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Differentialrechnung

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In der Mathematik ist die Differentialrechnung eines der zwei Hauptgebiete der Analysis. Sie untersucht das Verhalten von mathematischen Funktionen bzw. deren Kurven oder Oberflächen. Begriffe wie Steigung oder Krümmung werden definiert.

Erfunden wurde die Differentialrechnung (unabhängig von einander) von Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz, die von unterschiedlichen Problemstellungen ausgingen.

Leibniz ging von einem geometrischen Problem aus, dem Tangentenproblem: Er wollte eine Gerade an eine Kurve legen, die diese in einer kleinen Umgebung möglichst gut annähert.

Newtons Ansatzpunkt war das physikalische Problem der Momentangeschwindigkeit: Es soll zu einer ungleichförmigen Bewegung zu einem gegebenen Zeitpunkt eine gleichförmige Bewegung gefunden werden, die sie in einem kleinen Zeitintervall möglichst gut annähert.

Beide Problemstellungen lassen sich zurückführen auf das Suchen der Steigung der Tangente in einem bestimmten Punkt einer stetigen Funktion.

Differenzierbarkeit

Die Funktion f heißt differenzierbar an der Stelle x0 falls der Grenzwert

existiert. Man nennt ihn den Differentialquotienten. Eine Funktion ist genau dann differenzierbar wenn sie an jeder Stelle ihres Definitionsbereichs differenzierbar ist. In einfachen Worten bedeutet das, dass f genau dann differenzierbar ist wenn an jedem Punkt des Graphen von f genau eine Tangente existiert.

Differentialquotient

Die Steigung einer Geraden zwischen zwei Punkten des Graphens einer Funktion f(x) (Sekante) ist der Differenzenquotient

Lässt man nun die beiden Punkte immer näher zusammen wandern und bildet den Grenzwert, so wird die Sekante zur Tangente und man erhält den Differentialquotienten:

Ableitung einer Funktion

Newtons Ansatz führt zu dem gleichen Ergebnis: Wenn f(t) den in der Zeit t zurückgelegten Weg angibt, so ist die mittlere Geschwindigkeit:

bildet man nun wieder den Grenzwert für Δt nach 0 ergibt sich die Momentangeschwindigkeit:

Die Terme dx und dy beziehungsweise ds und dt heißen Differentiale; ein Differential ist auch in der üblichen Notation eines Integrals enthalten.

Ableitungsfunktion

Die Funktion der Differentialquotienten an allen Stellen von f nennt man die Ableitungsfunktion f ' - oder kurz Ableitung - von f. f ' (x0) nennt man die Ableitung von f an der Stelle x0. Sie entspricht der Steigung des Graphen der Funktion an der Stelle x0.

Ist die Ableitung stetig, dann heißt f stetig differenzierbar.

Beispiele

Beispiel für das Bestimmen einer Ableitungsfunktion

Gesucht ist die Ableitung der Funktion mit der Gleichung Dann ist

und daher

Beispiel für eine nicht differenzierbare Funktion

f(x) = |x| ist an der Stelle 0 nicht differenzierbar, denn es gilt:

Wenn x > 0 gilt f(x)= x und damit

und wenn x < 0 gilt f(x) = -x und damit

Da der linkseitige und der rechtsseitige Grenzwert nicht übereinstimmen existiert kein allgemeiner Grenzwert und f ist nicht differenzierbar.

Sieht man den Graf von f, so könnte man sagen, dass f genau dann differenzierbar ist, wenn er keine "Knicke" enthält.

Beispiel für eine nicht stetig differenzierbare Funktion

Beachte: Selbst wenn f überall differenzierbar ist, muss die Ableitung nicht stetig sein. Zum Beispiel ist die Funktion in jedem Punkt differenzierbar, aber die Ableitung

ist im Punkt 0 nicht stetig.

Ableitungsregeln

Seien f, g und h (im Definitionsbereich) differenzierbare, reelle Funktionen, n und a reelle Zahlen, dann gilt:

  • konstante Funktion: (a)' = 0
  • Potenzregel: (xn)' = nxn-1, falls n ≠ 0
  • Summenregel: (g+h)' = g'+h'
  • Differenzenregel: (g-h)' = g'-h'
  • Faktorregel: (a·f)' = a·f'
  • Produktregel: (g·h)' = g'h + h'g
  • Quotientenregel:
  • Kettenregel: (g(h(x)))' = g'(h(x))·h'(x)
  • Umkehrregel: Ist f eine, an der Stelle x0 differenzierbare, bijektive Funktion mit f'(x0)≠0, und ihre Umkehrfunktion f-1 bei f(x0) differenzierbar, dann gilt:

    (Spiegelt man einen Punkt P des Graphen von f an der 1.Mediane und erhält damit P* auf f-1, so ist die Steigung von f-1 in P* der Kehrwert der Steigung von f in P)

Die Ableitungen einiger elementarer Funktionen sind in der Tabelle von Ableitungs- und Stammfunktionen angegeben.

Mehrfache Ableitungen, Glattheit

Ist die Ableitung einer Funktion f wiederum differenzierbar, so lässt sich die zweite Ableitung von f als Ableitung der ersten definieren. Auf dieselbe Weise können dann auch dritte, vierte, etc. Ableitungen definiert werden.

Eine unendlich oft differenzierbare Funktion wird glatt genannt. Jede analytische Funktion ist glatt, aber nicht umgekehrt, wie das im Artikel Taylorreihe gegebene Beispiel einer nicht analytischen glatten Funktion zeigt.

Ableitungen nach der Zeit

Die wichtigste Anwendung der Analysis in der Physik ist die Ableitung nach der Zeit: die Änderungsrate.

Wenn man zum Beispiel die Funktion der zurückgelegten Strecke (Position) nach der Zeit ableitet erhält man die Geschwindigkeit. Leitet man diese nach der Zeit ab, erhält man die Beschleunigung.

Partielle Ableitungen

Alle vorigen Ausführungen legten eine Funktion in einer Variablen (also eine -Funktion) zu Grunde. Hingegen können Funktionen in mehreren Variablen (also -Funktionen) nach jeder unabhängigen Variable abgeleitet werden. So lassen sich für eine Funktion in Variablen insgesamt so genannte partielle Ableitungen errechnen:

Die einzelnen partiellen Ableitungen einer Funktion lassen sich auch gebündelt als Nablavektor anschreiben.


Herleitung von Ableitungsregeln (extern, pdf)

Siehe auch: Differentialgleichung, partielle Differentialgleichung, Integralrechnung, Partielle Ableitung