Mädchen (»Sterbensängste weggeblasen« [311]) ist jedoch eine der tragischen Figuren des grotesken Gesellschaftswechselspiels und stirbt makaberweise auf einem der Feste. Winnie erlebte jeden Tag und jede Beziehung so ursprünglich wie beim ersten Menschenpaar (»Madam I’m Adam« [312]). Sie erscheint dem Erzähler in seiner Erinnerung an ihre kurze Liebesbeziehung verklärt als „Natürlichkeit, Unbelastetheit, Fraglosigkeit, Gedankenlosigkeit in der herrlichsten Bedeutung“.[313] Zugleich ist ihre Verletzlichkeit und die Abgründigkeit ihres Todes eine Metapher für die gespaltene Welt und das menschliche Leben (31. Kap. „Die Welt schwankt wie eine Hängematte“ [314] 16. Kap. „Die Vergebung der Schildkröte“[315]).
Der stellungslose Kunsthistoriker, der über das Thema »Tintoretto in den Dogentestamenten des Cinquecento« mit »cum laude« promoviert hat, tritt durch Wereschnikows neues Projekt über »die Würde in den verschiedenen Balkan-Kulturen, über den katholischen, den orthodoxen, den muslimischen, den atheistisch-philosophischen, den demokratisch-libertinären, den reformsozialistischen Würdebegriff unter Teilnahme der maßgebenden Autoritäten aller betroffenen Gruppen« in die Romanhandlung ein: Er erhält den Auftrag, zur Vorbereitung einer Ausstellung ein Exposé über den Bildhauer Ivan Mestrovic, einen entfernten Verwandten der Putzfrau, zu erarbeiten und lernt bei seiner Suche nach Sponsoren bei Frau Markies deren Büromädchen Winnie kennen. Seine Recherchen über den jugoslawischen Künstler führen ihn nach Bosnien zu Ivanas Familie und er erfährt die Vorgeschichte des sich ankündigenden ethnischen Konflikts.
Zu dieser Zeit spüren auch die Frankfurter die Anzeichen des beginnenden Krieges: „In der ganzen Stadt fanden sich die feindlichen Parteien zusammen“[316], beim serbischen Schuster erzählt man vom „massenhaften Umbringen“,[317] bei Ivana und ihrem Mann Stipo treffen sich die Kroaten. Es kommt zu einem „regelrechten Kriegs-Wochenend-Tourismus“ zu den „Schauplätzen und den Stützpunkten“.[318] Diese Entwicklung gipfelt, durch Ivanas Telefonschaltungen, in der sich gleichzeitig mit dem Fest abspielenden Kontrasthandlung des jugoslawischen Bürgerkrieges. Während die Party immer mehr ihre Konturen verliert und die Putzfrau und Stipo mit der Reinigung der verdreckten Räume und des zertrampelten Gartens beginnen, kämpft die Mestrovic-Bauernfamilie mit ihren muslimischen Nachbarn und muss aus dem Prozor-Tal fliehen. Symbolisch dazu passend kann Wereschnikow, wie er Inge Markies erklärt, seinen Kongress „aller Gutgesinnten“ über „die Würde auf dem Balkan“ wohl kaum realisieren, denn „financial ressources are limited“.[319]
Die Messestadt
Bodo Kirchhoff: Schundroman

Bodo Kirchhoff persifliert in seinem Schundroman (2002) betitelten Thriller mit den Schemata der Trivialliteratur den deutschen Literaturbetrieb zur Zeit der Frankfurter Buchmesse. Die beiden dort mit ihren Erstlingen auftretenden Autoren, die „Shootingstars“ Vanilla Campus (Sexfibel Bodymotion) und der zum „Vertreter des neuen Männerwunders“[320] hochgelobte (Die traurige Haut), unter dem Pseudonym Ollenbeck publizierende Zidona, sind sowohl privat wie geschäftlich in einem Geflecht aus Wirtschaftskriminalität, Auftragsmorden und Prostitution eng vernetzt: Die in Hanau geborene, ehemalige TV-Sprecherin Campus ist mit dem „Big Manni“ genannten „Leasing-Krösus“[321] Johann Manfred Busche verheiratet. Sie plant zusammen mit seinem Partner und ihrem Geliebten Dr. Cornelius Zidona die Ermordung ihres Mannes, um dessen u. a. durch den Verkauf nicht vorhandener Super-Bohrmaschinen angesammelte Millionen zu erben. Geschickt verbindet der Rechtsanwalt Zidona in diesem Zusammenhang drei Projekte: Er reist mit der Prostituierten Lou Schultz, die er sich mit Busche teilt, auf die Philippinen, wo er angeblich deren von einem weiteren Kunden geerbten Picasso verkauft. Durch ihre Beihilfe starb dieser beim Sex. Zweitens engagiert er in Manila über den Detektiv Homobono Narciso für fünfzigtausend Euro den in Frankfurt wegen Raubmordes an einem Juwelier gesuchten und deshalb untern dem Namen Hagen Pallas reisenden Willem Hold. Mit ihm verbindet ihn eine 20-jährige Jugendfeindschaft, die er jetzt durch einen Doppelstreich zu Ende führen möchte: Er gibt zugleich die Erschießung Willems nach Ausführung der Tat in Auftrag und setzt, um dessen Aktivitäten zu kontrollieren, Lou auf ihn an, indem er für den Flug nach Frankfurt für die beiden benachbarte Sitze bucht. Allerdings gerät am Handlungsort das fein eingefädelte Spiel durcheinander: Zwei Geheimpolizisten, Helene Stirius und Carl Feuerbach, ermitteln im Auftrag der die Picasso-Zeichnung beanspruchenden Erben gegen die Prostituierte und diese verliebt sich in Willem.
Die verschiedenen sich überschneidenden Aktionen verlaufen von zwei Strandorten aus kreuz und quer über die Stadt: Willem, zeitweise mit Lou als Übernachtungsgast, logiert im Hotel Burger, Ecke Zobelstraße, in Zoo-Nähe im Ostend (ab Kap. 8), später muss er sich wegen der Verlängerung des Frankfurt-Aufenthalts mit der Pension Apollo, einem Stundenhotel in der Elbestraße nahe dem Bahnhof bescheiden (Kap. 35). Als Kind hat er bis zum Verkehrunfalltod seiner Eltern in der Ostbahnhofstraße 9 gelebt, wo auch ihr kleiner Uhren- und Schmuckladen untergebracht war. Aus dieser Zeit stammt der Tick des Protagonisten für teure Uhren, die er seinen Opfern abnimmt. Nicht weit von diesem Bezirk entfernt hat er später als Jugendlicher in einer Art Rache den libanesischen Geschäftsrivalen des Vaters am Ende der Zeil bei einem Raubüberfall erschossen und von hier aus bricht er auf zu seinem langen Marsch nach Westen: über Allerheiligenstraße, Zeil, „Hauptwache, Rossmarkt, Kaiserplatz und hinein ins Bankenviertel“[322] zur Liquidierung Busches in dem kleinen, teuren Lokal Charlot am Opernplatz, mit Blick auf den Brunnen. Allerdings erschießt er nicht Busche, sondern, als er merkt, dass man ihn reingelegt hat, den auf ihn selbst angesetzten Killer (Kap. 11–13). Nach der Tat radelt Hold über Neue Mainzer, Willy-Brandt-Platz am Theater, Braubach, Hanauer zum Hotel zurück. Einen Tag darauf bummelt er über die abendliche Hauptwache, die Fressgass entlang zum Oederweg (Kap 26) und trifft sich mit Lou in der Therapiegruppe des Ursula-Schmid-Instituts an der Ecke zur Glauburgstraße. Am übernächsten Abend, als er Lou in ihrem Appartement in der Gartenstraße nahe dem Mainufer besuchen will (Kap. 38, 41), findet er die Leiche der von Zidona ermordeten Geliebten und erfüllt anschließend seinen Auftrag, indem er den gerade ankommenden Busche durch die Drohung, die von Lou mit einer im Schlüsselloch der Schranktür versteckten Videokamera aufgezeichneten Aufnahmen seiner Sex-Praktiken publik zu machen, zum Sprung aus dem Fenster zwingt.
Die beiden Privatdetektive wohnen in der Morgensternstraße in Sachsenhausen (ab Kap. 5). Hier hat Helene, genannt Helen, nach der Scheidung von ihrem Mann, dem arbeitslosen Art-Director Richard Huemmerich kürzlich an ihren vier Jahre jüngeren Angestellten Carl Feuerbach, mit dem sie nach Romanschluss auch privat kooperieren wird, ein Zimmer untervermietet. Von hier aus starten sie ihre Recherchen, verfolgen Lous und Willems Spur am Flughafen, in der Buchhandlung, der Therapiegruppe, an den Tatorten, besprechen ihre Arbeitsergebnisse und Strategien bei Spaziergängen über den Eisernen Steg, durch die Schweizer Straße oder in der Orion-Bar in der Oppenheimer Landstraße (Kap. 30). Feuerbach wandert über die Alte Brücke am Museumsufer entlang bis zum Holbeinsteg, dann durchs Bahnhofsviertel zum Westend und befragt die aus Groß-Gerau stammende Manila-Frankfurt-Flugbegleiterin, die Lufthansa-Stewardess Heike Puschmann, in ihrer Wohnung in der Bettinastraße.(Kap. 34, und 46) über ihre Beobachtungen.
