Kinesiologie (Parawissenschaft)
Die Kinesiologie ist eine Richtung der alternativen Medizin. Der Begriff Kinesiologie ist dem Altgriechischen entlehnt und wird mit "Lehre von der Bewegung" übersetzt. Eine tatsächliche Wirksamkeit der Methode ist nicht dokumentiert, und das Verfahren ist stark umstritten.
Die Kinesiologie verwendet Begriffe und Methoden der traditionellen fernöstlichen Heilkunde (Meridian- und Elementenlehre ohne den Einsatz von Nadeln). So wird in der kinesiologischen Literatur beispielsweise der Begriff Energie nicht im physikalischen Sinn von Energie, sondern im Sinn der ostasiatischen Heilkunde verwendet. Die Kinesiologie sieht sich als eine Methode, die den Menschen in seiner "Ganzheitlichkeit" wahrnimmt, d.h. nicht nur das Symptom betrachtet, sondern den Menschen in seinem Körper-Geist-Seele-Zusammenhang sieht und die Beschwerden ursächlich angeht. Die Kinesiologie wird primär von Heilpraktikern und Esoterikern erlernt und ausgeübt, aber auch von ganzheitlich arbeitenden Ärzten verwendet.
Die Kinesiologie kann komplementär zu jeder anderen Therapie angewandt werden. Neben- und Wechselwirkungen sind nicht bekannt.
Geschichte
Die "Angewandte Kinesiologie" wurde in den 60er Jahren von dem amerikanischen Chiropraktiker George Goodheart entwickelt, der zu systematisieren versuchte, wie sich sowohl körperliche als auch seelische Vorgänge in der Funktionsweise von Muskeln widerspiegeln. Jeder kennt das Phänomen, dass die Beine im Fall von Stress oder eines Schocks "weich" werden und die Muskeln nachgeben.
1964 entwickelte er ein Testverfahren, um den Spannungszustand von Muskeln zu messen, ohne irgendwelche Apparate zu Hilfe zu nehmen: den kinesiologischen Muskeltest. Da der Test somit subjektiv ist, sollte der Kinesiologe in einem ausgeruhten und entspannten Zustand testen.
Goodheart glaubte, dass bestimmte Muskeln mit bestimmten Akupunkturmeridianen korrespondieren und dass sich aus der Funktion des jeweiligen Muskels Rückschlüsse auf den Energiefluss im jeweiligen Meridian und den dazugehörigen Organen ziehen lassen.
Anwendungsmöglichkeiten
In den Jahren seit der Entstehung der Kinesiologie wurde eine Vielzahl von Behandlungsansätzen entwickelt. In allen Kinesiologie-Richtungen geht es darum die körpereigenen Heilungskräfte zu unterstützen resp. zu aktivieren. Weniger das Sypmtom per se ist im Fokus der therapeutischen Arbeit sondern das Potenzial des Körpers.
Eine der Möglichkeiten ist der Medikamententest. Hierbei wird mit Hilfe des Muskeltestes versucht, vom Körper eine Antwort zu erhalten, welches Medikament und in welcher Dosierung er es benötigt. Kinesiologen halten es für entscheidend, dass Medikamente nur von Ärzten ausgetestet werden. Das Vorgehen ist so, dass die Proben der entsprechenden Stoffe dabei an die Mitte des Körpers (Testzone) angelegt werden. Anschließend wird der Körper per Muskeltest befragt. Entweder reagiert der Arm schwach und gibt nach oder der Deltamuskel "rastet" ein. Mittels dieser Methode (und den entsprechenden Teststoffen) sollen auch Vergiftungen durch Umweltgifte (z.B. Schwermetalle) und Allergien (z.B. gegen Nahrungsmittel und Pollen) identifiziert werden können. In klinischen Studien konnte diese Behauptung nicht validiert werden.
Die Kinesiologie sieht sich als dem Klienten partnerschaftlich gegenübertretend: der Patient selbst "sage" über den Muskeltest, was er habe und benötige, es sei nicht der Kinesiologe, der diagnostiziere. Weitere kinesiologische Schwerpunkte sind z.B. die Behandlung von Allergien oder einfache Schmerzbehandlungen. Die Behandlungskosten werden in Deutschland in der Regel von den gesetzlichen Krankenkassen nicht erstattet. In der Schweiz werden diese durch die komplementär-medizinische Zusatzversicherung übernommen.
Da der Muskeltest nach Meinung von Kinesiologen die Möglichkeit bildet, mit dem Körper zu kommunizieren, wurde und wird der Muskeltest in den verschiedensten Kontexten weiterentwickelt. Derzeit sind folgende Arten der Kinesiologie am bekanntesten: Touch for Health, Edu-Kinestetik, Angewandte Neurobiologie, Three In One Concepts, das Health Kinesiologie System und die IK Kinesiologie.
