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Türkische Literatur

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Türkische Literatur bezeichnet die türkischsprachige Literatur der frühen türkischen Stämme, des Osmanischen Reiches und der türkischen Republik und – weiter gefasst – auch die türkischsprachige Literatur, die außerhalb der Türkei entsteht.

Vorislamische Zeit

Vor der Annahme des Islam war die schriftliche und mündliche türkische Literatur von der Nomadenkultur geprägt. Das Wissen über die mündliche türkische Literatur stammt heute aus chinesischen, arabischen und iranischen Quellen.

Schwerpunktthemen der mündlichen Literatur aus dieser Zeit waren die Natur, die Beziehung zwischen Natur und Mensch, Kriege, Siege und Niederlagen, Katastrophen, Heldentaten und die Liebe. Die ersten mündlichen Werke waren Sagen, die bekannteste und älteste ist die Sage von Alp Er Tunga. Die Sage handelt vom Sieg des Herrschers über eine iranische Armee. Berühmt sind zudem die Sagen der Gök-Türken, die Ergenekon-Sage berichtet, wie die Gök-Türken einen Berg aus Eisen geschmolzen haben um aus "Ergenekon" herauszukommen und in der Bozkurt-Sage wird über den Mythos berichtet wonach die Gök-Türken vom Wolf abstammen. Neben den Sagen waren Klagelieder, Liebes- und Naturgedichte und Sprichwörter, die bei religiösen Zeremonien und bei Siegesfeiern vorgetragen wurden, weitere Bestandteile der frühen türkischen mündlichen Literatur.

Die Orhon-Inschriften aus dem 6. und 7. Jahrhundert bilden die ersten schriftlichen literarischen Werke der Türken. Die Wichtigsten sind die im Göktürk-Alphabet geschriebenen Inschriften von Tonyokuk, Kül Tigin und Bilge Kağan. Sie schildern verschiedene geschichtliche Ereignisse und liefern so wichtige Informationen über das Leben der Türken in der damaligen Zeit.

Frühislamische Zeit

Die Türken traten in der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts zum Islam über, vorher war der Schamanismus das prägende Element der türkischen Gesellschaften. Mit der islamischen Religion veränderte sich auch das gesellschaftliche Leben und damit auch Sprache, Form und Inhalt der Literatur. Mit dem Islam stieg auch der Einfluss der arabischen und persischen Sprache auf die türkische Literatur. "Kutadgu Bilig" (11. Jahhrhundert), das von Religion, Staat, Politik und Erziehung handelt, war das erste Werk der türkischen Literatur nach der Annahme des Islams. Kaşgarlı Mahmut verfasste das Wörterbuch für türkische Sprache "Divan-ı Lugat-it Türk". Es enthält 7.500 Wörter aus verschiedenen Dialekten der türkischen Sprache. Weitere wichtige Literaten waren Ali Şir Nevai und der Großmogul-Schah Babur. Ali Şir Nevai verfasste Gedichte, Wörterbücher und wichtige Werke über die Sprache. Großmogul-Schah Babur ist besonders für sein Werk "Vekayi Babürname" bekannt.

Ab dem 11. Jahrhundert bildete sich bei den Türken, die sich in Anatolien niederließen, das Türkei-Türkische heraus. Der islamische Einfluss hielt vom 11. Jahrhundert bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts an. In dieser Zeit kann die Entwicklung der türkischen Literatur in zwei Hauptgruppen unterschieden werden. Zum einen in die Diwan-Literatur und zum anderen in die Volksliteratur.

Noch aus vorosmanischer Zeit stammt der Epos von Gesser Chan, der als größter zentralasiatischer Epenzyklus in tibetischer, mongolischer und türkischer Sprache bekannt ist. Das große türkische Volksepos ist "Dede Korkut", das von dem Kampf der Turkstämme gegeneinander und gegen das christliche Oströmische Reich berichtet. Es wurde vermutlich im 15. Jahrhundert niedergeschrieben. Diesem Werk ähnelt auch der "Volksroman" Sajjid Battal aus dem 13. Jahrhundert, der neben türkischen auch arabische und persische Einflüsse enthält und in märchenhafter Weise Epen aus der Frühgeschichte des osmanischen Reiches wiedergibt.

Osmanische Zeit

Die Literatur des osmanischen Reiches war von islamischen Mystikern dominiert und orientierte sich besonders an der persischen Literatur, so zum Beispiel die Ghasel-Dichtung von Fuzûlî im 16. Jahrhundert. Dabei ist die Sprache vom Vokabular und dem Versmaß her ausgefeilt – und gleichermaßen festgefügt. Die höfische Literatursprache bestand zu ca. 80 % aus arabischen und persischen Wörtern. In dieser Form waren sie nur den gebildeten Schichten des osmanischen Reiches zugänglich.