Die Untersuchungen der Detektive und Holds überlagern sich mit dem literarischen Betrieb der Frankfurter Buchmesse: „Feuerbach stand vor der Halle des Frankfurter Hofs, die am späten Nachmittag einem Heerlager glich, nämlich zur Stunde zwischen dem harten Geschäft auf der Messe und den Stehempfängen am Abend, wo es genügte, Freund und Feind zu unterscheiden. […] Es schien, als tobe in Frankfurt ein Krieg, und im Grunde war es auch einer, der Fünftagekrieg um das abnehmendste aller irdischen Güter, die Bedeutung.“[323] Hier drängen sich medienbekannte und nicht -bekannte Gesichter vor Mikrophonen und TV-Kameras und suchen den Blick der Öffentlichkeit. Dabei sind im Roman die Grenzen zwischen den Biographien und Tätigkeitsbereichen der Protagonisten fließend: Die Autorin Campus ist eine Kriminelle und Lou eine verhinderte Dichterin. Z. B. kauft sie in ihrem Lieblingsladen, dem Antiquariat Rüger in der Dreieichstraße, die Banziger-Novelle Saló (Kap. 15) in Erinnerung an den einzigen Urlaub mit ihrer Mutter am Gardasee. Dort verliebte sich die damals Fünfzehnjährige in den fünfzigjährigen Schriftsteller und schrieb dann einige reimlose Gedichte. Drei davon wurden von Louis Freytag für den Abdruck in der Beilage der Frankfurter Allgemeine ausgewählt. Ironie des Romanschicksals: Gerade diesen bekannten Kritiker tötet Willem nach seiner Ankunft am „Fraport“ versehentlich, bei seinem Versuch Carl Feuerbach von der Spur Lous abzulenken, durch einen gezielten Ellbogenschlag, nachdem dieser, als letzte bewusste Handlung, sein Bild in einer Zeitung betrachtet hat (Kap 6, 7), und nährt dadurch Gerüchte über einen Rachemord negativ rezensierter und dadurch beleidigter Autoren.
Lou entdeckt bei der Lektüre der Banziger-Novelle, dass Zidonas Buch ein Plagiat ist, erpresst ihn mit ihrem Wissen und wird von ihm ermordet. Auch die sehr belesene Theologiestudentin Nola, eine Untermieterin Helenes, hat Zidonas Quelle herausgefunden und erzählt dies Feuerbach. Bei ihrem gemeinsamen Besuch von Ollenbecks Lesung in der Galerie Rothe in der Danneckerstraße in Sachsenhausen (Kap. 40) konfrontiert der Detektiv den Autor mit dem Plagiatsverdacht, worauf dieser ausweichend reagiert: »Alles stammt irgendwoher, mein Freund, selbst die Stücke von Shakespeare«.[324]

Bei der Suche nach seinen skrupellosen Auftraggebern verfolgt Hold Vanilla Campus bei ihren Auftritten. Er hört, wie sie dem ZDF-Reporter Jan C. Bartels im Interview über den Anschlag auf die Frage nach ihrem Jenseitsglauben antwortet: „Im Moment glaube ich an mein Buch.“[325] Aber das ist nur Maskerade, denn sie vermag in ihrem Privatleben nicht ihre Botschaft „Gib dich hin!“[326] zu befolgen. Hold will nun die Erfolgsautorin bei ihren Präsentationen ihrer Sex-fibel während der Buchmesse unter Druck setzen. In der Messehalle Sechs befragt er sie als Dr. Kussler von der Süddeutschen und nimmt mit dessen Tonbandgerät ihr Geständnis auf (Kap. 36). Einige Stunden später teilt er der Campus beim Bertelsmann-Empfang im Interconti (Kap. 42, 43), nach ihren Gesprächen mit Journalisten, Kollegen (»Meinen Namen kennen sie ja […] Große Literatur lohnt sich nicht«[327]) und einer ZDF-Kulturredakteurin vom aspekte-Team, den Tod ihres Mannes mit und fordert seine Bezahlung und ihre Hilfe bei seiner Abrechnung mit Zidona/Ollenbeck.
Auch die beiden Detektive kooperieren mit Hold: Sie bekommen am Ende, nach dem Showdown am Gardasee, das Picasso-Bild und damit den mit den Erben vereinbarten Betrag. Willem Hold darf sich an Narciso und Zidona rächen und mit den beiden im Entscheidungskampf erbeuteten Traumuhren sowie seiner Auftraggeberin und Helferin auf der letzten Etappe, der reichen Witwe Campus, auf den Philippinen untertauchen (Kap. 64).


Wie im Schundroman wohnen auch die Frankfurter Protagonisten anderer Kirchhoff-Romane, mit teils parodistischem Bezug zum Kultur-Medien-Bereich, südlich des Mains im Stadtteil Sachsenhausen. So lebt das langjährige Ehepaar der Vierer-Beziehungsgeschichte Die Liebe in groben Zügen[328] Verena „Vila“ Wieland und Bernhard Renz, wenn es sich nicht in Italien aufhält, in der Schadowstraße „in der häuslichsten Ecke Frankfurts, ruhige Straßen, nach Malern benannt, schöne Altbauten, hohe Bäume, das nahe Mainufer und seine Museen, nahe auch die lebhafte Schweizer Straße, ihre Lokale, ihre Läden.“ (Kap. 1) Beide arbeiteten für das Fernsehen und kommentieren bissig die Vorabend-Serien-Schablonen, der ihnen allerdings ein Ferienhaus am Gardasee finanzieren halfen. In ihrer Nähe, in der Schweizer Straße wohnt Vilas ungefähr zehn Jahre jüngerer Geliebter Kristian Bühl, ehemals Lehrer am „Hölderlin“, den sie im nahen Museumspark für ihre Mitternachts-Kultursendung entdeckte, als er wie Franz von Assisi predigte. Er bewertet „die Stadt mit den unbeherzten Hochhäusern, [als] nicht hoch genug, den Atem anzuhalten, aber schon zu hoch, um nur mit der Achsel zu zucken [...] Frankfurt ist voller Narben, die Hochhäuser täuschen darüber hinweg.“ (Kap. 2). Zusammengehalten wird die personale Struktur, die Affären Vilas und Bühls sowie die Bernhards mit der zwanzig Jahre jüngern Producerin seines Films, der todkranken Marlies Mattrainer, durch das Projekt über Franz und Klara von Assisi.
Auch der ehemalige Kulturredakteur im Regionalteil einer Frankfurter Zeitung Hinrich im Roman Verlangen und Melancholie[329] wohnt nahe der Schweizer Straße im zehnten Stock eines Hochhauses mit Blick auf die City und den Museumspark mit der alten Villa des Frankfurter Museums für alte Kulturen am Mainufer, in der seine von Carsten, einem „Elektronikmann“ (Kap. 4.), geschiedene Tochter Naomi als Kustodin arbeitet und eine Ausstellung „Eros in Pompeji“ vorbereitet. Als 66-jähriger Rentner hat er Zeit, sie bei diesem Projekt zu unterstützen und auch seinem Enkel Malte bei der Ethik- und Literatur-Vorbereitung seiner mündlichen Abiturprüfung zu helfen. In seinen einsamen Stunden blickt er zurück auf sein Leben, spottet über die prominenten Feuilletonisten („mit ihrer ewigen Erregung und Atemlosigkeit“) und betrachtet in selbstquälerischen Reflexionskreisläufen seine Vergangenheit und versucht Zusammenhänge zu enträtseln: seine Ehe mit Irene, seine Beziehung mit der Ärztin Marianne, während er die Depression seiner Frau und ihr Schutzbedürfnis („Ich wollte nie frei sein, sondern gehalten.“) nicht wahrnahm, und das undurchsichtige Verhältnis zu Zuzan. Vor allem denkt er im „Raumschiff der Trauer“ über den Selbstmord seiner Frau, der akribischen Übersetzerin italienischer Literatur, vor neuen Jahren nach, erinnert sich an ihre gemeinsamen Reisen ins Sehnsuchtsland nach Rom und Pompeji und ihre beginnende Entfremdung. In der Schweizer Straße, in der Nähe seines Lieblingscafés, lernte er später die polnische Supermarktkassiererin Zuzan kennen, die ihm „all die kleinen Dienste [in seiner Wohnung] aus großem Herzen heraus getan zu haben“ schien. Ein Großteil der Handlung spielt im Ausland: Von Frankfurt aus reist er zur Aufarbeitung der Vergangenheit in die Schweiz, nach Polen und Italien. Vor allem führt ihn seine Spurensuche nach Warschau, wo er Zuzan sucht, von der Beziehung Irenes zu seinem polnischen Kollegen Jerzy Tannenbaum erfährt und sich zunehmend seiner Egozentrik bewusst wird, die ihn blind machte für die Persönlichkeiten seiner Partnerinnen und deren Geheimnisse.
Stadtwanderungen
Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für einen Tag
Wilhelm Genazino lässt in seinem 2001 publizierten Roman Ein Regenschirm für einen Tag einen 46-jährigen Stadtwanderer von „den Merkwürdigkeiten des Lebens“[330] in Frankfurt erzählen. Seine Beobachtungen während des „Umherschweifen[s]“[331], ähnlich in den Romanen Die Liebe zur Einfalt, Abschaffel, Bei Regen im Saal, sind Schnappschüsse und könnten in jeder Stadt aufgenommen worden sein, worauf auch die teils fiktiven oder allgemeinen Ortsangaben (Stadtbrunnen, Kaufhaus, Schnellbuffet, Flohmarkt, Marktplatz, Brücke, Uferböschung) hinweisen.

Die Begegnungen des Erzähler spiegeln immer wieder die Schattenseiten seiner Innenwelt und führen ihn zu existentiellen Fragen nach „der Vergeblichkeit oder […] der Sinnlosigkeit“[335] des Daseins. Je nach Umgebung erscheint ihm das Leben in einem Park als „Gestrüpp“,[336] an einer Böschung am Flohmarkt als „Geröll“,[337] unter den Passanten auf der Straße als „Geraschel“,[338] beim Anblick des Hochwassers als „Geschluppe“.[339] Anschließend stellt der Erzähler seine Interpretationen wieder in Frage: „Mein Gott, wie mir der Zwang zum bedeutungsvollen Sehen auf die Nerven geht.[…] In Wahrheit erfahre ich nur meine Teilnahme am allgemeinen Trivialschicksal: Am Ende meines Lebens steht der Tod, weiter ist nichts“.[340] Er erblickt die Breite des menschlichen Alltags, behutsam-fürsorgliche, unachtsame, reglementierende Handlungen. Beispielsweise striegelt an der Nikolai-Kirche eine Artistin ein kleines Zirkus’ zärtlich ihr Pferd. Andererseits erscheinen ihm die im Café Rosalia auf den Stühlen zusammengeknüllten und übereinandergestauten Jacken und Tüten der Gäste wie „kleine verhüllte Lebewesen“.[341] „Menschen, die für Eroberungen ganz unbegabt sind, [stürzen] in die Straßenbahn“,[342] um einen Sitzplatz zu erobern.
