Zum Inhalt springen

Mauser (Drama)

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Mai 2014 um 11:35 Uhr durch Brandohund (Diskussion | Beiträge). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Mauser ist ein Theatertext von Heiner Müller, den er selbst der "Versuchsreihe" der an Brecht anknüpfenden Lehrstücke - im Unterschied zu den "Proletarischen Tragödien im Zeitalter der Konterrevolution" (Müller) - zugeordnet hat. Er wurde 1970 geschrieben und 1975 uraufgeführt.

Inhalt

Das Stück ist eine Sterbeszene mit Rückblenden. Der Revolutionär A (er hieß in einer frühen Fassung Mauser) hat sich vor dem als Chor auftretenden Tribunal der Partei zu rechtfertigen. Er hatte im frühen Sowjetrussland in der Stadt Witebsk, den roten Terror ausübend, neben zahllosen Konterrevolutionären auch seinen eigenen Vorgänger B erschossen, weil dieser Mitleid mit bäuerlichen Klassenbrüdern bekam, anstatt die emotionsfreie, notwendige Arbeit des Tötens an ihnen zu vollziehen. Diese "Arbeit" wurde A selbst unerträglich, er hat sich in einen bewußtlos-orgiastischen, schließlich körperlich lustvoll tötenden Henker verwandelt: "In seinem Nacken die Toten beschwerten ihn nicht mehr." Dieses politische Versagen verlangt, wie der Chor es fordert, als politische Antwort sein Einverständnis mit der eigenen Auslöschung. Er scheint es mit den letzten, auch vom Chor gesprochenen Worten TOD DEN FEINDEN DER REVOLUTION zu geben, doch bleibt es nach Lehmann/Winacker offen, "ob er sich selbst einbezieht, oder sich in einem nur maschinellen Einstimmen in den Chor der Selbstverneinung entzieht." [1]

Interpretation als Lehrstück

Veröffentlichung und Aufführung

Mauser wurde 1970 geschrieben. Erst 1976 wurde es in den Vereinigten Staaten in der germanistischen Fachzeitschrift New German Critique zweisprachig veröffentlicht. Die Uraufführung fand 1975 in Austin (Texas) (in englischer Sprache) durch die Austin Theatre Group, eine studentischen Laiengruppe, statt. Die Erstaufführung in der Bundesrepublik war erst 1980 am Schauspielhaus Köln. In der DDR wurde Mauser nie aufgeführt, die Publikation und Verbreitung war bis 1988 verboten. Die geplante und bereits angekündigte Uraufführung im Jahre 1972 in Magdeburg wurde vom Ministerium für Kultur abgesagt. Das Stück wurde als konterrevolutionär verboten.


Stil und Aufbau des Stücks

Das Stück hat keinen klassischen Aufbau mit Szenen und Akten und es hat auch keine Regieanweisungen, außer der Rollenverteilung und einer nachgestellten Anmerkung. Es beginnt damit, dass A vor dem Erschießungskommando steht und der Chor sein Einverständnis zu seiner Erschießung fordert. Daraufhin beginnt A seine Geschichte zu erzählen und im Dialog mit dem Chor bzw. B erfährt man die Geschehnisse. Am Ende wird A erschossen. Allgemein kommen im Text einige prägnante Verse vor, die sowohl von A als auch dem Chor wiederholt werden, dadurch hat der Text etwas liturgisches.

Bezüge

Mauser bezieht sich auf Brechts Lehrstücke, insbesondere auf Die Maßnahme, und kritisiert diese. Mauser variiert ein Thema aus Scholochows Der stille Don.

Literatur

  • Werke 4. Die Stücke 2, Frankfurt a. M. 2001, ISBN 3-51840-896-8
  • New German Critique 8, Frühling 1976, Milwaukee/Wisconsin, S. 122-149

Einzelnachweise

  1. Hans-Thies Lehmann/Patrick Primavesi: Heiner Müller Handbuch, Stuttgart/Weimar 2003, ISBN 3-476-01807-5, S.253