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Lyme-Borreliose

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Die hier gemeinte Borreliose, die Lyme-Borreliose oder Lyme-Krankheit, ist eine Infektionskrankheit, die durch das Bakterium Borrelia burgdorferi aus der Gruppe der Spirochäten ausgelöst wird. Die Borrelien können sich nach einer Infektion über den Blutkreislauf im gesamten Organismus ausbreiten und dabei jedes Organ und Gewebe in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb spricht man bei dieser Erkrankung auch von einer multisystemischen Krankheit.

Entdeckung und Namensgebung

Die Bezeichnung Lyme-Borreliose setzt sich zusammen aus dem Namen des Ortes Lyme im US-Bundesstaat Connecticut, in dem in den 1970-er Jahren die Krankheit erstmals beschrieben wurde, sowie aus der Bezeichnung der Erkrankung als Borreliose, die auf die mikrobiologisch-systematische Einteilung des Erregers zurückkgeht. Der Erreger wurde als "Borrelia burgdorferi" nach seinem Entdecker Willy Burgdorfer, einem Schweizer benannt, der die Bakterien 1981 in den USA entdeckte.

Erreger

Von dem krankheitsverursachenden Bakterium Borrelia burgdorferi kommt in den USA im wesentlichen nur ein einziger Subtyp vor. In Europa existieren hingegen vier verschiedene Subtypen, von denen drei beim Menschen krankheitsauslösend sind.

Verbreitung

Der Erreger der Lyme-Borreliose ist weltweit verbreitet. Drei Genospezies, sogenannte Untergruppen des Erregers, Borrelia afzelii, Borrelia garinii und Borrelia burgdorferi gelten zur Zeit in Europa als humanpathogen. Weitere Genospezies, die möglicherweise ebenfalls als humanpathogen gelten könnten, wie Borrelia valainsiana, B. lusitinae und B. spielmani wurden erst jüngst entdeckt. Es fehlen flächendeckende epidemiologische Studien und Daten über die Ausbreitung und das Infektionsrisiko nicht nur der einzelnen Genospezies für den Menschen. In den Neuen Bundesländern und Berlin besteht eine Meldepflicht für die Erkrankung Lyme Borreliose.

Übertragung

Überträger des Bakteriums sind in der Regel Zecken, die den Erreger während des Saugaktes nach einigen Stunden (in der Regel in einem Zeitfenster von 8 bis 24 Stunden nach dem Einstich) auf den Menschen übertragen. In Deutschland ist das vor allem die Zecke Ixodes ricinus, auch gemeiner Holzbock genannt.

Hinweis: Zecken sind weltweit Überträger von mehr als 50 Krankheiten (-> siehe dazu Zeckenstich).

Als weitere Überträger der Borreliose werden von Wissenschaftlern auch Bremsen und Stechmücken diskutiert. Parasitologen der Universität Bonn sind in letzter Zeit der Frage nachgegangen, ob Laufmilben (Trombiculidae) darunter die in Deutschland heimische Herbstmilbe (Neotrombicula autumnalis) als Vektoren für das Bakterium Borrelia burgdorferi in Frage kommen. Es ergaben sich aber keine konkreten Hinweise.

Eine direkte Übertragung der Borrelien von Mensch zu Mensch ist nicht bekannt, d.h. erkrankte Personen sind nicht ansteckend. Dagegen besteht bei einer infizierten Frau in der Schwangerschaft die Gefahr von Totgeburten oder der Schädigung des ungeborenen Kindes.

Weiterhin ist eine Übertragung nach einem Biss durch ein infiziertes Pferd beschrieben worden.