Er hat als Nonkonformist Schwierigkeiten, feste Anstellungen mit ihren Strukturen zu ertragen. Er fürchtet „die gewöhnliche Schuld der Systeme, die langsam in uns einwandern, indem wir schuldlos in diesen Ordnungen zu leben meinen.“[343] Im Unterschied zu Freunden aus der Studentenzeit wie dem ehemaligen KPD-Aktivisten Messerschmidt, dem als Redakteur des Generalanzeigers „die Rettung geglückt ist“,[344] meidet er eine solche Anpassung an die Betriebsroutine („Ich brauche Ruhe, und diese Ruhe habe ich hier gefunden“.[345]). Deshalb hat er vor Jahren seine journalistische Arbeit aufgegeben und jobt seitdem: Er interviewt Kunden über ihre Einkaufsgewohnheiten und durchstreift seit sieben Jahren als Tester für teure Schuhe die Stadt. Als ihm Herr Habedank, der Disponenten der Firma Weisshuhn, beim Abliefern seiner Berichte (Kap. 6) mitteilt, dass wegen der geänderten Marktlage sein Honorar auf ein Viertel gekürzt wird, verkauft er seine Testschuhe auf dem Flohmarkt. Sein Traumberuf wäre „Backgroundman des Fernsehens“,[346] z. B. schweigender Hintergrundmann eines interviewten Politikers. Aber er sieht auch das Kontrastschicksal zu Messerschmidt: In der Chamisso-Straße in Ginnheim wirft der Künstler Himmelsbach Prospekte in die Briefkastenschlitze.(Kap. 10) Der Protagonist resümiert: „Himmelbach scheitert an meiner Statt. […] Es war immer meine größte Furcht, eines Tages meine immense Beugbarkeit öffentlich zeigen zu müssen.“[347] Als er die menschliche Groteske erlebt, wie sich der gescheiterte Fotograf vor dem Seitenspiegel eines Autos kämmt, schimpft er: […] Himmelsbach […] du willst vor deinem Elend auch noch einen guten Eindruck machen.“[348]

Den Hang zur melancholischen Erfolgslosigkeit und die Abneigung gegen das „Erlebnisproletariat“[352] teilt er mit dem Bekanntenkreis seiner Freundin Susanne. Sein Frau Balkhausen gegenüber geäußerter Scherz, er leite ein Institut für Gedächtnis- und Erlebniskunst für Patienten, „die das Gefühl haben, dass aus ihrem Leben nichts als ein langgezogener Regentag geworden ist und aus ihrem Körper nichts als ein Regenschirm für diesen Tag“,[353] trifft auf fast alle Protagonisten zu und seine Therapie, „diesen Leuten zu Erlebnissen zu verhelfen, die wieder etwas mit ihnen zu tun haben“,[354] erscheint zumindest Frau Balkhausen nach ihrem ersten Fernsehinterview an der Schiffsanlegestelle (Kap. 10) erfolgreich. „Ich habe Hochwasser gern, weil ich die Welt gern untergehen sehe“,[355] bekennt sie der Reporterin, sie möge „den Schein und das Als-ob! Man denk[e], endlich schwimm[e] der ganze Schrott weg, aber dann bleib[e] er doch, beziehungsweise er kehr[e] zurück! Es [sei] alles nur eine kleine Überschwemmung [gewesen], weiter nichts!“[356]
Der Fluktuation seiner Beschäftigungen und ambivalenten Gedanken dazu entspricht sein, teilweise virtuelles, Partnerinnen-Wechselspiel, beispielsweise mit der vergeblich umworbenen Anuschka (Kap. 8), der Friseuse und Gelegenheitsprostituierten Margot (Kap. 4), die er offenbar mit Himmelsbach teilt, oder der Job-Kollegin Regine, die ihm in der Gutleutstraße begegnet und jetzt einen Kurs als Sterbebegleiterin absolviert. Mit ihr befragte er Passanten vor Kaufhäusern (Kap. 6) und sie sind danach „einmal zusammen gestorben“.[357] Nachdem die frühpensionierte Lehrerin Lisa (ihr „Berufsleben war kaum mehr als ein langsames Vertrautwerden mit ihrem Zusammenbruch gewesen.“[358]), von deren Rente er vorwiegend lebte, ihn vor acht Wochen verlassen hat (Kap. 3), ist seine „mangelhafte finanzielle Verwurzelung in der Welt“[359] noch größer geworden. Bei seinen Wanderungen versucht er durch die Ablenkungen von privaten Problemen seine Reflexionskreisläufe über das ihm „ohne [s]eine innere Genehmigung“[360] geschenkte Leben aufzulösen: „Heute denke ich kaum noch etwas, ich schaue umher. Wie man sieht, bin ich ins Lügen verfallen. Denn es ist nicht möglich, in den Straßen umherzugehen, ohne etwas zu denken.“[361] Die Stadt ist angefüllt mit Assoziationsimpulsen, z. B erinnert ihn das in einer Bäckerei in der Dominikanerstraße in der Altstadt gekaufte noch warme Weißbrot gleichzeitig an den Geruch von Lisas und Susannes Körper (Kap. 11).
Vor allem verdrängt er Gedanken an seine Kindheit („VERMEIDEN SIE BITTE DAS THEMA KINDHEIT“[362]), denen er allerdings doch nicht entkommen kann: So weicht er, als ihn die „Verschwindsucht“[363] in der Herderstraße im Nordend befällt, Gunhild aus, weil sie ihn an seine Jugendliebe Dagmar erinnert und ihn auf seine Verrücktheit anspricht (Kap 1). Meist übernimmt er die Perspektive der beobachteten Kinder: Während der Laser Show auf dem Marktplatz baut, unbeeindruckt davon und vielleicht als Schutz davor, ein etwa Zwölfjähriger auf einem Balkon aus Wolldecken eine Höhle, die auch nach dem Abbau der Sommerfest-Installationen am Romanende erhalten bleibt (Kap. 11). Eine Familie amüsiert sich über ihr Kind im Wagen: „[J]edes Mal, wenn das Kind etwas nicht kann […] kreischen der Mann, die Frau oder die Oma vergnügt auf. Sie bemerken nicht, dass ihr derbes Entzücken für das Kind höhnisch ist“.[364] Als er ein etwa siebenjährige Mädchen im Schauraum des Autohauses Schmoller, seiner Interpretation nach vereinsamt, herumstehen sieht, während seine Eltern mit Reinigungsarbeiten beschäftigt sind, fragt er sich, ob ihm die Eltern das Kind vielleicht schenken würden (Kap. 2). Später wird er sich bewusst: „Das Kind ist nur eine verpuppte Erinnerung an mich selbst“,[365] an seine frühen Ängste, wobei er gar nicht mehr genau weiß, was sich wirklich ereignet hat, da in seiner Phantasie sich verschiedene Erlebnisse überlagern: „Ich habe ein Interesse an verschiedenen Wahrheitsversionen, weil ich es schätze, vor mir selber ein wenig verwirrt zu erscheinen.“[366] Aber über den „Zusammenstoß [s]eines Gedächtnisschwundes mit [s]einer Verwirrung“[367] will er nicht reflektieren:„Die Wahrheit hinter der Wahrheit ist jedoch, dass ich die Annahme meiner eigenen Verwirrung gar nicht ertrage und sie dann doch für wahr und wirklich halte.“[368] Seine Methode des wandernden Denkens ist eine Art „Lügenheilanstalt“[369] und nachmittags in seiner ohne Lisa leeren Wohnung „findet eine Art Zerbröckelung [s]einer Person statt […] eine Zerfaserung oder Ausfransung.“[370] bzw. eine „Verflusung“[371] mit Sterbephantasien. Erschwert wird seine Lage dadurch, dass ihm seine Konflikte vorwiegend beim Arbeiten einfallen und dass er deshalb „die Arbeit eher meiden [muß]“.[372]
Auch vor Susanne Bleuler, der erfolglosen Schauspielerin und Spielgefährtin aus früher Zeit, will er sich zuerst verstecken. Im Gegensatz zu ihm interessieren sie alle „Einzelheiten [ihrer] einzigartige[n] Kindheit“.[373] Vielleicht beginnt er gerade deshalb mit ihr, die sich ebenfalls „von der Mittelmäßigkeit des Lebens bedroht“[374] fühlt und über das „Elend der Massen“[375] philosophiert, eine Beziehung, welche seine Krise beenden könnte, zumal sie als Angestellte einer Anwaltskanzlei auch ein festes Einkommen hat. Immer wieder kreuzen sich ihre Wege in der Stadt: bei der Eröffnung eines neuen Haushaltswarengeschäfts in der Dürerstraße in Sachsenhausen, im preiswerten Esslokal Nudelholz (Kap. 5), beim Abendessen mit Bekannten in ihrer Wohnung (Kap. 7) oder zu zweit im VERDI und anschließend in ihrem Schafzimmer (Kap. 9), beim Sommerfest (Kap. 11) mit dem für sie kaum erträglichen LICHTSPEKTAKEL in der PARTYMEILE und SPASSZONE auf dem Marktplatz, über das er einen „luftigen“[376] Artikel verfassen soll. Er ist „verwickelt in die widerliche Arbeit oder in die Arbeit an der Widerlichkeit oder in die Widerlichkeit des Wirklichen. [Er] kann diese Momente im Augenblick nicht klar auseinanderhalten“,[377] da auch „die meisten Besucher das künstliche Leben für das wirkliche halten wollen“[378] und es nicht mögen, „wenn sich [ihr] Leben in eine Untersuchung [ihres] Lebens verwandelt.“[379] Damit er jedoch der Freundin bedeutend erscheint, nimmt er das Angebot des Redakteurs Messerschmidt (Kap. 8) an, wieder für den Generalanzeiger zu schreiben, denn „[w]irklich bedeutend sind [seiner Meinung nach] nur Personen, die ihr individuelles Wissen und ihre Position im Leben haben miteinander verschmelzen können.“[380] Er erklärt der neuen Partnerin: „Man liebt dann, wenn man vor dem anderen nicht mehr fliehen will, obwohl man ahnt, dass dieser unmögliche Forderungen stellen wird.“[381]
Im letzten Kapitel verabschiedet sich der Erzähler in einem fiktiven Gespräch mit Lisa zumindest gedanklich von seinen bisherigen Vergessens- und Erinnerungswanderungen: „Ich habe keine Lust mehr, mein Leben zu belauern. Ich warte nicht mehr darauf, dass die äußere Welt endlich zu meinen inneren Texten passt! Ich höre auf, der blinde Passagier meines eigenen Lebens zu sein!“[382]
Peter Kurzeck – Spaziergänge durch die Stadt
Peter Kurzecks Frankfurt-Romane erzählen von Spaziergängen durch die Stadt, teils mit dem autobiographischen Hintergrund des Fünfzehnjährigen aus den 1950er Jahren wie in Mein Bahnhofsviertel (1991), teils mit fremdem Blick des Gastes oder mit dem schon vertrauten, aber auch distanzierten des Neubürgers, der sich aber seiner Wurzeln als Zugezogener immer bewusst ist (Übers Eis, 1997; Als Gast, 2003; Wieder Oktober, 2006). Der Weg durch Straßen mit Impressionen von den Stimmungen der Tages- und Jahreszeiten, den blühenden oder kahlen Bäumen oder vereisten Straßen im Winter mit frierenden, an der Bockenheimer Warte vergeblich auf die Straßenbahn wartenden Passagieren[383] verbindet sich mit den erinnerten Erlebnissen des Erzählers von seiner kleinen Familie, der Arbeitslosigkeit, der Armut sowie seiner überwundenen Alkoholabhängigkeit.
