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Bestie des Gévaudan

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Als Bestie von Gévaudan (frz. La bête du Gévaudan) bezeichnet man den Urheber einer Serie von mörderischen Überfällen mit rund 100 Opfern, die von 1764 bis 1767 in der Gegend des Gévaudan, des heutigen Départements de la Lozère im Westen der Haute-Loire (Frankreich) stattfanden. Wer oder was die Bestie von Gévaudan genau war, konnte bis heute nicht endgültig geklärt werden.

Eine der vielen „Vorstellungen“ vom Aussehen der „Bestie“

Geschichten oder Geschichte

Bei der Bestie von Gévaudan handelt es sich nicht um eine Legende, sondern um nachweisbare Tatsachen. Einige zeitgenössische Dokumente erlauben, die rätselhaften Ereignisse zum Teil nachzuvollziehen und zu verstehen:

  • Die Pfarrregister aller Pfarreien, in denen das Biest wütete, welche die Namen der etwa 100 Opfer verzeichnen.
  • Der Briefverkehr zwischen den Polizeiverantwortlichen der Auvergne in Clermont und des Languedoc in Montpellier mit ihren Stellvertretern im Gévaudan.
  • Zahlreiche Berichte über die vom König befohlenen Treibjagden.
  • Zeitungsartikel und Zeichnungen.

Überblick

Auf das Jahr 1764 gehen die ersten Berichte zurück, die von einem „Tier“ berichten, das im zentral-südfranzösischen Gévaudan Menschen angefallen und zum Teil getötet hat.

Die Protagonisten

  • Der Bischof: Seine Exzellenz Gabriel Florent de Choiseul Beaupré, Bischof von Mende.
  • Die Wolfsjäger des Königs: Die Herren Denneval, Vater und Sohn.
    • Herr Antoine: Monsieur François Antoine, königlicher Armbrustträger, großer Wolfsjäger des Königtums, Ritter des Ordens des Heiligen Ludwig;
    • und sein Sohn Antoine von Beauterne.
  • Der Naturwissenschaftler: Monsieur Georges Louis Leclerc, Comte (Graf) de Buffon, Konservator des Botanischen Gartens von Paris, Mitglied des Institut.
  • Der Marquis: Messire Jean Joseph de Chateauneuf-Randon, Marquis d’Apcher, Baron de la Garde, de Thoras, Cénaretet de La Clause, Seigneur de la Besque, de Verdun, de la Clavière, Colonel de la Gendarmerie Royale, Maréchal de Camp du Roy (des Königs) et Chevalier (Ritter) de l’Ordre de Saint Louis.
  • Die Familie Chastel, bestehend aus dem Vater Jean, genannt „Die Maske“, und seinen Söhnen Pierre und Antoine Chastel.

Die ersten Überfälle

Der erste offiziell registrierte Überfall fand am 30. Juni 1764 statt. Die vierzehnjährige Jeanne Boulet aus der Pfarrei von Saint Etienne de Lugdarès wurde entsetzlich zugerichtet tot aufgefunden. Nach diesem Überfall suchte das „Monster“ vornehmlich Kinder, Heranwachsende und Frauen heim, die dann grausam verwundet aufgefunden wurden. Es gibt allerdings Dokumente, die belegen, dass Fälle von schwerer Körperverletzung, die vorher stattfanden, möglicherweise durch das „Tier“ verursacht wurden. Dann verlagerten sich die Fälle in die Umgebung des Mercoire-Waldes südlich Langognes, wo im August in Masméjean ein 15-jähriges Mädchen und kurz danach ein Knabe aus Cheylard l’Eveque zerfetzt wurden. Im September starben eine 36-jährige Frau, dann ein Junge und ein kleines Mädchen. Und wieder wanderte das Biest. Diesmal in nord-westlicher Richtung, wo es bis Ende 1764 weiter mordete, diesmal nur Frauen und Kinder.

