Vertrieb
Der Vertrieb ist ein Teilbereich des Handels, also des Austauschprozesses von Gütern (Waren und Dienstleistungen) gegen Geld oder gegen andere Güter (Tauschhandel). Im Gegensatz zur Beschaffung (dazu gehört insbesondere der Einkauf) ist der Vertrieb das Geschäft eines Unternehmens mit seinen Abnehmern (Kunden) sowie der Verkauf (die Liquidation) von Privatbesitz (C-to-C).
Insofern stellt der Vertrieb das letzte Glied in der betrieblichen Wertschöpfungskette und die Tätigkeit des Verkaufens im Allgemeinen dar, wobei der Verkaufsbegriff im juristischen Verständnis der diesen Vertragstypus regelnden Normen der § 433 ff. BGB nur für den Vertrieb von Sachen und Rechten zutrifft, nicht aber für den Vertrieb von Diensten. Dies liegt in der immateriellen Eigenschaft von Dienstleistungen begründet, deren man dinglich nicht habhaft werden kann. Siehe hierzu: Dienstvertrag und Werkvertrag.
Im Bereich der Betriebswirtschaftslehre feststehende Aufgaben des Vertriebs sind im Marketing zusammengefasst und betreffen zunächst die Absatzplanung und die Akquise. Im Weiteren sind die Aufgaben der Distributionspolitik und der Verkaufspsychologie mit Hilfe einer zielgerichteten Rhetorik gemeint.
Rahmenbedingungen des Vertriebs
Die Rahmenbedingungen des Vertriebs ergeben sich nicht nur aus dem Leistungsangebot des Anbieters selbst, sondern auch aus der Marktsituation, die er vorfindet, nämlich die Bedürfnisse der Nachfrager und das Angebot der Wettbewerber. Der jeweilige Absatzmarkt kann dabei ein Käufermarkt oder ein Verkäufermarkt sein, wobei in den westlichen Industrieländern überwiegend Käufermärkte bestehen, das heißt, dass eher die Nachfrager das Angebot bestimmen als umgekehrt. Das wird in Anlehnung an P. Kotler oft zu der Formel zusammengefasst: „Versuche nicht zu verkaufen, was bereits produziert wurde, sondern produziere, was sich verkaufen lässt“. Die Festlegung des Absatzprogramms sowie die Prognose der Absatzmengen und der erzielbaren Preise sind Aufgaben der Absatzplanung.
Evolutionspfad des Vertriebs
Im Rahmen eines steigenden Ausbildungs- und Wissensniveaus, sowohl auf Käufer- als auch Verkäuferseite, lässt sich heute ein sog. Evulotionspfad für Vertriebskonzeptionen erkennen.[1]
1. Rattenjagd-Vertrieb
- Verkäufer sollen nur verkaufen
- "Simple" Verprovisionierung fördert Kurzfristdenken
- Kundenbindung kein Thema
- Verkäufer hat keine strategische Mitverantwortung
- Verkäufer kennen ihre Kosten nicht
2. Verkaufen mit Methode
- Marktstrategie im Mittelpunkt
- Verkäufer verfolgen komplexe ielsetzungen
- Marketing bietet Unterstützung
- Beratungsverkauf
- Kostenbewusstsein
- Win-Win-Partnerschaften
3. CRM-Vertrieb (Verkaufen mit System)
- Fokus: integrierte Kundendaten
- Fouks: IT-gestützte optimale Prozesse
- Bessere Beziehungen -> bessere Potenzialausschöpfung
- VOm Marktwissen zur schnellen Aktion
- Fokus: Kundenbindung
Verkaufstechnik
Wesentliche Elemente der Verkaufstechnik sind neben den Präsentationsmitteln, Werbeträgern und Werbemitteln sämtliche Bereiche der Verkaufspsychologie, vor allem im Verkaufsgespräch. Die Verkaufspsychologie umfasst Methoden zur Informationsgewinnung, gezielten Einflussnahme, Einwandbehandlung und Kundenrückgewinnung, bspw. im Reklamationsfall. Dazu gehören auch die vorgelagerten Bereiche des Selbstmanagements inkl. des Zeitmanagements und der Persönlichkeitsbildung sowie der nachgelagerte Bereich des After-Sales-Managements. In letzter Zeit wird den neurowissenschaftlichen und psychologischen Erkenntnissen im Rahmen des Vertriebs mehr Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Verkaufspersonal
Naturgemäß rangieren für den Anbieter seine wirtschaftlichen Interessen vor den Interessen des Mitarbeiters. Anders ist das nur dann, wenn Angehörige des Vertriebspersonals über Marktkenntnisse und/oder Kundenkontakte verfügen, auf die der Anbieter angewiesen ist. Verkäufer sollten gewisse Erwartungen erfüllen in Bezug auf Freundlichkeit, Bedarfsermittlung und Cross-Selling.