Für seine schriftstellerische Arbeit durchstreift er die Stadt und sammelt Eindrücke: „Das nimmst du alles im Kopf mit. Zigaretten, Notizzettel, Kugelschreiber. Im Gehen schon zu schreiben anfangen. Viele Stimmen im Kopf.[ …] Muss […] morgens aus dem Haus. Muss das Wetter spüren und die Luft kosten. Muss sehen, was aus der Stadt und aus mir und den Bettlern, Säufern und Pennern wird. […] Und sehen, welche neuen Geschichten dazu kommen und wo sie uns hinführen.“[384] Beispielsweise geht der Erzählers des Romans Als Gast[385] Anfang März täglich, allein vom Grüneburgweg zur Eschersheimer Landstraße „[e]inkaufen, wenigstens Milch kaufen im HL, oder doch wieder nur mein Geld zählen?[386] „Immer dichter der Feierabendverkehr im Reuterweg und die Luft vom Abend und von den Abgasen blau. Die Innenstadt eine ferne Feuersbrunst […] Ich ging, als sei ich jemand anders. Mit mir selbst. In der dritten Person. Und sowieso alles nur leihweise. Leihweise lernt sich leicht! und noch einmal den Grüneburgweg? Und weiter zur Hauptwache und auf die Zeil. Hauptwache, Zeil, Konstablerwache, Hauptbahnhof, Güterbahnhof, Gallusviertel, und Mainzer Landstraße. Von da an dann als Gespenst. Nicht umkehren können und als Gespenst weiter. Fremdes Pflaster […] Müd heim am Abend. Und sooft ich heimkomme, jedesmal gleich weiter mit dem Manuskript. […] wenigstens die letzten drei Zeilen noch einmal lesen und weiter.“[387]

An einem anderen Tag führt sein Weg durchs Westend, über den Campus, die Gräfstraße, Leipziger Straße, Ludolfusstraße, Weingarten, Falkstraße zum Hessenplatz. Er erinnert sich, dass er hier mit Sibylle für sechs Wochen in einem Zimmer gewohnt hat, als sie nach Frankfurt kamen. Er registriert Bekanntes und die Veränderungen: „Um den Platz die Laternen und das Schweigen der alten Häuser. Eine persische Autowerkstatt, ein indischer Obstladen, ein Getränkevertrieb, ein Wollgeschäft, Pullover und Wolle, ein Kleiderladen mit Räucherstäbchen und daneben in einer Reihe vier Änderungsschneider. Italiener, Griechen, Türken, Armenier und bei allen noch Licht. Und mindestens jedes zweite Haus eine Kneipe. Unter den Kastanien am Hessenplatz und dir vornehmen, dass du wieder hier gehst, wenn die Kastanien blühen und dann einen langen Sommer. Einen Sommer, der bleibt. Haushohe Kastanien.“[388]
Vor dem Römer[389] beschreibt der Erzähler die Atmosphäre des Platzes: „[I]n Scharen die Menschen, Frankfurter Einwohner, die alles besser wissen. Sachsenhäuser Frankfurter, die nicht genau wissen, wie sie auf diese Seite gekommen sind und seit wann und warum. Taxifahrer, Touristen, Vorortbewohner […] Arbeiten in der Stadt, kommen einkaufen in die Stadt und wohnen schön ruhig im Grünen. […] ein Straßenmusikant mit Hut, Hund, Gitarre und Mundharmonika. Am Rand vorbei. Eilig. Der Hund wie ein Wolfsschatten mit. Wo gehen sie hin? […]. Die letzten Abendzeitungsverkäufer. Und machen jetzt langsam Schluss. Sowieso alles längst im Fernsehen. Und packen die Schlagzeilen, den vergangenen Tag und ihr Zeug zusammen. Ein türkischer Laugenbrezelverkäufer. Ein pakistanischer Rosenverkäufer, der vom Main rauf, vom Sachsenhäuser Ufer herauf und mit den Rosen durch alle Kneipen. Nacht für Nacht.“ Zurück bleibt „[v]iel Frankfurter Volk. Einwohner aus dem Nordend und aus Bornheim, die es immer am Ende des Tages bergab zieht, aber wohin? Abwechslung, Atem schöpfen, Abendspaziergang. Frische Luft, Bewegung, nur ein paar Schritte zu Fuß. […] [J]eden Abend die Leute.! Stehen und können nicht heimgehen […]. Alle nicht warm genug angezogen und stehen ungeduldig im Dunkeln. Jeden Abend. Müssen den Sommer herbeiwarten. Erst den Frühling und dann den Sommer. Und stehen und gehen drei Schritte hin und her. Und stehen und stehen. Und auch die Tauben noch wach hier am Römer. Eine Märznacht, bald Vollmond. Wie ein Dom die Nacht vor dem Römer.“[390]
In der Weihnachtszeit bummelt der Erzähler vom Theaterplatz aus durch die Geschäftsstraßen mit ihren Luxusgeschäften und –kunden. Es ist eine Reise durch eine Traumlandschaft: „Schritt für Schritt. Ein Entdecker. Expeditionen. Kaiserstraße, Roßmarkt, Hauptwache, Steinweg, Goethestraße, Opernplatz, Freßgass. Christbaumhändler. Die Weihnachtsbeleuchtung. Juweliere, Damenwäsche, Herrenausstatter und wie der Tag sich hier in den Schaufenstern spiegelt. Cerutti, Brioni, Armani. Modellanzüge für dreitausendachthundert Mark. Maßanfertigung, Preise auf Anfrage. Seide, Cashmere, Mohair. Feinste ägyptische Baumwolle. Seidenhemden nach Maß. Handgenäht die Schuhe aus feinstem Ziegenleder und unermüdlich.“[391] Entsprechend exquisit und selbstverliebt präsentieren sich die Passanten: „Die schönsten Frauen auf Schritt und Tritt. Und sehen sich in den Schaufenstern gehen. Und spiegeln sich in jedem Männerblick. […] Am liebsten sie gar nicht mehr aus den Augen verlieren! Aber entfernen sich! In alle Richtungen hin! […] Und wie ergreifend sie geht. […] Und jetzt hat sie gerade im rechten Moment den Kopf ein bißchen nach links, damit du nur ja auch ihr Profil, unbedingt! Und es mitnimmst in die Unendlichkeit.“ Für den Erzähler ist dies eine irreale Welt: „Nie, nicht ein einziges Mal mit Sibylle in den teuren Modeläden hier in der Goethestraße gewesen! Aber jetzt war es fast so, als hätten wir das noch vor uns und Zeit für alles. Nächstes Mal. Viele Leben. […] Den Rückweg finden mit all den Schätzen im Kopf. Längst steinreich auf dem Rückweg. […] Noch nie hat der Frankfurter Hof mich so höflich gegrüßt. Sogar Fahnen. Sogar Blumenkübel bei den Arkaden. Der Brunnen ein sanftes Geplätscher. Einmal einen ganzen Harem mit kostbarer Unterwäsche versorgen, ein Ballett und ein Sekretariat. Schnell noch zwei-drei Mercedes-Modelle. Da hält ein Rolls Royce vor der Ampel und auf allen Uhren ist es dreizehn Uhr neun. Leicht dein Herz. Sogar in seiner Düsternis noch anheimelnd und voller Hoffnung der Tag. Und hat seinen eigenen inneren Glanz, ein verhaltenes stilles Leuchten.[392]

Seine eigene Welt erlebt er eher auf dem erinnerten Weg mit Tochter Carina von der Homburger Straße „die Bockenheimer Landstraße entlang oder an der Christuskirche aus schwarzen Steinen vorbei und durch den Morgenfrieden der Schwindstraße, als hätten wir einen rechtmäßigen Anteil daran. Als stünde dieser Anteil uns jeden Tag zu“,[393] zum Kinderladen im Westend. Auf dem Weg liegen „Bücherstände an der Uni. Eine Blumenfrau aus der Wetterau. Ein Inder baut einen Schmuckstand auf. Er grüßt uns seit anderthalb Jahren […] Gern bereit, uns seinen Schmuck vorzuführen. Jederzeit. Selbstredend unverbindlich. Die gesamte Kollektion. Auch wenn von vornherein feststeht, dass wir vorläufig nichts kaufen. […] Ein Inder mit Turban und Taschenrechner. Bei der Vorführung wird er zum Magier […] Und dann auf der Bockenheimer Landstraße […] Ein Werktag, trüb und grau. Herbstlaub, Kastanien. Von allen Seiten die Autos […] Immer mehr Bettler auch, Bettler, Säufer und Penner. An der Warte, auf dem Campus, in der Leipziger Straße. Vor den Kaufhäusern. Beim Plus, beim Penny, beim Aldi am Eingang. An allen Bier- und Schnapsbüdchen. Jeden Tag mehr, oder kommt es dir nur so vor, weil du einmal angefangen hast, darauf zu achten? Weil du selbst deine Arbeit verloren hast? Weil du jeden Tag mehrmals, weil du immer wieder hier gehst? […] Und jetzt, auch wenn du schon lang nicht mehr trinkst, ein Säufer, der aufgehört hat, jetzt siehst du dich immer noch in jedem von ihnen. Siehst dich bei ihnen stehen und trinken und torkeln (die Erde dreht sich) und im Suff räsonieren, weil man im Suff sein Leben lang Recht hat. […] Vor viereinhalb Jahren zu trinken aufgehört, und das kommt dir noch nicht so lang her vor.“[394]
Immigration und interkulturelle Beziehungen
Martin Mosebach: Die Türkin
Im Roman Die Türkin (1999) gestaltet Martin Mosebach die Thematik der interkulturellen Beziehungen aus der Perspektive eines 35-jährigen Kunsthistorikers, der sich in Frankfurt nach seiner Promotion entscheidet, nicht weiter wissenschaftlich zu arbeiten, sondern eine von seinem Professor empfohlene Assistentenstelle bei dem New-Yorker Antiquariat und Kunsthandel Hirsch (Kap.2 und 6) anzunehmen. Ein im Juli verfrüht verwelktes Platanenblatt, das auf seinen Tisch in einem Frankfurter Apfelweingarten fällt (Kap 1), das er als Botschaft des Aufbruchs ansieht, deutet bereits das Abweichen des Ich-Erzählers vom Berufsweg und seine Reise in die Türkei an: „Platanen gehören übrigens gar nicht nach Frankfurt […] Verstanden habe ich die Platanen erst in Lykien“.[395]