Der Bischof aus Mende erklärte dem Volk die Hintergründe

Nachdem die Erzählungen die Runde gemacht hatten, mischte sich der Bischof von Mende ein. Monseigneur Gabriel-Florent de Choiseul Beaupré lässt in seiner Diözese ein Hirtenschreiben vorlesen, das den Grund der Schreckensplage erklärt. Ursache sei der Zorn Gottes: „Die Gerechtigkeit Gottes, sagt der heilige Augustinus, kann nicht hinnehmen, dass die Unschuld unglücklich ist. Die Strafe, die er verhängt, setzt immer eine Verfehlung dessen voraus, der sie sich zugezogen hat. Aus diesem Prinzip heraus wird es für euch einfach sein, zu verstehen, dass euer Unglück nur aus euren Sünden entstanden sein kann.“ Der Kirchenmann zitiert sogar noch aus dem Buch Deuteronomium 32, 24: „Den Zahn der Raubtiere lasse ich auf sie los“ und für die besonders „Ungehorsamen“ aus Leviticus::„… werde ich noch weitere Schläge über euch kommen lassen.“

Die Bauern der Umgebung konnten sich der Bestie schwer erwehren. Auf Grund des Aufstands der Camisards hatte der König alle Schusswaffen und lange Hieb- und Stichwaffen beschlagnahmen lassen. So befestigten die Bauern in dieser Gegend ihre Taschenmesser an langen Holzstangen, um sich überhaupt verteidigen zu können.

Die Jäger

Nach einer Reihe dieser Vorfälle, deren Kunde bis an den Königshof gedrungen war, stationierte König Ludwig XV. ein Dragonerregiment unter Captain Duhamel in der Gegend, das den Auftrag hatte, das Tier aufzustöbern und zu töten. So ergab es sich auch, dass der König den Kampf der Jesuiten gegen die Hugenotten, die sich in bergige Gegenden geflüchtet hatten, unauffällig unterstützen konnte. Und die königlichen Befürchtungen, die Hugenotten könnten sich bewaffnen, konnten in diesen vorrevolutionären Zeiten beruhigt werden.

Drei Mannschaften beteiligten sich an den Jagden:

  • Vom September 1764 bis April 1765 waren Kapitän Duhamel mit seinen 50 Dragonern in Saint-Chély-d’Apcher stationiert.
  • Im ersten Halbjahr 1765 ließen sich die bekannten normannischen Wolfjäger Denneval, Vater und Sohn, in Malzieu nieder. Die beiden hatten bereits über 1.200 Wölfe abgeschossen.
  • Im Sommer 1765 logierte François Antoine, der königliche Armbrustträger und Zweiter Jäger des Königs im Schloss Besset. Monsieur Antoine war begleitet von einigen Dutzend Hunden, 14 Jagdhütern und vier großen Hunden, die schon einige Wölfe getötet hatten.

Am 16. August beschuldigten zwei königlich vereidigte Wildhüter die beiden Brüder Chastel, sie in ein Schlammloch geführt zu haben, wo sie fast den Tod gefunden hätten; die beiden Chastel standen dabei und hätten nichts unternommen. So wurden sie Ende August eingesperrt. Erstaunlicherweise war das Biest während der Haft untätig. Doch schon nach 12 Tagen kamen die beiden frei. Da sie in den Diensten von Madame d’Apcher de Chateauneuf standen, musste wohl eine „höhere“ Kraft mitgewirkt haben.

Bei der größten Treibjagd waren im Februar 1765 über 20.000 Mann beteiligt. Sogar während dieser Treibjagden wurden weitere tödliche Überfälle etwas außerhalb des bejagten Gebietes ausgeführt.

Kopfgeld auf die Bestie

Über 9.000 livres wurden auf das Monster ausgesetzt. Der König steuerte 6.000 davon bei, der Bischof deren 1.000. Die Gesamtsumme entsprach dem Wert von 100 Pferden.

Das Mördertier wird zum ersten Mal erlegt

Im September 1765 erschoss der persönliche Beauftragte des Königs einen stattlichen Wolf. Antoine, der wegen des Kopfgeldes sicher sein wollte, wartete einige Wochen ab. Als die Gerüchte aufhörten, reiste er ab, um sich in Paris feiern und belohnen zu lassen.

Das Morden geht weiter

Am Südhang des Mouchet-Berges wurden am 2. Dezember 1765 zwei Kinder angefallen. Da aber die Belohnungen ausbezahlt worden waren, wollte von den offiziellen Stellen niemand mehr etwas davon wissen. Was in den folgenden Monaten dort geschah, ist sehr schwach dokumentiert, da die Jäger und ihre Chronisten sich zurückgezogen hatten. Und so fanden zahlreiche Pilgerzüge zur Kirche am Fuß des Chauvet-Berges statt. Dort ließ ein gewisser Jean Chastel de la Besseyre Saint Mary seine Kugeln segnen.

