Kosmische Strahlung
Die Kosmische Strahlung ist eine hochenergetische Teilchenstrahlung aus dem Weltall. Sie wurde bereits 1912 von Victor F. Hess postuliert, um die bei einem Ballonflug gemessene höhere elektrische Leitfähigkeit der Atmosphäre mit zunehmender Höhe zu erklären. Früher wurde sie Höhenstrahlung genannt.
Zusammensetzung
Die Kosmische Strahlung besteht zu 97 % aus einer Nukleonenkomponente und zu 3 % aus einer Elektronenkomponente. In der Nukleonenkomponente überwiegen Protonen und Alpha-Teilchen, sie enthält aber auch alle anderen schwereren Atomkerne, welche auch in der solaren Materie vorkommen. Die Häufigkeit der verschiedenen Atomkerne entspricht, mit einigen Ausnahmen, in etwa der solaren Elementhäufigkeit. Ausnahmen sind zum Beispiel Li, Be und B, die in der Kosmischen Strahlung, als Folge von Spallationsreaktionen beim Durchqueren galaktischer Materie, häufiger sind als in solarer Materie. Die Elektronenkomponente besteht aus Elektronen und Positronen im Verhältnis von 10 zu 1. Der Teilchenfluss in Abhängigkeit von ihrer Energie stellt ein Potenzspektrum in Form von E-γ dar, wobei Teilchen höherer Energie wesentlich seltener auftreten als Teilchen geringerer Energie. Bei 5x1019 Elektronenvolt müsste eigentlich aufgrund von Wechselwirkungen mit der kosmischen Hintergrundstrahlung der so genannte GZK-Cutoff auftreten, zu dem jedoch widersprüchliche Messdaten vorliegen.
Einteilung und Ursprung
Die Kosmische Strahlung wird auch je nach ihrem Ursprung in solare und galaktische kosmische Strahlung eingeteilt. Bei Sonneneruptionen werden Teilchen bis in den GeV-Bereich erzeugt (engl. "solar energetic particles", SEP). Der genaue Ursprung der galaktischen kosmischen Strahlung, in der Teilchenenergien bis zu 1020 eV nachgewiesen wurden, ist bisher unbekannt. Kandidaten hierfür sind unter anderem Schockfronten von Supernovaexplosionen oder kosmische Jets von schwarzen Löchern oder Pulsaren. Für Teilchenenergien kleiner 1018 eV wird ein Ursprung innerhalb der Milchstraße angenommen, während für größere Energien auch andere Galaxien oder Quasare in Betracht kommen.
Geschichte der Erforschung
1912 entdeckte Victor Franz Hess die Kosmische Strahlung mithilfe von Ballonflügen in der Erdatmosphäre. Er veröffentlichte die Entdeckung in der Physikalischen Zeitschrift 13 (1912), 1084.
Bereits 1949 postulierte Enrico Fermi einen möglichen Beschleunigungsmechanismus, der eine statistische Beschleunigung an magnetisiertem Plasma („Magnetwolken“) bzw. ebenen Schockfronten beinhaltet. Eine Schockfront kann zum Beispiel durch ein sich im Vergleich zur Umgebung sehr schnell propagierendes Gas gegeben sein. Schockfronten treten vor allem nach Supernovaexplosionen in der abgestoßenen Hülle der Supernova auf. Bei dieser statistischen Beschleunigung wird über längere Zeit mittels „Stößen“ die Energie des Gases auf das Teilchen übertragen. Dabei entsteht ein Potenzspektrum, jedoch mit einem von den Messdaten abweichenden Spektralindex γ.
Scott E. Forbush wies 1946 nach, das bei Sonneneruptionen Teilchen bis in den GeV-Bereich erzeugt werden.
Walther Bothe und Werner Kohlhörster machten sich daran, endlich den Nachweis dafür zu erbringen, dass die Kosmische Strahlung eine hochenergetische Gammastrahlung sei. Für ihre Experimente verwendeten sie eine Messanordnung, die im wesentlichen aus zwei Geiger-Müller-Zählrohren bestand, zwischen die man verschieden dicke Absorber in Form von Eisen- oder Bleiplatten bringen konnte. Sie gingen davon aus, dass ein Gammaquant nur dann mit einem Geiger-Müller-Zählrohr nachgewiesen werden kann, wenn es zuvor ein Elektron aus einem neutralen Atom schlägt. Dieses Elektron würde dann vom Zählrohr nachgewiesen. Die sekundären Elektronen wollten Bothe und Kolhörster untersuchen, und dazu verwendeten sie die Zählrohre. Tatsächlich entdeckten sie sehr bald Koinzidenzen, das bedeutet Ereignisse, die in beiden Zählrohren zu gleichen Zeit stattfanden. Das wies darauf hin, dass ein Elektron, das von einem Gammaquant aus einem Atom geschlagen wurde, im raschen Flug beide Zählrohre durchquert haben musste.
Als nächstes wollten sie die Energie dieser vermeintlichen Elektronen bestimmen, indem sie immer dicker werdende Absorber in Form von Metallplatten zwischen die beiden Zählrohre einbrachten, bis keine Koinzidenzen mehr eintreten würden. Hier hielt die Natur eine Überraschung für die Physiker bereit. Bothe und Kolhörster stellten zu ihrem maßlosen Erstaunen fest, dass 75 % der Koinzidenzen nicht einmal durch einen vier Zentimeter dicken Goldbarren zu verhindern waren. Tatsächlich waren die Teilchen, durch welche die Geiger-Müller Zählrohre ausgelöst wurden, gerade so durchdringend, wie die Kosmische Strahlung selbst. Die beiden deutschen Forschen konnten nicht umhin, die Folgerung zu ziehen, dass die Kosmische Strahlung selbst entgegen der allgemeinen Annahme keine Gammastrahlung war, sondern zumindest zu einem Teil aus geladenen Teilchen sehr hoher Durchdringungskraft bestand. Sie konnten zeigen, dass die sekundäre Strahlung, die von der primären Kosmischen Strahlung in der Wechselwirkung mit unserer Atmosphäre erzeugt wurde, aus elektrisch geladenen Teilchen bestand.
