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Rasse (Züchtung)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
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Rassen oder Unterarten sind in der biologischen Systematik Populationen einer Art, bei denen der Genaustausch mit anderen Populationen vermindert ist. Dadurch kann es zu einer verstärkten Herausbildung von gemeinsamen phänotypischen Merkmalen kommen, die die Individuen der Rasse von anderen Populationen der gleichen Art unterscheiden (Merkmalsdivergenz). Andere Begriffe, die vergleichbare Beobachtungen ausdrücken, sind Unterart (Subspezies), Zuchtform oder Varietät. Im Pflanzenreich sprechen Biologen auch von Sorten.
Im weißen diskriminierenden Sprachgebrauch des 19. und frühen 20. Jahrhunderts (vgl. das englische race) wurde "Rasse" auf Menschen angewandt, als ein biologistisch "begründeter" kulturell zuschreibender Terminus. Als soziologischen Begriff hat ihn vor allem der frühe Klassiker Ludwig Gumplowicz verwandt (Der Rassenkampf, 1909).

Da der Begriff "Rasse" in Bezug auf Menschen einen deutlich rassistisch-ideologischen Charakter annimmt (To most people, a race is any group of people whom they choose to describe as a race. Zitat aus dem UNESCO-Bericht The race concept. Results of an inquiry. 1952, p 99), hat die UNESCO ebenda empfohlen, den Begriff "Rasse" ("race") durch den rein deskriptiven (beschreibenden) Begriff Ethnische Gruppe (ethnic group) zu ersetzen.

Klassifizierung von Populationen in Evolutionsprozessen

Alle Mitglieder einer biologischen Art haben normalerweise an einem gemeinsamen Genpool teil. Innerhalb einer Art bilden sich jedoch weite Variationen in der phänotypischen Kombination bestimmter Merkmale. Bestehen zwischen verschiedenen Populationen oder Populationsgruppen der Art Barrieren für den Genaustausch - seien es räumliche (Gebirge, Landmassen, Meere), zeitliche (Entwicklungszeiten, etwa bei Maikäfern) oder vom Menschen induzierte (Zuchtwahl bei Hunden, Pferden etc) - so prägen sich diejenigen Merkmale heraus, die in hoher Frequenz bereits vorhanden sind (Genetische Drift), manchmal verstärkt durch spezifische Umweltbedingungen, die einen Selektionsdruck ausüben. Wenn es im Laufe der Evolution in bestimmten Populationsgruppen gehäuft zu einer einheitlichen Veränderung bestimmter Merkmale kommt, die die Angehörigen einer Gruppe von anderen unterscheidet, so liegt eine Unterteilung in Untergruppen nahe, die als Rassen, Unterarten, Sorten etc. bezeichnet werden. Diese Unterarten können sich zu neuen Arten entwickeln, wenn sie so weit auseinander driften, dass sich Fortpflanzungsbarrieren ausbilden, die den freien Genaustausch zwischen den Gruppen dauerhaft, d.h. selbst bei wieder etabliertem z.B. geografischem Kontakt, einschränken und dadurch die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Fortpflanzung zwischen Individuen verschiedener Untergruppen stark herabsetzen. Es finden sich dann oft evolutionäre Zwischenstadien, bei denen zwar eine Kreuzung möglich ist, der Nachwuchs aber eine herabgesetzte evolutionäre Fitness zeigt, was sich u. a. in verminderter Fortpflanzungsfähigkeit wie beispielsweise zwischen Pferden und Eseln zeigen kann.

Da eine Rasse immer über eine ganze Reihe von Eigenschaften, Merkmalen oder Attributen definiert wird, können durch die Kreuzung von Individuen mit heterozygoten Merkmalen beliebige Zwischenstufen zwischen den Rassen entstehen. Die Rasse ist also nur in einer geografisch und zeitlich fest umrissenen Situation eine naturgegebene Kategorie; in vielen Fällen ist sie ein vom Menschen geschaffenes Abstraktum. Realität kommt dann nur den einzelnen genotypischen und phänotypischen Unterschieden selbst zu - es existiert also keine von der historischen Situation unabhängige "Summe" dieser Unterschiede.

Rassen in Bezug auf Tiere

Rassen sind heute insbesondere in der Tierzucht (Hunde, Pferde, Kühe und andere Haustiere) von Bedeutung, wo oft die Reinrassigkeit den Wert eines Tieres mitbestimmt: Die Tiere sollen den definierten Eigenschaften des Zuchtideals entsprechen. Die Art der Hunde wurde z. B. als Ganze vom Menschen aus der differierenden Art des Wolfes herausgezüchtet. Nicht nur verantwortungslose Züchtung, sondern die ganz normale so genannte "Rasse-Hunde-Zucht" führt zwangsläufig zu Schädigungen des Haplotypus. Hellmuth Wachtel (Hundezucht 2000, Gollwitzer Verlag 1997) weist zu Recht darauf hin, dass als Population nur die effektiv an der Fortpflanzung teilnehmenden Haplotypen bezeichnet und gezählt werden können. Die zum Standard gewordene so genannte "Championzucht" verstärkt dies dramatisch. Habe ich z. B. 3000 Zuchthündinnen einer "Hunderasse" und lasse sie von 50 "Champions" decken, beträgt die Populationsgrösse effektiv nur 200! Womit der Tatbestand der "heimlichen" Engzucht mit entsprechender Allelverarmung durch Gendrift schon erfüllt ist. Wachtel nannte dies treffend "Genetischer Genozid".