Ausgelöst wird in dieser Situation der Neuorientierung die Suche nach einem anderen Leben durch eine zufällige Begegnung: Der im Umgang mit der Realität wenig erfahrene Protagonist verliebt sich in die Türkin Pupuseh Calik, die in der drei Häuser von seiner Wohnung im Holzhausenviertel“[396] entfernt liegenden Wäscherei Hüsseins während ihres Deutschlandbesuchs die Kunden bedient (Kap. 3, 5, 6). Bei einem Gang durch die vom Zentrum zum „Niemandsland“ der Peripherie immer substanzloser werdenden Stadt (Kap. 7) entdeckt er das schöne Mädchen zufällig bei Sonnenuntergang im Kreis türkischer Frauen: „Überraschend eröffnet mir die Stadt einen Aspekt, der mich anzog. An der Balustrade der Terrasse übersah ich ein weites Panorama. Das Licht, dieser verteufelte Stimmungsmacher“.[397] Die beschriebene Szenerie um die „chiricoeske Basilika“[398]ähnelt der Heilig Kreuz Kirche des Zentrums für christliche Meditation und Spiritualität des Bistums Limburg am Bornheimer Hang. Der Protagonist deutet das Gruppenbild im Platanenhain als „Eingliederung in eine Umgebung“[399] und ist als isolierter moderner Stadtmensch davon beeindruckt. Er phantasiert von einem gemeinsamen Leben mit den Mädchen in New York (Kap. 8) und sieht in der Befolgung ihrer rätselhaften Gestik-Botschaft, die ihn zu ihrer in einem italienischen Friseursalon angestellten Cousine, der Kurdin Zeynab, führt (Kap. 9 und 10), eine schicksalhafte Bestätigung seiner Wunschgedanken. Pupuseh wird plötzlich von ihrem Vormund nach Girmeler zurückgerufen, da der in Scheidung lebende Wäschereibesitzer und Vetter um sie wirbt, der Familienchef sie jedoch mit dem in Deutschland ausgebildeten Ingenieur Ünal verheiraten möchte. Dieser plant mit ihrer Mitgift in einem Gebirgsbach eine Forellenzucht einzurichten (Kp. 9, 10). Der Kunsthistoriker entschließt sich mit Zeyneps Hilfe zur Verfolgung und Rettung der Geliebten. Ohne „das Unerklärliche mit etwas Unerklärlichem zu erklären“[400] entscheidet er sich, nicht nach New York, sondern nach Antalya zu reisen. Damit beginnt der Hauptteil des Romans: die Erkundung von Pupusehs Heimat und deren Traditionen. Er verbringt, als Archäologe getarnt, einige Wochen in der im westlichen Taurusgebirge gelegenen Provinz Isparta und reflektiert seine potentielle interkulturelle Beziehung in Verbindung mit dem Erlebnis eines ihm fremden Landes. In seiner Unentschlossenheit verpasst er den Augenblick zu einer Flucht mit Pupuseh, sieht darin wieder eine Vorherbestimmung und kehrt nach deren Hochzeit mit Ünal allein nach Frankfurt zurück. Am Flughafen wird er von Zeynab abgeholt, die ihn während seines Abenteuers telefonisch beraten hat (Kap. 30).
Orhan Pamuk: Schnee
Der türkische Schriftsteller Orhan Pamuk behandelt in seinem Roman Schnee (2002) die Spannung zwischen westlicher und östlicher Kultur am Beispiel des fiktiven türkischen Dichters Kerim Alakuşoğlu, genannt Ka.
Ka kehrt anlässlich des Todes seiner Mutter aus Frankfurt nach Istanbul zurück und übernimmt den Auftrag, für die Istanbuler Zeitschrift Cumhuriyet (Die Republik) in den Osten der Türkei nach Kars zu reisen und die Selbstmordwelle junger Mädchen, u. a. einiger Kopftuchmädchen zu recherchieren. Er trifft dort auf Freunde, v. a. İpek, die Frau seiner Träume aus seiner Studentenzeit in Istanbul, von denen er getrennt wurde, als er wegen seiner sozialistischen Anschauungen für zwölf Jahre ins Exil nach Deutschland gehen musste, wo er in einer Wohnung in der Gutleutstraße im Frankfurter Bahnhofsviertel sein Leben durch staatliche Unterstützung, Gelegenheitsarbeiten und Lesungen finanzierte. Nun hofft er, İpek zu heiraten und mit ihr in Deutschland zusammenzuleben.

Doch nach seinem tragisch endenden Türkei-Abenteuer kommt Ka allein nach Frankfurt zurück. Von der großen Liebe seines Lebens bleibt ihm nur ein erbärmlicher Ersatz: der Konsum von amerikanischen Pornofilmen mit dem Star Melinda, der İpek entfernt ähnlich sieht. Vier Jahre später holen ihn in seiner Vereinsamung die politischen Ereignisse in Kars, an denen er beteiligt war und die zur Trennung von der Geliebten führten, endgültig ein. Nach der Rückkehr von einer Dichterlesung wird er in der Münchener Straße nahe dem Frankfurter Hauptbahnhof ermordet.
Sein Freund Orhan, der Verfasser des Romans, fährt ungefähr einen Monat nach dessen Tod nach Frankfurt (Kap. 29 Was mir mangelt IN FRANKFURT), um nach den in seinen Briefen erwähnten Gedichten zu suchen. Bei der Ankunft an einem windigen Tag im Februar im Schneeregen kommt ihm die Stadt „noch abstoßender vor, als es auf den Postkarten ausgesehen hatte, die Ka [ihm] seit sechzehn Jahren geschickt hatte. Die Straßen [sind] leer bis auf schnell vorbeifahrende Autos in dunklen Farben, Straßenbahnen, die wie ein Gespenst auftauch[]en und wieder verschw[i]nden, und eilige Hausfrauen mit Schirmen in der Hand.“[401] Aber es freut ihn, „trotzdem auf den Bürgersteigen in der Umgebung des naheglegenen Hauptbahnhofs, wo sich Döner-Buden, Reisebüros, Eisdielen und Sexshops bef[i]nden, Spuren jener unsterblichen Energie zu finden, die große Städte auf den Beinen hält.“[402] Ein Bekannter der Ermordeten, Tarkut Olçün, zeigt dem Besucher den täglichen Weg des Dichters über die Kaiserstraße, an der Hauptwache vorbei zur Stadtbibliothek und die Stelle zwischen einem türkischen Friseursalon, dem kurdischen Gemüsegeschäft Güzel Antalya und dem Kebab-Restaurant Bayram, an der Ka von hinten erschossen wurde. Während Orhans Stadtführer stolz vom Universitätsstudium seiner beiden in Deutschland geborenen Kinder erzählt, liest der Besucher „in seinem Gesicht […] jene ganz eigentümliche Einsamkeit und Resignation, die bei der ersten Generation der Türken in Deutschland […] sichtbar ist.“[403] Dies entspricht auch Kas Empfindungen als Emigrant: Orhan entdeckt in seiner Wohnung 40 nicht abgeschickte Briefe an İpek, in denen er sein „unerträgliche[s] Verlust- und Verlassenheitsgefühl“[404] beklagt. Kas Geliebte aus seiner ersten Frankfurter Zeit Nalan dagegen hat sich offenbar in der Stadt eingelebt (Kap. 41 Jeder hat eine Schneeflocke DAS VERLORENE GRÜNE HEFT). Sie ist inzwischen mit einem Döner- und Reisebüro-Geschäftsmann verheiratet und weint während des Gespräches mit dem Schriftsteller ein bißchen […] weniger um Ka als um ihre Jugend, die sie linken Idealen geopfert hatte.“[405]
Ka hat Sehnsucht nach einer Art Synthese der westlichen und der östlichen Kultur. Seine Bewertung Europas ist in einer Mischung aus Bewunderung und Ablehnung ambivalent. In ihren Diskussionen mit Ka offenbaren beispielsweise der Islamistenführer Lapislazuli und dessen Freundin Kadife (Kap. 26 Unsere Armut ist nicht der Grund, warum wir Gott so sehr anhängen) ein Schablonenbild vom westlichen Leben, das um die von Ka in einer Mischung aus Wunschtraum und Parodie erfundene Figur des deutschen demokratischen, gebildeten, blonden Journalisten Hans Hansen von der Frankfurter Rundschau erweitert wird, der mit seiner ebenso schönen Zweikinder-Familie glücklich in einem hellen Haus mit Garten wohnt und vermutlich mit freundlichem Mitleid auf die Türken blickt, was nach Lapislazulis Meinung eigentlich deren Stolz beleidigen müsste. Aber Ka erwidert und setzt dabei sein Idealbild fort: „Sie waren sehr ernsthaft. Vielleicht waren sie deswegen glücklich. Das Leben ist für sie eine ernste Sache, für die man Verantwortungsgefühl braucht. Nicht wie bei uns, wo es entweder ein blindes Bemühen ist oder eine bittere Prüfung. Aber diese Ernsthaftigkeit war etwas Lebendiges, etwas Positives.“[406]
Martin Mosebach: Der Mond und das Mädchen
Der Handlungsort von Mosebachs 2007 publiziertem Roman Der Mond und das Mädchen liegt nicht weit von Kas Wohnung entfernt im Bahnhofsviertel: Am verkehrsreichen Baseler Platz und den angrenzenden Straßen mit äthiopischem Schnellimbiss, pakistanischem Gemüseladen, philippinischer Wäscherei, bengalischem Zeitungskiosk, Tattoo-Studio, islamischem Reisebüro und libanesischem Restaurant lebt eine ethnisch gemischte Bevölkerung. Hier hat Hans nach seiner Hochzeit mit Ina zufällig eine Dachwohnung gemietet.
