Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline
Die Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Pipeline (Abk. TAP), im angelsächsischen Raum auch Trans-Afghanistan Pipeline, ist ein Erdgas-Transportsystem, das unter der Federführung der Asiatischen Entwicklungsbank (AsEB; 1966 gegründet, mit nunmehr 64 Mitgliedsstaaten; die größten Anteile hält Japan) projektiert und gebaut werden soll.
Verlauf und Transportleistung
Die Pipeline soll Erdgas von Turkmenistan am Kaspischen Meer durch Afghanistan zu Häfen am Indischen Ozean in Pakistan leiten; die Kosten für ihren Bau belaufen sich nach Schätzungen auf 3,5 Milliarden US-Dollar. Die TAP soll den Plänen zufolge entlang der Fernstraße von Herat nach Kandahar in Afghanistan und über Quetta und Multan in Pakistan verlaufen. Ausgehend von den Förderfeldern um Dauletabad in Turkmenistan soll die im Endausbau knapp 1700 Kilometer lange Pipeline jährlich 30 Milliarden Kubikmeter Gas transportieren. - Befürworter sehen in dem Vorhaben eine moderne Fortsetzung der alten Seidenstraße. Die Gasvorkommen in Dauletabad werden auf 1.756.600.000.000 Kubikmeter (2002) geschätzt. 830 Kilometer der TAP sollen in Afghanistan, etwa 400 km in Pakistan verlaufen.
Das Projekt und die Hürden
Der Vertrag über die Pipeline, über die bereits mit dem (vermeintlich) gestürzten Taliban-Regime verhandelt worden war, wurde am 27. Dezember 2002 von den Staatschefs Turkmenistans, Afghanistans and Pakistans unterzeichnet. Der Vertragsabschluss wurde durch die US-Invasion in Afghanistan im Jahr zuvor ermöglicht. Die afghanische Regierung soll demnach acht Prozent der Einnahmen erhalten; die Betreiber versprechen sich 12.000 neue Arbeitsplätze in dem wirtschaftlich darniederliegenden, vom Krieg verwüsteten Land. Gleichwohl ist die Umsetzung des Bauvorhabens derzeit weitestgehend auf Eis gelegt: Die Arbeiten am durch Turkmenistan verlaufenden Abschnitt sollen zwar 2006 aufgenommen werden, die Durchführung des gesamten Projekts steht allerdings zur Disposition, weil der südliche Abschnitt der Pipeline durch Gebiete verlaufen würde, die nach wie vor de facto unter Kontrolle der Taliban und der Terrororganisation Al-Qaida sind.
1998 waren Pläne für ein weitaus umfangreicheres Projekt mit annähernd gleichem Verlauf ausgesetzt worden, nachdem der US-Konzern Unocal (seinerzeitige Lobbyisten: u.a. Henry Kissinger und Richard Armitage) seine Beteiligung an dem 1997 gebildeten CentGas-Konsortium in Höhe von 8 Mrd. Dollar zurückgezogen hatte ([1]). Turkmenistan konzentrierte sich in den Folgejahren auf Geschäfte mit russischen Energieunternehmen wie LUKOil.
"It's the oil stupid": War die TAP der Kriegsgrund?
Für zahlreiche Kritiker der Bush-Regierung ist die Trans-Afghanistan-Pakistan-Pipeline der eigentliche Grund für das militärische Eingreifen und die anhaltende Präsenz der Vereinigten Staaten in Afghanistan. Die den Bau verantwortende Asian Development Bank war wegen Korruptionsverdachts bereits Gegenstand von Ermittlungen des U.S. Senate Committee on Foreign Affairs ([2]).
Die Heritage Foundation, eine konservative US-Denkfabrik, schätzte 1999 die Erdgasvorkommen in Turkmenistan, Kasachstan, Usbekistan und im transkaukasischen Aserbaidschan zusammen auf mindestens neun Trillionen Kubikmeter. Demnach belaufen sich die Ölreserven in der zentralasiatischen Region auf ca. 15 Billionen Barrel. Aber auch das - für ganz Asien - strategisch zentrale Afghanistan selbst verfügt über gewaltige Energiereserven: Während ihrer Besatzungszeit bezifferten die Sowjets die Erdgasvorkommen des Landes auf fast zwei Trillionen Kubikmeter. Die Erdölvorkommen wurden von sowjetischen Experten auf 95 Millionen Barrel (ein Barrel entspricht 159 Litern) geschätzt. Hinzu kommen rund 70 Millionen Tonnen Kohle im Gebiet zwischen Herat und Badaschkan.
Die Iran-Pakistan-Indien-Pipeline: Konkurrenz oder Ergänzung?