Diagnose

Ein großes Problem bei der Feststellung der Borreliose ist die laborchemische (serologische) Unterscheidung zwischen einer abgeheilten Borreliose (Seronarbe) von einer noch aktiven therapiebedürftigen Borreliose. In der Serologie werden in der Routinediagnostik Antikörpertests eingesetzt. Das sind i.d.R. der ELISA und der Westernblot. Solche Tests können nur die Antikörper messen, d.h. feststellen, ob ein Erregerkontakt stattgefunden hat oder nicht. Es ist jedoch durch diese Verfahren nicht möglich, den Krankheitsverlauf einer Borreliose zu kontrollieren. Deshalb ist es schwierig, nach einer Behandlung mit Antibiotika festzustellen, ob diese wirksam waren, und die Borreliose nun ausgeheilt ist. Hinzu kommt, dass die einzelnen Testverfahren nicht standardisiert sind und eine unterschiedliche Spezifität und Sensitivität aufweisen. Bei sehr sensitiven Tests besteht oftmals das Problem von sogenannten Kreuzreaktionen. Das bedeutet, der Test zeigt ein positives Borrelien-Ergebnis an, der Betreffende hat aber keine Borreliose (Beta-Fehler). Das wird durch andere Erreger, wie zum Beispiel durch andere Spirochäten, wie Treponema pallidum oder Treponema denticola, Leptospiren, aber auch durch den Epstein-Barr-Virus oder Zytomegalievirus verursacht. Genauso kommen falsche negative Ergebnisse vor (Alpha-Fehler). Die Serologie ist vor allem in den frühen Phasen nicht zuverlässiger als 50%. Neuere Tests haben inzwischen eine etwas höhere Zuverlässigkeit, die mit einer Sensitivität von ca. 70% bis 80% angegeben wird. Trotzdem werden gerade in der Frühphase viele Borreliose-Fälle übersehen. In späteren Stadien ist die Sensitivität in der Regel höher. Bei einem Verdacht auf eine Neuroborreliose ist in der Regel eine Liquoruntersuchung angezeigt. Allerdings kann es hierbei bei ca. 30% zu falschen negativen Ergebnissen kommen. Von einigen Labors wird zur Feststellung der Erregeraktivität der sogenannten LTT (Lymphozytentransformationstest) angeboten, dessen Zuverlässigkeit jedoch bislang noch nicht ausreichend durch Studien nachgewiesen werden konnte. Über das Internet werden zunehmend obskure Borrelien-Testverfahren vermarktet, wie z.B. der VCS-Test oder mittels Elektroakupunktur, von denen dringend abzuraten ist. Inzwischen wurde mit dem PCR-Nachweis (=Polymerase Ketten (Chain) Reaktion) eine weitere Diagnosemethode entwickelt. Hier wird aus dem Erreger DNA aufgearbeitet und mittels der PCR-Reaktion ein borrelienspezifisches Fragment amplifiert. Dieser Test ist hochspezifisch und hochsensitiv, stellt gleichzeitig aber hohe Anforderungen an Laborpersonal und -ausrüstung. Fehldiagnosen sind bei dieser Methode praktisch ausgeschlossen. Bisher bietet ein Labor in Konstanz diesen Test an. Für die Routine wird der serologische Zwei-Stufen-Test zunächst das Mittel der Wahl bleiben. Besonders bei frischen Infektionen sollte ein zweites Testverfahren hinzugezogen werden. Hier wird der PCR-Nachweis als ergänzendes Verfahren sicherlich an Bedeutung gewinnen.

Differentialdiagnose

In Abhängigkeit vom Krankheitstadium ist die Differentialdiagnose weit gefächert. Es ist an Meningitiden anderer Ursache, z.B. Infektion mit neurotropen (auf die Nerven wirkende) Viren (FSME) zu denken. Bei Gelenkentzündungen kommt die aktivierte Arthrose, die rheumatoide Arthritis und andere Gelenkentzündungen in Frage.

Krankheitsverlauf

Erythema migrans als Spätfolge eines Zeckenbisses mit Borrelioseinfektion am Unterschenkel eines männlichen Erwachsenen

