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Kernspinresonanzspektroskopie

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Die Kernresonanzspektroskopie (NMR von engl. nuclear magnetic resonance = Kernmagnetische Resonanz) ist eine spektroskopische Methode, die auf der magnetischen Wechselwirkung von Atomkernen miteinander, mit der Elektronenhülle des Moleküls und mit äußeren Magnetfeldern beruht. Da die exakte Lage der Resonanzlinien und ihre Feinstruktur durch die chemische Umgebung der Kerne beeinflusst wird, hat die Kernresonanzspektroskopie große Bedeutung als analytisches Werkzeug in der Chemie und Biologie. Das gilt vor allem für Messungen in Lösung, da dort die Resonanzlinien sehr schmal sind (hochauflösende NMR). NMR-Messungen an Festkörpern sind experimentell bedeutend anspruchsvoller und erfahren zur Zeit einen Entwicklungsschub. Anwendung finden sie bisher aber nur in sehr eingeschränktem Maße. Auf demselben Prinzip wie die hier beschriebene spektroskopische Methode beruht auch die vor allem in der Medizin als diagnostisches Werkzeug eingesetzte Kernspintomographie.


Die hochauflösende Kernresonanzspektroskopie in Lösung wird heute in großem Maßstab für folgende Aufgaben verwendet:

  • Zum nichtzerstörenden Nachweis von Inhaltsstoffen einer Probe
  • Zur Bestimmung von Molekülstrukturen (von kleinen Moleküle bis hin zu Proteinen und Nukleinsäurefragmanten)
  • Zur Untersuchung von Wechselwirkungen zwischen Molekülen


Funktionsprinzip

Viele Atomkernsorten besitzen einen Kernspin und damit auch ein magnetisches Moment. In einem äußeren Magnetfeld richten sie sich aus. Entsprechend den Regeln der Quantenmechanik sind für jeden Kern nur wenige diskrete Ausrichtungen möglich. Am wichtigsten in der analytischen Chemie sind Kerne mit Spin 1/2. Hierzu gehören unter anderen die Nuklide 1H, 13C, 15N, 31P und 19F. Spin-1/2 Kerne können nur zwei diskrete Zustände annehmen. Zwischenstellungen sind dagegen nicht möglich. Die zwei Anordnungsmöglichkeiten entsprechen zwei Energiezuständen. Die Energiedifferenz zwischen diesen beiden Zuständen ist proportional zur Stärke des Magnetfelds am Kernort. Der energetisch günstige Zustand kann durch Zufuhr von Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung in den energetisch ungünstigen überführt werden. Die Übergangsfrequenz (Larmorfrequenz) kann gemessen werden.

Die Magnetfeldstärke am Kernort wird bestimmt durch das äußere Magnetfeld (Feld des Spektrometermagneten), durch Felder die vom äußeren Feld in der Elektronenhülle um den Kern herum induziert werden (Abschirmung) sowie durch Felder der Nachbarkerne. Durch Messung de Larmorfrequenz kann man also Aussagen über die elektronische Umgebung des betrachteten Atomkerns und über seine Nachbarn treffen. Das ist genau die Information, die für Chemiker interessant ist.

Kommerzielle NMR-Spektrometer arbeiten bei Feldstärken zwischen 7 und 21 Tesla. Für 1H entspricht das Larmorfrequenzen zwischen 300 und 900 MHz. Da 1H der wichtigste NMR-Kern ist, wird die Feldstärke von Spektrometern gewöhnlich in dessen Larmorfrequenz ausgedrückt. Die individuellen Resonanzen der unterschiedlichen 1H eines Moleküls verteilen sich je nach chemischer Umgebung auf einige kHz Bandbreite. Diese chemische Verschiebung ist ebenso wie die Grundfrequenz proportional zum äußeren Feld. Um Werte bei verschiedenen Feldstärken miteinander vergleichen zu können bezieht man die individuelle Frequenz auf die Frequenz einer Standardsubstanz und gibt die chemische Verschiebung in ppm an.

Empfindlichkeit

Ein inhärentes Problem der NMR-Spektroskopie ist ihre vergleichsweise geringe Empfindlichkeit (schlechtes Signal-Rausch-Verhältnis). Ursache dafür sind die durch die Boltzmannverteilung festgelegten geringen Besetzungsunterschiede der Energieniveaus.

Fehler beim Parsen (Syntaxfehler): {\displaystyle \frac{p_\alpha}{p_\beta}\= \frac{e^{-\beta E_j}}{Z}\, }


Um die Empfindlichkeit zu steigern, kann man verschiedene Wege einschlagen:

  • Möglichst empfindliche Kernsorten verwenden (besonders 1H)
  • Identische Spektren akkumulieren.
  • Stärkere Magnete konstruieren (supraleitende Magnete).
  • Elektronisches Rauschen verringern (Cryoelektronik).

Für Messungen an einer Atomsorte sind je nach Experiment und Messzeit mindestens ca. 10 nmol Substanz notwendig, häufig auch 1 bis 10 µmol (typische Probenmenge: 500 µl einer Lösung mit einer Konzentration von 0.1-1 mmol/l). Aufgrund dieser Beschränkung werden NMR-Messungen am häufigsten mit Wasserstoff-Atomen durchgeführt, die von allen Kernen die höchste Empfindlichkeit besitzen. Vor allem in der NMR an Biomolekülen wie z. B. Proteinen, wird mitunter Kohlenstoff (1 % natürliche Häufigkeit) und/oder Stickstoff (0.4 %) durch nahezu 100 % 13C bzw. 15N ersetzt, um die Empfindlichkeit zu steigern und diese Kerne für NMR-Messungen benutzen zu können.