Die Folge ist, dass es immer mehr Rassehunde gibt, die Erbkrankheiten und krankes Erbgut tragen. Folgt man Wachtel so dürfte es mit der Vitalität der europäischen "Rassehunde" (Fruchtbarkeit, Anpassungsfähigkeit an wechselnde Umweltreize, Widerstandskraft gegen Krankheitserreger, mittlere Lebenserwartung, Inzidenz von Erbkrankheiten) in ca. dreißig Jahren endgültig zu Ende gehen. Wobei heute schon einige Rassen ohne Kaiserschnittentbindungen ausgestorben wären.

Zusätzlich und verstärkend gibt es Überzüchtungen auf Schönheitsideale der Wohlstandsgesellschaft, die zu weiteren Inzucht-Effekten führen können. In der Zucht von Nutztieren und Nutzpflanzen dienen reinrassige Ur-Zuchtlinien zur Produktion von hybriden neuen Rassen.

"Rassen" in Bezug auf Menschen

Hauptartikel: Rassentheorien

Die mannigfachen Versuche, Menschen nach äußeren Merkmalen (wie Körperbau, Schädelform, Haut- und Haarfarbe usw.) in verschiedene "Rassen" einzuteilen, werden heute sehr kontrovers diskutiert und finden keine vorbehaltlose Akzeptanz mehr. Naturwissenschaftler haben viele dieser Rassentheorien schon seit längerem widerlegt und sprechen statt dessen von der menschlichen Rasse, welche sich in verschiedene Phänotypen gliedert. Genetisch gesehen gleichen sich alle Menschen zu 99,9 Prozent. Die restlichen 0,1 Prozent des Erbguts sorgen für die Unterschiede zwischen den Menschen (Haut- und Haarfarbe usw.). Der genetische Unterschied zwischen verschiedenen Menschenrassen ist jedoch deutlich größer als zwischen verschiedenen Hunderassen und sogar größer als zwischen Hunden und Koyoten, die immerhin als zwei unterschiedliche Gattungen gelten. Vorlage:Ref

Besonders die Rassenideologie hat zur Verbreitung unwissenschaftlicher, aber populärer Kriterien geführt und durch ihre oft menschenverachtende Ausrichtung auch die wissenschaftliche Disziplin in Misskredit gebracht. Während viele morphologische und physiologische Kriterien bis heute in Biologie und Medizin Bestand haben, wurden andere Merkmale inzwischen weitgehend widerlegt oder gelten doch zumindest nur stark eingeschränkt.

Die bis heute teilweise noch gebräuchliche Einteilung der Menschen in Rassen, früher oft als "Großrassen" bezeichnet, kann sowenig auf der Körperfarbe begründet werden, wie auf anderen Einzelmerkmalen. Die Einteilung in Schwarze, Weiße, Rote und Gelbe ist eine vereinfachte und unzutreffende Konstruktion. Während Walter Demel zeigte, wie die Chinesen 'gelb' gemacht wurden, beschrieb Alden T. Vaughan die Verwandlung der Indianer in 'Rothäute' oder verfolgte Wulf D. Hund die Entwicklung des europäischen Afrikanerbildes vom 'Äthiopier' der Antike über den 'Mohren' des Mittelalters zum 'Neger' der Neuzeit. John Solomos und viele andere haben daraus den Schluss gezogen, dass "schwarz und weiß [...] keine essentialistischen Kategorien [sind], sondern [...] durch historische und politische Kämpfe um ihre Bedeutung definiert werden und deswegen "Rasse" ein Produkt des Rassismus ist und nicht umgekehrt".

Quellen

  1. Vorlage:Fußnote

Literatur

  • Michael J. Bamshad/Steve E. Olson: Menschenrassen - eine Fiktion?, Spektrum der Wissenschaft Mai 2005
  • Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker und Sprachen. Die biologischen Grundlagen unserer Zivilisation. Darmstadt: WBG 1999
  • G. Çağlar: Der Mythos vom Krieg der Zivilisationen. Der Westen gegen den Rest der Welt. Eine Replik auf Samuel P. Huntingtons »Kampf der Kulturen«, Münster 2003, ISBN 3-89771-414-0
  • Stephen Jay Gould: Der falsch vermessene Mensch. Suhrkamp 1999
  • J. Philippe Rushton: Rasse, Evolution und Verhalten: eine Theorie der Entwicklungsgeschichte. Graz: Ares 2005. ISBN 3-902475-08-0
  • James Serpellet al. The Domestic Dog : Its Evolution, Behaviour and Interactions with People Cambridge University Press, 1995
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