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Fränkisches Reich

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Das Fränkische Reich war ein Königreich in West- und Mitteleuropa zwischen dem 5. und 9. Jahrhundert, das sich auf dem westeuropäischen Gebiet des Römischen Reichs bildete.

Das Fränkische Reich geht auf mehrere germanische Völker der Völkerwanderungszeit zurück.

Durch Geschick und Glück wurde das Reich der Franken innerhalb von drei Jahrhunderten zum wichtigsten Land Mitteleuropas. Das Fränkische Reich entwickelte sich nach dem Zerfall des antiken Römischen Reichs zum Machtzentrum und später zur Großmacht in Mitteleuropa. Es wurde durch die Dynastien der Merowinger und Karolinger regiert. Den Höhepunkt seiner Macht und Ausdehnung erreichte es unter Karl dem Großen.

Karte: Das Frankenreich beim Tode Pippins 768 und die Eroberungen Karls des Großen

Geschichte

Das merowingische Frankenreich

Schon zu Beginn des 4. Jahrhunderts siedelten auf dem Gebiet des Römischen Reiches germanische Stämme als Föderaten. Diesen wurde aufgrund der militärischen Probleme Roms das Siedlungsrecht gegeben, in der Erwartung, dass sie dann die Reichsgrenzen verteidigen würden. Am nordöstlichen Ende Galliens siedelten die germanischen Franken, welche den Zusammenbruch des Weströmischen Reiches (um 476, wobei Gallien bereits nach dem Tod des Heermeisters Aëtius der römischen Kontrolle mehr und mehr entglitten war) nutzten, um ihr Gebiet zu vergrößern, ähnlich wie die Westgoten im Süden. Im Norden Galliens hatte sich ein römisches Restreich unter dem römische Statthalter Syagrius, dem Sohn des Heermeisters Aegidius, im Gebiet um Soissons halten können, welches vom Rest des Imperiums abgeschnitten war (seit 464). Im Jahre 486 besiegten ihn die Franken unter Chlodwig I. und eroberten dessen Herrschaftsgebiet. Dadurch verschob sich die Grenze des Frankenreiches bis an die Loire. Chlodwig, der vorher nur einer von mehreren fränkischen Kleinkönigen war, übernahm den funktionsfähigen spätantiken römischen Verwaltungsapparat (deren Kern vor allem im Süden die civitates waren) und nutzte so die Chance, die Teilkönigreiche zu beseitigen und einen germanisch-romanischen Staat zu gründen. Chlodwig führte 506 einen Alamannenkrieg und schlug 507 die Westgoten bei Vouillé, wobei er letztere damit fast ganz aus Gallien verdrängte.

Der Besitz der Grundherren, die während der fränkischen Eroberungskriege getötet oder vertrieben wurden, gelangte in den Besitz der Krone (Königsgut). Dadurch finanzierte Chlodwig seine weiteren Feldzüge und stärkte seine Königsmacht. Der König wurde nach und nach größter Grundbesitzer. Durch Landschenkungen brachte er andere Fürsten in direkte Abhängigkeit. Hieraus entwickelt sich das Lehnswesen. Der König verlieh das Land auf Zeit, denn das größer werdende königliche Eigentum, das Ergebnis der ständigen Kriege war, musste auch verwaltet werden. Andererseits gab es so gut wie keine Geldwirtschaft im fränkischen Reich. So bildet sich aus diesen Voraussetzungen die fränkische, frühfeudale Gesellschaft heraus.

Neben dem Lehnswesen sollte die katholische Kirche eine weitere Machtstütze des Königs werden. Durch den Einfluss der Burgunderin Chlothilde trat Chlodwig I. zum katholischen Christentum über. Mit seiner Taufe (vielleicht 498; das genaue Datum ist umstritten) sicherte er sich die Unterstützung durch die katholische Kirche und ermöglichte so ein Miteinander von Franken und gallo-römischer Bevölkerung. Damit ging auch die spätantike Übergangszeit in Gallien vorüber, das Frühmittelalter nahm langsam Gestalt an. Die königlichen Boten (Grafen und Bischöfe) waren bestimmt, Chlodwigs königliche Anordnungen durchzusetzen. Daneben setzte Chlodwig 511 auf der ersten Reichsynode einen maßgeblichen Einfluss fränkischer Könige auf die Bischofsinvestitur durch und versuchte, eine einheitliche kirchliche Gesetzgebung für das Frankenreich zu schaffen. Im frühen 6. Jahrhundert (nach 507) entstand die lateinische Sammlung des Volksrechts der Franken (Lex Salica).