Die Durchseuchung der Bevölkerung mit Borrelien liegt in Deutschland bei ca. 10 %. Der überwiegende Teil der Infektionen verläuft selbstlimitierend und heilt auch ohne Behandlung aus. Die Serologie kann noch Jahre nach einer ausgeheilten Borreliose positiv sein. Es wird jedoch in jedem Fall geraten, bei einem Verdacht auf eine Borreliose eine Behandlung mit Antibiotika durchzuführen. Denn eine Borreliose kann ähnlich wie die Syphilis auch fortschreitend und langwierig verlaufen. In der Regel treten schwere Erkrankungen auf, die sich im Laufe der Jahre zunehmend verschlimmern. Symptomfreie Zeiten sind beschrieben worden. In der Frühphase können die Symptome einer Borreliose mit einer Fibromyalgie verwechselt werden. Diese Symptome werden auch oftmals nach einer Antibiotikabehandlung in späteren Stadien beschrieben. Wenn die Fibromyalgiesymptome jedoch gleich bleibend sind und in der Folge keine Verschlechterung eintritt, muss man eher davon ausgehen, dass die Beschwerden nicht durch Borrelia burgdorferi verursacht werden, vor allem wenn in der Vorgeschichte keine borreliosetypischen Leitsymptome aufgetreten sind. Dies gilt auch für andere unspezifische Symptome wie Schüttelfrost, Fieber, Gelenk- und Muskelschmerzen.

Nach einer durchgemachten Borreliose besteht keine Immunität.

Stadien

1. Stadium: Lokalinfektion

Ab Übertragung des Erregers kann es nach einer Inkubationszeit von meist 5 – 29 Tagen zu einer lokalen Infektion der Haut kommen, die mit einem charakteristischen Hautausschlag, dem Erythema migrans (Wanderröte) einhergeht. Das Erythem verschwindet manchmal ohne Therapie, kann aber auch über Monate bestehen. Es dehnt sich meist langsam um die Stichstelle von einem Zeckenstich aus (daher der Name). Das Erythema migrans ist ein eindeutiges Symptom für eine Borrelieninfektion. Allerdings gibt es viele Infektionen mit Borrelien ohne dieses eindeutige Zeichen einer Infektion. Im ersten Stadium kann die Borreliose sehr gut mit Antibiotika behandelt werden. Notwendig ist jedoch eine ausreichend lange und hoch genug dosierte Therapie.

2. Stadium: Streuung des Erregers

Nach einer Zeit von bis zu zwölf Wochen können sich die Erreger im ganzen Körper ausbreiten. Der Patient leidet an grippeähnlichen Symptomen wie Fieber und Kopfschmerzen, was die Erkennung der Krankheit erschwert. Charakteristisch sind starke Schweißausbrüche.
Durch die Ausbreitung im Körper kann es zu einem Befall der Organe, der Gelenke und Muskeln sowie des zentralen und peripheren Nervensystems kommen. Leitsymptome in diesem Stadium sind oftmals das sogen. Bannwarthsyndrom mit starken radikulitischen Schmerzen und die Facialisparese, die sich in einem schiefen Gesicht zeigen. Typisch sind auch von Gelenk zu Gelenk springende Arthritiden und Myalgien. Weiterhin kommt es oft zu Störungen des Tastsinns, Sehstörungen und Herzproblemen, wie Sinustachykardien und Karditis, was sich manchmal durch Herzklopfen und hohen Blutdruck sowie Pulsbeschleunigung bemerkbar macht. Das körpereigene Immunsystem ist oftmals in diesem Stadium allein nicht mehr in der Lage, die Infektion zu bewältigen. Borrelien scheinen sich nur kurz im Blut aufzuhalten und sich sehr schnell im Bindegewebe festzusetzen. Problematisch ist hier auch die sogenannte Neuroborreliose, die zu vielfältigen Erkrankungen der peripheren und zentralen Nervensystems führen kann. Deshalb muß in diesem Stadium auf jeden Fall ausreichend mit Antibiotika behandelt werden. Die Wahl des Antibiotikums richtet sich nach dem Befall und der Erkrankungsform. Wenn im Stadium 2 nicht rechtzeitig eine Heilung zustande kommt, so können bleibende Organschäden entstehen, die dann trotz Therapie nicht geheilt werden können.

Wenn die Borreliose nicht rechtzeitig erkannt und behandelt wird, kann es zu einer Erregerpersistenz kommen. Das heißt, die Krankheit kommt immer wieder (rezidiviert). Das kann sich über Monate und Jahre hinziehen und verursacht dem Patienten starke Schmerzen durch Muskel- und Gelenkentzündungen. Außerdem kommt es häufig zu einem Befall des zentralen und peripheren Nervensystems. Hier können Erkrankungen auftreten, wie Polyneuropathie, Meningitis, Enzephalitis. Ebenso sind chronische Erkrankungen der Sinnesorgane und der Gelenke und Muskeln möglich. Die chronischen Erkrankungen der Gelenke werden Lyme-Arhtritis genannt. Es kann aber auch zu einer entzündlichen Bursitis oder Arthrose kommen. Das dermatologische Leitsymptom ist die Akrodermatitis chronica atrophicans Herxheimer.

