Zum Inhalt springen

Karl Mannheim

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 28. Januar 2006 um 00:11 Uhr durch Anima (Diskussion | Beiträge) (Wissenschaftliches Werk). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Karl Mannheim (* 27. März 1893 in Budapest; † 9. Januar 1947 in London) war ein Soziologe und Philosoph jüdischer Abstammung.

Leben

Mannheim studierte Philosophie und Soziologie in Budapest, Freiburg, Berlin, Paris, Heidelberg (unter anderem hört er 1914 in Berlin Georg Simmel). 1918 erlangt er die Promotion. 1919 verlässt er seine Heimat Ungarn und emigriert in der Folge nach Deutschland. Von 1922 bis 1925 habilitierte er bei dem Kultursoziologen Alfred Weber, dem Bruder Max Webers, wurde 1926 Privatdozent in Heidelberg und 1930 ordentlicher Professor für Soziologie der Universität Frankfurt, wo ihm Norbert Elias als Assistent zur Seite stand. 1933 musste Mannheim nach England emigrieren. Dort war er bis zu seinem Tode Dozent für Soziologie an der London School of Economics and Political Science.

Wissenschaftliches Werk

Beeinflusst insbesondere von Karl Marx, Wilhelm Dilthey, Max Scheler, Max Weber gelangte Mannheim von einer philosophischen Analyse der Erkenntnistheorie zur Entwicklung der Wissenssoziologie. In Anlehnung an Marx hob Mannheim hervor, dass menschliches Denken und Erkennen nicht in rein theoretischem Rahmen ablaufen, sondern von gesellschaftlichen und geschichtlichen Lebenszusammenhängen geprägt werden. Mit der Konzeption des "totalen Ideologiebegriffs" nahm Mannheim eine radikale wissenssoziologische Position ein, die Relativismus und Nihilismus begünstigten. Er beschäftigte sich des weiteren mit politischen Krisenerscheinungen in der Massendemokratie. Im Gegensatz zur einseitig geleiteten Gesinnung und zur laisser-faire-liberalistischen Demokratie, die die Gefahr des Umschlagens in eine totalitäre Diktatur einschließt, empfahl Mannheim als dritten Weg die "geplante Demokratie" mit einer "Planung für Freiheit", wobei Planung "als rationale Beherrschung der irrationalen Kräfte" verstanden wird. Die Gesellschaft der "geplanten Freiheit" setzt die Umformung des Menschen voraus und dafür ist eine Zusammenarbeit von Soziologen und Theologen von Bedeutung.

Von Karl Mannheim stammt der Begriff der "frei schwebenden Intelligenz", die von Menschen ausgeht, die sich von einer normativen Bindung an eine Klasse "befreit" haben.

Ebenso gilt er als Pionier der Jugendsoziologie, wobei er den Begriff der Generation benutzte, um Kohorten (Geburtsjahrgänge) zusammen zu fassen, die ein einschneidendes Jugenderlebnis (z. B. den Ersten Weltkrieg) geteilt haben und so gegenüber künftigen sozialen Herausforderungen (Lebenszusammenhängen) erwartbar einander ähnliche soziale Antworten geben würden.

Kritik

Mannheims Vorschlag einer "geplanten Demokratie" und "Planung für die Freiheit" wurde von Friedrich August von Hayek in dessen Buch Der Weg zur Knechtschaft scharf angegriffen. Hayek argumentierte, daß selbst zunächst von Demokratien beschlossene planwirtschaftliche Maßnahmen unvermeidlich mit Individualrechten in Konflikt geraten und damit - wenn auch nicht unbedingt beabsichtigt - gerade den Weg zu totalitären Systemen ebnen würden. Diese würden dann allerdings die "Umformung des Menschen" mittels Gewalt betreiben. Dementsprechend sei in Mannheims Werk bereits eine Tendenz zur Einschränkung des rechtsstaatlichen Prinzips zugunsten angeblich höherer Ideale erkennbar. Nick Abercrombie entwickelt aus der Arbeit Mannheims eine Kritik die er gemeinsam mit St. Hill und B. Turner 1980 unter dem Titel: The Dominant Ideology Thesis veröffentlichte.


Werke

  • Die Strukturanalyse der Erkenntnistheorie. Berlin 1922
  • Ideologie und Utopie. Bonn 1929
  • Die Gegenwartsaufgaben der Soziologie. Tübingen 1932
  • Mensch und Gesellschaft im Zeitalter des Umbaus. Leiden 1935
  • Diagnosis of our Time. London 1943
  • Freedom, Power and Democratic Planning. London 1951
  • Strukturen des Denkens. Hrsg. von David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980
  • Konservatismus. Hrsg. von David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1984

Sekundärliteratur

  • Hoeges, Dirk, Kontroverse am Abgrund: Ernst Robert Curtius und Karl Mannheim. Intellektuelle und "freischwebende Intelligenz" in der Weimarer Republik, Fischer, Frankfurt/M. 1994
  • David Kettler, Volker Meja und Nico Stehr: Politisches Denken : Studien zu Karl Mannheim. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1989
  • Wilhelm Hofmann: Karl Mannheim zur Einführung. Junius Verlag, Hamburg 1996 ISBN 3885069385
  • Reinhard Laube: Karl Mannheim und die Krise des Historismus: Historismus als wissenssoziologischer Perspektivismus. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2004 ISBN 3-525-35194-1