Der Aufstieg der Pippiniden

Nach dem Tode Chlodwigs (511) wurde das Reich unter seinen vier Söhnen aufgeteilt. Zwar konnte die Reichseinheit durch Chlodwigs Nachfolger immer wieder hergestellt werden (wobei vor allem Theudebert I. von Bedeutung ist, der eine expansive Politik in Italien betrieb), doch brachte es die germanische Tradition mit sich, dass es immer wieder zu Reichsteilungen unter den Söhnen beim Tode des Vaters kam. 639 starb Dagobert I. und hinterließ seinem Sohn das nochmals geeinigte Reich. Die wahre Macht lag aber beim Hausmeier Aega und der Witwe Dagoberts.

Die Hausmeier strebten nun auch nach der gesamten Macht im Reich. Ein Intermezzo brachten die Jahre 657 - 662, in denen der Sohn des Hausmeiers Grimoald, der unter dem Namen Childebertus adoptivus in die Geschichte einging, von dem Merowinger Sigibert III. adoptiert wurde und in diesen Jahren auf dem Thron saß. In der Schlacht bei Tertry (687) schließlich besiegte der austrasische Hausmeier Pippin II. den rechtmäßigen Herrscher des fränkischen Gesamtreiches und schaffte so die Voraussetzung für den weiteren Aufstieg der Pippiniden und später den der Karolinger. Pippin wagt es aber nach dem im Endeffekt missglückten "Staatsstreich" Grimoalds noch nicht, sich selbst zum König zu erheben, weil er nicht über das ererbte Königsheil verfügt.

714, nach dem Tode Pippins, entbrannten Machtkämpfe, in denen sich 719 sein unehelicher Sohn Karl Martell durchsetzte. Der für seine Härte und sein Durchsetzungsvermögen bekannte Karl stand vor schwierigen innen- und außenpolitischen Problemen. Immer wieder versuchen einige Stämme im Frankenreich, sich gegen seine Herrschaft aufzulehnen. Einen Wendepunkt stellte das Jahr 732 dar. In der Schlacht bei Tours und Poitiers besiegte Karl, gemeinsam mit seinem ehemaligen Feind Eudo von Aquitanien und unterstützt von den Langobarden, die Araber. Hierfür wurde er als Retter des Abendlandes gefeiert. Auch die Kämpfe gegen Friesen, Sachsen, Bajuwaren und Alamannen festigten seine Herrschaft. Daneben unterstützte er die Missionsarbeit des Bischofs Bonifatius in diesen Gebieten. Ab 737 herrscht er nach dem Tode des merowingischen Königs Theuderich IV. allein über das Frankenreich, wie schon sein Vater ohne Königstitel. Nach germanischer Tradition teilte Karl Martell das Reich kurz vor seinem Tode unter seinen Söhnen Karlmann und Pippin III. auf.

Das Frankenreich unter den Karolingern

Pippin III. wurde Alleinherrscher, nachdem sein Bruder ins Kloster gegangen war und er ebenfalls den letzten merowingischen König, Childerich III., dorthin geschickt hatte. 751 ließ er sich dann nach alttestamentlichem Vorbild zum König salben. Drei Jahre später salbte ihn Papst Stephan III. ein zweites Mal. Im Vertrag von Quierzy (754) versprach Pippin, das ehemalige Exarchat von Ravenna dem Papst zurückzugeben (Pippinische Schenkung); im Gegenzug legitimierte der Papst die Karolinger als Könige des Frankenreichs. Schon 755 ereilte den fränkischen König die Bitte, dem Vertrag nachzukommen. Bis zu seinem Tode führt Pippin zwei erfolgreiche Feldzüge gegen die Langobarden und schenkte dem Papst die eroberten Gebiete. Pippin III. gilt so als Begründer des Kirchenstaates. Bei seinem Tode 768 hinterließ er seinen Söhnen ein Reich, das politisch wie wirtschaftlich im Aufbau begriffen war.