Der Roman erzählt vom missglückten Ehestart der Protagonisten und einer damit zusammenhängenden tragikomischen, chaotischen Verwicklungsgeschichte mit den Mitbewohnern, der Schauspielerin Britta Lilien und ihrem Mann Dr. Elmar Wittekind, und dem Hausbesitzer Sieger und seiner zur Zeit mit ihm zerstrittenen Frau Despina Mahmouni. Während sich die an den Wertvorstellungen ihrer Mutter, Frau von Klein, orientierte Ina, nach ihrem Diplom beruflich noch ohne Perspektive, zunehmend in die lieblos eingerichtete Wohnung zurückzieht, arrangiert sich ihr in einer Bank beschäftigte Ehemann mit der Situation: Er befreundet sich mit Lilien/Wittekind und hört abends in einer Hofkneipe des Äthiopiers Tesfagiorgis den Erzählungen der anderen Gäste, meist Emigranten, von ihren Schicksalen, geschäftlichen Projekten und Lebensweisheiten zu. In den Sommernächten inmitten der exotischen Umgebung gerät Hans zunehmend in einen dämonischen Zauber, der ihn von Ina wegträgt: „Aber die Mondnacht sprach deutlicher zu ihm, seitdem er etwas Alkohol im Blut hatte und aus dem Licht der Bogenlampe in den Schatten gerückt war.“[407] „Das machte die Räume kleiner und größer zugleich. Schließlich war ihm zumute, als habe er einen Raum im eigenen Körper betreten, der groß war, dessen Grenzen sich nicht abschätzen ließen“.[408] So ist er sensibilisiert für Grenzerfahrungen, als ihn der marokkanische Hausverwalter Abdallah Souad mit zu einem nächtlichen Derdeba-Ritual in einem Industriegebiet am Stadtrand mitnimmt. In diesem Besessenheitskult der marokkanischen Gnawa sollen bei den ekstatisch zur Musik bis zum Zusammenbruch tanzenden Patienten die Geister hervorgerufen und besänftigt werden. Souad erklärt Hans, „[m]an [werde] das Böse, das in einem steckt, nie wieder los – man [müsse] sich mit ihm arrangieren“.[409] Wie das letzte Romankapitel zeigt, orientiert sich Hans an dieser afrikanischen Weisheit, nachdem Ina nach den Vorstellungen ihrer Mutter Irma von ihrem Erbe für ihre Familie ein Haus im Taunus erworben hat. Eine ihrer Töchter heißt Ida, damit das in die Silbersachen eingravierte Monogramm, ein I mit einem Adelskrönchen darüber, auch für die nächste Generation passt.

Der Erzähler beschreibt den Baseler Platz: „Die Stadt bröselte hier regelrecht auseinander. Es war, als habe sich in der Mitte der freien Fläche, die von der Autobahn eingenommen wurde, eine geologische Verwerfung ereignet, die die Häuserzeilen links und rechts der Fahrbahn gleichsam wegkippen ließ.“[411] Es ist ein Beispiel für den Tod der alten Stadt durch die Bombardierung: „Verödung von Lebensadern, einen Papierkartongeruch […] den vollständigen Verlust von Hall und Timbre […] Die Stadt war ausgeräumt, wie es im Deutsch der Gynäkologen bei gewissen radikalen Operationen heißt“ […] Auf dem Baseler Platz trat dies Ausgesogen- und Ausgeräumtsein sogar in besonderem Maße ans Licht.“[412] Dieser Ort übt auf Ina eine grausame Magie aus: In der Unwirtlichkeit des Frankfurter Bahnhofsviertels, verstärkt durch ihre bürgerlichen Sozialisationsbedingungen, muss ihr Versuch einer Verpflanzung und Neuorientierung und somit ihre Beziehung zu Hans scheitern. Deutlich wird Inas Desorientierung (Kap. XIV) an ihrer Flucht aus der Wohnung und ihren Irrwegen durch verschiedene Stadtteile (Kap. XV). Hier entdeckt sie im Westend oder Holzhausenviertel ein bürgerliches Wohngebiet, das mit seiner familiären Atmosphäre einen besseren Ehestart ermöglicht hätte. Nach ihrer Rückkehr ins Haus an den Baseler Platz eskaliert die Situation und sie zwingt ihren Mann zu der Entscheidung, die Wohnung zu wechseln und sich mit ihren Wünschen zu arrangieren.
Literatur
- Oberhauser, Fred und Axel Kahrs: Literarischer Führer Deutschland. Insel, Frankfurt a. M und Leipzig 2008, ISBN 978-3-458-17415-8, S. 417.
- Wurzel, Thomas (verantwortlicher Redakteur) u. a.: Kulturelle Entdeckungen Literaturland Hessen. Frankfurt a. M. 2009, ISBN 978-3-7954-2190-8, S. 79–103.
Einzelnachweise und Anmerkungen
- ↑ Dieser Aspekt ist, neben der Verortung des jeweiligen gesellschaftspolitischen Hintergrundes, das Hauptkriterium der vorliegenden Auswahl, wobei die Grenzziehung zwischen autobiographischen Romanen (Dichtung und Wahrheit) und Autobiographien bzw. Lebenserinnerungen in Bericht- bzw. Reportageform fließend ist. Der Schwerpunkt liegt dabei auf literarischen Werken der Autoren, die zumindest zeitweise in der Stadt wohnten.
- ↑ Gunther Ligurinus: Franconefurt. In: Frankfurt in alten und neuen Reisebeschreibungen, ausgewählt von Hans-Ulrich Korenke. Droste Verlag. Düsseldorf 1990.
- ↑ Walther Karl Zülch: Johann Steinwert von Soest. Der Sänger und Arzt (1448–1506). Frankfurt am Main 1920. Darin: Eyn Spruchgedicht zu lob und eer der Statt Franckfortt. S. 11 ff.
- ↑ z. B. Goethe, 1,2; 4,20.
- ↑ Johann Wolfgang von Goethe: Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit. 3 Bde. Cotta, Stuttgart/ Tübingen 1811–1814. Bd. 1 Cotta, Stuttgart/ Tübingen 1811. Bd. 2 Cotta, Stuttgart/ Tübingen 1812. Bd. 3 Cotta, Stuttgart/ Tübingen 1814.
- ↑ Johann Wolfgang von Goethe: Poetische Werke, Band 8. Phaidon Verlag, Essen 1999, ISBN 3-89350-448-6, 1,1.
- ↑ Sein Sohn lernt dadurch Werke von Friedrich Rudolf Ludwig von Canitz, Hagedorn, Karl Friedrich Drollinger, Gellert, Creuz, Haller, Benjamin Neukirch und Koppen (Johann Friedrich Kopp) kennen
- ↑ Goethe, 1,1; 1,4.
- ↑ Goethe, 1,5.
- ↑ Goethe, 1,5.
- ↑ Goethe, 4,17.
- ↑ Goethe, 4,19.
- ↑ Goethe, 1,1.
- ↑ Goethe, 2,8.
- ↑ Goethe, 1,3.
- ↑ Goethe, 1,3; 1,4.
- ↑ Goethe, 4,20.
- ↑ Goethe, 1,3.
- ↑ Vollständiger Text bei Wikisource
- ↑ Leonid Zypkin: Ein Sommer in Baden-Baden. Berlin 2007, ISBN 978-3-8333-0513-9, S. 73 ff.
- ↑ Anna Grigorjewna Dostojewskaja: Tagebücher. Die Reise in den Westen. Königstein 1985.
- ↑ Johanna Spyri: Heidi. (insel taschenbuch 3438). Insel Verlag, Frankfurt am Main/ Leipzig 2009.
- ↑ Martin Mosebach: Der Nebelfürst. Eichborn, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-8218-4728-X. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Mosebach, Nebelfürst, S. 137.
- ↑ Mosebach, Nebelfürst, S. 137.
- ↑ Mosebach, Nebelfürst, S. 128.
- ↑ Mosebach, Nebelfürst, S. 344.
- ↑ Mosebach, Nebelfürst, S. 345 f.
