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Geringwertige Sache

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Geringwertige Sache ist ein Begriff aus dem deutschen Strafrecht und bezeichnet Sachen von unbedeutendem Wert. Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen werden z.B. grundsätzlich nur auf Antrag verfolgt.

Allgemeines

Die Strafrechtsreform vom Januar 1975 zielte unter anderem darauf ab, die Strafverfolgungsbehörden und die Strafrechtspflege von Bagatelldelikten zu entlasten. Danach kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen, das gegen fremdes Vermögen gerichtet und nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist, auch ohne Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen, wenn der durch die Tat verursachte Schaden gering ist (§ 153 Abs. 1 Satz 2 StPO). Während einige Straftatbestände ganz abgeschafft wurden (so etwa die Tatbestände des § 368 StGB a.F., wo in Nr. 9 sogar das Betreten einer ungemähten Wiese verboten war), gehört der Mundraub (§ 370 Abs. 1 Nr. 5 StGB a. F.) nun zu den Diebstahlsdelikten.[1] Das BVerfG hat klargestellt,[2] dass Diebstahl und Unterschlagung geringwertiger Sachen uneingeschränkt Anwendungsfälle der §§ 242, § 246 StGB sind.

Anwendung

Insbesondere bei Ladendiebstahl oder Unterschlagung von geringwertigen Sachen (§ 248a StGB) können geringwertige Sachen zugrunde liegen. Die meisten übrigen Delikte, die sich gegen das Eigentum oder Vermögen richten, verweisen auf diese Vorschrift. Es handelt sich dabei um die Entziehung elektrischer Energie nach § 248c Abs. 3 StGB, Begünstigung nach § 257 Abs. 4 Satz 2 StGB, Hehlerei nach § 259 Abs. 2 StGB, Betrug nach § 263 Abs. 4 StGB, Erschleichen von Leistungen nach § 265a Abs. 3 StGB („Schwarzfahren“), Untreue nach § 266 Abs. 2 StGB und Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten nach § 266b Abs. 2 StGB.

Abgrenzung

Geringwertigkeit ist ein unbestimmter Rechtsbegriff. Der Gesetzgeber hat die Abgrenzung zwischen geringwertigen und nicht geringwertigen Sachen der Rechtsprechung überlassen. Der Begriff des „geringen“ Schadens ist in § 153 Abs. 1 Satz 2 StPO erwähnt, da er für alle gegen fremdes Vermögen oder Eigentum gerichteten Bagatellvergehen als Maßstab des eingetretenen Rechtsverlustes geeignet ist. Die Frage, ob der durch die Tat verursachte Schaden gering ist, richtet sich allein nach objektiven Kriterien. Bei der Abgrenzung ist vom Verkehrswert einer Sache auszugehen,[3] mehrere gestohlene Sachen sind wertmäßig zu addieren. Die Grenze der Geringwertigkeit liegt einem Urteil des OLG Frankfurt vom Mai 2008 zufolge bei einem Wert von bis zu 50 €;[4] auch das OLG Hamm hatte sich im Juli 2003 („43 Tafeln Schokolade“) auf diesen Betrag festgelegt.[5] Bei Neuwaren ist der Warenpreis die Berechnungsgrundlage, bei gebrauchten Waren spielt der Zeitwert eine Rolle.

Wird jedoch das Maß der Geringfügigkeit überschritten, liegen die Voraussetzungen eines Bagatelldelikts nicht mehr vor. Geht der Dieb etwa bei einer von ihm gestohlenen billigen Imitation von einem teuren Original aus, ist das Maß der Geringfügigkeit überschritten.[6] Umgekehrt ist § 248a StGB nicht anwendbar, wenn der Täter eine gestohlene teure Sache für geringwertig hält.[7]

Rechtsfolgen

In § 248a StGB wurde allerdings kein eigenständiger Straftatbestand geschaffen, sondern ein Antragserfordnis. Der Geschädigte muss also Strafanzeige erstatten, denn von Amts wegen wird nicht ermittelt. Bejaht hingegen die Staatsanwaltschaft ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung, kommt es auf die Geringwertigkeit nicht mehr an.[8] Die Staatsanwaltschaft kann deshalb den Strafantrag durch das besondere öffentliche Interesse ersetzen. Eine Verurteilung wegen schweren Diebstahls ist nach § 243 Abs. 2 StGB nicht zulässig, wenn die Beute als geringwertig einzustufen ist.

Einzelnachweise

  1. Folge ist, dass nunmehr kein Unterschied mehr gemacht wird zwischen dem Diebstahl eines Apfels und eines Kugelschreibers.
  2. BVerfG, Urteil vom 17. Januar 1979, Az.: 2 BvL 12/77
  3. Harro Otto, Grundkurs Strafrecht, Band 2, 2005, § 41 Rn. 42 f.
  4. OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 9. Mai 2008, Az: 1 Ss 67/08
  5. OLG Hamm, Urteil vom 28. Juli 2003, Az: 2 Ss 427/03 = NJW 2003, 3145
  6. Eduard Dreher, in: Günter Stratenwerth (Hrsg.), Festschrift für Hans Welzel zum 70. Geburtstag, 1974, S. 918
  7. StGB, Leipziger Kommentar, 12. Aufl., 2010, §§ 242-262, S. 286
  8. Deutscher Bundestag, Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, Bundestags-Drucksache 7/1261 vom 27. November 1973, S. 18 (PDF; 1,7 MB)