Digital Audio Broadcasting in Deutschland
Das Digital Audio Broadcasting (DAB) ist ein digitaler Übertragungsstandard für terrestrischen Empfang von Hörfunkprogrammen (siehe Digitaler Rundfunk). Es ist jedoch für den Frequenzbereich von 30 MHz bis 3 GHz geeignet und schließt somit auch eine Verbreitung über Kabel und Satellit ein. Entwickelt wurde DAB im Eureka-147 Projekt der EU in den Jahren 1987–2000. Der DAB-Standard ist unter dem Code „EN 300 401“ online von der europäischen Standardisierungsorganisation ETSI kostenlos erhältlich.
Verfügbarkeit
DAB ist in Deutschland, Teilen der West- und Deutschschweiz, Südtirol, Belgien und dem Vereinigten Königreich fast flächendeckend verfügbar. In Frankreich sind bisher nur einzelne Empfangsinseln um Paris und Lyon verfügbar, ebenso in den Niederlanden und Österreich. In Italien treiben vor allem die Privatsender den DAB-Ausbau in den norditalienischen Großräumen voran, und in Kanada sind einige Ballungsräume in Ontario, Québec und British Columbia versorgt. In den USA hingegen wird der Standard IBOC (In Band On Channel) zur Digitalisierung von FM- und AM-Radiosendern verwendet. Landesweit verfügbar sind zusätzlich die digitalen Radiosender der Anbieter XM und Sirius. Insgesamt wird DAB derzeit in mehr als 40 Ländern eingesetzt. Es wurden weltweit etwa 12 Millionen Empfänger verkauft.
Verfügbarkeit in Deutschland
Die DAB-Sendeabdeckung in Deutschland beträgt 80 Prozent, allerdings sind die Signale oft noch so schwach, dass sie nicht bis in die Häuser kommen und Außenantennen notwendig sind. 2006 soll aber die Sendeleistung verzehnfacht werden, um den so genannten Inhouse-Empfang zu gewährleisten. Insgesamt gibt es im gesamten Bundesgebiet zwischen 100 und 120 DAB-Programme, wobei viele davon nur lokal zu empfangen sind (Quelle siehe News, vzbv). In Bezug auf Verbreitung gibt es derzeit keine echte digitale Alternative zu DAB.
Ausbau
Offiziell erklärtes Ziel ist es, den analogen Hörfunk über UKW bis zum Jahr 2010 (siehe unten, Pressemitteilung der EU-Kommission) abzulösen. Aufgrund der derzeitigen Fortschritte wird es allerdings immer unwahrscheinlicher, dieses Ziel zu erreichen. Im Zuge auslaufender Förderprogramme ist in jüngster Zeit vielmehr in Deutschland sogar eine Abkehr von Programmanbietern zu beobachten. Vor allem in Norddeutschland stockt der Ausbau zudem, hier liegt das Hauptaugenmerk auf DVB-T (digitales terrestrisches Fernsehen), das prinzipiell auch Hörfunkprogramme übertragen kann, jedoch nur bei stationärem Betrieb des Empfängers. Hingegen wird in Bayern und der Schweiz der DAB-Ausbau zügig vorangetrieben. Zudem hat die DLM dem flächendeckenden Radio über DVB-T eine Absage erteilt (3/05, siehe News). Der deutschlandweit erste DAB-Sender wurde 2000 in Bayern installiert. Das ETSI (European Telecommunications Standards Institute) hat DAB als europäischen Standard festgeschrieben. Momentan (4/05) wird bundesweit eine technische Reichweite von 80 % der Bevölkerung erzielt. Die Europäische Kommission fordert von den Mitgliedstaaten, den analogen Rundfunk bis spätestens 2012 abzuschalten. Deutschland hat sich verpflichtet, den analogen Rundfunk bis 2010 abzuschalten.