- ↑ Elias Canetti: Die Fackel im Ohr Lebensgeschichte 1921–1931. Hanser, München und Wien 1980, 1994, ISBN 3-446-18061-3. nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Canetti, S. 54.
- ↑ Canetti, S. 55.
- ↑ Canetti, S. 55.
- ↑ Canetti, S. 56.
- ↑ Jakob Wassermann: Der Fall Maurizius. Georg Müller Verlag. München 1981, ISBN 3-8118-2168-7, S. 33. nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Wassermann, S. 37.
- ↑ Wassermann, S. 270.
- ↑ Wassermann, S. 148.
- ↑ Wassermann, S. 277.
- ↑ Wassermann, S. 279.
- ↑ Irmgart Keun: Nach Mitternacht. Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-548-60151-0, S. 21. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Keun, S. 23.
- ↑ Keun, S. 125.
- ↑ Keun, S. 129.
- ↑ Keun, S. 132.
- ↑ Keun, S. 130.
- ↑ Keun, S. 130.
- ↑ Keun, S. 130 f.
- ↑ Keun, S. 133.
- ↑ Keun, S. 27 ff.
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- ↑ Keun, S. 188.
- ↑ Anna Seghers: Das siebte Kreuz. Luchterhand, Darmstadt/ Neuwied 1973, ISBN 3-472-61108-1.
- ↑ Valentin Senger: Kaiserhofstraße 12. Luchterhand Verlag, Darmstadt/ Neuwied 1978, ISBN 3-472-86455-9, S. 46. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Senger, S. 61.
- ↑ Senger, S. 28.
- ↑ Senger, S. 58.
- ↑ Senger, S. 58.
- ↑ Senger, S. 88.
- ↑ Senger, S. 88.
- ↑ Senger, S. 60.
- ↑ Senger, S. 101.
- ↑ Senger, S. 140 ff.
- ↑ Martin Mosebach: Das Bett. dtv, München 2002, ISBN 3-423-13069-5, S. 481. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Mosebach, Bett, S. 256.
- ↑ Mosebach, S. 467.
- ↑ Mosebach, S. 467.
- ↑ Mosebach, S. 467.
- ↑ Mosebach, S. 465.
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- ↑ Dan Ben-Amoz: Masken in Frankfurt. Deutsch von Ulrike Zimmermann. Bleicher Verlag, Gerlingen 1999, ISBN 3-88350-742-3, S. 189. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Ben-Amoz, S. 102.
- ↑ Ben-Amoz, S. 110.
- ↑ Ben-Amoz, S. 281 f.
- ↑ Ben-Amoz, S. 258.
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- ↑ Ben-Amoz, S. 265.
- ↑ Ben-Amoz, S. 264.
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- ↑ Ben-Amoz, S. 299.
- ↑ Ben-Amoz, S. 436.
- ↑ Ben-Amoz, S. 231.
- ↑ Ben-Amoz, S. 248.
- ↑ Bernhard Schlink: Der Vorleser. Diogenes Verlag, Zürich 1995 (Erstausgabe), ISBN 3-257-06065-3. (als Diogenes Taschenbuch: Diogenes, Zürich 1997, ISBN 3-257-22953-4) (= detebe 22953).
- ↑ Marie Luise Kaschnitz: Totentanz und Gedichte zur Zeit. Claassen, Düsseldorf 1987.
- ↑ Max Frisch: Tagebuch 1946–1949. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1950, S. 37 ff. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Frisch, Frankfurt, November 1947, S. 206.
- ↑ Frisch, S. 255 ff.
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- ↑ Frederik Hetmann, Hans-Christian Kirsch: Mit Haut und Haar. Weismann, München 1981, ISBN 3-921040-33-7, S. 50. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Hetmann, S. 58.
- ↑ Hetmann, S. 60.
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- ↑ Hetmann, S. 59.
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- ↑ Hetmann, S. 126.
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- ↑ Hetmann, S. 177 f.
- ↑ Hetmann, S. 178.
- ↑ Hetmann, S. 181.
- ↑ Hetmann, S. 203.
- ↑ Hetmann, S. 203.
- ↑ Hetmann, S. 200.
- ↑ Hetmann, S. 229.
- ↑ Mosebach, Martin: Das Blutbuchenfest. Hanser, München 2014, S.228.
- ↑ Martin Mosebach: Westend. München 2004, ISBN 3-423-13240-X, S. 396. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 385.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 378.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 282.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 389.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 390.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 394 f.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 381.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 482.
- ↑ Mosebach, Westend, S. 809.
- ↑ Ernst Herhaus: Die homburgische Hochzeit. Diogenes Verlag. Zürich 1983, ISBN 3-257-21083-3, S. 182. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Herhaus, S. 187.
- ↑ Herhaus, S. 188.
- ↑ Herhaus, S. 239.
- ↑ Herhaus, S. 239.
- ↑ Herhaus, S. 156.
- ↑ Herhaus, S. 15.
- ↑ Herhaus, S. 98.
- ↑ Die Infragestellung seiner Wahrnehmung und seiner Identität korresponieren mit Diskussionen über den Radikalen Konstruktivismus bzw. den Postmodernen Roman
- ↑ Herhaus, S. 159.
- ↑ Herhaus, S. 161.
- ↑ Herhaus, S. 23.
- ↑ Herhaus, S. 173.
- ↑ Herhaus, S. 175.
- ↑ Herhaus, S. 227.
- ↑ Herhaus, S. 137.
- ↑ Diese Rede erinnert an die Molly Blooms in Joyces Ulysses (Kap. 18 Penelope)
- ↑ Herhaus, S. 127.
- ↑ Herhaus, S. 131 f.
- ↑ Herhaus, S. 79.
- ↑ Herhaus, S. 54.
- ↑ Herhaus, S. 54.
- ↑ Herhaus, S. 76.
- ↑ Herhaus, S. 77.
- ↑ Herhaus, S. 86.
- ↑ Herhaus, S. 109.
- ↑ Herhaus, S. 109.
- ↑ 1967, im Erscheinungsjahr des Romans wurde in der Tat die Hauptwache abgebaut und ein Jahr später über dem U-Bahnhof wieder errichtet.
- ↑ Herhaus, S. 120.
- ↑ Herhaus, S. 116.
- ↑ Herhaus, S. 119 f.
- ↑ Herhaus, S. 127.
- ↑ Herhaus, S. 126 f.
- ↑ Herhaus, S. 127.
- ↑ Herhaus, S. 166.
- ↑ Herhaus, S. 166.
- ↑ Herhaus, S. 167.
- ↑ Herhaus, S. 167.
- ↑ Herhaus, S. 167.
- ↑ Herhaus, S. 166.
- ↑ Herhaus, S. 166.
- ↑ Herhaus, S. 212.
- ↑ Wilhelm Genazino: Die Liebe zur Einfalt. Carl Hanser, München 2012.
- ↑ Genazino, Die Liebe zur Einfalt, S. 139 ff.
- ↑ Hallenser trägt Züge des im Roman mehrmals zitierten Ernst Bloch: „Tadeus-Von-der-erlernbaren-Hoffnung“, Herhaus, S. 170.
- ↑ Herhaus, S. 169.
- ↑ Herhaus, S. 176.
- ↑ Herhaus, S. 210.
- ↑ Herhaus, S. 210.
- ↑ Herhaus, S. 211.
- ↑ Herhaus, S. 212.
- ↑ Herhaus, S. 212.
- ↑ Herhaus, S. 217.
- ↑ Gerhard Zwerenz: Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond. S. Fischer Verlag, Frankfurt 1973.
- ↑ 1975 übernahm Rainer Werner Fassbinder Motive des Romans in sein Theaterstücks Der Müll, die Stadt und der Tod (Fassbinder, Rainer Werner: Der Müll, die Stadt und der Tod / Nur eine Scheibe Brot. Zwei Stücke. Verlag der Autoren, Frankfurt a. M. 1998, ISBN 3-88661-206-6.) und in seinen Film „Schatten der Engel“.
- ↑ Gerhard Zwerenz: Die Erde ist unbewohnbar wie der Mond sowie das Drehbuch nach dem Roman von Gerhard Zwerenz von Rainer Werner Fassbinder. April, April! Verlag 1983, S. 9.
- ↑ Zwerenz, S. 236.
- ↑ Zwerenz, S 237.
- ↑ Henscheids Erzählweise korrespondiert in vielen Aspekten mit Robert Gerhards Theorie der Hochkomik
- ↑ Henscheid, Eckhard: Die Vollidioten. Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2003. ISBN 978-3-86150-915-8. Nach dieser Ausgabe wird zitiert. S. 9.
- ↑ Die Erläuterungen (S. 203 ff.) verweisen auf das Frankfurter Nordend und geben Hinweise auf die Verschlüsselungen.
- ↑ Henscheid, S. 9.
- ↑ Henscheid, S. 26.
- ↑ Henscheid, S. 35.
- ↑ Henscheid, S. 39.
- ↑ Henscheid, S. 36 f. Diese Thematik des tumben Tors spielt auch auf das soziale Verhalten des Epileptikers Myschkin in Fjodor Dostojewskis Roman Der Idiot an.
- ↑ Henscheid, S. 26.
- ↑ Henscheid, S. 26.
- ↑ Henscheid, S. 62.
- ↑ Titelbezug
- ↑ Henscheid, S. 65.
- ↑ Henscheid, S. 100.
- ↑ Henscheid, S. 100.
- ↑ Henscheid, S. 100.
- ↑ Henscheid, S. 101.
- ↑ Henscheid, S. 180.
- ↑ Henscheid, S. 7.
- ↑ Henscheid, S. 139.
- ↑ Henscheid, S. 165.
- ↑ Henscheid, S. 166.
- ↑ Henscheid, S. 166.
- ↑ Henscheid, S. 166.
- ↑ Henscheid, S. 168 f.
- ↑ Henscheid, S. 175.
- ↑ Henscheid, S. 172.
- ↑ Henscheid, S. 172.
- ↑ Henscheid, S. 136.
- ↑ Henscheid, S. 136.
- ↑ Henscheid, S. 120.
- ↑ Henscheid, S. 172.
- ↑ Henscheid, S. 179.