Der zweite Tod des Monsters

Auch der junge Marquis d’Apcher hatte seine Probleme mit den Unruhen. Und so veranstaltete er seinerseits regelmäßig Jagden mit den Bauern, die sein Land beackerten. Am 19. Juni 1767, „um 10 Uhr 15“ erlegte Jean Chastel das Biest. Der königliche Notar aus Langeac, Maître Marin, beschreibt die Kreatur wie folgt: „Länge: 1,50 m; Schulterhöhe 0,77 m; Maulspannweite 19 cm.“

Auszüge aus dem Marin-Bericht

Der Rapport Marin wurde am 20. Juni 1767 vom Notar Roch Etienne Marin im Schloss von Besques angefertigt. Erst 1958 wurde er in den Archives Nationales wiederentdeckt: Bündel F 10-476, Sammlung: Landwirtschaft: Zerstörung schädlicher Tiere.

„(…) Herr Marquis hatte dieses Tier in sein Schloss in Besques, Pfarrei Charraix tragen lassen. So haben wir uns entschlossen, uns dorthin zu begeben, um es dort zu untersuchen. (…) Herr Marquis ließ uns dieses Tier vorführen. Es schien ein Wolf zu sein, doch ein sehr außergewöhnlicher und sehr verschieden von den anderen Wölfen dieser Gegend. Das haben uns mehr als 300 Personen, aus der Umgegend bezeugt. Einige Jäger und viele Fachleute haben ausgesagt, dass dieses Tier nur durch den Schwanz und dem Hinterteil dem Wolf ähnelt. Sein Kopf ist ungeheuerlich. (…) Sein Hals ist bedeckt von einem sehr dichten Fell von einem rötlichen Grau, durchzogen von einigen schwarzen Streifen; es hat auf der Brust einen großen weißen Fleck in Form eines Herzens. Die Pfoten sind bestückt mit vier Krallen, die viel mächtiger sind als die anderer Wölfe; besonders die Vorderbeine sind sehr dick und haben die Farbe des Rehbocks, eine Farbe, die Fachleute noch nie bei einem Wolf sehen konnten. Die Maße, die wir feststellen konnten: Länge Schwanzwurzel bis zum Kopfoberteil: 99 cm, (…) Schulterbreite:30 cm, Durchmesser des Schwanzes: 9,5 cm (…)“

Dann folgt eine längere Aufzählung der weiteren Körpermaße und eine genaue Beschreibung des Gebisses. Es folgt eine Liste mit 26 Namen der Personen, die dem Tier bereits begegnet waren und mit dem Leben davon gekommen waren und so bezeugen konnten, dass es wirklich dieses Tier war, mit dem sie es zu tun gehabt hatten.

Eine andere Vorstellung von der Bestie

Abschluss

Da der verwesende Körper nicht nach Paris mitgenommen werden konnte, begnügte sich Chastel mit einer Pfote. Sogar der französische Naturforscher Buffon (Georges Louis Leclerc, Graf von Buffon) gab sich ziemlich unbeeindruckt.

Es wäre möglich, dass die Bestie von Gévaudan eine Kreuzung zwischen Hund und Wolf war. Ob sich jemand dieses Tieres als Angriffswaffe bediente, ob Chastel etwas mit dem Monster zu tun gehabt hatte oder ob Trittbrettfahrer sich im Schatten des Biestes betätigten, konnte nie ermittelt werden.

Vielleicht doch ein Mensch ?

Da Menschen mit körperlichen Behinderungen und Krankheiten oft von der Gemeinde ausgeschlossen wurden, gehen jüngste Theorien davon aus, daß es sich bei der Bestie von Gévaudan um einen jungen Mann mit starker Hypertrichose im Gesicht und einer geistigen Behinderung handelte, welcher ebenfalls von der Gemeinde verstoßen worden war. Eben dieser soll dann die Menschen auf Grund seines geistigen Zustandes angegriffen und so hingerichtet haben.