Markt
Inzwischen wird DAB in Deutschland von seinen Lobbyisten als Digital Radio beworben, da der Begriff DAB in Deutschland bereits durch eine Bank und eine Brauerei belegt ist; beide Begriffe werden in der Literatur synonym verwendet. Allerdings ist dieser Begriff irreführend, da es diverse andere digitale Verfahren gibt, die zur Übertragung von Radioprogrammen über Satellit, Kabel und terrestrischen Rundfunk dienen (siehe Digitale Übertragungsverfahren im Vergleich). Für den stationären Empfang sind einige dieser Standards wesentlich besser etabliert. Für den mobilen Empfang, insbesondere bei hohen Geschwindigkeiten, sind diese alternativen Übertragungsverfahren teilweise gar nicht oder deutlich schlechter geeignet. Seit 2004 steht für interessierte Verbraucher eine größere Auswahl an Empfangsgeräten zur Verfügung, womit ein Hemmnis aus den Anfangsjahren aus dem Weg geräumt wurde. Es wurden weltweit etwa 12 Millionen DAB-Empfänger verkauft. In Großbritannien wurden bislang 3 Millionen DAB-Empfänger verkauft. [1] [2] Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) rät beim Neukauf eines Radios: „Trendsetter sollten sich für ein Kombigerät (für UKW- und DAB-Empfang) entscheiden“ (siehe News). Allerdings ist DAB nicht überall erfolgreich. In Deutschland gibt es zur Zeit gerade einmal etwa 200.000-300.000 DAB-Hörer. In Finnland wurden sämtliche DAB-Aktivitäten mangels Benutzern eingestellt; auch in Schweden wurde der weitere Netzausbau vollständig gestoppt.
Technik
Die Audiodaten der Programme werden bei DAB zunächst mittels MUSICAM (MP2) mit Datenraten von 32 bis 256 kbit/s codiert. Grundsätzlich ist damit CD-Qualität möglich, wird heute jedoch von vielen Sendern aus Kostengründen nicht realisiert. Für die Übertragung werden mehrere Audiodatenströme zusammen mit ebenfalls möglichen reinen Datendiensten zu einem so genannten Ensemble mit hoher Datenrate zusammengeführt.
Der so entstandene Multiplex wird mittels Coded Orthogonal Frequency Division Multiplex (COFDM) moduliert. Dieses Verfahren ist im Vergleich zur analogen Ausstrahlung deutlich robuster gegenüber Störungen. Zudem ist es möglich, weite Flächen mit nur einer Frequenz abzudecken (Gleichwellennetz). Dadurch ist die Frequenzökonomie, also der Verbrauch von Spektrum je Programm, bei DAB meist deutlich besser.
DAB verwendet in Deutschland zur Übertragung Frequenzen im Band III (174-230 MHz), zumeist den ehemaligen Fernsehkanal 12, sowie im L-Band den Bereich von 1452–1492 MHz. Band III findet Verwendung in den bundeslandweit ausgestrahlten Ensembles, das L-Band wird zur Ausstrahlung "lokaler" Multiplexe genutzt.
Datendienste
Neben der reinen Audioübertragung sind folgende Datendienste und Typen in DAB bereits spezifiziert:
MOT (Multimedia Object Transfer Protocol, ETSI-Standard EN 301 234): MOT ist ein Protokoll, um in einem Push-Broadcast-Verfahren beliebige Dateien an den Empfänger zu übertragen. Im Gegensatz zu FTP und anderen IP-bezogenen Protokollen berücksichtigt MOT die Schwierigkeiten bei einer unidirektionalen Verbindung. Dateien werden als Segmente übertragen, die wiederholt werden können, sodass der Empfänger die vollständige Datei über die Zeit hinweg zusammensammeln kann. Spezielle Zusatzinformation (im MOT-Header) beschreiben das übertragene Objekt sowie weitere Attribute (Kompression, Anwendungstyp etc.). MOT ist die Basis für das Broadcast-Website-Verfahren (BWS), mit dem dem Empfänger ein ganzer HTML-Baum mit Startseiten und interaktiven Elementen übertragen werden kann. MOT kann entweder im MP2-Datenstrom eines Audiokanals übertragen werden (PAD, Programm Associated Data) oder als reiner Datendienst in einem Paketdatenkanal (manchmal N-PAD genannt).
