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Mitgliederentwicklung der deutschen Parteien

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Die Mitgliederentwicklung der deutschen Parteien ist durch langfristige Trends geprägt. Seit dem Höhepunkt Mitte der 1970er Jahre gehen die Mitgliederzahlen zurück, wenn man von dem Sonderfall der Parteienentwicklung in den neuen Bundesländern nach der Wende absieht. Seit etwa 1990 wird der Rückgang der Mitgliederzahlen aller im Bundestag vertretenen Parteien in Deutschland auch als Mitgliederschwund deutscher Parteien bezeichnet.[1] Als Ursachen gelten Politikverdrossenheit, Individualisierung und Überalterung der Mitgliederschaft.[1]

Mitgliederentwicklung der CDU. Die Daten beziehen sich auf Angaben der Fachliteratur[2], Schätzungen (vor 1966) sowie Parteiangaben zum Stichtag 31. Dezember des jeweiligen Jahres.
Mitgliederentwicklung der SPD

Historische Entwicklungen

Die Entwicklung der Parteienlandschaft nach dem Zweiten Weltkrieg in den westlichen Besatzungszonen

Nach der Wiederzulassung der Parteien Ende 1945 wuchs die Zahl der Parteimitglieder zunächst rapide. Der Wunsch und die Möglichkeit, die zentralen Weichenstellungen der unmittelbaren Nachkriegszeit mit zu beeinflussen war hierzu genauso ursächlich wie Karriereüberlegungen. Im Rahmen der Entnazifizierung war ein großer Teil der Eliten aus staatlichen Funktionen entfernt worden. Maßgeblich für die von den Siegermächten neu berufenen Führungskräften war das Eintreten für die neue demokratische Ordnung.

Im Jahr 1947 erreichte die Mitgliederzahl der Parteien einen Höhepunkt.

Die Anfangsjahre der Bundesrepublik

Die Demokratie in der Bundesrepublik war als Parteiendemokratie ausgelegt. Während die Zustimmung zu Demokratie hoch war, war das Ansehen der Parteien nach der Euphorie der unmittelbaren Nachkriegszeit schnell gesunken. Die gesamten 1950er Jahre lang herrschte eine "Ohne-mich-Stimmung" in Bezug auf parteipolitisches Engagement.[3]

Die Mitgliederzahl der Parteien sank wieder und erreichte Mitte der 1950er Jahre einen Tiefpunkt. Dies galt für alle Parlamentsparteien. Bei der Bundestagswahl 1957 hatte sich das Drei-Parteien-System herausgebildet, dass die nächsten Jahrzehnte Bestand haben sollte (formal waren zwar 5 Parteien im Bundestag; Aber DP und CSU waren eng mit der CDU verbunden). Die im Rahmen der Konsolidierung des Parteiensystems aus den Parlamenten ausgeschiedenen Parteien erlitten noch stärkere Mitgliederverluste.

Anstieg in den 1960er und 1970er Jahre

Die folgenden Jahre waren durch einen durchgehenden Anstieg der Mitgliederzahlen gekennzeichnet. Dieser war bei CDU und SPD besonders stark ausgeprägt, was die Polarisation des Parteiensystems deutlich machte. Das Aufkommen der 68er Bewegung und die Sozialliberale Koalition 1969 führte zu eine wahren Explosion der Mitgliederzahlen. Während dies bei der SPD schon 1973 den Höhepunkt fand, weiteten CDU/CSU während der ganzen Oppositionszeit die Mitgliederbasis aus. Die Mitgliedszahlen erreichten hier mit der Wende 1982/83 ihren Höhepunkt.