Literatur

  • Abbé Pourcher: Histoire de la Bête du Gévaudan. (Eigenverlag) 1889
    Der Klassiker des Themas wurde 1998 von Laffitte Reprints in einer sehr kleinen Auflage wiederveröffentlicht. Das Buch enthält viele Dokumente und liest sich wie ein Polizeibericht.
  • Pascal Cazottes: La Bête du Gévaudan : Enfin démasquée? Les 3 Spirales, 2004, ISBN 2-847-730-24-9 (Etwas reißerisch)
  • Michel Louis: La bête du Gévaudan. Perrin, 2003, ISBN 2-262-020-54-X (Taschenbuchausgabe des 2001 erschienenen Buches, M. Louis ist Zoodirektor in Amneville)
    Der Tierfreund Louis vertritt unterschwellig die These von einem Wolf-Hund, der von Chastel abgerichtet worden sei.
  • Henri Pourrat: Histoire fidèle de la bête du Gévaudan. Jeanne Laffitte, 1999, ISBN 2-734-806-46-0
  • Richard H. Thompson: Wolf-Hunting in France in the Reign of Louis XV: The Beast of the Gevaudan. Edwin Mellen Press, 1992, ISBN 0-889-467-46-3
  • Michael Schneider: Spuren des Unbekannten – Kryptozoologie. BOD 2002, ISBN 3831145962


Sebastian Sperling: Es soll ein Mischling zwischen Dogge und Wolf sein.

Kinofilm

Die Geschichte der Bestie von Gévaudan wurde als Pakt der Wölfe (franz. Le Pacte des loups) mit Samuel Le Bihan, Monica Bellucci und Vincent Cassel in den Hauptrollen verfilmt.

Im Frühjahr 2000 begann der französische Regisseur Christophe Gans in Esparros im französischen Departement Hautes-Pyrénées mit den Dreharbeiten zu diesem groß angelegten Film (30.000.000 Euro), der die Ereignisse im Gévaudan zum Thema hat. Gans, der Mitautor des Drehbuchs, hatte sich intensiv mit den Dokumenten auseinander gesetzt. In der Rahmengeschichte schreibt der alte Marquis d'Apcher an seinen Memoiren, die in den Film hineingleiten. Die einzige wirklich erfundene Figur im Film ist der Indianer Mani (dargestellt von Mark Dacascos), der Wegbegleiter des Protagonisten. Es gelingt Gans auf eine sehr spektakuläre Weise, die geheimnisvollen Entwicklungen aufzuschlüsseln und die Hintergründe der Affäre zu deuten. Sogar das Biest wird überzeugend präsentiert. Der Film lief im Januar 2001 in Frankreich an.

Kommentare zum Film

Roger Ebert: „Der Film begreift Quasi-Werwölfe, Französische Aristokraten, Geheimgesellschaften, Irokesen-Indianer, Kampfarten, okkulte Zeremonien, heilige Pilze, Prahlhänse, inzestuöses Verlangen, politische Unterwanderung, tierische Geister, blutige Schlachtszenen, und Bordelle,“ „(…) The one thing you don’t want to do is take this movie seriously. (…) Its heart is in the horror-monster-sex-fantasy-special effects tradition.“

Fernsehverfilmung

Eine weitere Verfilmung des Stoffes erfolgte unter dem Titel „Die Bestie der alten Berge“ (La bête du Gévaudan) als Fernsehfilm, Frankreich 2003, mit einer Erstausstrahlung auf ARTE am 7. Januar 2005. Regie: Patrick Volson mit Sagamore Stévenin (Pierre Rampal), Léa Bosco (Françounette), Jean-François Stévenin (Jean Chastel), Guillaume Gallienne (Abbé Pourcher), Vincent Winterhalter (Comte de Morangie) und Louise Szpindel (Judith).

Kommentar zur Verfilmung

Zitat von der ARTE-Homepage:
„Die neue Verfilmung der in Frankreich sprichwörtlich bekannten Legende der Bestie von Gévaudan besticht durch ihre überraschenden Wendungen und wirft zudem die Frage auf, wie viel Wahrheit in jeder Sage steckt. Mit einer brillanten Fotografie, prächtigen Kostümen und Kulissen sowie packenden Aktionsszenen verführt sie in ferne Zeiten und beeindruckt durch Schauspielleistungen wie dem erstmalig gemeinsamen Auftritt von Vater und Sohn Stévenin.“

„Ein schauspielerisches Glanzstück liefert Jean-François Stévenin in „Die Bestie der alten Berge“. Facettenreich moduliert er seine Rolle des verleumdeten Jean Chastel vom abgeklärten Außenseiter zu einem Mann, der nach dem Tod seiner Frau den Verstand verliert.“

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