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Gesetzgebungsverfahren (Deutschland)

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Das Gesetzgebungsverfahren der Bundesrepublik Deutschland auf Bundesebene erfordert die Mitwirkung vieler Verfassungsorgane (im Abschnitt Weblinks sind einige Schaubilder hierzu verlinkt).

Eine Gesetzesinitiative für ein Bundesgesetz kann von folgenden Verfassungsorganen ausgehen:

Dabei gilt: Eine Gesetzesvorlage der Bundesregierung geht zunächst zu einer Stellungnahme an den Bundesrat, dann wieder zurück zur Bundesregierung, die dann eine Gegenäußerung verfassen kann. Daraufhin kann die Bundesregierung die Gesetzesvorlage in den Bundestag einbringen.

Eine Gesetzesvorlage des Bundesrates geht entsprechend zuerst an die Bundesregierung, die Stellung nehmen kann, bevor sie in den Bundestag eingebracht werden kann.

Eine Gesetzesvorlage aus der Mitte des Bundestages kann von einer Fraktion oder einer festgelegten Mindestzahl von Abgeordneten eingebracht werden.

Bundestag

Eingebracht in den Bundestag finden drei Lesungen über die Gesetzesvorlage statt.

Erste Lesung

In der ersten Lesung kommt es zur Aussprache über die Grundzüge des Gesetzesvorhabens. Dann folgt regelmäßig eine Überweisung an den entsprechenden Fachausschuss. Dort kommt es zu Detailberatungen durch die jeweiligen Experten der Fraktionen und zu "Hearings", also Anhörungen von Sachverständigen.

Zweite Lesung

In der zweiten Lesung berichten die Ausschüsse über ihre Arbeit. Nun kommt es zu einer Aussprache und Abstimmungen über Änderungsvorschläge.

Dritte Lesung

Die dritte Lesung beinhaltet eine nochmalige Aussprache über die Grundzüge des Gesetzes. Gegebenenfalls kommt es nochmals zu Änderungen.

Am Ende kommt es zur Schlussabstimmung. Dabei muss der Bundestag das Gesetz mit einer relativen Mehrheit verabschieden, das heißt mit der Mehrheit der anwesenden Mitglieder. Bei verfassungsändernden Gesetzen ist die Mehrheit von zwei Drittel der gesetzlichen Mitglieder des Bundestags erforderlich.

Bundesrat

Ist die Gesetzesvorlage im Bundestag angenommen worden, geht sie in den Bundesrat. Hier muss unterschieden werden zwischen Zustimmungsgesetzen und einfachen Gesetzen ("Einspruchsgesetzen") - so oder so gilt aber: Stimmt der Bundesrat dem Gesetz in unveränderter Form zu, kann es in Kraft treten.

Zustimmungsgesetze

Zustimmungsgesetze sind alle Gesetze, für die das Grundgesetz die Zustimmung explizit anordnet (Enumerationsprinzip). Insbesondere sind dies regelmäßig Gesetze, die in die Verwaltungshoheit der Länder eingreifen, beispielsweise in deren Kulturhoheit, oder finanziell Auswirkungen auf die Länder haben. Mittlerweile sind dies etwa 60% aller Bundesgesetze. Bei solchen Gesetzen ist also eine Zustimmung des Bundesrates zwingend erforderlich; bei verfassungsändernden Gesetzen ist auch im Bundesrat eine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Stimmt der Bundesrat dem Gesetz in unveränderter Form zu, kann das Gesetz in Kraft treten. Stellt er jedoch einen Antrag auf Beratung, kann die Bundesregierung, der Bundestag oder der Bundesrat selber den Vermittlungsausschuss anrufen. Dieser setzt sich aus 32 Mitgliedern zusammen, 16 aus dem Bundesrat und 16 aus dem Bundestag. Der Vermittlungsausschuss hat nun die Aufgabe, einen Kompromissvorschlag auszuarbeiten, dem Bundestag und Bundesrat zustimmen können. Macht er einen Änderungsvorschlag, muss das Gesetz zunächst zurück in den Bundestag, da es verändert worden ist. Der Bundestag muss nun mit relativer Mehrheit dem veränderten Gesetz zustimmen. Daraufhin geht es wiederum in den Bundesrat. Trifft der Vermittlungsausschuss keine Änderung, geht das Gesetz auch nochmal zurück in den Bundesrat und dieser erhält nochmals die Möglichkeit, dem Gesetz zuzustimmen. Stimmt er zu, kann das Gesetz in Kraft treten, verweigert er die Zustimmung, ist das Gesetz endgültig gescheitert.

Einspruchsgesetze

Alle anderen Gesetze zählen zu den Einspruchsgesetzen (einfache Gesetze). Falls der Bundesrat gegen eine solche Gesetzesvorlage Einspruch einlegt, kann dieser vom Bundestag mit einer neuerlichen Abstimmung mit der gesetzlichen Mehrheit seiner Mitglieder (Kanzlermehrheit) überstimmt werden; legt der Bundesrat den Einspruch mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit ein, muss der Bundestag ihn mit einer sogenannten doppelt qualifizierten Mehrheit (Zwei-Drittel-Mehrheit und absolute Mehrheit der Sitze) überstimmen. Kann der Bundestag den Einspruch jedoch nicht überstimmen, ist das Gesetz endgültig gescheitert.

Stimmt der Bundesrat dem Gesetz in unveränderter Form zu, kann es in Kraft treten. Stellt er jedoch einen Antrag auf Beratung, so ist dies gleichbedeutend mit der Anrufung des Vermittlungsausschusses. Verfahrenstechnisch läuft dann das Procedere ab wie unter Zustimmungsgesetz beschrieben. Erst wenn keine Einigung zustande kommt und der Bundesrat das Gesetz auch beim zweiten Mal nicht billigt, kommt der Unterschied zu tragen. Während ein Zustimmungsgesetz damit gescheitert ist, kann bei einem einfachen Gesetz dieser Einspruch des Bundesrates vom Bundestag überstimmt werden und das Gesetz dennoch in Kraft treten. Entsprechend ist bereits im Vermittlungsausschuss der Druck, einen Kompromiss zu finden, ungleich geringer – zumindest für diejenigen Vertreter des Bundestages, die die dortige Mehrheit, meist die Regierungskoalition, vertreten.

Bundesregierung

Die Bundesregierung muss das Gesetz nun gegenzeichnen. Es zeichnen der federführende Fachminister sowie gegebenenfalls weiter beteiligte Fachminister und abschließend der Bundeskanzler bzw. die Bundeskanzlerin. In den Fällen des Artikels 113 des Grundgesetzes (bei Ausgabenerhöhungen oder Einnahmeminderungen) ist das Gesetz stets auch vom Bundesminister der Finanzen gegenzuzeichnen.

Bundespräsident

Der Bundespräsident muss das Gesetz schließlich unterzeichnen. Nach dieser sogenannten Ausfertigung erteilt er dem Bundesministerium der Justiz den Auftrag zur Verkündung im Bundesgesetzblatt. In der Regel tritt das Gesetz vierzehn Tage nach der Verkündung in Kraft, es sei denn, es ist ein konkretes Datum (auch rückwirkend) vom Bundestag beschlossen worden. Der Bundespräsident darf nach der Staatspraxis und der herrschenden Meinung in der Staatsrechtslehre die Unterschrift nur verweigern, wenn seiner Meinung nach das Gesetz nicht verfassungsgemäß zustande gekommen ist oder er es als verfassungswidrig ansieht.

Siehe auch