Parteienverdrossenheit der 1980er

Die 1980er Jahre beendeten das Drei-Parteien-System. Die Grünen traten auf der linken Seite neu in das Parteiensystem ein, auf der Rechten entstanden die Republikaner. Insbesondere die Grünen waren als "Anti-Parteien-Partei" angetreten und beförderten die Parteienkritik. Nachdem der Niedergang der Mitgliederzahlen auch die Union erreicht hatte, wurde von der "Krise der Volksparteien" gesprochen. Neben der vielfach verwendeten These der Parteiverdrossenheit, kann diese Entwicklung aber auch als Normalisierung der Parteienlandschaft nach der Übertreibung der 1970er Jahre verstanden werden.[4]

Situation in SBZ und DDR

Die Situation in der SBZ entsprach zunächst der in den westlichen Besatzungszonen. Nach der Zwangsvereinigung 1946 hatte die SED ca. 1,3 Millionen Mitglieder, die LDPD (1947 ca. 200.000 Mitglieder) und Ost-CDU waren durch die SMAD vielfach im Aufbau einer Parteiorganisation behindert worden. Die Gleichschaltung der Parteien zu Blockpartei führte zusätzlich zu einem Austausch der Mitglieder und dem Sinken der Mitgliederzahl. Von ungefähr 200.000 Mitgliedern der Ost-CDU im Jahre 1947 waren durch Flucht, Austritt und Ausschluss 1950 ein Viertel ausgeschieden[5].

In der DDR wurde die Zahl der Parteimitglieder stark gesteigert. Zuletzt hatte die SED 2,3 Millionen und die Blockparteien zusammen etwa 600.000 Mitglieder. Da keine freien Wahlen stattfanden, lag der Grund für den Parteibeitritt üblicherweise nicht in dem Wunsch, seine politischen Positionen zu vertreten, sondern darin, dass berufliche Karrieren ohne Parteimitgliedschaft schwierig bis unmöglich waren.

Die Folgen der Wende

Mit der Wende 1989 und der Wiedervereinigung gingen massive Verschiebungen der Mitgliedszahlen der Parteien einher. Diejenigen, die nur aus Opportunität oder des politischen Zwanges wegen Parteimitglieder der SED geworden waren traten aus. In der (nun in PDS umbenannten) Partei verblieben 1990 noch etwa 285.000, überwiegend ältere Mitglieder. Die Mitgliederzahl sank in den Folgejahren kontinuierlich und betrug 2006 noch etwa 60.000.

Die Blockparteien und die neu entstandene Bürgerrechtsorganisationen und Parteien schlossen sich den West-Parteien an. Hierdurch gelang CDU und insbesondere FDP ein Sprung der Mitgliederzahlen. Ähnlich (wenn auch in kleinerem Umfang) wie bei der SED traten jedoch viele Mitglieder der Blockparteien aus.

Im wiedervereinigten Deutschland

Die Tendenz der 1980er Jahre setzte sich in den Jahren nach der Wiedervereinigung fort. Die beiden Volksparteien büßten Mitglieder ein. Die SPD wurde hiervon deutlich stärker getroffen als die CDU weswegen die CDU 2008 zur mitgliederstärksten Partei wurde und die SPD in dieser Rolle ablöste. Positiv entwickelte sich die Mitgliederzahl der Grünen. Insgesamt ist die Zahl der Parteimitglieder aber seit zwei Jahrzehnten rückläufig.

Im Jahre 1990 hatten die im Bundestag vertretenen Parteien rund 2,3 Millionen Mitglieder.

Die Gesamtzahl der Mitglieder von SPD, CDU, CSU, FDP, Grünen und der Linken sank bis Anfang 2013 auf knapp 1,3 Millionen.[6][7][8][9]

Einzelne Parteien

Sozialdemokratische Partei Deutschlands

Der SPD gehörten im September 1995 831.000 Mitglieder an.[10] Ende 2003 waren es 650.798 Mitglieder.[11] Ein überdurchschnittlich hoher Austritt von etwa 10.000 Mitgliedern im Januar 2004 wurde als Reaktion auf die Einführung der Praxisgebühr und die höheren Krankenkassenbeiträge auf Betriebsrenten interpretiert.[11] Zum 30. Juni 2008 waren es 529.994 Mitglieder.[12] Zum 31. Dezember 2009 waren es 512.520 Mitglieder.[13] Im April 2013 waren es 474.481 Mitglieder.[6] Bereits am 25.02.2013 wurde bekannt gegeben, dass es sich um die niedrigste Mitgliederzahl seit ihrer Neugründung 1945 handelt.Referenzfehler: Ungültige <ref>-Verwendung: „ref“ ohne Namen muss einen Inhalt haben.Zum 31.12.2013 waren es 473.662.[14]

Christlich Demokratische Union Deutschlands

Am 1. Oktober 2006 hatte die CDU 561.070 Mitglieder.[15] Im August 2009 waren es 523.374 Mitglieder.[13] Im April 2013 waren es 472.400 Mitglieder.[6] Zum 28.12.2013 waren es 468.329 Mitglieder.[16]

Christlich-Soziale Union in Bayern

Die CSU verzeichnete im Juni 2003 178.365 Mitglieder.[11] Im März 2007 hatte sie 166.000 Mitglieder.[17] Ende 2012 waren es 147.965[7] Mitglieder.

