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Arminius

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Arminius (* um 17/16 v. Chr., † um 21, ermordet) war ein Fürst der Cherusker.

Leben

Arminius wurde wahrscheinlich im Jahr 16 v. Chr. als Sohn des Cherusker-Fürsten Segimerus geboren (Tacitus ann. II 88; XI 16). Der Name Segimerus dient u.a.(!) als ein Indiz dafür, dass der Name seines Sohnes Arminius mit dem Siegfried des Nibelungenliedes identisch sein könnte. Von der Logik der Römer her müsste sich der Name Arminius eigentlich auf den für Armenien zuständigigen Feldherrn beziehen, wofür aber nur sehr vage Indizien sprechen. Ab dem Jahre 4 führte er eine cheruskische Abteilung in römischen Diensten und wurde so mit der lateinischen Sprache sowie dem römischen Militärwesen vertraut (Tac.ann. II 10). Dabei erwarb er sich das römische Bürgerrecht und den Ritterrang (Velleius II 118). Um das Jahr 7/8 kehrte Arminius in das cheruskische Stammesgebiet zurück. Im Jahre 9 führt Arminius einen Aufstand gegen die römische Besatzungsmacht, und rieb in einem überraschenden Schlag die 17., 18. und 19. Legion sowie sechs Kohorten und drei Alen Auxilien (Vell. II 117,1) unter der Führung des Statthalters Publius Quinctilius Varus im Saltus Teutoburgiensis auf, vermutlich bei Hildesheim, wo Varus sein "Autogramm" auf dem Hildesheimer Silberfund hinterlassen hat (Cassius Dio LVI 19,4 – 21,2). In Erwartung weiterer Auseinandersetzungen mit Rom strebte Arminius ein Bündnis mit dem Markomannenkönig Marbod an, das jedoch von diesem abgelehnt wurde (Vell. II 119,5).

In den Jahren 14-15 führte Arminius eine erweiterte Koalition germanischer Stämme in der Abwehr der von Germanicus geführten römischen Strafexpeditionen, und trotz gegenteiliger Darstellungen (Tac.ann. II 18-22), war der größte Erfolg des römischen Unternehmens lediglich die Gefangennahme von Tusnelda, der Ehefrau des Arminius (Tac.ann. I 55). Im Jahre 17 führte Arminius einen erfolgreichen Feldzug gegen Marbod, der sich nach Böhmen zurückziehen mußte (Tac.ann. II 46). Arminius konnte seinen militärischen Erfolg jedoch nicht ausbauen, da er mit internem Widerstand des Adels zu kämpfen hatte, bis er im Jahre 21 von seinen Verwandten, vermutlich von Segestes, dem Vater seiner Frau Tusnelda, ermordet wurde (Tac.ann. II 88).


Im 19. Jahrhundert, als in allen europäischen Staaten das Nationalbewusstsein aufblühte, wurde die Gestalt Hermann der Cherusker zu einer gewissen Symbolfigur in Deutschland. Zahlreiche Denkmäler künden aus dieser Zeit, so auch das Hermannsdenkmal im Teutoburger Wald bei Detmold (1835-1875).


Rekonstruktion des Lebenslaufes des Arminius (nach Jahn)

Zwischen dem September 17 v. Chr. und dem September 16 v. Chr. wurde Arminius als Sohn des princeps (civitatis) Sigimer, eines Angehörigen der stirps regia der Cherusker, d. h. des Traditionskerns des Stammes, geboren. Einen Cheruskerkönig gab es nicht, die Angehörigen der „königlichen Familie“ bildeten die Nobilität des Stammes. Ihre Angehörigen achteten darauf, daß keiner aus ihrer Reihe sich zum König emporschwang. Die Rivalität, ja Feindschaft innerhalb der Königssippe ist an den unterschiedlichen politischen Entscheidungen zu erkennen, die die Haltung des einzelnen gegenüber den Römern, Chatten und dem Suebenbund unter dem Markomannenkönig Maroboduus bestimmte. So waren die erbittersten Gegner der königlichen Ambitionen des Arminius seine Verwandten, die ihn schließlich auch ermordeten. Erst als nur noch ein einziger der Familie am Leben war, Arminius´ Neffe Italicus, konnte dieser im Jahre 47 n. Chr. König werden.

