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Alfred Schütz

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Alfred Schütz (* 13. April 1899 in Wien; † 20. Mai 1959 in New York City) war ein oesterreichischer Jurist und Soziologe.

Dr. jur. Alfred Schütz war als Rechtsberater für Reitler & Co. in Wien, Paris und später New York tätig und betrieb phänomenologische Soziologie nur als Hobby. Emigration 1938-1939 über Frankreich in die USA. Die Sozialwissenschaften wurde durch sein Werk „Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie“ (1932) nachhaltig beeinflusst. Der Begriff Phänomenologie wurde von Edmund Husserl geprägt und beschreibt jene Dinge, die uns als Phänomene gegeben sind ("Ich bin, alles Nicht-Ich ist bloß Phänomen"). Husserl unternahm den Versuch, neuropsychologische Erkenntnisse auszuschließen, da der Sinn seiner Meinung nach auf einer Ebene liegt, die nicht zugänglich ist. Damit der wahre Wesensgehalt einer Sache erkannt werden kann, müssen wir eine (phänomenologische) Reduktion vornehmen, die uns einen neutralen Blick auf die Dinge des Lebens erlauben (siehe dazu auch "Lebenswelt"). Auch ist für Husserl das Denken selbst nicht existent, da wir stets nur von etwas "Denken" können. Ebenso wurde Schütz vom französischen Philosophen Henri Bergson, einem bedeutenden Vertreter der Lebensphilosophie des 19. Jahrhunderts, geprägt.

Konstitutionsanalyse

Diese Grundgedanken beeinflussten A. Schütz in seiner Konstitutionsanalyse, in der nicht die Dinge analysiert, also das Soziale an sich, sondern wie diese auf uns wirken und wie sie von uns wahrgenommen werden. Des Weiteren unterschied er zwischen dem Handeln als Tätigkeit (lateinisch actio) und der Handlung als gedanklichen Entwurf (actum), wobei das Handeln das Sinnhafte in der Handlung (im "Handlungsentwurf") findet. Das Motiv von "Handlung" und "Handeln" lässt sich mit dem "Um-zu"-Motiv und dem "Weil"-Motiv feststellen.

Beispiel für ein "Um-zu"-Motiv: Der Täter beging den Überfall, um an das Geld des Opfers zu kommen. Zuerst findet der Handlungsentwurf statt, danach erfolgt das eigentliche Handeln – hier wird beschrieben, wie es zum Handeln kommt. Beispiel für ein "Weil"-Motiv: Der Täter beging den Überfall, weil er aus schlechten Verhältnissen stammte. In diesem Motiv wird dargestellt, wie es zum Handlungsentwurf kommt. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine personale (subjektive) Idealtypus-Konstruktion, die durch den Vergleich mit alltäglichen sozialweltlichen Situationselementen das Verstehen von Handeln ermöglicht (und sei es durch post-hoc-Erklärungen). Der hier erwähnte Idealtypus ist als Messeinheit zu sehen, nicht aber als ein Wert, den es anzustreben gilt.

"Die Phänomenologische Soziologie als Wissenssoziologie erforscht überwiegend das Alltagswissen. Zu denken ist dabei an Soziologie als empirisch verstehende Wissenschaft, die die Strukturen der alltäglichen Lebenswelt beschreibend analysieren soll. Diese Strukturen werden vom Menschen sinnhaft geschaffen und interpretiert. Durch Handlungen, Erfahrungen, Sinnsetzungen und Sinndeutungen konstituiert sich die unmittelbare Alltagswelt; sie ist sozusagen das Spielfeld für soziale Handlungen, eine Wirklichkeit, die nicht bestritten werden kann. Wissenschaftliche, soziologische Theorien und Konstruktionen bilden eigenständige Sinnbereiche, sogenannte Konstruktionen zweiter Stufe, ihnen gehen Strukturen und Typisierungen aus dem Alltagsleben, also Konstruktionen erster Stufe, voraus." (http://www.hausarbeiten.de/faecher/vorschau/42984.html)

Gleichwohl sich das Werk von Schütz hervorragend für philosophisch orientiertes Arbeiten eignet, blieben doch Möglichkeiten für empirisch forschende Ansätze nur schwach ausgebildet. Das änderte sich erst mit Harold Garfinkels Ethnomethodologie, die das Schütz'sche Werk als theoretische Vorarbeit nutzt.