DLS (Dynamic Label Service): Übertragung von Radiotext-ähnlichen Informationen (Interpret etc.) in einem Audioprogramm als PAD. Es können maximal 128 Zeichen pro Nachricht übertragen werden.
IP over DAB (ETSI-Standard EN 101 735): Übertragung von IP-Paketen über DAB, damit können IP-basierte Dienste (z. B. Videostreams) auf den Empfänger übertragen werden. Ohne Rückkanal sind allerdings nur Broadcast/Multicast-Daten sinnvoll.
TMC (Traffic Message Channel): Aus RDS übernommene Übertragung von kodierten und stark komprimierten Verkehrsinformationen, die über ein Codebuch wieder in lesbaren Text bzw. Hilfestellungen für Navigationssysteme umgewandelt werden können.
Weitere Dienste sind problemlos in DAB zu übertragen, da sie über spezielle Verwaltungsinformationen im Multiplex signalisiert werden können.
Digitale Übertragungsverfahren im Vergleich
DAB ("Digital Radio")
Digital Audio Broadcasting
+ terrestrische Funk- und Kabelübertragung im Frequenzbereich von 30 MHz bis 3 GHz
+ störungsfreier mobiler Empfang bis 400 km/h im Transrapid nachgewiesen
+ hohe Klangqualität theoretisch möglich
+ auch Datendienste und Bewegtbildübertragung (Fernsehen) möglich
+ frequenzökonomischer als analoge Übertragung
+ riesige Auswahl an deutsch- und fremdsprachigen Hörfunkprogrammen via Satellit
− neuere Audiocodecs sind noch frequenzökonomischer
− terrestrisch geringe, in der regionalen Verfügbarkeit unterschiedliche Programmauswahl
− Klangqualität wird häufig aus Kostengründen drastisch reduziert (z.T. sogar schlechter als Analog-UKW)
− geringe Sendeleistung führt derzeit zu Empfangsproblemen in Gebäuden
Astra Digital Radio
+ Satellit um die 12 GHz
+ (noch) große Vielfalt deutscher Programme
− wird zwischen 2008 und 2010 abgeschaltet (basiert auf analoger TV-Übertragung per Satellit, deren Ende absehbar ist)
− Empfangsgeräte wenig verbreitet (mehrere 10.000)
− nur stationärer Empfang möglich
− nur Audioübertragung möglich
Digital Radio Mondiale
+ terrestrische Funkübertragung im Frequenzbereich von 0,15 MHz bis 30 MHz
+ dadurch große Reichweite
+ mobiler Empfang möglich
− geringe Qualität (grob vergleichbar mit Mono-MP3 bei 56–64 kb/s) bei sehr geringen Datenraten (22–24 kb/s)
Ziel ist eine Ablösung der schlechten Qualität von AM-Hörfunk bei Beibehaltung des Frequenzrasters, so dass Sender ohne Frequenzneuvergabe von AM auf DRM wechseln können. Dies schränkt die Datenraten auf 16–30 kb/s ein. Damit ist Erstaunliches möglich, HiFi gehört allerdings ins Reich des Marketings und der Legenden. Wird auch "digitale Mittelwelle" genannt.