Arminius erlernte die lateinische Sprache, erhielt das römische Bürgerrecht und schließlich den Rang eines römischen Ritters, ehrenhalber oder schon am Beginn einer frühen regulären Laufbahn (z. T. parallel zu der des nur wenige Jahre älteren Velleius Paterculus).

„Felddienst“ leistete Arminius schwerpunktmäßig in Germanien, wo er sich zum Zeitpunkt des Aufstandes 9 n. Chr. auch aufhielt. In die Jahre 4-6 n. Chr. gehört die Textstelle „assiduus militiae nostrae prioris comes“.

Wann er in die römische Armee eintrat, ist nicht überliefert. Die Auswertung römischer Soldatengrabsteine und sonstiger Inschriften ergab, daß das Einstellungsalter zwischen 13 und 36 Jahren schwankte; die Masse trat zwischen dem 18. und dem 26. Jahr in die Armee ein, das Durchschnittsalter bei der Rekrutierung betrug 20,6 Jahre. Dieses Alter erreichte Arminius um das Jahr 4 n. Chr., im demselben Jahr, als Tiberius alle abgefallenen germanischen Stämme erneut unterwarf, einschließlich der Cherusker. Vor diesem Jahr ist m.E. eine Aufstellung stehender und von römischen Ausbildern und Offizieren (z. T. germanischer Herkunft) angeführten germanischen Auxiliareinheiten im Gebiet rechts des Rheines nicht anzunehmen.

Wahrscheinlich war Arminius an der Niederwerfung des Pannonischen Aufstandes beteiligt. Dort lernte er die Taktik des „zerstreuten Gefechtes“ kennen und welche Schwierigkeiten diese den Römern bereitete. Seine Stellung bezeichnet Tacitus als „ductor popularium“. Vermutlich hat Arminius sowohl als praefectus in einer regulären Auxiliareinheit als auch (nicht zeitgleich) als Anführer seiner mit Rom verbündeten Landsleute gedient. Für einen Germanen, der außerhalb des Römischen Reiches geboren wurde, hatte er ohne jeden Zweifel eine beachtliche Karriere gemacht. Mit der Verleihung der Ritterwürde hatten ihn die Römer sowohl unter den Barbarenfürsten wie unter den Angehörigen der cheruskischen Königssippe eindeutig hervorgehoben. Aus der Zeit vor Civilis (69/70 n. Chr.) sind nahezu keine derartigen Laufbahnen bekannt. Lediglich für das Jahr 10 v. Chr. berichtet Livius, daß sich auf dem Feldzug des Drusus zwei Tribunen aus dem Stamm der Nervier, Chumstinctus und Avectius, ausgezeichnet hatten. Arminius könnte als Offizier im Ritterstande den Rang eines tribunus angusticlavius bekleidet haben. Er könnte auch nacheinander als praefectus und tribunus bei unterschiedlichen Einheiten gedient haben. Da die tres militiae erst unter Claudius üblich wurden, muß der Historiker es bei diesen Vermutungen bewenden lassen.

Nach Niederschlagung des Pannonischen Aufstandes kehrte Arminius in seine germanische Heimat zurück. Ob und in welcher Funktion er dann in römischen Diensten stand, geht aus den Quellen nicht direkt hervor. Wahrscheinlich diente er als regulärer Befehlshaber von cheruskischen Stammeskontingenten in der römischen Rheinarmee. Als Tischgenosse des Varus besaß er eine geachtete Stellung, auch die Anzeige des Segestes konnte das römische Vertrauen in ihn nicht erschüttern. Viel weiter aufsteigen konnte er aber nicht mehr!