Touch for Health
Ein enges Mitglied der Forscherreihe um George Goodheart begründete in den 70er Jahren die Kinesiologie für "alle", oder eben einfach die Kinesiologie. John F. Thie war selbst auch Chiropraktor und schrieb das in viele Sprachen übersetzte Buch "Gesund durch Berühren". Touch for Health ist als Grundkurs für den Laien gedacht, um bei sich und in seinem Lebensumfeld Gesundheitsvorsorge und Selbsthilfe zu betreiben.
Edu-Kinestetik
Die Edu-Kinestetik, auch unter dem Namen Edu-Kinesiologie bekannt, wurde von Paul Dennison in den frühen 80er Jahren entwickelt. Dennison fiel auf, dass Schüler mit Lernschwierigkeiten durch einfache körperliche Übungen motiviert werden konnten und die Fähigkeit zu lernen sich verbesserte.
Die Idee von Dennison war an sich nicht neu. Durch Bewegung des Körpers lässt sich auch das Gehirn aktivieren, Gehirn und Körper sind als Kopplungsschlaufe untrennbar verbunden. Nach Aussagen von Kinesiologen wirkt Brain Gym, eine Form der Edu-Kinesiologie, gut bei der Behandlung von Lern- und Wahrnehmungsstörungen wie z.B. Legasthenie und motorischen Problemen helfen.
Kritiker werfen der Edu-Kinestetik vor, sie sei aus Sicht der gegenwärtigen Psychologie und Pädagogik eine Sammlung bekannter Entspannungs- und Gedächtnistechniken, die auf vereinfachenden und teils grob falschen Vorstellungen über Anatomie und Physiologie des Gehirns basiere.
Three In One Concepts
Bei der Kinesiologie nach den Three In One Concepts geht es um das Auffinden und Ablösen von sogenannten seelischen Blockaden, die eine wesentliche Lebenseinschränkung für jeden bedeuten können. Diese Blockaden liegen im eigenen Leben (z.B. Situationen in der frühen Kindheit) begründet oder sind von vorherigen Generationen "weitervererbt" worden.
Da durch den Muskeltest nach Auffassung von Kinesiologen der Körper "gefragt" wird, welche Blockade vorrangig abgelöst werden sollte, wo diese Blockade ist und mit welchen energetischen Übungen, Visualisierungen etc. man sie am besten löst, halten Kinesiologen diese Art der Therapie für sehr schnell Erfolg zeigend bei psychischen und psychosomatischen Beschwerden. Auch zur Verbesserung der Lebensqualität oder Leistungssteigerung wird diese Art der Kinesiologie von Kinesiologen empfohlen.
Psycho-Kinesiologie (PK)
Ausgehend von der klassischen Kinesiologie hat der deutsche Arzt Dietrich Klinghardt in den USA mit der Psycho-Kinesiologie (PK) eine ganzheitliche Heilmethode entwickelt, die sich mit der Psyche eines Menschen mittels kinesiologischem Test beschäftigt und Körperarbeit und Psychotherapie verbindet. Die Basis der PK ist die "Autonome Regulations-Diagnostik", bei der zu Beginn durch den kinesiologischen Muskeltest festgestellt wird, ob das Autonome Nervensystem regulationsfähig ist, oder ob eine "Blockade" vorliegt; Signale des Körpers werden hier über Muskeltests benutzt, um die seelischen Ursachen der Symptome aufzudecken. Dieser spezielle Test soll es ermöglichen, den Körper als "Bio-Feedback-Messgerät" zu verwenden. Der psychosomatische Ansatz geht davon aus, dass allen Krankheiten unerlöste seelische Konflikte zugrunde liegen, die auf frühen traumatischen Erlebnissen basieren. Die Heilung soll hier nach der emotionalen Erlösung über ein emotionales Entkoppeln vom Nervensystem geschehen, wobei mit Einverständnis des Patienten das Unbewusste und "behindernde Glaubenssätze" neu programmiert werden.
In der Psycho-Kinesiologie wird auch mit esoterischen Anschauungen wie Reinkarnation und Besetzung gearbeitet.