Im Handel und im Endkundengeschäft der Konsumgüter-Industrie sollten Verkäufer die in sie gesetzten Erwartungen hinsichtlich Kundenfreundlichkeit, Bedarfsermittlung, Cross-Selling und gegebenenfalls geschmackvolle Verpackung im besonderen Maße erfüllen, da sie weisungsgebunden sind und in der Regel erfolgsunabhängig vergütet werden.
Verkauf im Marketing
Innerhalb des Marketings wird Verkaufspolitik, also die Art des Verkaufs, auch als Distribution oder Vertrieb bezeichnet. Kundenorientierung und Kundenbindung sind hierbei Schlüsselbegriffe. Die mit der Akquisition (Kundengewinnung) beauftragten Verkäufer haben je nach ihrer Spezialisierung und handelsrechtlichen Stellung verschiedene Berufsbezeichnungen.
Akquisition
Als Akquisition werden die Maßnahmen der Kundengewinnung bezeichnet. Damit soll das akquisitorische Potenzial ausgeschöpft werden. So weist Erich Gutenberg auf die Verbindung zwischen dem Unternehmen und den Präferenzen (Vorlieben) bestimmter Kundengruppen hin: Diese Anziehungskraft bietet die Möglichkeit, überdurchschnittliche Preise durchzusetzen. (Erich Gutenberg 1973, S. 238)
Das akquisitorische Potenzial (vgl. Preis-Absatz-Funktion) kennt man heute als Goodwill, Image oder "Attraktivität eines Produktes/Unternehmens". Dies ist zur Abgrenzung gegenüber der Konkurrenz wesentlich.
Angestellte Verkäufer
Der so genannte feste Verkäufer (auch Reisender) ist mit einem Dienstvertrag nach § 611 BGB fortfolgende des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) an seinen Arbeitgeber gebunden. Dementsprechend schuldet der Arbeitgeber ihm unabhängig vom Verkaufserfolg Lohn und Fürsorge, insbesondere auch Sozialversicherungsleistungen.
Selbstständige Verkäufer
Der Handelsvertreter ist selbstständiger Kaufmann und Unternehmer. Im Gegensatz zum angestellten Verkäufer kann er auch für mehrere Anbieter tätig werden (so genannter Mehrfirmenvertreter), und er bestimmt selbstständig die Art sowie den Umfang seiner Tätigkeit, ist also nicht zu bestimmten Tätigkeiten verpflichtet. Rechte und Pflichten regelt ein Handelsvertretervertrag. Eine moderne Sonderform ist die zeitlich begrenzte Beauftragung von Handelsvertreter-Organisationen in Form des so genannten Mietvertriebs (häufig durch Callcenter und angegliederten Außendienst).
Wahl des Verkäufers
Auch wenn sich Anbieter und Verkäufer formell nicht auf eine dieser Rechtsformen beziehen und ggf. keine schriftliche Vertriebsvereinbarung treffen, bestimmen sich die Rechte und Pflichten regelmäßig nach den tatsächlich vorherrschenden Bedingungen und den hierzu verkehrsüblich geltenden Vergütungen. Ein so genannter freier Mitarbeiter, welcher z. B. ohne die Bestimmungen des Handelsvertreterrechtes scheinselbstständig arbeitet oder nicht weiß, dass sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstehen, sobald bestimmte Kriterien unselbstständiger Tätigkeit vorliegen (z. B. Weisungsgebundenheit, Inanspruchnahme der Betriebsmittel des Anbieters oder organisatorische Einordnung in dessen Betriebsablauf), gilt auch im Nachhinein gegenüber den Sozialversicherungsträgern als leistungspflichtig. Auch Franchise-Verträge und Maklervereinbarungen können, wie alle Rechtsverhältnisse, strittig ausgelegt werden, wenn keine klare Vereinbarung getroffen wird. Ein Rechtsgeschäft steht jedoch keinesfalls im rechtsfreien Raum, nur weil kein schriftlicher Vertrag geschlossen wurde.