Vor und nach dem Aufstand sind bei den Germanen wechselnde pro- und antirömische Positionen und bei den Cheruskern interne Machtkämpfe, jedoch keine geschlossene „nationale Freiheitspartei“ feststellbar. Das römisch-germanische Verhältnis war auf keinen Fall durch beständige Konflikte gekennzeichnet, und erst recht bestand eine solche Situation nicht zwischen Rom auf der einen und einem einheitlichen Germanien auf der anderen Seite. „Charakteristisch sind vielmehr Wechsel der Parteinahme, eine – wenn auch langsame und unterschiedlich intensive- politische, soziale und kulturelle Durchdringung der einzelnen Stammesverbände und das Fehlen eines grundlegenden politischen Gegensatzes“.

Arminius mußte sich in seiner zerstrittenen Sippe durchsetzen, wollte er bei den Cheruskern und benachbarten Stämmen Erfolg haben. Nach den Worten von Velleius Paterculus (II 105,1) wurde Arminius „mox nostra clade nobilis“, was nur ungenau mit „bekannt“ oder „berühmt“ wiedergegeben wird. Das in nobilis angelegte Bekanntsein hat eine politische Dimension. Aus diesem Grund konnte Arminius sein Ziel nur durch eine unvorstellbare Tat erreichen, durch einen Sieg über die Römer mit dauerhafter Wirkung. So konnte er seine Verwandten überflügeln, womöglich mit Maroboduus gleichziehen und supragentiler Heerkönig werden. Als wichtigstes Werkzeug dazu diente ihm die Rebellion der germanischen Auxiliartruppen, die dann Erfolg haben würde, wenn sich ein Großteil der Völkerschaften anschlösse. Verfassungsgemäß würde dies bedeuten, daß Arminius monarchische Gewalt auf Zeit erhielte, die ihm Zwangsgewalt gegenüber gentilen Konkurrenten inner- wie selbst außerhalb seines Stammes verlieh. Diesen blieb dann bloß die Alternative, weiterhin auf die römische Karte zu setzen, was sie zwangsläufig zum Bruch des consensus gentis zwingen würde. Arminius´ Ziel war wahrscheinlich die unbestrittene Vorherrschaft in seinem Stamm und dem davon abhängigen Stammesbund sowie die Errichtung des Königtums in Konkurrenz zu Maroboduus. Das theoretisch mögliche Bündnis mit Maroboduus nach der Varusschlacht war für Arminius nicht notwendig und spielte bei seiner Planung bestenfalls eine untergeordnete Rolle. Die Übersendung des Varuskopfes an Maroboduus demonstrierte m.E. in erster Linie die Schwäche der Römer und die Stärke der Arminius-Koalition.

Arminius kannte die römische Sichtweise über Germanien und dessen Bewohner. Er interessierte sich über alles hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Rom und den Germanen. Arminius kannte im Gegensatz zu seinen „barbarischen“ Landsleuten den römischen „Germanen“-Begriff. Arminius fühlte germanisch und dachte römisch bei gleichzeitiger Ablehnung des politischen Führungsanspruches Roms, den er besonders deutlich wahrnahm. Die Zurücksetzung der Germanen und ihrer Hilfstruppen als Heer zweiter Klasse hat er stark gespürt.

Ein soziologischer Vergleich des Arminius mit dem „Reichsgermanen“ Civilis oder mit Ariovist, dem König eines Landnahmeheeres, hinkt! Ariovist war im Verhältnis zu Arminius ein kleiner Stammesführer, dem der römische Germanenbegriff noch fremd war und der in traditionellen Stammeskategorien dachte. Der „Reichsgermane“ Civilis gehörte einem seit mehreren Generationen an Rom eng angelehnten Staat an und hatte eine ordentliche Ritterkarriere durchlaufen, die es so zur Zeit des Arminius noch nicht gab.