Freie Demokratische Partei

Die FDP hatte nach der Wiedervereinigung 1990 über 178.000 Parteimitglieder, 1992 über 103.000 Mitglieder, 2000 knapp 63.000.[18] Danach kam es zum Zuwachs.[18] Am 1. September 2010 waren es 70.166 Mitglieder.[18] Ende 2010 hatte die FDP noch 68.541 Mitglieder. Laut Parteisprecher Wulf Oehme setzte sich der Mitgliederschwund im Jahre 2011 ungehindert fort.[19] Ende 2012 waren es 58.675 Mitglieder.[8] Am 08.05.2014 waren es 58.000 Mitglieder.[20]

Bündnis90/Die Grünen

Die Bündnisgrünen verzeichneten 1998 einen Hochstand von 51.812 Mitgliedern.[21] Im Oktober 2010, nach den Ereignissen der Demonstrationen gegen Stuttgart 21, überschritt man wieder die Marke von 51.000 Mitgliedern.[22] Am 22. Februar 2013 wurde die Mitgliederzahl von 60.003 verkündet; die Grünen haben seither mehr Mitglieder als die FDP.[8]

Die Linke

Die PDS hatte Ende 2002 70.805 Mitglieder.[11] Die Linke entstand 2007 durch die Vereinigung mit der WASG, die etwa 10.000 Mitglieder gezählt hatte. Ende 2009 hatte die Linkspartei etwa 78.000 Mitglieder, im Dezember 2010 waren es 75.500.[23] Am 31. Dezember 2012 waren es 63.761 Mitglieder.[9]

Piratenpartei Deutschland

Die im September 2006 gegründete Piratenpartei hat im Januar 2014 rund 30.000 Mitglieder.[24] Hiervon sind allerdings nur knapp ein Viertel (rund 7.700) auch tatsächlich Beitrag zahlende Mitglieder und damit stimmberechtigt. [25]

Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die PARTEI)

Die im August 2004 gegründete Partei hatte am 18. Januar 2013 ca. 10.000 Mitglieder. Am 28.04.2014 waren es 12.350.[26] Bedingt durch eine Vielzahl satirischer Pressemeldungen sind Daten über diese Partei nicht verbindlich verifizierbar.

Alternative für Deutschland

Am 3. Mai 2013 hatte die AfD nach Eigenangaben 10.476 registrierte Mitglieder, davon 2.795 aus anderen Parteien: 1.008 von der CDU, 587 von der FDP, 558 von der SPD, 220 von der CSU, 143 von der Piratenpartei Deutschland und 106 von Bündnis 90/Die Grünen. Bis zum 28. Februar 2014 konnte die AfD laut ihrem Bundesverband 17.552 Mitglieder und 1.753 "Förderer" (Personen, welche die Partei regelmäßig finanziell unterstützen, aber kein stimmberechtigtes Mitglied sind) gewinnen. [27]

Folgen

Durch den Mitgliederverlust ergibt sich auch ein Einnahmenverlust (siehe auch: Parteienfinanzierung). Barbara Hendricks, SPD, verlangte 2007 einen Ausgleich durch höhere Staatszuschüsse.[28] Zu den Gegenrednern gehörte Volker Beck.[29]

Literatur

  • Oskar Niedermayer: Entwicklung und Sozialstruktur der Parteimitgliedschaften im ersten Jahrzehnt nach der Vereinigung. In: Zeitschrift für Parlamentsfragen, 2002, Heft 2, S. 436.

