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Atlanta-Feldzug

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Der Atlanta-Feldzug war eine militärische Operation der Unionsstreitkräfte unter William Tecumseh Sherman in Nordgeorgia während des Amerikanischen Bürgerkriegs. In einer Serie von Kämpfen, die von Mai bis September 1864 dauerten, besiegten die Nordstaaten die konföderierte Tennessee-Armee unter Joseph Eggleston Johnston (später unter John Bell Hood) und eroberten schließlich die strategisch und wirtschaftlich wichtige Stadt Atlanta. Ihr Erfolg trug wesentlich zur Wiederwahl Präsident Lincolns bei, der - anders als sein Gegenkandidat McClellan - gegen eine Kompromisslösung mit den Staaten der Konföderation eintrat. Der Feldzug gilt daher als entscheidend für den vollständigen Sieg des Nordens im Sezessionskrieg, hatte aber auch auf kultureller Ebene große Auswirkungen.

Vorgeschichte und strategische Bedeutung

Mit dem Sieg in der Schlacht von Chattanooga war es den Nordstaaten im November 1863 endgültig gelungen, den Staat Tennessee zu sichern und dadurch das Tor für Operationen gegen andere konföderierte Staaten weiter im Süden zu öffnen.

Als besonders lohnenswertes operatives Ziel bot sich dabei der Eisenbahnknotenpunkt Atlanta in Georgia an, der während des Bürgerkriegs zu einer der wichtigsten Industriemetropolen des Südens aufgestiegen war. Die Einnahme dieser Stadt durch die Union würde dem Süden einen schweren Schlag zufügen und die Nordstaaten mitten ins Herzland der Konföderation, in den tiefen Süden, führen. Darüber hinaus sah es der strategische Gesamtplan des neuen Oberbefehlshabers der US-Armee, General Ulysses S. Grant, vor, die zahlenmäßig unterlegenen Südstaaten an möglichst vielen Punkten gleichzeitig zu bedrohen. Auf diese Weise wollte Grant verhindern, dass die Südstaaten wie in den Jahren zuvor Gebrauch von ihren inneren Linien machen und ihre Armeen je nach Situation durch Truppen aus weniger bedrohten Gebieten verstärken konnten. Aus diesem Grund übergab Grant seinem engen Vertrauten William Tecumseh Sherman im Frühjahr 1864 eine schlagkräftige Armee in Nordgeorgia und den Auftrag, die Stadt zu erobern und die sie schützende konföderierte Armee von Tennessee zu besiegen.

Die Oberbefehlshaber und ihre Kommandeure

William T. Sherman

Sherman erhielt zu diesem Zweck das Kommando über die „Military Division of West Mississippi“. Neben mehreren Wehrbereichen (Departments) unterstanden ihm dabei auch drei große Feldarmeen.

Die stärkste der drei Armeen, die Armee des Cumberland, wurde von Generalmajor George Henry Thomas geführt, der sich in der Schlacht von Chickamauga ausgezeichnet hatte.

Generalmajor James Birdseye McPherson, den Sherman sehr schätzte, hatte den Befehl über Shermans ehemaliges Kommando, die Armee des Tennessee. Shermans kleinste Feldarmee, die Armee des Ohio kommandierte John McAllister Schofield. Inklusive der den verschiedenen Armeen untergeordneten Kavallerietruppen kam Sherman alles in allem auf rund 100.000 Mann.

Joseph E. Johnston

Ihm gegenüber stand der konföderierte Feldherr Joseph Eggleston Johnston mit der Armee von Tennessee. Johnston, einer der ranghöchsten konföderierten Generäle, befehligte rund 50.000 Mann. Kurz nach Beginn des Felzugs wurde er aber durch die konföderierte Mississippi-Armee unter Leonidas Polk auf rund 65.000 Mann verstärkt. Johnston, ein kluger, eher defensiv orientierter Taktiker, hatte seine Armee im Gebirge Nordgeorgias, in der Nähe von Dalton, aufgestellt und erwartete dort Ende April den Beginn von Shermans Offensive.