Arminius hingegen, ein Anführer einer Stammeskoalition in der Heimat (also keines Landnahmeheeres) mit der Absicht, einen Staat (regnum) zu errichten, war im Gegensatz zu fast allen seiner Landsleute in seiner Denkweise zu sehr Römer geworden, um nur noch Cherusker (und sei es „rex“ dieses Stammes) sein zu können! Arminius besaß eine direktes römisches Vorbild (Rom) und ein indirektes (Maroboduus, der ebenfalls von den Römern gelernt hatte). Im Unterschied zu diesem hatte jener aber nie seinen ganzen Stamm (Basis) hinter sich. Der Bau eines Hauses gestaltet sich aber ohne Fundament als schwierig! Arminius war Römer und Germane zugleich, ein „Wanderer zwischen den Welten“, in beiden Kulturkreisen zuhause. Er war bewußtseinsmäßig der erste richtige (Nur-) Germane, nicht nur Cherusker!

Die Pläne des Arminius selbst sind nicht direkt überliefert worden, der Historiker kennt nur deren Auswirkungen und Interpretationen. Offensichtlich gehörten dazu:

- die Zusammenfassung der Germanen auch über die Dauer des Abwehrkampfes hinaus,

- die Schaffung eines neuen Gemeinschaftsgefühls bei der Arminius-Koalition durch eine primordiale Tat (Sieg über Rom),

- die Entwicklung der Germanen von einer Anti-Rom-Koalition zur „Nation“ (Heervolk) unter dem „imperator“ Arminius.

Den Germanen hatte er diese Pläne nur teilweise mitgeteilt, da er bei den freiheitsliebenden Gefolgschaftsherren mit einer inneren Opposition rechnen mußte. Nicht jeder Germane hätte die Pläne des Arminius unterschrieben! Daher durfte dieser jene nicht zu deutlich aussprechen: Geheimhaltung beherrschte er, wie den Aufstandsvorbereitungen des Jahres 9 n. Chr. zu entnehmen ist. Arminius brauchte aufgrund der germanischen Widerstände viel Zeit und konnte bei größter Geheimhaltung seiner eigentlichen Pläne diese nur allmählich und schrittweise verfolgen.

Arminius kommandierte als ritterlicher Offizier einen mit Rom verbündeten germanischen Auxiliarverband, der zum Teil römisch geschult war. Diese Einheit bildete wahrscheinlich den Kern der germanischen Aufstandsarmee. Bemerkenswert ist in jeder Hinsicht die gewaltige Steigerung der Kampfkraft zwischen dem „gewaltigen Krieg“ (1-4/5 n. Chr.) und der Varusschlacht 9 n. Chr. Während es den rechtsrheinischen Germanen als größten Erfolg gegen die Römer vorher lediglich gelang, einer einzelnen Legion eine schimpfliche Niederlage beizubringen (clades Lolliana 16 v. Chr.), wurden nun drei Legionen restlos vernichtet!

Als „Aufrührer Germaniens“ besiegte Arminius im Spätherbst 9 n. Chr. den Varus, und kommandierte seit diesem Zeitpunkt als „dux“ eine germanische Koalitionsarmee. Sein Einfluß beruhte nicht nur auf der „Kriegspartei“ bei den Cheruskern, sondern auch auf Bündnissen mit gleichgesinnten principes anderer Stämme, darunter mit dem Chattenfürsten Actumerus. Die Herrschaft des Arminius währte 12 Jahre (duodecim potentiae explevit). Er hat die Römer mit deren eigenen Mitteln (Verrat, List, Studie der römischen Kampfweise, richtiges Einschätzen des römischen politischen Handelns sowohl von Germanicus als auch von Tiberius) geschlagen. Im Jahre 16 n. Chr. bietet er seinem Bruder Flavus die Stelle eines „Imperators“ an. Arminius´ Rang wird natürlich höher gewesen sein. Nach dem Abzug der Römer 16 n. Chr. vertrieb er 17 n. Chr. seinen Rivalen Maroboduus. Beide werden in diesem Zusammenhang von Tacitus als „Imperatoren“ bezeichnet. Arminius´ Streben nach der Königsherrschaft wird seitdem offenbar. Zwei Tatsachen wirkten sich dabei für Arminius negativ aus: Einmal fehlten zur Errichtung einer Königsherrschaft nach dem Wegfallen der äußeren Gefahr (Abzug der Römer, Vertreibung des Maroboduus) die Voraussetzungen dazu, zum anderen bestand die 14/15 n. Chr. ausgeschaltete Adelsopposition innerhalb der Sippschaft des Arminus fort.