Zwischen den beteiligten Staaten vereinbart ist unterdessen auch die auf 2775 Kilometer projektierte (im Vergleich zur TAP kostspieligere) Iran-Pakistan-Indien-Pipeline (IPI; euphemistisch auch "Friedens-Pipeline" genannt), die zwischen 2009 und 2011 in Betrieb genommen werden soll ([3]). Dieses Vorhaben wird allerdings von den USA mit Argwohn betrachtet ([4], [5]), da eine direkte Zusammenarbeit mit dem "Schurkenstaat" Iran derzeit ausgeschlossen scheint. Pakistan und Indien hingegen wollen sich nach Einschätzung von Beobachtern auf ein einziges - zudem US-kontrolliertes - Standbein nicht verlassen. Obgleich es im September 2005 so schien, als komme es zu einem Zerwürfnis zwischen dem Iran und Indien, das auf der IAEO-Ratssitzung für EU-Resolution zur Verurteilung des Iran wegen dessen Atomprogramm gestimmt hatte, wurden die Verhandlungen über die Gas-Pipeline Ende Dezember in Neu-Delhi auf Vizeminister-Ebene wiederaufgenommen ([6]). Nach Medienangaben hat der Kontrakt ein Volumen von 40 Mrd. Dollar. - Als Öllieferant ist der Iran für die über eine Milliarde Inder schon seit Jahren von großer Bedeutung, wie im Übrigen auch für China.
Eine dritte Pipeline soll von Myanmar über Bangladesch nach Indien führen. Auch sie war im Prinzip beschlossene Sache; mit dem Bau sollte noch 2005 begonnen werden. Beobachtern zufolge ist es Ziel der Regierung in Neu-Delhi, allen voran des Ölministers Mani Shankar Aiyar, ein transasiatisches Gas-Netz zu schaffen, das sich - unter dezidierter Einbindung des einstmaligen Rivalen China - vom Persischen Golf bis Südostasien erstreckt. Allerdings schien es hier zur Jahreswende 2005/2006 durch Vereinbarungen chinesischer Firmen mit Myanmar zu ernsthaften Rückschlägen gekommen zu sein (vgl. [7])
Nachdem hingegen Indiens Beteiligung an der TAP jahrelang unsicher schien, wird die Trans-Afghanistan-Pakistan-Pipeline nunmehr gleichwohl als entscheidend für die Deckung des rapide wachsenden Energiebedarfs auf dem Subkontinent angesehen (vgl. [8], [9]). Ob allerdings eine noch 2002 erwogene, 640 Kilometer lange Erweiterung nach Indien realisiert wird, ist derzeit (Anfang 2006) unklar. Als LNG (Liquefied Natural Gas) jedenfalls - von dessen Einfuhr insbesondere Japan abhängig ist, solange eine Pipeline vom westlichen Kasachstan nach Xinjiang (China) und gfs. weiter an die Pazifikküste unmachbar erscheint, vor allem aus ökonomischen (sie wäre zu teuer), aber auch aus politischen Gründen (Xinjiang gilt als potentiell rebellische Provinz) - soll turkmenisches und gfs. später auch afghanisches Erdgas von pakistanischen Häfen aus nach ganz Ost- und Südostasien verschifft werden. Die Importe von Flüssiggas durch Japan, Südkorea und Taiwan machen schon derzeit (Stand: 2005) fast 80 Prozent des globalen LNG-Handels aus.
Hintergrund: Energieverbrauch und -ressourcen in den kommenden 25 Jahren
Die Bemühungen zur Sicherstellung der Energieversorgung durch den Bau neuer Pipelines müssen vor dem Hintergrund der Verbrauchsprognosen für das 21. Jahrhundert gesehen werden. 2004 warnte die Internationale Energie-Agentur (IEA) vor einem weltweit dramatisch ansteigenden Energieverbrauch und einer immer größeren Abhängigkeit von den Ölproduzenten. Der IEA-Studie "Welt-Energie-Ausblick 2004" zufolge benötigen Unternehmen und Privathaushalte bis zum Jahr 2030 voraussichtlich 59 Prozent mehr Energie. Ohne einen Politikwechsel werde diese auch in der fernen Zukunft zu 85 Prozent aus Kohle, Öl und Gas gewonnen. Zwei Drittel des prognostizierten Verbrauchzuwachses gingen auf das Konto von Entwicklungsländern, insbesondere China und Indien. Der Gasverbrauch werde sich weltweit bis 2030 verdoppeln, so die IEA. - Noch im Jahr 1993 betrug der Anteil des Erdgases an der Energieversorgung Indiens lediglich 4 Prozent; es ist davon auszugehen, dass dieser Anteil sprunghaft steigt, sollten die hier diskutierten Pipeline-Projekte in die Tat umgesetzt werden.
Literatur
- Ted Rall: Gas War: The Truth Behind the American Occupation of Afghanistan. Writers Club Press, 2002. - ISBN 0-59526-175-2
Weblinks
- TAP: Karte des geplanten Verlaufs
- Supply of Gas (Princeton University, o.D. - detaillierte Informationen zur Erdgasproduktion in Turkmenistan)
- Stephen Blank, Central Asia's Energy Game Intensifies (EurasiaNet, 02.09.2005 - Stephen Blank ist Professor am US Army War College)
- IEA: Key World Energy Statistics - 2005 Edition (PDF, 2,25 MB)
- Farrukh Saleem, Pipelines or pipe dreams? ("The News", Pakistan, 27.06.2004)
Siehe auch: Krieg in Afghanistan, The Great Game, Zentralasien, Seidenstraßenstrategie