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Die Krönung Karls des Großen in Rom, Historiengemälde von Alfred Rethel (Krönungssaal des Aachener Rathauses, 1944 zerstört)

Kurze Zeit später (771) starb der jüngere Bruder von Karl dem Großen. Dieser wurde dadurch Alleinherrscher. Durch den von seinem Vater geschlossenen Vertrag mit dem Papst war Karl diesem verpflichtet. Da die Langobarden die Schenkungen Pippins nicht anerkannten, führte Karl weiter gegen sie Krieg und eroberte deren Reich im Jahre 774. Neben den Langobardenfeldzügen schritt die Missionierung im Osten voran. Besonders die Kriege gegen die Sachsen bestimmten die Politik Karls bis 785, jenem Jahr, in dem sich Widukind dem fränkischen König unterwarf. Die Sachsenkriege dauerten noch bis 804 fort (letzter Feldzug der Franken nach Nordelbien).

Die zahlreichen Kriege bewirkten eine fortschreitende Feudalisierung, eine Stärkung der Reichen und einen Anstieg der feudalabhängigen Bauern. Im Ergebnis dieser Entwicklung wuchsen Besitz und Macht der Feudalherren, insbesondere des Königs (und späteren Kaisers) und der Herzöge. Auch die Kirche konnte ihre Macht festigen. Karl konsolidierte die Staatsmacht nach außen durch die Errichtung von Grenzmarken. Diese waren Bollwerke für die Reichsverteidigung und Aufmarschgebiete für Angriffskriege. Zur Verwaltung setzte er Markgrafen ein, die mit besonderen Rechten ausgestattet waren, da die Marken nicht direkt Teil des Reich waren und somit auch außerhalb der Reichsverfassung standen. In den Marken wurde eine wehrhafte Bauernbevölkerung angesiedelt sowie Burgen gebaut. Besonders wichtig waren die Marken in Kärnten (Karantanien) und die Marcha Orientalis (Awarenmark), aus denen später Österreich hervorging (siehe auch Ostarrîchi).

Zur weiteren Konsolidierung seiner Herrschaft nach Innen zentralisierte Karl die Königsherrschaft durch eine Verwaltungsreform (um 793). Die Königsherrschaft gründete sich auf den königlichen Hof, das Pfalzgericht und die Kanzlei. Im Reich verwalteten Grafen die Königsgüter (Pfalzen). Sowohl die Grafen als auch die Markgrafen wurden durch Königsboten (missi dominici) kontrolliert und sprachen königliches Recht. Aachen wurde zur Kaiserpfalz und zum Zentrum des Frankenreichs unter Karl.

Den Höhepunkt seiner Macht erreichte Karl mit der Kaiserkrönung in Rom am 25. Dezember 800. Das Frankenreich war nun endgültig neben Byzantinischen Kaiserreich und dem Kalifat der Abbasiden eine anerkannte Großmacht.

Der Niedergang des Frankenreichs

Nach 46-jähriger Herrschaft starb Karl 814 in Aachen. Sein Sohn Ludwig der Fromme wurde Kaiser. Dieser versuchte, entgegen der germanischen Tradition, die die Aufteilung des Erbes vorsah und wie es auch Karl der Große in der Divisio Regnorum von 806 bestimmt hatte, die Reichseinheit zu wahren und erließ 817 ein Reichsteilungs- oder besser: Reichseinheitsgesetz (Ordinatio imperii). Schließlich galt auch die Kaiserwürde als unteilbar. Deswegen bestimmte Ludwig seinen Sohn Lothar zum Mitkaiser. Das Gesetz sah vor, dass immer der älteste Sohn des Kaisers den Titel des römischen Kaisers erbte. Ludwig entschied sich für den Reichseinheitsgedanken, wenn auch unter kirchlichem Einfluss, der die Einheit des Reiches als Pendant zur Einheit der Kirche sah. Dadurch spielten die Bischöfe auch eine besondere politische Rolle: Sie stellten sich gegen die Söhne des Kaisers, die für die Aufteilung des Reiches waren. Seit 829 führten diese Spannungen zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen dem Kaiser und seinen Söhnen.