PK soll ein sanfter und schneller Weg sein, um psychische Konflikte, die zu einer "Blockade" geführt haben, aufzudecken und zu behandeln. Der kinesiologische Muskeltest soll einen Dialog mit dem Unterbewusstsein ermöglichen, um "Unerlöste seelische Konflikte" (UsK) aufzufinden und den Zusammenhang mit der aktuellen Problematik herzustellen. Ein vorher verdrängter Konflikt soll so ins Bewusstsein gerufen werden und der damit verbundene emotionale Stress durch eine spezielle Technik entkoppelt bzw. gelöst werden können. Mit diesen zugrundeliegenden Konflikten sollen "einschränkende Glaubenssätze" wie z. B. "Ich bin unwichtig", "Ich kann keinen Erfolg haben" gefunden werden können, die meist früh im Leben verinnerlicht wurden und so tief im Denken verankert sein sollen, dass sie täglich körperliche oder seelische Beschwerden verursachen und die Person daran hindern, gesund und ausgeglichen zu leben.
IK-Kinesiologie (IK)
Ursprünglich war abgesehen von der Applied Kinesiologie, der Kinesiologie für Ärzte, die Kinesiologie nicht als Beruf gedacht, sondern für Freunde unter sich und für Familienmitglieder innerhalb der Familie (siehe Touch for Health, John F. Thie). Dies änderte sich 1984 durch die IK Kinesiologie, als durch Rosmarie Sonderegger die weltweit erste mehrjährige Berufsausbildung für Kinesiologie startete.
Die Psychologin brachte die ursprünglichen körperlichen Techniken mit den gesprächs-psychotherapeutischen Gedanken von Carl Rogers zusammen. Ein wesentlicher Teil des psychologischen Hintergrundes bildet die Fünf Elemente Psychologie. Auf der Grundlage der Fünf Elemente Lehre (Traditionelle Chinesische Medizin) hat Rosmarie Sonderegger die dazugehörige Psychologie erforscht und beschrieben. Fünfzig verschiedene Lebensthemen lassen sich exemplarisch den 5 Elementen zuordnen und wurden in einen theoretischen Frame gebracht.
Die IK Kinesiologie ist wie auch andere Kinesiologie-Richtungen nicht störungsspezifisch und kann daher bei unterschiedlichen Problemen angewandt werden. Im Mittelpunkt steht der Klient, die Klientin und ihr Anliegen. In der Zusammenarbeit mit dem Klienten werden dysfunktionale Gedanken oder Verhaltsensmuster mittels Gespräch und Muskeltest erkannt und mit verschiedenen kinesiologischen Techniken ins Gleichgewicht gebracht. Diese reichen von beruflicher Unzufriedenheit über Beziehungsprobleme bis hin zu subklinischen psychopathologischen Störungsbildern. Als integrativer Ansatz wird die interdisziplinäre Zusammenarbeit zum Wohle des Klienten herausgestrichen.
Kritik
Sämtliche Formen der Kinesiologie sind Pseudowissenschaften.
Beim Muskeltest bestehen Fehler- und Fälschungsmöglichkeiten sowohl auf der Seite des Therapeuten wie auf der des Klienten. Da der Therapeut aktiv mit seiner eigenen Muskelspannung die des Klienten prüft, kann er seinen prüfenden Druck entsprechend seiner vorgefassten Lieblingsdiagnose anpassen. Der Klient wiederum kann durch geschickte Beeinflussung seiner Muskelspannung das Testergebnis willkürlich beeinflussen. Außerdem ermüdet der Testmuskel nach mehreren Testungen.
Literatur
- Matthias Lesch/Gabriele Förder, Kinesiologie. Aus dem Streß in die Balance, München (Gräfe und Unzer) 2001 (3. Aufl.), ISBN 3774220786
- Sonderegger, Rosmarie (2005). "Die Fünf Elemente Psychologie" (5 Bände). IKAMED Verlag.
Weblinks
- http://www.icak-d.de/
- [1] Kritische Auseinandersetzung mit der Angewandten Kinesiologie
- http://www.gwup.org/themen/texte/edu_kinestetik/index.html
- http://www.schuhbeck.info/kinesiologie.htm -- Seite mit Links zu einer kritischen, wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kinesiologie, Brain-Gym, Edu-Kinestetik von Sebastian Schuhbeck, Bayer. Landesbeauftragter für Computereinsatz im Religionsunterricht
- http://www.iask.ch -- Schweizerischer Berufsverband für Kinesiologie
- http://www.kinesiologie-verband.de -- gemeinnütziger Europäischer Verband für Kinesiologie e.V.
- http://www.kinesiologie.edu/ -- Institut für Kinesiologie Zürich, Informationen zur Kinesiologie und zur Berufsausbildung Kinesiologie
- http://www.dgak.de Deutsche Gesellschaft für angewandte Kinesiologie
- http://www.iak-freiburg.de Institut für Angewandte Kinesiologie GmbH, Informationen über Kinesiologie allgemein und über die bekanntesten Arten der Kinesiologie
- http://www.kinesiologen.de Alles über Kinesiologie
- http://www.vchp.de Vereinigung Christlicher Heilpraktiker