Bei etwa 20% der unbehandelten Patienten wurden Komplikationen wie wochen- bis monatelange Lähmungen der Gesichtsnerven, Hirnhautentzündung, Reizungen der Nervenwurzeln am Rückenmark oder Herzrhythmusstörungen beobachtet.

Leitsymptome

Lokalisiertes Stadium (1. Stadium)

Disseminiertes Stadium (2. Stadium)

Hepatomegalie und milde Hepatitis

Spätmanifestationen (3. Stadium)

Unspezifische Begleitbeschwerden

Diese können hinzu kommen. Bei alleinigem Vorliegen dieser Beschwerden ist es jedoch fraglich, ob diese durch eine Borreliose oder von etwas anderem verursacht werden.

Therapie

Ist Lyme-Borreliose diagnostiziert, kann eine Behandlung mit Antibiotika erfolgen. Zuverlässige Angaben über eine wirksame Behandlung sind nicht möglich, da entsprechende Studien fehlen. Die Verabreichungsform und Länge der Therapie richtet sich nach dem Stadium der Krankheit. Man nennt das „stadiengerechte Behandlung“. Je länger eine Borrelieninfektion dauert, umso schwieriger wird es, eine komplette Erregereliminierung zu erreichen. Bei einer länger andauernden Infektion ist eine orale Antibiotikatherapie normalerweise nicht in der Lage, die Infektion völlig abzutöten. Vor dem Fehlschlagen einer mehrwöchigen Infusionstherapie kann aber auf keinen Fall davon ausgangen werden, dass die Infektion therapieresistent ist. Für die Therapie stehen grundsätzlich verschiedene Antibiotika zur Verfügung.

Anfangsstadium (1 oder 2) Orale Antibiotika (Doxycyclin, Amoxycillin usw.) über 14–20 Tage
evtl.auch länger
Fortgeschrittenes Stadium (2 oder 3) Infusionen mit sogenannten Cephalosporinen über 28 Tage evtl. auch länger
oder alternativ mit oralen Antibiotika (Infusionstherapie ist definitiv vorzuziehen!)

Inzwischen werden auch im fortgeschrittenen Stadium andere Antibiotika eingesetzt, da die Cephalosporine im Gegensatz zu Tetracyclinen anscheinend nicht ausreichend gewebegängig sind. Ausreichende Studien fehlen jedoch. Einige Behandlungsformen bestehen aus einer Kombination von intravenösen und oralen Antibiotika, um dadurch die unterschiedlichen Eigenschaften der Medikamente besser nutzen zu können.

Während der Therapie, insbesondere wenn sie länger vorgenommen wird, ist eine enge Begleitung durch einen borreliosekundigen Arzt erforderlich. Antibiotika können zu vielfältigen Komplikationen, wie Candidaübersiedlung und Superinfektionen anderer bakterieller Erreger führen. Zudem sollte auf die notwendige Ruhe und Schonung geachtet werden.

Weiterhin sollten täglich Multivitamine, Joghurt (mit lebenden Kulturen, rechtsdrehende Milchsäure) und andere Lebensmittel, die Milchsäurebakterien enthalten, verzehrt werden. Allerdings ist zu beachten, daß die Wirkung des Antibiotikums durch Milchprodukte verringert oder sogar unwirksam werden kann. Bestimmte Antibiotika verursachen mitunter eine starke Sonnenallergie (Sonnenbrand). Hier muß auf entsprechenden Hautschutz geachtet werden. Außerdem muss der Patient große Geduld aufbringen, denn der Heilprozess kann viele Monate bis Jahre dauern.

Gerade aufgrund des Wissensnotstandes über diese Krankheit ist es wichtig, dass der Patient selbst versucht, sich zu informieren und eventuell seine Erfahrungen in Selbsthilfegruppen austauscht. In der Regel können von den Gruppen auch borreliosekundige Ärzte genannt werden.

