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Lasen

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Lasistan Flagge
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Lasistan

Die Lasen (auch Tschanen, georgisch ლაზები; türkisch Laz) sind ein georgischer Stamm, der in der Nordosttürkei und im Südwesten Georgiens an der Schwarzmeerküste lebt. Sie sind hanefitisch-sunnitische Muslime. Als Lasen bezeichnen sich Lasen aus Georgien die im Jahre 1877 aus dem Russischen Reich in das Osmanische Reich einwanderten und Menschen, deren Muttersprache lasisch ist, welche vor allem die Gebiete um Rize, Pazar (Atina), Ardeşen (Artaşeni), Çamlıhemşin (Vijadibi), Fındıklı (Viçe), Arhavi (Arkhabi), Hopa (Xopa) und Borçka bewohnen.

Zahl der Lasen

Da neben Lasen auch Angehörige anderer Ethnien in Lasistan (Hemšinli, Türken, Georgier) leben und darüber hinaus auch viele Lasen außerhalb ihres angestammten Siedlungsgebietes wohnen, kann es über die genaue Zahl der Lasen auf türkischem Staatsgebiet nur Vermutungen geben. Die von verschiedener Seite vorliegenden Schätzungen gehen von 45.000 bis 500.000 Angehörigen der Ethnie aus.

  • Andrews (1989) spricht von 45.000 Lasen,
  • Feurstein (1983) von 250.000 Lasen,
  • Holisky (1991) spricht von mehreren Schätzungen bis zu einer halben Million.

1926 wurden 643 Lasen in der Sowjetunion gezählt. Heute leben in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion (vor allem in Adscharien/Georgien) Schätzungsweise knapp 30.000 Lasen. Die Lasen sind eng mit dem Mingreliern verwandt und weniger eng mit den Georgiern. Die in der Türkei lebende Lasen bekennen sich alle als Türken. Sie sehen ihren Ursprung nicht in Georgien, sondern in Mittelasien nähe Altaygebirge.

Siedlungsgebiet

Die Lasen zwischen den Städten Batumi (Georgien) und Pazar (Türkei, lasischer Name ist Atina) ansässig. Dieser schmale Küstenstreifen am Schwarzen Meer nördlich des Pontischen Gebirges erreicht durch die Kaçkar-Berge bis zu 3932 m Höhe. Die sehr ursprüngliche Landschaft weist viele Gletscher, Seen, Wälder und heiße Quellen auf. Das Klima in den immergrünen subtropischen Gebieten ist mild und von viel Niederschlag und hoher Luftfeuchtigkeit geprägt.

In Lazistan finden sich auf türkischem Staatsgebiet fünf städtische Verwaltungsbezirke mit ihrem jeweiligen Umland, den zum jeweiligen Einzugsgebiet gehörenden Bergdörfern. Die Städte Hopa (las.: Xopa)und Arhavi (las.: Ark'abi) sind Teil des Provinz Artvin (tr.: Artvin Íli), während Fïndïklï (las.: Vic'e), Ardeşen (las.: Art'ašeni) und Pazar (las.: Atina) Teil des Provinz Rize (türk.: Rize Íli) sind. In Georgien leben nur wenige Angehörige dieser Volksgruppe (ca. 3.000) im Dorf Sarp'i, südlich von Batumi.

Geschichte

Die Lasen haben ihre Wurzeln im antiken Kolchis. In der frühen Neuzeit (6. Jh.) spielte das Königreich Lasika (Lasica), im Schwarzmeergebiet an der heutigen georgisch-türkischen Grenze, keine unwesentliche Rolle in den Auseinandersetzungen zwischen Byzanz und Persien. Im 10 Jh. wurden die Lasen christianisiert und in das georgische Königreich eingegliedert. Im 15. Jh. kamen sie unter türkische Herrschaft. Im Osmanischen Reich wurde das Gebiet das Reich Lasistan genannt. Im späten 15. Jh. trat die Mehrheit der Bevölkerung vom griechisch-orthodoxen Glauben zum Islam über.

