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Avignonesisches Papsttum

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Als Avignonesisches Papsttum oder Papsttum in Avignon wird die Zeit bezeichnet, in der die Päpste ihren Sitz in Avignon hatten. Insgesamt sieben Päpste und mehrere Gegenpäpste residierten dort, bevor Urban VI. endgültig nach Rom zurückkehrte. Dies war der Auslöser für das große Schisma, welches von 1378 bis zum Konzil von Konstanz andauerte. In der Zwischenzeit gab es zwei Päpste, einen in Rom und einen in Avignon, was zu einer dramatischen Zerrissenheit der gesamten abendländisch-christlichen Welt führte, bevor das Schisma 1417 endgültig beseitigt werden konnte.

Geschichte

Ausgelöst wurde der Umzug der Kurie nach Avignon indirekt durch die Politik Papst Bonifaz' VIII., der sich gegen die wachsende Macht und Einflussnahme des französischen Königs Philipp IV. aufgelehnt hatte. Clemens V., selbst ein Südfranzose, stand bereits völlig unter französischem Einfluss. So wurde er 1305 in Beisein Philipps zum Papst gekrönt und verlegte seinen Sitz, auch aufgrund der Machtkämpfe mit den mächtigen Adelsfamilien in Rom, die die Kräfte des Papsttums immer mehr banden, schließlich 1309 nach Avignon. Clemens' zaghafter Versuch, sich mit Hilfe des römisch-deutschen Kaisers Heinrich VII. der Einflussnahme Philipps zu erwehren, endete schon bald, zumal Heinrich in Italien die alte imperiale Politik im Stil der Staufer zu erneuern versuchte, sodass Clemens sich wieder Philipp zu wandte. Dabei spielte auch die Androhung Philipps eine Rolle, den Prozess gegen Bonifaz VIII. wieder aufzunehmen, was schwerwiegende Folgen für das Papsttum gehabt hätte.

Palais des Papes (Papstpalast), Avignon

In den nachfolgenden Jahren gewannen die Franzosen auch immer mehr Einfluss in der Kurie: So waren die große Mehrheit der neu ernannten Kardinäle Franzosen, vor allem aber Südfranzosen. Die Mehrheit der Italiener im Kardinalskollegium ging bald verloren, was diese nur mühsam ertrugen. Ein Kennzeichen des avignonesischen Papsttums war auch, dass die jeweiligen Päpste zunehmend ihre Verwandtschaft protegierten. Der Papstpalast in Avignon wurde unter Clemens VI. prächtig ausgebaut, wie auch der Papsthof teils sehr prunkvoll wirkte. Zugleich wurde auch die Verwaltung besser organisiert und stärker als zuvor zentralisiert, Avignon wurde 1348 schließlich von Clemens VI. gekauft. Der Papsthof von Avignon selbst wurde ein Zentrum des Mäzenatentums und des Frühhumanismus, wie auch die Universität von Avignon einen guten Ruf genoss.

Versuche des Papsttums, regulierend in Italien einzugreifen, wo der Kirchenstaat Auflösungserscheinungen zeigte, blieben erfolglos, nicht zuletzt auch aufgrund der Bestrebungen mächtiger Kommunen wie Florenz oder mächtiger Adelsfamilien wie den Visconti von Mailand. Aber auch die allgemeinen kommunalen Streitigkeiten erschwerten diesbezügliche Unternehmungen einzelner avignonesischer Päpste. Mit dem Kaisertum kam es immer wieder zum Konflikt: neben dem besprochenen zwischen Clemens V. und Heinrich VII. sei auf die Streitigkeiten zwischen Johannes XXII. und Ludwig dem Bayern verwiesen, der Johannes sogar (ohne Wirkung) für abgesetzt erklärte. Unterstützung erhielt der Kaiser dabei von Marsilius von Padua und Wilhelm von Ockham (siehe auch Armutsstreit). Unter Karl IV. verbesserte sich das Verhältnis jedoch spürbar, da der Kaiser auf ein enges Zusammenspiel der beiden Universalmächte Wert legte. So bot er Urban V. an, unter seinem Schutz nach Rom zurückzukehren. Im Osten versuchten die Päpste, eine Kirchenunion mit der Ostkirche in Byzanz zu erreichen - allerdings ohne Erfolg. Ebenso scheiterten die teils großangelegten Kreuzzugspläne einzelner Päpste.

Die enge Anlehnung des Papstes an die französische Monarchie (die in unterschiedlicher Intensität immer gegeben war) und der moralische Zustand des Papsttums, wie unter Clemens VI., sowie die Praxis der Pfründenvergabe zur Finanzierung des päpstlichen Hofes, rief auch Kritik hervor. So äusserte sich Petrarca sehr verächtlich über die Zustände in Avignon. In Rom wurde der Ruf nach einer Rückkehr der Päpste immer lauter; nach zaghaften Versuchen unternahmen Gregor XI. und schließlich Urban VI. diesen Schritt - mit katastrophalen Folgen (siehe Abendländisches Schisma). Das avignonesische Papsttum endete schließlich faktisch mit Benedikt XIII.

Liste der avignonesischen Päpste bzw. Gegenpäpste

Literatur

Quellen

  • Vitae paparum Avenionensium (1305-1394), E. Baluze, neubearb. von Guillaume Mollat, 4 Bde., 1916-1922 (frz. Les papes d'Avignon, 1965).

Sekundärliteratur in Auswahl

  • A.-M. Hayez/M. Hayez: Papst/Papsttum VII., in: Lexikon des Mittelalters, Bd. 6, Sp. 1677ff.
  • Hermann Hold: Unglaublich glaubhaft: Die Arengen-Rhetorik des Avignoneser Papsttums, 2 Bde., Frankfurt a.M. 2004.
  • Guillaume Mollat: Les papes d'Avignon, Paris 1912 (10. Aufl. 1964). Älteres Standardwerk.
  • Stefan Weiß: Die Versorgung des päpstlichen Hofes in Avignon mit Lebensmitteln (1316-1378). Studien zur Sozial- und Wirtschaftsgeschichte eines mittelalterlichen Hofes, Berlin 2002.
  • Ders.: Rechnungswesen und Buchhaltung des Avignoneser Papsttums (1316-1378). Eine Quellenkunde (Monumenta Germaniae Historica. Hilfsmittel 20), Hannover 2003.
  • Ders.: Kredite europäischer Herrscher für Gregor XI. Zur Finanzierung der Rückkehr des Papsttums von Avignon nach Rom, in: Quellen und Forschungen aus italienischen Archiven und Bibliotheken 77, 1997, S. 176-205.