Der Ort des Geschehens

Das Gelände entlang der rund 100 Meilen, die Sherman und seine Unionssoldaten auf dem Weg nach Atlanta zurücklegen mussten, schien für die Verteidigung geeigneter zu sein als für den Angriff. Es war gebirgig und von mehreren Flüssen in West-Ost-Richtung durchzogen. Die drei wichtigsten dabei waren, von Norden nach Süden, der Oostanaula, der Etowah und der Chattahoochee.

Für beide Seiten entscheidend war außerdem die von Nord nach Süd verlaufende Western & Atlantic-Eisenbahnlinie. Die W&A war sowohl für Johnston als auch für Sherman eine unerlässliche Versorgungslinie und musste bei strategischen Überlegungen immer mit einkalkuliert werden. Als Versorgungs-, Rückzugs- und Vormarschlinie war sie für beide Seiten immens wichtig, barg Gefahren, aber auch Chancen.

Die Stadt Atlanta

Die Stadt war 1836 als Bahnhof für die Western and Atlantic Eisenbahnlinie entstanden und hatte im Jahr 1861 9000 Einwohner. Sie hatte während des Bürgerkrieges stark an Bedeutung gewonnen und stand in industrieller Bedeutung für den Süden nur der Hauptstadt Richmond nach.

Der Feldzug

Von Rocky Face Ridge nach Kennesaw Mountain

Die ersten größeren Gefechte des Feldzuges entbrannten Anfang Mai 1864 in der Gegend des Rocky Face Ridge, wo Shermans Truppen auf zähen Widerstand der eingegrabenen Konföderierten trafen. Er entschloss sich, mit der Masse seiner Kräfte einen Ablenkungsangriff gegen Johnstons Linien durchzuführen, während McPhersons Armee des Tennessee die linke Flanke der Konföderierten umgehen sollte. Danach sollte McPherson Johnston weiter südostwärts bei Resaca am Oostanaula im Rücken angreifen und seine Hauptnachschublinie, die W&A-Eisenbahn, unterbrechen, traf jedoch auch hier auf starken Widerstand. Sherman eilte ihm daraufhin mit dem Rest seiner Streitmacht zur Hilfe. Drei Tage lang, vom 13. bis zum 15. Mai, versuchte er hier erneut ohne Erfolg Schwachstellen in Johnstons Front zu finden, woraufhin er wiederum die linke Flanke der Konföderierten umging und Johnston zum Rückzug nach Süden zwang.

Datei:Atlanta Campaign.jpg
Übersichtskarte über den Feldzug

Dieses Manöver wiederholte sich auch einige Tage später und einige Meilen südlicher am Allatoona Pass, der sich auch als ein zu starkes Hindernis erwies. Wieder umging Sherman Johnstons Flanke, zwang diesen so zum Rückzug, konnte seine Verbindungs- und Rückzugslinie aber nicht durchtrennen, da Johnston die Bewegung vorhergesehen und südwestlich davon bei New Hope Church Stellung bezogen hatte. Sherman unterschätzte hier die Stärke von Johnstons Truppen und befahl einem seiner Korps den Angriff, welcher blutig zurückgeschlagen wurde. Ein Gegenangriff der Konföderierten bei Dallas blieb aber ebenso erfolglos, und Sherman marschierte ostwärts, um Johnstons Versorgungslinie wieder zu bedrohen.