1878 kamen ein Teil der Lasen mit dem Fall von Batumi unter die russische Herrschaft. In der frühen Stalin-Zeit genossen die in der Sowjetunion lebenden Lasen Kulturautonomie. Während des 2. Weltkrieges wurden sie jedoch als angebliche Kollaborateure Hitler-Deutschlands nach Sibirien deportiert, wobei Tausende umkamen.

Die Lasen sind zwar mit den Türken ethnisch nicht verwandt, werden in der Türkei aber nicht als ethnische Minderheit anerkannt. Daher ist über die Lasen und ihre Sprache innerhalb und außerhalb der Türkei wenig bekannt. Ebenso gibt es keine verlässlichen Statistiken über die Ethnie, denn pikanterweise werden im türkischen Volksmund alle Menschen, die in der östlichen Schwarzmeerregion leben, ohne Ansehen der Ethnie als Laz bezeichnet. Dies führt im weiteren zu der irrigen Annahme, daß es sich beim Lasischen lediglich um einen türkischer Dialekt handelt.

Lasische Sprache

Die lasische Sprache (lasisch: Lazuri, tr. Lazca) gehört wie etwa das Georgische zur südkaukasischen Sprachfamilie. Kennzeichen dieser Sprachen ist ein sehr komplexes Lautsystem mit einem immensen Reichtum unterschiedlicher Konsonanten.

Junge Lasen zeigen wenig Interesse an der Sprache Ihrer Eltern und Vorfahren. In der Türkei verstehen sich Lasen, im Unterschied zu Kurden, meist als Türken. Vermutlich ist es auch deshalb nur noch eine Frage der Zeit, bis die lasische Sprache eine tote Sprache sein wird.

Jedoch wird seit einiger Zeit, unter anderem durch das Engagement vieler lasisch-stämmiger Künstler, wie z.B. dem mittlerweile verstorbenen Kazim Koyuncu und Hülya Polat, versucht durch verschiedene lasische Websites, Bücher, Zeitungen, Radiosendungen und Musik das Interesse zu dieser Sprache zu wecken. Durch die hohe Popularität der modernen "lasischen Rock-Musik" machte man enorme Fortschritte.

Lasische Intellektuelle in der Türkei entwickelten eine auf dem neuen türkischen Alphabet basierende Schrift. Mit dieser Schrift erscheinen lokale Zeitungen in Arhavi.

Alltag der Lasen

Früher betrieben die Lasen Subsistenzlandwirtschaft: Anbau von Mais, Tabak, Reis, Haselnüssen, Obst. Wirtschaftliche Not zwang jedoch die Männer häufig, außerhalb ihres Siedlungsgebiets in Transkaukasien und im Westen des Osmanischen Reiches Arbeit anzunehmen. In den letzten 50 Jahren hat der Teeanbau die Wirtschaft und das Landschaftsbild in Lasistan verändert. Der Tee ist die Lebensgrundlage und der Grundstock eines relativen Wohlstandes der Lasen. Jede mögliche freie Fläche in den Tälern wird genutzt und Terrassen mit knie- bis hüfthohen Teebüschen ziehen sich die Berghänge hoch. Zahlreiche kleinere Fabriken in den umliegenden Ortschaften verarbeiten den Tee, der das wichtigste Exportgut Lasistans darstellt.

Die Lasen legen großen Wert auf die Ausbildung ihrer Kinder, die Analphabetenquote liegt bei ihnen deutlich unter der Quote in den Großräumen Istanbul und Ankara. Weil viele ausgebildete Lasen als Staatsbeamte arbeiten, leben sie über die ganze Türkei verstreut. Sie haben dennoch größtenteils enge Beziehungen zu ihrem ursprünglichen Siedlungsgebiet. So kehren viele dieser Lasen im Sommer in ihre Heimatdörfer zurück, besuchen dort Verwandte und helfen bei der arbeitsintensiven Tee-Ernte.

Lasische Küche und Kultur

Eines der bekanntesten Gerichte der Lasen ist "Minchi" (Käsegericht). Beliebtes Musikinstrument ist die kemençe, eine kleine dreiseitige Geige.