Anscheinend strebte Arminius eine ähnliche Machtstellung an wie Maroboduus, dessen Reich als „imperium“ und „regnum“ bezeichnet wird. Dazu mußte Arminius in Nordwestdeutschland erst eine Form von Staatlichkeit und Festigkeit schaffen, die es in diesem Raum bis dahin noch nicht gegeben hatte. Hier kommt der römische Teil seiner Persönlichkeit zum Vorschein, die die römische Staatlichkeit und Organisationskraft selbst erfahren hatte. Arminius hat erkannt, daß die Germanen Staatlichkeit nur von Rom lernen konnten, frei nach dem Motto „Von den Römern lernen, heißt siegen lernen!“ Seine Truppen legten schon im Jahre 9 n. Chr. bei Kalkriese eine Rasensodenmauer nach römischem Vorbild an. Auch Artillerie setzten die Germanen ein. Sie fochten gegen Maroboduus eine Feldschlacht nach römischem Muster, gegen die Römer wandten sie diese Taktik natürlich nicht an, da sie auf diesem Sektor im Vergleich zu diesen „Meistern“ immer noch „Lehrlinge“ waren.

Die Gestalt seines zu schaffenden regnum war vornehmlich römisch beeinflußt, der Inhalt unzweifelhaft germanisch. Unter Berücksichtigung germanischer Gegebenheiten wird der römische Einfluß primär auf dem Militärsektor, weniger auf dem Gebiet der Administration zu suchen sein. Ähnlich wie bei Maroboduus war das Ziel des Arminius ein nach römischem Vorbild aufgebauter Staat (regnum), mit ihm als Monarchen an der Spitze. Dieser Wunsch wurde erst nach der Vertreibung des Maroboduus offenbar. Die Bezeichnung „römisches Reich germanischer Nation“ für das geplante Staatswesen des Arminius erscheint übertrieben, weist aber in die richtige Richtung. Dieses Gebilde war ansatzweise im Werden begriffen, spätestens aber mit dem Tode des Arminius ausgeträumt. Die freiwillige Unterordnung des unabhängigen, individuellen und selbstbewußten Stammesadels, der nicht umsonst sich gegen Rom erhoben hatte, unter einer einheitlichen Führung über das Erreichen des allgemeinen Ziels (Abzug der Römer) hinaus, war von vorneherein fast unmöglich. Auch fehlte den Germanen das Bewußtsein, das zur Bildung einer politischen Gemeinschaft nötig ist.

Im cheruskischen Bürgerkrieg Anfang 15 n. Chr. gelang Arminius die Ausschaltung der romfreundlichen und friedensbereiten Gruppe. An dem Beispiel der Schlacht an den Pontes longi sieht der Historiker, daß Arminius und sein Onkel Ingiuomerus gleichrangige Positionen einnahmen und daß jeder von ihnen nur mit Unterstützung anderer Großer seinen Willen durchzusetzen vermochte. Durch die Abwehr der Römer und die erfolglose Kriegführung seines Konkurrenten Inguomer hatte Arminius stark an Bedeutung gewonnen; er muß nun eine Art monarchischer Gewalt auf Zeit ausgeübt haben.