Wechselwirkung mit Materie und speziell der Erdatmosphäre
Kosmische Strahlung löst beim Durchdringen von Materie Spallationsreaktionen aus. Durch Messung der Häufigkeiten der Spallationsprodukte in Meteoriten kann so zum Beispiel deren Aufenthaltsdauer im Weltall bestimmt werden (Bestrahlungsalter). Auch konnte so festgestellt werden, dass sich die mittlere Intensität der galaktischen Kosmischen Strahlung seit mindestens 100 Millionen Jahren höchstens um einen Faktor zwei geändert hat. Beim Eintreten in die Erdatmosphäre werden aufgrund von Wechselwirkungen so genannte Teilchenschauer ausgelöst, bei denen vor allem Myonen entstehen, welche auch bis zur Erdoberfläche gelangen können. Bei den ersten Wechselwirkungen entstehen meist Pionen, welche augenblicklich weiter zerfallen.
Die beim Zerfall der Pionen entstehenden Myonen können ihrerseits weiter zerfallen, wobei Elektronen und Neutrinos entstehen.
Ein Schauer besitzt somit eine weiche elektromagnetische (Elektronen und Gamma-Teilchen), eine harte myonische sowie eine hadronische Komponente, die einzeln nachgewiesen werden können und zum Nachweis von Partikeln der kosmischen Strahlung genutzt werden. Ausgehend davon unterscheidet man auch zwischen primärer und sekundärer kosmischer Strahlung, wobei primäre Strahlung die in den Quellen beschleunigte bezeichnet, während die sekundäre Strahlung erst in Wechselwirkungen der primären kosmischen Partikel entsteht.
Wirkung auf den Menschen
Beim Menschen kann die KS auf lange Zeit gesehen Krebs verursachen. Die Erde wird durch die dichte Atmosphäre und das Magnetfeld vor der Strahlung geschützt. Im All kann man sich gegen die Strahlung durch massereiche Materie schützen und so Krebs verhindern. Die KS kann auch Mutationen hervorrufen. Ein Projekt das sich i.a. auf die Erforschung der Wirkung auf den Menschen konzentrierte, waren die Manhigh-Ballonflüge der USA.
Einige Wissenschaftler vertreten sogar die Meinung, dass der Mensch wegen der KS nie weitergehende interplanetare - geschweige denn interstellare - Reisen unternehmen können wird.
Intensität und Nachweis
Zum Nachweis der kosmischen Strahlung werden unterschiedliche Ansätze verfolgt. Während der Fluss der Teilchen bei niedrigen Energien noch groß genug ist, um mit Ballon- und Satellitendetektoren direkte Beobachtungen durchführen zu können, sind bei höheren Energien grossflächige Detektorarrays zum Nachweis der ausgedehnten Luftschauer nötig (KASCADE-Grande, AUGER). Um die höchsten Energien detektieren zu können, versucht man, das Fluoreszenzlicht (Fluoreszenz) von Stickstoffmolekülen welches ein Teilchenschauer verursacht, zu beobachten. Mithilfe dieser Methode wurde 1991 vom Flye's-Eye-Teleskop in Utah (USA) die höchste bisher gemessene Teilchen-Energie beobachtet. Sie lag bei 3,2*10 20 eV.
Abgesehen von der langfristigen Konstanz gibt es kurzfristige periodische und nichtperiodische Schwankungen der Intensität der Kosmischen Strahlung. So schwankt die Intensität in Abhängigkeit vom elfjährigen Sonnenfleckenzyklus; je mehr Sonnenflecken vorhanden sind,desto geringer die Intensität der GCR. Daneben gibt es noch eine 27-tägige Schwankung, die mit der Sonnenrotation verknüpft ist. Von erdgebundenen Detektoren werden auch schwache ganz- und halbtägige Schwankungen beobachtet. Sonnen-Flares oder sonstige Sonnenaktivitäten können auch plötzliche vorübergehende Intensitätsabfälle hervorrufen, welche nach ihrem Entdecker Scott E. Forbush als Forbush-Ereignisse bezeichnet werden. Seltener wird auch ein plötzlicher Anstieg der Intensität beobachtet.
Bedeutung in der Wissenschaftsgeschichte
Da man in Kosmischer Strahlung nur geringe Spuren von Antimaterie nachweisen konnte, die vermutlich komplett in Wechselwirkungen der geladenen Teilchenstrahlung mit interstellarem Gas entstanden sind, wird dies als entscheidendes Indiz angesehen, dass in unserem Universum keine natürliche Antimaterie vorkommt und es somit beim Urknall zu einer Asymmetrie von Materie und Antimaterie gekommen ist.
Literatur
- A. Unsöld, B. Baschek, Der neue Kosmos, Springer-Verlag, ISBN 3-540-42177-7
- C. Grupen, Astroteilchenphysik, Springer-Verlag, ISBN 3-540-41542-4
- Gerhard Börner, Matthias Bartelmann: Astronomen entziffern das Buch der Schöpfung. Physik in unserer Zeit 33(3), S. 114 - 120 (2002), ISSN 0031-9252
- Werner Hofmann: Die energiereichste Strahlung im Universum. Physik in unserer Zeit 33(2), S. 60 - 67 (2002), ISSN 0031-9252
Videos
- Real Video: Was ist kosmische Strahlung? (Aus der Fernsehsendung Alpha Centauri)