Für die Festeinstellung kann der Unternehmer je nach Besetzungsbild mit Hilfe entsprechender Methoden der Eignungsdiagnostik entscheiden, ob der einzelne Verkäufer für die zu besetzende Position beziehungsweise im so genannten Bestellzentrum richtig positioniert ist. Die zu erwartende Verhandlungsgruppe im Einkaufszentrum des Kunden bestimmt dabei die Zusammensetzung des Teams im Industrieverkauf. Bei der Wahl des Vertriebsweges muss ein Unternehmen eine Reihe von Faktoren berücksichtigen. Erfahrungsgemäß überwiegen dabei die wirtschaftlichen Interessen des Anbieters gegenüber den Interessen der Mitarbeiter und Kunden. Eine solche Position wird dann gegebenenfalls umgekehrt, wenn der Verkäufer mit wichtigen Informationen über den Markt in die Verhandlung mit dem Anbieter eintritt und die Machbarkeit der Vorgaben aufgrund seiner Berufserfahrung und/oder seiner Kundenkontakte relativieren kann (zum Beispiel Daten zum Abnehmerverhalten in diesem speziellen Marktumfeld aufzeigt). Der „Verkauf“ der verkäuferischen Dienstleistung ist somit die plausibelste Arbeitsprobe für die Bewertung von Verkäufern in der Praxis.
Arten des Vertriebs
Zum Vertrieb im weiteren Sinne gehört auch die Wahl der Vertriebswege. Dabei hat ein Unternehmen eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen (siehe Distributionspolitik). Die wichtigsten Vertriebswege (Distributionskanäle) sind:
- Direktvertrieb
- Direktverkauf beim Kunden (durch Handelsvertreter oder Reisende)
- Telefonverkauf des Herstellers (nicht eines Händlers)
- E-Commerce des Herstellers (nicht eines Händlers)
- Kommissionsverkauf (die Ware bleibt Eigentum des Herstellers)
- Direktvermietung (Direktes Leasing)
- Direkttausch
- Indirekter Vertrieb
- Handelsverkauf (Vertrags- und freie Händler)
- Franchising (Franchise-Nehmer handeln im eigenen Namen und auf eigene Rechnung)
- Indirekte Vermietung (Indirektes Leasing)
- Indirekter Tausch (Bartering).
Beratung des Kunden
Kunden erwarten vom Vertriebspersonal eine gewisse Beratung. Allerdings hat der Vertrieb letztlich das Ziel, Gewinn zu erwirtschaften (Gewinnerzielungsabsicht). Nur wenige, mehrheitlich staatlich gehaltene Unternehmen verfolgen das Ziel einer Grundversorgung der Bevölkerung mit Infrastruktur oder Verwaltungsdiensten. Privatwirtschaftliche Unternehmen streben hingegen danach, sich gegen ihre Mitbewerber durchzusetzen. Deswegen streben sie nicht nach Markttransparenz und informieren potenzielle Kunden i. d. R. nicht objektiv und umfassend, insbesondere nicht über die Schwächen des eigenen Produktes oder über die Stärken der Mitbewerber (siehe Asymmetrische Information). Für eine vollständige und objektive Beratung (symmetrische Information) sollte der Käufer sich also nicht auf den Verkäufer verlassen, sondern einen unabhängigen Berater einschalten, beispielsweise einen Makler.
Dementsprechend sehen Auftrag- bzw. Arbeitgeber mit höchster Priorität die Verkaufszahlen und nur bei sehr beratungsintensiven Investitionsgütern auch die Kompetenz von Vertriebsmitarbeitern als Berater. Überspitzt formuliert: sie lassen ihre Vertriebsmitarbeiter gerade so viel wissen, dass diese das Produkt verkaufen können. Über Nachteile und Risiken des Produkts, über Stärken der Mitbewerber oder über die genaue Praxis der Schadensregulierung bei Versicherungen werden Verkäufer häufig überhaupt nicht informiert.
Wenn fehlende Fachkompetenz durch gekünstelt souveränes Auftreten kompensiert wird, resultieren hieraus oft eine latente Unverbindlichkeit und mangelnde Authentizität vieler Verkäufer. Der Umgang mit kritischen Kunden wird als Zeitverschwendung betrachtet und von der Vertriebsleitung vor allem im Bereich des Direktvertriebs von Konsumgütern und normierten Finanzdienstleistungen oder Nahrungsergänzungsprodukten ausgeklammert. Da konsumnahe Branchen aus volkswirtschaftlicher Sicht aufgrund ihrer hohen Umsätze eine starke Bedeutung haben und selbst seriöse Hersteller oft eigenständige operative Vertriebseinheiten mit zum Teil skurrilen Verkaufsmethoden organisieren (siehe z. B. Multi Level Marketing-Publikationen), prägen aggressive Philosophien den Verkäuferberuf in der Öffentlichkeit nachhaltiger als beispielsweise die überwiegend seriöse Beratungspraxis der vergleichsweise wenigen Verkäufer im Investitionsgütermarkt oder der vielen Fachkräfte im Ladenverkauf.