Nach einer circa 14-tägigen intravenösen Therapie mit einem hochwirksamen Antibiotikum wie zum Beispiel 2 Gramm Ceftriaxon pro Tag kann man aus einer deutlichen Besserung oder dem Verschwinden der Symptome mit einiger Wahrscheinlichkeit auf das Vorliegen einer Borreliose schließen.

Vorbeugung

Zeckenstichvermeidung

Siehe Hauptartikel Zeckenstich

  • nach dem Besuch in Wald und Flur den Körper sorgfältig absuchen. Gefundene Zecken sorgfältig entfernen, und diese dem Arzt zur Untersuchung mitbringen,
  • Lange Hosen und hohes Schuhwerk tragen. Die Zecke lässt sich nicht von Bäumen auf ihr Opfer fallen - wie es die Volksmeinung ist - sondern lauert auf hohen Grashalmen,
  • hohes Gras meiden.

Gegen die Krankheit gibt es keinen zugelassenen Impfstoff und auch keine lebenslange Immunität. In den USA wurde ein entsprechender Impfstoff 2002 wegen Impfkomplikationen wieder vom Markt genommen. Dieser Impfstoff war nur für den amerikanischen Erregersubtyp geeignet und somit in Europa nicht anwendbar. In der Veterinärmedizin wird jedoch eine Impfung gegen Borrelien auch in Deutschland durchgeführt.

Infektionsrisiko und Durchseuchungsraten

Lyme-Borreliose ist in der nördlichen Hemisphäre die häufigste von Zecken übertragene Erkrankung. Eine Borrelieninfektion durch Zecken ist - im Gegensatz zu der durch Viren verbreiteten FSME - in ganz Deutschland und sogar in Städten möglich. Wie eine Studie am Max-von-Pettenkofer-Institut für Hygiene und Mikrobiologie in München zeigte, stellt "der direkte Kontakt mit Büschen in Gärten ein bisher unterschätztes Risiko" dar, über Zeckenstiche an Lyme-Borreliose zu erkranken. Gleichwohl hat nicht jeder Zeckenstich eine Borrelieninfektion oder gar eine Erkrankung an Borreliose zu Folge. Nach Schätzung des Robert-Koch-Instituts liegt die Wahrscheinlichkeit, nach einer in Deutschland erlittenen Zeckenattacke an Borreliose zu erkranken, bei 1 zu 300. In Hoch-Risiko-Gebieten dagegen muss man gemäß einer Studie der Universität Heidelberg von einer wesentlich größeren Gefahr ausgehen: Bei etwa einem von zehn Betroffenen ist mit einer Erkrankung zu rechnen. Die Übertragungsgefahr korreliert also mit der Durchseuchungsrate der Zecken in den verschiedenen Regionen.

Die Durchseuchungsraten der Zecken mit Borrelien variieren je nach Region und reichen von ca. 5 bis weit über 40 Prozent. Im Mittel liegt die Befallsrate in Deutschland bei etwa 15 Prozent. Forscher gehen in Hochrisikogebieten, wie z.B. in Teilen von Süddeutschland, von 30 bis 50 Prozent borreliendurchseuchter Zecken aus. In der Region Konstanz am Bodensee lag die mittlere Infektionsrate der Zecken mit Borrelien (B. burgdorferi Spezies) bei 35 Prozent. Die Durchseuchung mit der Genospezies B. afzelii lag sogar bei 53 Prozent.

Über die Zahl der Neuinfektionen bzw. Neuerkrankungen pro Jahr gibt es für Deutschland nur Schätzungen, die je nach Studie stark variieren und von 50.000 bis 160.000 Fällen ausgehen. Die Inzidenz (Zahl der in einer Bevölkerung neu auftretender Erkrankungen pro Jahr) für Borreliose variiert dementsprechend von 0,06 Prozent bis 0,2 Prozent (zum Vergleich: die Inzidenz für FSME ist etwa 500 mal geringer). Das Landesgesundheitsamt Stuttgart geht nach einer an der Universität Heidelberg an 3708 Patienten durchgeführten Studie davon aus, dass in den Borrelien-Hochendemiegebieten etwa jeder zehnte Zeckenstich zu einer Infektion führt. Hierbei wurde eine Transmissionsrate von 25 Prozent bei infizierten Zecken (3,5 % total) zu Grunde gelegt.