In der Folgezeit standen sich die Armeen Anfang Juni in der Gegend des Pine Mountain gegenüber und tasteten sich ab, wobei Leonidas Polk, der eines von Johnstons Korps befehligte, tödlich verwundet wurde. Erneut zwang Sherman Johnston durch seine Umgehungs- und Überlappungsmanöver zum Rückzug. Die Konföderierten nahmen daraufhin bei Kennesaw Mountain eine starke Verteidigungsstellung ein. Sherman witterte hier dennoch eine Chance für einen Frontalangriff, der am 27. Juni 1864 ohne Erfolg durchgeführt wurde: Die fest eingegrabenen Konföderierten wehrten alle Versuche der Nordstaatler, ihre Linien zu durchbrechen unter hohen Verlusten für die Angreifer ab.

Von Marietta bis zur Schlacht von Atlanta

Johnston gelang es durch diesen Sieg, Sherman mehrere Tage in der Gegend von Marietta und Kennesaw Mountain aufzuhalten. Der graue Feldherr musste seine Linie aber schlussendlich doch wieder räumen, da er von neuem in Gefahr stand, umgangen zu werden. Seine neue Defensivlinie verlief entlang des Flusses Chattahoochee, nur wenige Meilen nördlich von Atlanta, aber auch diese wurde von Sherman bald umgangen, und Johnston zog sich noch einmal zurück, dieses Mal bis kurz vor Atlanta.

In der Zwischenzeit hatte man in Richmond, der konföderierten Hauptstadt, mit Befremden auf Johnstons Manöver reagiert. Zwar hatte der konföderierte Feldherr den zahlenmäßig überlegenen Sherman zwei Monate lang im Gebirge von Nordgeorgia aufgehalten und ihm einige taktische Niederlagen bereitet, doch hatte er immer mehr Gebiet aufgegeben, so dass Sherman inzwischen praktisch vor den Toren Atlantas stand. Als Johnston außerdem auf eine Anfrage Davis’ nach seinen Plänen für weitere Operationen nur vage antwortete, entließ der Präsidenten den in seinen Augen zu defensiv agierenden General, mit dem er sich schon zuvor mehrmals gestritten hatte. Zu Johnstons Nachfolger berief er am 17. Juli den Texaner John Bell Hood, der bis dato eines der Korps der Tennessee-Armee kommandiert hatte. Von ihm erwartete sich der Präsident ein offensiveres Vorgehen gegen die Invasionsarmee.

Datei:Hood, john bell 1831-1879 .jpg
John Bell Hood, der Nachfolger von Joseph Johnston als Oberbefehlshaber der Tennessee-Armee

Hood griff Shermans Truppen auch sogleich an, wurde aber am Peachtree Creek von der Armee des Cumberland unter hohen Verlusten abgewehrt. Auch ein zweiter Angriff Hoods, dieses Mal auf die Armee des Tennessee am 22. Juli scheiterte. Zu den Gefallenen dieses Tages gehörte auch der Oberbefehlshaber der Armee des Tennessee, General McPherson - ein enger Freund Hoods aus West-Point-Tagen.

Belagerung und Fall

Nachdem Sherman von Norden und Osten Atlanta nicht hatte einnehmen können, verlegte er seinen Schwerpunkt nach Westen und bedrohte die Stadt von dort mit der Armee des Tennessee, nun unter Generalmajor Oliver Otis Howard. Hood begegnete dieser Bewegung mit einem Gegenangriff bei Ezra Church am 28. Juli. Der Angriff scheiterte, konnte aber verhindern, dass Howard Hoods letzte Versorgungslinie durchtrennen konnte. Auch ein erneuter Angriff Shermans auf diese Linie, dieses Mal mit Schofields Armee des Ohio, scheiterte.

US-General William T. Sherman und sein Stab außerhalb von Atlanta

Sherman entschloss sich nun, die Stadt zu belagern und grub sich vor Atlanta ein. Die nächsten Wochen war es vor allem die Kavallerie unter General Wheeler (CS) und General Kilpatrick (US), die durch ihre Raids immer wieder Kampfhandlungen entfachten und die Nachschublinien ihrer Gegner sabotierten.