Digital Video Broadcasting - Satellite
+ Satellit um die 12 GHz
+ Audio, Video und HDTV möglich
+ sehr große Programmauswahl
− nur stationärer Empfang möglich
basiert auf AAC+ Variante
Digital Video Broadcasting - Cable
+ Kabel im Frequenzbereich von 47 MHz bis 470 MHz, erweiterte Kabelnetze bis 862 MHz
+ Audio, Video und HDTV möglich
− nur stationärer Empfang möglich
DVB-T im 2K-Modus
Digital Video Broadcasting - Terrestrial
+ terrestrische Funkübertragung im Frequenzbereich von 47 MHz bis 870 MHz
+ mobiler Empfang bei QPSK und 16-QAM möglich
+ Audio und Video (HDTV sehr eingeschränkt) möglich
DVB-T im 8K-Modus
Digital Video Broadcasting - Terrestrial
+ terrestrische Funkübertragung im Frequenzbereich von 47 MHz bis 870 MHz
+ Audio und Video (HDTV sehr eingeschränkt) möglich
− mobiler Empfang durch Doppler-Effekt kaum mehr möglich
− in Deutschland wird der 8K-Modus verwendet
Digital Video Broadcasting - Handheld
+ ähnlich DVB-T, aber mit geringeren Datenraten und Auflösungen
- wurde hauptsächlich entwickelt, um TV-Empfang auf dem Handy zu ermöglichen. Zur Zeit gibt es etwa 30 Testnetze um die gesamte Welt verteilt. Die Einführung des Regelbetriebs beginnt 2006 unter anderem in Italien, USA, Finnland und Norddeutschland.
Digital Multimedia Broadcasting
- setzt auf DAB-Technik auf. Im 3. Quartal 2005 ging der kommerzielle S-DMB-Service (SAT) in Südkorea in Betrieb. In den ersten 3 Wochen wurden bereits 100.000 Empfänger verkauft. Per Ende Oktober gab es über 170.000 Nutzer. Gegen Ende 2005 geht im Raum Seoul T-DMB (terrestrisch) in den Regelbetrieb. Für 2006 ist die flächendeckende Ausstrahlung von sechs Programmen geplant. In Deutschland haben sich bereits 12 der 16 Landesmedienanstalten für eine Einführung von DMB anlässlich der WM 2006 ausgesprochen. Die vier norddeutschen Länder setzen jedoch auf DVB-H, wie auch 16 andere europäische Länder, 3 asiatische Länder und die USA. Österreich, Schweiz und Nord-Italien setzen neben DVB-H ebenfalls auf DMB und schließen sich dem Projekt „Regensburg“ in Bayern an.
News
- Wikinews: Stoiber kündigt Offensive bei Digitalradio DAB an
- DLM Zitat: 'Die Realisierung einer flächendeckenden Hörfunkversorgung für Inhouse-Empfang über landesweite bzw. bundesweite DVB-T-Netze ist eher auszuschließen'
- VDA-Präsident: Dem digitalen Radio muss in Deutschland jetzt zum Durchbruch verholfen werden.
- Europäische Kommission drängt zum Umstieg auf digitalen Rundfunk
- offizielle Pressemitteilung der Europäischen Kommission: Digitales Radio und Fernsehen bis 2010
- Zwischen Küche und Autobahn - Digitalradio versucht den Durchbruch
- Wikinews: vzbv: Trendsetter sollten sich für DAB-fähiges Radiogerät entscheiden
- ARD Ratgeber: Digitales Radio: Startschuss zum Umstieg
Weblinks
- WorldDAB Präsentation DAB weltweit (13 MB)
- DAB-Ensembles in Mitteleuropa
- Informationen der Initiative Marketing Digital Radio IMDR
- Digital Radio in Hessen
- DAB in der Schweiz
- World DAB Forum
- DAB in Großbritannien
- Beispiele für DAB/UKW-Autoradios im Fachhandel
- Umfangreiche Endgeräte-Datenbank
- weitere Beispiele für DAB-Geräte im Fachhandel
- Vergleichende Bewertung der verfügbaren Übertragungssysteme für den digitalen terrestrischen Hörfunk (Technische Kommission der Landesmedienanstalten)
- [3] Von hier kann das DAB-Spezifikationsdokument der ETSI nach einer kostenlosen Registrierung bezogen werden, der Suchstring lautet 300401
- Breitbandportal des BMWA
- DAB-Ensembles worldwide
- Vergleich der technischen Parameter verschiedener digitaler Plattformen