Einer der ersten bekannten Vertreter türkischer Literatur war der Mystiker Yunus Emre, der im 13. Jahrhundert die Derwisch-Dichtung begründete und sowohl die höfische als auch die Volkskultur inspirierte. Ihm werden eine Vielzahl von Volksliedern zugeschrieben. Die Literatur des Osmanischen Reiches war von islamischen Mystikern dominiert und orientierte sich besonders an der persischen Literatur, so zum Beispiel die Ghasel-Dichtung von Fuzûlî im 16. Jahrhundert. Die Inhalte sind vor allem Lobpreisungen weltlicher und geistlicher Autoritäten und Liebeslyrik. Dabei ist die Sprache vom Vokabular und dem Versmaß ausgefeilt – und gleichermaßen festgefügt. In dieser Form waren sie nur den gebildeten Schichten des osmanischen Reiches zugänglich.

Daneben entwickelt sich eine Volksliteratur, die besonders aus Volksliedern und Geschichten von volkstümlichen Helden wie Keloğlan und Nasreddin Hoca besteht (eingeschränkt vergleichbar mit Till Eulenspiegel). Eine besondere Bedeutung hatten auch die Reiseschilderungen Evliya Çelebis (1611 - 1682), die zu den großen Reiseberichten der Weltliteratur gehören.

Mit der Tanzimat-Periode Mitte des 19. Jahrhunderts werden wie in der Politik auch in der Literatur westliche Einflüsse stärker. Nachdem westliche Literatur verstärkt ins Türkische übersetzt wurde, erscheinen in den 1870er Jahren die ersten türkischen Romane. Eine besondere Rolle nimmt bei der Modernisierung die Zeitung "Servet-i fünûn" ("Schatz des Wissens") mit dem Dichter Tevfik Fikret und dem Romancier Halit Ziya Uşaklıgil ein. Zugleich kommt auch eine nationalistische und patriotistische Dichtung auf.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts und zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden die ersten Übersetzungen moderner türkischer Literatur ins Deutsche vorgenommen. Pioniere dabei waren der Orientalist Prof. Dr. Georg Jacob, quasi der Begründer der modernen Turkologie in Deutschland, und der in Konstantinopel lebende Journalist und Philologe Dr. Friedrich Schrader, der auch zahlreiche Übersichtsartikel über moderne türkische Literatur in deutschen Zeitungen und Zeitschriften verfasste.

Türkische Republik

Mit der Ausrufung der Republik und der atatürkschen Reformen, besonders der Einführung der lateinischen Schrift 1928 und der großen Sprachreformen ab 1932 kommt es zu revolutionären Veränderungen in der türkischen Literatur. Die neuen Schriftsteller wenden sich von der herkömmlichen festgefügten Stilistik und Sprache ab. Dieses wird besonders von den Garip-Dichtern um Orhan Veli propagiert.

Mit der Form verändern sich auch die Inhalte der türkischen Literatur zunehmend. Fakir Baykurt, Sabahattin Ali und Yaşar Kemal stellen die Dorfbevölkerung in den Mittelpunkt, Sait Faik Abasıyanık die einfachen Stadtmenschen. Mit der Hinwendung zur Schilderung der Lebensumstände bleibt soziale und politische Kritik am Staat nicht aus. Der Staat reagiert mit Zensur und politischer Gewalt. Autoren wie Nâzım Hikmet, Yaşar Kemal oder Aziz Nesin verbringen wegen der Verfolgung ihrer Publikationen viele Jahre in türkischen Gefängnissen. Kemal bezeichnet das Gefängnis deshalb als "Schule der türkischen Literatur".

Mit den Arbeitsmigranten kommen in den 60er Jahren türkische Literatur und türkischstämmige Schriftsteller auch nach Westeuropa. Bücher werden verstärkt übersetzt. Aras Ören, Yüksel Pazarkaya oder Emine Sevgi Özdamar befassen sich auf unterschiedliche Weise mit dem Leben in Deutschland. Teilweise wird diese Literatur auch wieder in die Türkei zurückgetragen.

Während die Zensur und die drei Militärputsche (1960, 1971 und 1980) die Entwicklung der türkischen Literatur hemmen, tragen Schriftsteller auf dem Umweg dieser migranten Literatur mit dazu bei, dass es heute eine sehr vielfältige und eigenständige türkische Literatur gibt. Ein bekannter Vertreter aktueller türkischer Literatur ist Orhan Pamuk (Das schwarze Buch 1991).


Siehe auch