Positiv bringen sich insbesondere solche Unternehmen ein, die stark von der Beratungsleistung ihrer Verkäufer abhängen und auf langfristige Kundenkontakte angewiesen sind und ihre Verkäufer daher fest einstellen oder langfristige Handelsvertretungen einrichten. Angesichts kurzer Produktlebenszyklen und/oder einer überschaubaren Anzahl untereinander bekannter potenzieller Kunden kann sich ein Anbieter keine schlechte, d. h. für ihn kostengünstige Beratung leisten.
Die dem zugrunde liegende Kosten-Nutzen-Betrachtung ist für den Einsatz von Verkäufern im Rahmen der Distributionspolitik des Marketings anzufertigen.
Verdienst
Traditionell liegen die Einkommensspannen im Vertrieb extrem weit auseinander. Dies liegt zum einen an den unterschiedlichen Margen in den verschiedenen Branchen, zum anderen schlagen sich große Unterschiede in der Beratungs- und Investitionsbegleitung für den Verkäufer nieder. Die Verdienstmöglichkeiten der Reisenden und Handelsvertreter hängen weiterhin in der Praxis hauptsächlich von der Branche und dem Produktlebenszyklus sowie vom Erfolg des Verkäufers ab. Während Einzelhandelsverkäufer oft mit unter 1.000,- Euro im Monat vergütet werden und Verkäufer im Kassendienst einer Tankstelle häufig im Niedriglohnbereich angesiedelt sind, erwirtschaften Ingenieure mit betriebswirtschaftlichem Zusatzstudium im internationalen Investitionsgüterverkauf in der Regel ein knapp sechsstelliges Einkommen im Jahr.
Weiterbildung
Geprüfte(r) Fachberater/in im Vertrieb - deutschlandweit anerkannter IHK-Abschluss (IHK - Weiterbildungsstufe I)
Fachkaufmann/-frau für Vertrieb - europaweit anerkannter IHK-Abschluss (IHK - Weiterbildungsstufe II)
sowie die noch wenig bekannte Ausbildung zu "Geprüfter Vertriebswirt".
Siehe auch
- Absatzmittler
- Abverkauf
- After-Sales-Management
- Customer Relationship Management
- Distributionspolitik
- Nachfassen
- Netzwerk-Marketing
- Preispolitik
- Presales
- Produktpolitik
- Verkaufsförderung
- Vermarktung
- Vertriebscontrolling
Literatur
- Geml, Richard/Lauer, Hermann: Marketing- und Verkaufslexikon, 4. Auflage, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-7910-2798-2
- Kreuter, Dirk: Verkaufs- und Arbeitstechniken im Außendienst, Berlin 2006, ISBN 3-589235209
- Limbeck, Martin: Das neue Hardselling - Verkaufen heißt verkaufen, 2. Auflage, ISBN 3-8349-0540-2 *Nitsche, Wolfgang M.: Verkaufen - Herzblut der Marktwirtschaft, Bonn 1992, ISBN 3-9803219-0-8
- Sant, Tom: The Giants of Sales: What Dale Carnegie, John Patterson, Elmer Wheeler, and Joe Girard Can Teach You About Real Sales Success, Mcgraw-Hill Professional 2006, ISBN 0814472915
- Schröder, Daniel: Der rote Faden im Verkaufsgespräch, München und Wien 2005, ISBN 978-3854363699
- Sieck, Hartmut; Meißner, Stephan: Geschäftsberichte und Bilanzen verkaufsorientiert lesen, 2009, ISBN 978-3837034202
- Sieck, Hartmut: Erfolgreich verkaufen im B2B, 2005, ISBN 978-3834906816
- Thieme, Kurt/Fischer, Rainer/Sostmann, Michael: Preisdruck? Na und! - Wie Spitzenverkäufer Preise erfolgreich verhandeln, 3. Aufl., Uffing am Staffelsee 2005, ISBN 978-3-9810226-0-5
- van Eckert, Heiko: Praxishandbuch Vertrieb, Berlin 2005, ISBN 3-589-23681-7
- Witt, Jürgen: Prozessorientiertes Verkaufsmanagement, Wiesbaden 1996, ISBN 3-409-13567-7
Verbände
- Berufsverband der Verkaufsförderer und Trainer e.V. (BDVT)
- Bundesverband Deutscher Verkaufs- und Vertriebskräfte BDV e.V.
- Bundesverband Deutscher Vertriebsfirmen e.V. (BDV)
- Bundesverband Direktvertrieb Deutschland e.V.
- Centralvereinigung Deutscher Wirtschaftsverbände für Handelsvermittlung und Vertrieb
Einzelnachweise
- ↑ Peter Winkelmann: Vahlen Verlag, 2005 .