- ↑ Henscheid, S. 113.
- ↑ Henscheid, S. 105.
- ↑ Henscheid, S. 105.
- ↑ Henscheid, S. 113.
- ↑ Henscheid, S. 172.
- ↑ Henscheid, S. 10.
- ↑ Henscheid, S. 125.
- ↑ Henscheid, S. 185.
- ↑ Henscheid, S. 175.
- ↑ Henscheid, S. 56
- ↑ Henscheid, S. 179.
- ↑ Henscheid, S. 177.
- ↑ gut erkennbar als Wilhelm Genazino, z. B. durch Hinweise auf dessen Roman Ein Regenschirm für einen Tag, S. 46 und 141.
- ↑ Henscheid, S. 99.
- ↑ Henscheid, S. 99.
- ↑ Henscheid, S. 147.
- ↑ Henscheid, S. 147.
- ↑ Walter Erich Richartz: Büroroman. Diogenes Verlag, Zürich 1976, ISBN 3-257-20574-0, S. 247. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Richartz, S. 249.
- ↑ Richartz, S. 246.
- ↑ Richartz, S. 253.
- ↑ Richartz, S. 255.
- ↑ Richartz, S. 256.
- ↑ Richartz, S. 257 ff.
- ↑ Richartz, S. 49.
- ↑ Richartz, S. 34.
- ↑ Richartz, S. 31.
- ↑ Richartz, S. 39.
- ↑ Richartz, S. 23.
- ↑ Richartz, S. 41.
- ↑ Richartz, S. 82.
- ↑ Richartz, S. 82.
- ↑ im Juni 1972.
- ↑ Richartz, S. 160.
- ↑ Richartz, S. 161.
- ↑ Richartz, S. 85.
- ↑ Richartz, S. 122.
- ↑ Richartz, S. 141.
- ↑ Richartz, S. 145.
- ↑ Richartz, S. 142.
- ↑ Richartz, S. 146.
- ↑ Eva Demski: Scheintod. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1993, ISBN 3-423-11675-7, S. 152. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Demski, S. 50.
- ↑ Demski, S. 25.
- ↑ Demski, S. 101.
- ↑ Demski, S. 101.
- ↑ Demski, S. 240.
- ↑ Demski, S. 241.
- ↑ Demski, S. 241.
- ↑ Demski, S. 238.
- ↑ Demski, S. 239.
- ↑ Demski, S. 239.
- ↑ Demski, S. 146.
- ↑ Demski, S. 106.
- ↑ Demski, S. 106.
- ↑ Demski, S. 317.
- ↑ Demski, S. 376.
- ↑ Demski, S. 69.
- ↑ Demski, S. 218.
- ↑ Demski, S. 234.
- ↑ Demski, S. 236.
- ↑ Demski, S. 278.
- ↑ Demski, S. 324.
- ↑ Demski, S. 351.
- ↑ Demski, S. 374.
- ↑ Andreas Maier: Kirillow. Suhrkamp. Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-518-41691-X, S. 37. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 228.
- ↑ ein weiterer Dostojewski-Verweis
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 28.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 9.
- ↑ Hier taucht das später von Julian weitergeführte Selbstmordmotiv in Anspielung auf Dostojewskis Roman auf ,(A. Maier: Kirillow. 2005, S. 248.)
- ↑ Maiers Roman ist durch zwei Zitate des Studenten Kirillow eingekleidet: A. Maier: Kirillow. 2005, S. 5. Auch auf S. 294 und S. 345 wird auf die Dämonen und Kirillows Selbstmord verwiesen
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 139.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 210.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 212.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 215.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 216.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 248.
- ↑ A. Maier: Kirillow. 2005, S. 346. mit Bezug zum Motto S. 5.
- ↑ Martin Mosebach: Eine lange Nacht. Deutscher Taschenbuch Verlag, München. 2009, ISBN 978-3-423-13738-6, S. 277. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 17.
- ↑ Tennenbaum, Silvia: Straßen von gestern. btb Verlag, München 2013, ISBN 978-3-442-74630-9.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 95.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 96.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 196.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 170.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 170.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 254.
- ↑ bezieht sich offenbar auf das Frankfurter Diakonissenhaus in der Cronstettenstraße, nördlich des Holzhausenparks.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 257.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 413.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 401.
- ↑ Mosebach, Nacht, S. 257.
- ↑ Mosebach, Martin: Das Blutbuchenfest. Hanser, München 2014.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 443.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 207.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S.215.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 215.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 391 ff.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 189 ff.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 227.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 227.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 228.
- ↑ Mosebach, Blutbuchenfest, S. 436.
- ↑ Bodo Kirchhoff: Schundroman. Fischer, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-596-16075-8, S. 11. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Kirchhoff, S. 49.
- ↑ Kirchhoff, S. 42.
- ↑ Kirchhoff, S. 186.
- ↑ Kirchhoff, S. 198.
- ↑ Kirchhoff, S. 120.
- ↑ Kirchhoff, S. 161.
- ↑ Kirchhoff, S. 212 ff.
- ↑ Kirchhoff, Bodo: Die Liebe in groben Zügen. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt am Main 2012.
- ↑ Kirchhoff, Bodo: Verlangen und Melancholie. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2014.
- ↑ Wilhelm Genazino: Ein Regenschirm für einen Tag. München 2003, ISBN 3-423-13072-5, S. 68. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Genazino, S. 17.
- ↑ Wilhelm Genazino: Abschaffel. Die Vernichtung der Sorgen. Falsche Jahre. Roman-Trilogie. Dtv, München 2002.
- ↑ Genazino, Abschaffel, S. 269.
- ↑ Wilhelm Genazino: Die Liebe zur Einfalt. Carl Hanser, München 2012, S. 59 ff.
- ↑ Genazino, S. 109.
- ↑ Genazino, S. 94.
- ↑ Genazino, S. 110.
- ↑ Genazino, S. 124.
- ↑ Genazino, S. 159.
- ↑ Genazino, S. 158 f.
- ↑ Genazino, S. 114.
- ↑ Genazino, S. 26.
- ↑ Genazino, S. 103.
- ↑ Genazino, S. 120.
- ↑ Genazino, S. 120.
- ↑ Genazino, S. 41.
- ↑ Genazino, S. 160.
- ↑ Genazino, S. 160.
- ↑ Wilhelm Genazino: Bei Regen im Saal. Carl Hanser, München 2014.
- ↑ Genazino, Bei Regen im Saal, S. 151.
- ↑ Genazino, Bei Regen im Saal, S. 151.
- ↑ Genazino, S. 41.
- ↑ Genazino, S. 105.
- ↑ Genazino, S. 105.
- ↑ Genazino, S. 157.
- ↑ Genazino, S. 157.
- ↑ Genazino, S. 41.
- ↑ Genazino, S. 38.
- ↑ Genazino, S. 18.
- ↑ Genazino, S. 14.
- ↑ Genazino, S. 9.
- ↑ Genazino, S. 18.
- ↑ Genazino, S. 50.
- ↑ Genazino, S. 95.
- ↑ Genazino, S. 36.
- ↑ Genazino, S. 37.
- ↑ Genazino, S. 37.
- ↑ Genazino, S. 37.
- ↑ Genazino, S. 37.
- ↑ Genazino, S. 39.
- ↑ Genazino, S. 44.
- ↑ Genazino, S. 41.
- ↑ Genazino, S. 17.
- ↑ Genazino, S. 71.
- ↑ Genazino, S. 71.
- ↑ Genazino, S. 166 ff.
- ↑ Genazino, S. 171.
- ↑ Genazino, S. 169.
- ↑ Genazino, S. 170 f.
- ↑ Genazino, S. 76.
- ↑ Genazino, S. 100.
- ↑ Genazino, S. 166.
- ↑ Peter Kurzeck: Übers Eis. Stoemfeld Verlag. Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-87877-580-6, S. 24 ff.
- ↑ Peter Kurzeck: Wieder Oktober. In: Maria Gazzetti (Hrsg.): Frankfurt: literarische Spaziergänge. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2006, ISBN 3-596-16935-6, S. 180.
- ↑ Peter Kurzeck: Als Gast. Stroemfeld Verlag. Frankfurt am Main 2003, ISBN 3-87877-825-2.
- ↑ Kurzeck, Gast, S. 49.
- ↑ Kurzeck, Gast, S. 50.
- ↑ Kurzeck, Gast, S. 225.
- ↑ Kurzeck, Gast, S. 305 ff.
- ↑ Kurzeck, Gast, S. 308.
- ↑ Kurzeck, Eis, S. 79.
- ↑ Kurzeck, Eis, S. 80.
- ↑ Kurzeck, Oktober, S. 173 ff.
- ↑ Kuzeck, Oktober, S. 180.
- ↑ Martin Mosebach: Die Türkin. dtv 2008, ISBN 978-3-423-13674-7, S. 5 und 7. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Hinweise: Mosebach, S. 69 f.
- ↑ Mosebach, Türkin, S. 60.
- ↑ Mosebach, Türkin, S. 59 f.
- ↑ Mosebach, S. 70.
- ↑ Mosebach, Türkin, S. 94.
- ↑ Orhan Pamuk: Schnee. Fischer-Taschenbuch, Frankfurt a. M. 2009, ISBN 978-3-596-51077-1, S. 301. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Pamuk, Schnee, S. 301.
- ↑ Pamuk, Schnee, S. 301.
- ↑ Pamuk, Schnee. S. 313
- ↑ Pamuk, Schnee. S. 453.
- ↑ Pamuk, Schnee, S. 279.
- ↑ Martin Mosebach: Der Mond und das Mädchen. Hanser, München 2007, ISBN 978-3-446-20916-9, S. 45. Nach dieser Ausgabe wird zitiert.
- ↑ Mosebach, Mond, S. 46.
- ↑ Mosebach, Mond, S. 163.
- ↑ Martin Mosebach: Was davor geschah. Hanser Verlag. München 2010, ISBN 978-3-446-23562-5, S. 12.
- ↑ Mosebach, Mond, S. 23.
- ↑ Mosebach, Mond, S. 46 f.