Puls-Fourier-Transform NMR

Heutzutage arbeiten alle modernen NMR-Spektrometer mit der Puls-Technik. Diese Messtechnik hat das früher verwendete CW-Verfahren völlig verdrängt, mit dem einzelne Frequenzen nacheinander angeregt wurden.

Ein einzelner Radiofrequenzimpuls (RF-Puls) oder eine Sequenz von RF-Pulsen wird auf die Probe gesandt, die sich in einem starken Magnetfeld befindet. Das Signal (FID, von englisch: free induction decay) nach einer Pulssequenz wird als Funktion der Zeit registriert. Mit der Fourier-Transformation wird das Zeitsignal im Computer in das Frequenzspektrum transformiert.

Experimentelle Größen

  • Die chemische Verschiebung einer Resonanz ist vom lokalen Magnetfeld am Kernort abhängig, das wiederum durch die chemische Umgebung des betrachteten Kerns abhängt.
  • Die Intensität einer Resonanz ist proportional zur Konzentration.
  • Die Relaxationszeiten angeregter Zustände bestimmen die Linienbreite einer Resonanz und geben Aufschluß über vorhandene Wechselwirkungen.
  • Räumlich benachbarte Kerne wechselwirkung miteinander über magnetische Dipol-Dipol-Wechselwirkung (dipolare Kopplung).
  • Indirekt können Kerne auch über chemische Bindungen miteinander wechselwirken. Diese skalare Kopplung ist für die Aufspaltung der Signale in Multipletts verantwortlich.

Historische Entwicklung

Die NMR wurde 1946 unabhängig von Felix Bloch und Edward Mills Purcell beschrieben, wofür sie 1952 den Nobelpreis für Physik bekamen.

Die Entwicklung der NMR als Untersuchungsmethode der analytischen Chemie und Biochemie verlief weitgehend parallel zur Entwicklung der elektromagnetischen Technik. Purcell war im Zweiten Weltkrieg an der Entwicklung des Radars am MIT beteiligt und forschte insbesondere an der Detektion von elektromagnetischer Energie und deren Absorption durch Materie. Diese Arbeiten halfen später, die Hintergründe der NMR besser zu verstehen.

In den nächsten Jahrzehnten wurde hauptsächlich die CW-Methode (continuous wave) benutzt, indem entweder in einem äußeren festen Magnetfeld ein Hochfrequenzfeld eingestreut wurde, deren Frequenz einen bestimmten Bereich durchlief, wodurch die einzelnen Resonanzen durchfahren wurden (frequence sweep) oder die Frequenz des eingestrahlten Feldes konstant gehalten wurden und das Magnetfeld variiert wurde (field sweep). Diese Technik war durch ihr schlechtes Signal-Rausch-Verhältnis gekennzeichnet.

Durch Mittelung kann allerdings das Signal-Rausch-Verhältnis wesentlich verbessert werden. Später ermöglichte der Einsatz der Fourier-Transformation-NMR, mit der gleichzeitig viele Resonanzfrequenzen analytisch zugänglich wurden, eine schnellere Aufnahme der Spektren.

Dieses Verfahren (FT-NMR) wurde zuerst von Richard R. Ernst verwendet. In das externe Magnetfeld wird ein möglichst kurzer elektromagnetischer Puls eingestrahlt. Je kürzer der Puls ist, desto mehr Frequenzanteile sind darin enthalten und können damit angeregt werden (siehe hierzu Fourier-Transformation). Mittels Detektoren wird dann der Zerfall dieser angeregten Zustände aufgenommen (freier Induktionszerfall, nach dem englischen free induction decay, mit FID abgekürzt). Nach Transformation dieses Zeit-Signals in die Frequenzdomäne sind die Frequenzen der angeregten Zustände zugänglich.

Die Verwendung von unterschiedlichen Pulsformen, Frequenzen und Dauern ermöglicht dieser Technik eine große Flexibilität.

Später wurde dieses Verfahren durch die Verwendung mehrerer Pulse hintereinander zu einer zweidimensionalen und höherdimensionalen NMR ausgebaut. Diese Zeitintervalle ermöglichen unter anderem einen Transfer von Magnetisierung zwischen Atomkernen. Damit können die Kern-Kern-Wechselwirkungen untersucht werden.

Kurt Wüthrich und viele andere bauten diese 2D- und Multi-Dimensions-NMR zu einer mächtigen Analysetechnik der Biochemie aus, insbesondere zur Analyse von Biopolymeren wie Proteinen. Wüthrich bekam für diese Arbeiten 2002 den Nobelpreis in Chemie. Diese Technik wird als Ergänzung der Röntgenstrukturanalyse eingesetzt, da NMR besonders bei Biomolekülen in flüssiger oder flüssig-kristalliner Form eingesetzt werden kann, während die Röntgenstrukturanalyse nur für kristalline Materialien geeignet ist.

Da die Stärke des NMR-Signals und der Detektionsmöglichkeiten mit der Stärke des Magnetfeld steigt, begünstigte diese Technik die Entwicklung von großen Magneten.

Beispiele für Spektren

Quartett-Aufspaltung
Typisches NMR-Spektrum

FID

Auswertungs-Software

Siehe auch