Ende August 1864 unternahm Sherman einen erneuten, groß angelegten Angriff gegen Hoods letzte eisenbahngestütze Versorgungslinie. Er schickte daher das Gros seiner Streitmacht auf einen langen Marsch nach Jonesborough, südlich von Atlanta. Es gelang ihm zwar nicht, das sich ihm dort entgegenstellende konföderierte Korps General Hardees zu vernichten, aber er überrannte dessen Stellungen und nahm die Bahnlinie. Wie von ihm erwartet evakuierte Hood daraufhin die Stadt, und Shermans Truppen marschierten am 3. September 1864 in Atlanta ein. Ihr Sieg hatte die Nordstaaten 31.687 Soldaten gekostet [1], die Verluste des Südens beliefen sich auf 34.979 Mann[2]. Andere Schätzungen gehen von jeweils rund 40.000 Mann Verlusten auf beiden Seiten aus (siehe ebenda).

Auswirkungen

Politische und militärische Konsequenzen

Der Atlanta-Feldzug hatte weitreichende politische Konsequenzen. Der wichtige Unionssieg kam für Lincoln genau zum richtigen Zeitpunkt. Im Osten war es General Grant bis dato trotz mehrerer extrem blutiger Schlachten (siehe Schlacht in der Wilderness, Schlacht von Spotsylvania, Schlacht von Cold Harbor) noch nicht gelungen, die konföderierte Hauptstadt Richmond einzunehmen und Lees Nord-Virginia-Armee eine entscheidende Niederlage zu bereiten, was zu einem Erstarken der oppositionellen Kriegsgegner geführt hatte. Shermans Sieg aber stärkte dem Präsidenten den Rücken. Außerdem beraubte er den Süden einer seiner wichtigsten Städte und ebnete den Weg für weitere Operationen tief im Herzen des Südens, wie zum Beispiel Shermans Marsch zum Meer nach Savannah im Herbst 1864 oder, darauf aufbauend, der Carolina-Feldzug 1865.

Auswirkungen auf die Stadt Atlanta

Für die Stadt Atlanta selbst waren die Kämpfe und die Eroberung eine Katastrophe. Die sich zurückziehenden Südsstaatler hatten bereits alles angezündet, was militärischen Wert besaß. Die Unionstruppen vollendeten die Verwüstungen, indem auch die restliche wirtschaftliche Basis der Stadt zerstört wurde und weite Teile der Bevölkerung in das Umland zwangsevakuiert wurden. Dies sollte der Sicherung des Hinterlandes dienen und Sherman's Marsch zum Meer sichern. Dennoch kehrten nur einige Monate später die Bewohner zurück und obwohl zu diesem Zeitpunkt etwa 90 % der Gebäude zerstört waren, bauten die Bewohner ihre Stadt schnell wieder auf, sodass die Stadt den Spitznamen Phoenix City bekam. Bereits 1868 wurde Atlanta zur Hauptstadt von Georgia ernannt.

Kulturelle Auswirkungen

Auch auf kultureller Ebene hatte der Fall und die Zerstörung von Atlanta große Auswirkungen. Literarisch wurde ihm durch Margaret Mitchell in Vom Winde verweht (1936) ein Denkmal gesetzt, einem der bekanntesten und meistübersetzten Bücher der Weltliteratur. Auch der filmischen Umsetzung mit Vivien Leigh und Clark Gable aus dem Jahre 1939 war ein enormer Erfolg beschieden. Beide Werke prägten das romatische Bild des untergehenden Südens.

Literatur

  • James M. McPherson: Für die Freiheit sterben. Die Geschichte des amerikanischen Bürgerkrieges, List Verlag Berlin, ISBN 3-471-78178-1, auch Weltbild Verlag, Augsburg 2000
  • Stanley Horn: The Army of Tennessee, University of Oklahoma Press, 1993, ISBN 0-806-12565-9
  • Shelby Foote: The Civil War: A Narrative: Volume 3: Red River to Appomattox, Vintage Books, 1986, ISBN 0394746228