Werke

  • "Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt. Eine Einleitung in die verstehende Soziologie". Wien: Springer 1932, VII, 286 S.
  • "Strukturen der Lebenswelt" (Mit Thomas Luckmann), Neuwied-Darmstadt: Luchterhand 1975 (= Soziologische Texte. 82.), 331 S. Zuerst englische Übersetzung Evanston, Illinois 1973 unter dem Titel: The structures of the life-world.
  • "Gesammelte Aufsätze. (Aus dem Amerikanischen übersetzt und mit einem "Nachwort zur Übersetzung" von Benita Luckmann und Richard Grathoff.) Den Haag: Nijhoff 1971-1972, 3 Bände:
  • Band 1: Das Problem der sozialen Wirklichkeit. Mit einer Einführung von Aron Gurwitsch. 1971, 426 S. ISBN 9024751160
  • Band 2: Studien zur soziologischen Theorie. Arvid Brodersen (Hrsg.). 1972, XII, 286 S.
  • Band 3: Studien zur phänomenologischen Philosophie. Ilse Schütz (Hrsg.). 1971, 242 S.
  • "Zur Theorie sozialen Handelns. Ein Briefwechsel". (Original: The theory of social action. The correspondence of Alfred Schutz and Talcott Parsons). Frankfurt am Main 1977
  • "Theorie der Lebensformen. Frühe Manuskripte aus der Bergson-Periode". Herausgegeben und eingeleitet von Ilja Srubar. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981 (= suhrkamp taschenbuch wissenschaft. 350.), 341 S.

Literatur

  • Eberle, Thomas S.: "Schütz' Lebensweltanalyse: Soziologie oder Protosoziologie?" In: Angelica Bäumer / Michael Benedikt (Hg.): "Gelehrtenrepublik - Lebenswelt. Edmund Husserl und Alfred Schütz in der Krisis der phänomenologischen Bewegung". Wien 1993, S.293-320.
  • Endreß, Martin: "Alfred Schütz: Der sinnhafte Aufbau der sozialen Welt" In: Dirk Kaesler / Ludgera Vogt (Hg.): "Hauptwerke der Soziologie". Stuttgart 2000, S.372-378.
  • Richard Grathoff (Hrsg.): "Briefwechsel 1939-1959" (Alfred Schütz und Aron Gurwitsch), mit einer Einleitung von Ludwig Landgrebe. München: Fink 1985 (= Übergänge. 4.), XXXVIII, 544 S.
  • Knoblauch, Hubert: "Diskurs, Kommunikation und Wissenssoziologie" In: Reiner Keller u.a. (Hg.): "Handbuch Sozialwissenschaftliche Diskursanalyse. Bd.1: Theorien und Methoden". Opladen 2001, S.207-223.
  • Knoblauch, Hubert / Luckmann, Thomas: "Gattungsanalyse" In: Uwe Flick u.a. (Hg.): "Qualitative Forschung". Reinbek bei Hamburg 2000. S.538-546.
  • Peter J. Opitz (Hrsg.): "Briefwechsel über "Die neue Wissenschaft der Politik". (Alfred Schütz mit Eric Voegelin & Leo Strauss & Aron Gurwitsch) Eric-Voegelin-Archiv der Ludwig-Maximilians-Universität München herausgegeben von . Freiburg im Breisgau: Alber 1993 (= Alber-Reihe praktische Philosophie. 46.), 156 S.
  • Srubar, Ilja: "Kosmion. Die Genese der pragmatischen Lebenswelttheorie von Alfred Schütz und ihr anthropologischer Hintergrund". Frankfurt am Main 1988.
  • Vaitkus, Steven: "Phenomenology and Sociology" In: Bryan S. Turner (Hg.): "The Blackwell Companion to Social Theory". Malden, London 2000. S.270-298.

Siehe auch

Phänomenologische Soziologie