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Exhibitionismus

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Exhibitionismus im Park (Szene nachgestellt)

Exhibitionismus ist eine sexuelle Neigung, bei der die betreffende Person es als lustvoll erlebt, von anderen Personen nackt oder bei sexuellen Aktivitäten beobachtet zu werden. Sie stellt damit das Gegenstück zum Voyeurismus dar.

Der Begriff wird im medizinischen, im juristischen und umgangssprachlichen Kontext jeweils unterschiedlich verwendet. In den ersten beiden Bereichen enthält der Begriff dabei eine Abwertung, d.h. die Neigung wird als krankhaft bzw. schuldhaft gewertet. Andererseits gibt es auch Menschen, insbesondere in der Swinger-Szene, die exhibitionistische Aspekte ihrer Sexualität in einem Rahmen ausleben, in dem das Prinzip des gegenseitigen Einvernehmens gegeben ist, ohne einen (medizinisch relevanten) Leidensdruck oder eine (strafrechtlich relevante) Belästigung anderer. Bei der Produktion von Pornografie gilt eine exhibitionistische Neigung als wünschenswerte Qualifikation einer Darstellerin oder eines Darstellers.

Medizin/Psychologie

Nach ICD-10 ist der Exhibitionismus eine Persönlichkeits- oder Verhaltensstörung in Form einer Störung der Sexualpräferenz (Schlüssel F65.2), die als wiederkehrende bzw. anhaltende Neigung beschrieben wird, die eigenen Genitalien vor meist gegengeschlechtlichen Fremden in der Öffentlichkeit zu entblößen, ohne dass ein näherer Kontakt eingefordert oder gewünscht würde. Ob es sich um eine Störung der Sexualpräferenz handelt oder lediglich um eine Abweichung zu inzwischen allgemein akzeptierten Sexualpräferenzen, ist heftig umstritten. Die Entblößung kann auch vor gleichgeschlechtlichen Fremden erfolgen, die Art ist im wesentlichen von der eigenen sexuellen Ausrichtung abhängig (heterosexuell, homosexuell etc.).

Das Exhibieren führt beim Exhibitionisten zu einer persönlichen Genugtuung, häufig auch zu sexueller Erregung. Im Falle der sexuellen Erregung kann eine Masturbation nachfolgen. Exhibitionismus kommt bei Männern häufiger vor als bei Frauen. Exhibitionismus bei Frauen wird von gegengeschlechtlichen Fremden nahezu immer toleriert während im umgekehrten Fall Exhibitionismus mangels entsprechender Informationen oder gezielter Desinformation durch Medien von Betroffenen oft missbilligt wird.

Rechtswissenschaften

Tatbestand

Werden die exhibitionistischen Handlungen (nach § 183 StGB) nicht vor Kindern vollzogen (als Unterfall des Sexuellen Missbrauchs nach § 176 Abs. 3 Nr 1 StGB), so trifft der Straftatbestand wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses im Kern nur einen männlichen Täter (nach § 183 Abs. 1 StGB).
Elementar für den Straftatbestand ist die Belästigung einer anderen Person durch die exhibitionistische Handlung. Die Belästigung ist nicht gegeben, wenn die Reaktion des oder der Betroffenen Interesse, Verwunderung oder Mitleid ist. Die Straftat wird mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr bestraft, sofern es sich um exhibitionistische Handlungen vor Kindern handelt, kann die Tat mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft werden. Die Schuldfähigkeit des Täters muss insbesondere geprüft werden, da der Exhibitionismus (sofern er dem Muster des F65.2 ICD-10 entspricht) als "andere schwere seelische Abartigkeit" im Sinne der §§ 20, 21 StGB eingestuft werden kann.

Reformbewegungen

Kriminalpolitisch wird von mehreren Seiten die Entkriminalisierung des "Exhibitionismus" mit der Begründung verlangt, durch die fortschreitend sich wandelnde Einstellung der Gesellschaft gegenüber der Sexualpräferenz (Toleranz gegenüber Homosexualität usw.) sei für die Einstufung des Exhibitionismus als Straftat grundsätzlich kein Raum mehr. Demgegenüber wird eingewendet, dass insbesondere der Schutz des anderen vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Handlungen nicht durch dieses Argument fortgewischt werden kann. Teilweise wird daher eine Herabstufung zu einer Ordnungswidrigkeit vorgeschlagen.

Begriffserweiterung im allgemeinen Sprachgebrauch

Allgemein gebraucht, bedeutet der Begriff eine übertrieben intime Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit, etwa im Rahmen von Talkshows oder vor der häuslichen Computerwebcam. Diese Selbstdarstellung ist dabei nicht auf den rein körperlichen Aspekt beschränkt, sondern kann sich auch auf seelische, psychische, charakterliche oder andere Eigenschaften beziehen.

In der Umgangssprache spricht man oft davon, dass jemand "exhibitionistisch veranlagt" sei. Es kann sich dies ohne jeden sexuellen Kontext auf Handlungsweisen bestimmter Personen (wie Schauspieler oder Politiker) beziehen. Es können auch Menschen gemeint sein, die sich gerne knapp bekleidet oder nackt zeigen (z.B. beim Sonnenbaden/FKK). Eine erotische Komponente ist dabei oft beteiligt, aber nicht zwingend; wichtiger ist für viele die Genugtuung beachtet zu werden, die Befriedigung eines Bedürfnisses nach Bestätigung. Psychologen gehen anhand empirischer Untersuchungen davon aus, dass dieses Bedürfnis nach Bestätigung auch dem Verhalten der (eigentlichen) Exhibitionisten zu Grunde liegt, die körperlich betrachtet werden wollen und damit auf ihre Art Anerkennung und Zustimmung suchen.

Siehe auch