Arminius, nach GUNDEL der erfolgreichste Vertreter des zerstreuten Gefechts, hat in seinen Kämpfen gegen Germanicus bei Idistaviso, am Angrivarierwall und in den Kämpfen gegen Caecina immer wieder die topographischen Möglichkeiten Germaniens (Wald, Berg und Sumpf) ausgeschöpft. Wenn ihm nicht ein plötzlicher Überfall in einem für die Römer ungünstigen Gelände gelang oder der Feind anderswie behindert war, griff er nur die Hilfstruppen der Römer an. Er wußte auch, daß ein römisches Lager nicht ohne weiteres zu nehmen war. Arminius besaß entscheidende Fähigkeiten des militärischen Anführers: er beurteilte die militärische Lage realistisch und konnte zum Kampf begeistern. Er schonte sich selbst nicht und war im Kampf, auch nach einer Verwundung, seinen Mitkämpfern ein Vorbild. Nach den Quellen benutzte Arminius auch Lüge, Verrat, Schlauheit, Intoleranz gegen Fremdes, vielleicht auch Grausamkeit als Mittel für sein Ziel. Es sind in seiner Bündnispolitik zwei Stufen zu erkennen: zunächst ein militärischer Kampfbund gegen Rom, später der Aufbau einer machtpolitischen Hegemonie. In den Jahren 15 und 16 n. Chr. war die Lähmung und Schwächung der feindlichen Streitkräfte, gegebenenfalls auch ihre Vernichtung, die Aufgabe der Strategie des Arminius. Dabei waren Manöver und zerstreute Gefechte die geeigneten Mittel, den strategischen Plan durchzuführen. Arminius machte es Germanicus durch viele Einzeloperationen unmöglich, sein Kriegsziel zu erreichen.

Der geographische Bereich der Kämpfe des Arminius reicht von der Weser bis ungefähr an die heutige deutsch-niederländische Grenze südwestlich von Rheine (gegen Caecina im Jahre 15 n. Chr.), bis Aliso an der Lippe (9 n. Chr.) und bis an den Südrand der Münsterländer Bucht (Marser).

Wollte Arminius wirklich König werden, mußte er Maroboduus besiegen. Arminius griff daher im Jahre 17 den Markomannenkönig an der Spitze einer germanischen Koalition an und rückte die Elbe aufwärts gegen Böhmen vor. Es handelte sich dabei nicht um einen Stammeskrieg, da in der entscheidenden Schlacht sogar der Vaterbruder des Arminius, der noch 15 n. Chr. tapfer, wenn auch taktisch unklug gegen die Römer gekämpft hatte, auf seiten des Markomannenkönigs focht. Trotzdem siegte Arminius. Maroboduus verlor Schlacht, später auch Königtum und Heimat. Seine Niederlage vertiefte die Gegensätze innerhalb der cheruskischen Königssippe, wobei die Arminiusgegner – nicht zuletzt mit chattischer Unterstützung- ein offenkundig unmittelbar bevorstehendes Königtum ihres Verwandten mit allen Mitteln zu verhindern suchten. Schließlich hatten sie Erfolg: Vor Vollendung seines Werkes ist der Arminius 21 n. Chr. im Alter von 37 Jahren von seinen Verwandten ermordet worden. Danach zerfiel seine Allianz. Es dienten in der Folgezeit kaum noch rechtsgermanische Hilfstruppenoffiziere bei den Römern. Germanien blieb sich selbst überlassen. Der römische Geisteseinfluß bei der germanischen Führungsschicht ging zurück!


Literatur

Quellen

  • P. Cornelius Tacitus: Annalen, lat.-deut., hrsg.v. Erich Heller, 2. durchgesehene und erweiterte Auflage, Darmstadt 1992.

Lexika

  • Der neue Pauly: Enzyklopädie der Antike, hrsg.v. Hubert Cancik und Helmuth Schneider, Stuttgart/ Weimar 1996-2003
  • Paulys Realenzyklopädie der klassischen Altertumswissen-schaft, hrsg.v. Georg Wissowa, Stuttgart 1893-1978

Weitere

  • Demandt, Alexander: Arminius und die frühgermanische Staatenbildung, in: Arminius und die Varusschlacht, hrsg.v. Rainer Wiegels und Winfried Woesler, Paderborn/ München/ Wien/ Zürich 1995, S. 185-196.
  • Jahn, Ralf G.: Der Römisch - Germanische Krieg (9-16 n. Chr.). Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philosophischen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn. Bonn 2001.
  • Millhoff, Manfred: Die Varusschlacht – Anatomie eines Mythos: eine historische Untersuchung der „Schlacht im Teutoburger Wald“, Berlin 1995.
  • Timpe, Dieter: Arminius-Studien, Heidelberg 1970.


Siehe auch

Hermannsweg, Arminia, Varusschlacht, Aliso