Einzelnachweise

  1. a b Verena Schule: Parteienverdrossenheit. Bundeszentrale für politische Bildung, 28. August 2009 (online)
  2. Ulrich von Alemann: Das Parteiensystem der Bundesrepublik Deutschland. Bundeszentrale für politische Bildung: Bonn 2010. S. 171
  3. Sebastian Höhn: Die Parteiendemokratie in der Krise? Politische Entfremdung und Parteienverdrossenheit in der Bundesrepublik, 2007, ISBN 9783638619745, Seite 10, online
  4. Tim Spier, Markus Klein, Ulrich von Alemann, Hanna Hoffmann, Annika Laux, Alexandra Nonnenmacher, Katharina Rohrbach: Parteimitglieder in Deutschland, 2011, ISBN 9783531140421, Seite 19-20, online
  5. Neubert, Ehrhart: Ein politischer Zweikampf in Deutschland, Freiburg 2002, ISBN 3-451-28016-7, Seite 36-37
  6. a b c http://www.bild.de/newsticker-meldungen/home/13-mitglieder-30042034.bild.html
  7. a b Oskar Niedermayer: Parteimitglieder in Deutschland: Version 2013, Arbeitshefte aus dem Otto-Stammer-Zentrum, Nr. 20; online abrufbar [1] (MS Word; 4,3 MB)
  8. a b c Die Grünen haben erstmals mehr Mitglieder als die FDP. In: T-Online. 24. Februar 2013, abgerufen am 15. April 2014.
  9. a b https://www.die-linke.de/partei/fakten/mitgliederzahlen/
  10. Mitgliederschwund. In: Berliner Zeitung, 29. September 1995 (online)
  11. a b c d Radikaler Mitgliederverlust bei der SPD. In: Wirtschaftswoche. 22. Februar 2004, abgerufen am 15. April 2014.
  12. Die Mitglieder laufen weiter davon. Schrumpf-Partei SPD. In: Handelsblatt, 15. Juli 2008 (online)
  13. a b Einar Koch: CDU laufen auch noch die Mitglieder weg! In: Bildzeitung, 27. Mai 2010 (online)
  14. http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/europawahl-2014/180941/spd
  15. Große Koalition: Drastischer Mitgliederschwund bei SPD und CDU. In: Der Spiegel. 16. Oktober 2006, abgerufen am 15. April 2014.
  16. http://www.huffingtonpost.de/2013/12/28/partei-mitglieder-spd-cdu_n_4510860.html
  17. Hoher Mitgliederverlust bei der CSU nach Stoiber-Rücktritt. In: ShortNews, 22. März 2007 (online)
  18. a b c Rheinische Post, 29. Oktober 2010 (online)
  19. dapd, 5. Mai 2011 (online)
  20. http://www.focus.de/politik/deutschland/liberale-wollen-attraktiver-werden-vorbild-opel-wie-die-fdp-in-der-oeffentlichen-wahrnehmung-umparken-will_id_3828684.html
  21. Oskar Niedermayer, zitiert nach [2] (PDF-Datei; 62 kB)
  22. Grüne im Aufwind: Mehr als 51 000 Parteimitglieder. In: Handelsblatt. 29. Oktober 2010, abgerufen am 15. April 2014.
  23. Linkspartei leidet unter Mitgliederschwund - Die zerstrittene Linke hat im Jahr 2010 bundesweit rund 2.500 Mitglieder verloren - vor allem im Osten. In: D-News. 1. Januar 2011, archiviert vom Original am 6. Januar 2011; abgerufen am 15. April 2014.
  24. http://wiki.piratenpartei.de/Datei:Mitgliederentwicklung.png
  25. https://wiki.piratenpartei.de/Mitglieder
  26. http://www.bpb.de/politik/wahlen/wer-steht-zur-wahl/europawahl-2014/180976/die-partei
  27. Steigende Mitgliederzahlen. (PDF, 240 KB) In: Informationsbrief des Bundesverbandes der Alternative für Deutschland 2/2014. 1. März 2014, S. 4, abgerufen am 15. April 2014.
  28. Neue SPD-Schatzmeisterin: Mitgliederverluste der Parteien durch höhere Staatszuschüsse ausgleichen. In: Rheinische Post. 12. August 2007, abgerufen am 15. April 2014.
  29. @1@2Vorlage:Toter Link/www.politik.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2014. Suche in Webarchiven)