Die Universität Heidelberg hat in einer Studie das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich ermittelt: Hiernach infizieren sich im Durchschnitt drei Prozent aller von durchseuchten und nicht durchseuchten Zecken gestochenen Personen. Wird man jedoch von einer mit B. burgdorferi durchseuchten Zecke gestochen, so liegt die Gefahr sich zu infizieren gemäß dieser Studie bei 27 Prozent. Andere Studien gehen von über 35 Prozent aus.

In einem 1998 von führenden Borrelioseforschern in Deutschland publizierten Konsensuspapier findet man folgende Angaben zur Erkrankungswahrscheinlichkeit nach einem Zeckenstich (Angaben für Gesamtdeutschland, unabhängig davon ob die Zecken infiziert waren oder nicht):

  • eine Serokonversion, also das Ansprechen des Immunsystems auf den Erreger nach Infektion, ist bei 2,6 – 5,6 % der Betroffenen zu erwarten
  • eine manifeste Erkrankung jedoch nur bei 0,3 – 1,4 %.

Zuverlässige Zahlen hierzu gibt es nicht. Legt man aber diese Zahlen zugrunde, kann man davon ausgehen, dass 25 Prozent der mit Borrelien infizierten Personen im weiteren Verlauf auch an Borreliose erkranken. Bei der größeren Mehrheit scheint das Immunsystem die Krankheit abwehren zu können. Zur Zeit wird noch erforscht, ob die unterschiedlichen Genospezies von Borrelia burgdorferi ursächlich für die verschiedenen Krankheitsbilder sind. Diese werden von den Ärzten möglicherweise nicht immer korrekt als "Borreliose" diagnostiziert.

Eine prophylaktische einmalige Gabe von Antibiotika - zumindest nach einer Zeckenattacke in einem Hoch-Risiko-Gebiet - wird von einigen Forschern empfohlen. Diese Empfehlung stammt aus den USA, wo es nur eine Genospezis gibt und ist deshalb in Europa sehr umstritten. Um das Infektionsrisiko nach einem Zeckenstich besser abschätzen zu können, kann die Zecke gegebenenfalls auf Borrelienbefall mittels PCR-Untersuchung untersucht werden. Hierzu sollte die Zecke nach Entfernung in einem geschlossenen Gefäß in ein Speziallabor geschickt werden. Für diese Untersuchung genügen auch Teile der Zecke. Eine Durchseuchung mit Borrelien ist jedoch nicht mit einer Krankheitsübertragung gleichzusetzen. Denn die Zecke benötigt für die Übertragung der Borrelien - anders als bei dem FSME-Virus - einige Zeit. Die Angaben darüber schwanken zwischen 6 und 48 Stunden. Fest steht jedoch: Je länger eine borreliendurchseuchte Zecke gesaugt hat um so höher ist das Risiko einer Übertragung. Ein Teil der Infektionen erfolgt aber auch durch das unsachgemäße entfernen der Zecke, wenn diese gequetscht wird.

Zitate

  • Die Lyme-Borreliose hat die Lues als Chamäleon der Medizin abgelöst Privatdozent Dr. Klaus-Peter Hunfeld von der Universität Frankfurt am Main - siehe auch: Lues

Literatur

Bücher

Aufsätze

  • Hans-Peter Wirtz: Zecken als Krankheitsüberträger: Was tun bei einem Stich?. In: Biologie in unserer Zeit. 4/31/2001. S. 229–238, ISSN 0045-205X
  • Helge Kampen: Vektor-übertragene Infektionskrankheiten auf dem Vormarsch? Wie Umweltveränderungen Krankheitsüberträgern und -erregern den Weg bereiten. In: Naturwissenschaftliche Rundschau. 4/58/2005. S. 181–189, ISSN 0028-1050
  • Distribution of clinically relevant Borrelia genospecies in ticks assessed by a novel, single-run, real-time PCR. In: Journal of Clin Microbiol. 1/40/2002 (Jan.). S. 36–43.

Fachinformationen

Selbsthilfe

Sonstige Informationen