Als Ludwig 840 starb, wurde Lothar I. zwar alleiniger Herrscher, doch einigten sich die Söhne 843 im Vertrag von Verdun, das Frankenreich aufzuteilen. Später wurde das Reich durch die Prümer Teilung (855) und die Verträge von Mersen (870) und Ribemont (880) weiter aufgeteilt. Die Reichseinheit wurde nie wieder hergestellt. Die einzelnen Reichsteile entwickelten unterschiedliche Sitten, Bräuche, Sprachen und wurden so zu eigenständigen Staaten. Einige Zeit darauf sprach man von einem West- und Ostfränkischen Reich, bis dieser Hinweis auf die gemeinsame Herkunft ein Jahrhundert später verschwand. Vom alten Frankenreich sollte nur der westliche Teil den Namen "Frankreich" und den Zentralstaat übernehmen. Das aus dem Ostfrankenreich entstehende Deutschland - oder: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation - führte die Tradition des römischen Kaisertums fort.

Aufteilung des Fränkischen Reiches

Divisio Regnorum (806)

Das Testament Karls des Großen sah die Aufteilung unter seinen Söhnen Pippin, Ludwig dem Frommen und Karl dem Jüngeren vor (siehe Divisio Regnorum). Da jedoch Pippin und Karl der Jüngere bereits 810 bzw. 811 verstarben, wurde dieser Plan aufgegeben und Ludwig wurde stattdessen 813 zum Mitkaiser erhoben, der so nun nach dem Tod seines Vaters 814 im Besitz aller kaiserlichen Rechte seine Nachfolge antreten konnte.

Vertrag von Verdun (843)

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Die Gebietsaufteilung im Vertrag von Verdun 843

Die Aufteilung des Fränkischen Kaiserreichs ging auf den teils kriegerischen Erbfolgestreit zurück, den Kaiser Ludwig I., der Fromme, mit seinen Söhnen führte. Nach einer Palastrevolution und Gefangennahme wurde Kaiser Ludwig I. Anfang der 30er Jahre von seinen Söhnen entmachtet. Ab 831/832 verselbstständigten die Söhne zunehmend ihre Herrschaftsbereiche im Reichsverband und beließen ihren Vater in der Funktion eines Titularkaisers. Drei Jahre nach dem Tod ihres Vaters leiteten Kaiser Lothar I., König Karl der Kahle, und König Ludwig der Deutsche 843 im Vertrag von Verdun die Teilung und das Ende des Fränkischen Kaiserreichs ein; die Reichseinheit war nicht mehr zu gewährleisten und endete faktisch mit dem Vertrag von Verdun.

Prümer Teilung (855)

855 veranlasste Lothar I. in der Prümer Teilung die Aufteilung des Mittelreiches unter seinen Söhnen.

Vertrag von Mersen (870)

Nach dem Tod der Söhne Lothars I. wird das einstige Mittelreich aufgeteilt unter Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen. - Vertrag von Mersen

Vertrag von Ribemont (880)

Nach vergeblichen Versuchen Karls des Kahlen, das ganze Mittelreich zu erobern (Schlacht bei Andernach 876), erhielt Ludwig III. die Westhälfte Lotharingiens. Damit war die Aufteilung des Frankenreiches vorläufig abgeschlossen, die Grenze zwischen dem West- und Ostteil blieb das ganze Mittelalter über nahezu unverändert.

Nach dem Tode der westfränkischen Könige Ludwig III. (882) und Karlmann (884), wurde der ostfränkische König Karl III. (der Dicke) bis 888 noch letzter Kaiser des Gesamtreiches (außer Niederburgund). Der Streit zwischen den (späteren) Nachfolgestaaten (Deutschland, Frankreich) um Teile des Mittelreichs reichte als sogenannte "Erbfeindschaft" bis ins 20. Jahrhundert hinein.

Literatur

zu den Merowingern

  • Eugen Ewig: Die Merowinger und das Frankenreich, 4. ergänzte Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 2001.
  • Eugen Ewig: Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften, 2 Bde., München, Zürich 1976-79.
  • Michael Borgolte: Die Grafen Alemanniens in merowingischer und karolingischer Zeit, Eine Prosopographie, Sigmaringen 1986.
  • Franz Irsigler: Untersuchungen zur Geschichte des frühfränkischen Adels, Bonn 1969.
  • Patrick J. Geary: Die Merowinger. Europa vor Karl dem Großen, München 2003

zu den Karolingern

  • Rudolf Schieffer: Die Karolinger, 3. überarbeitete Auflage, Stuttgart, Berlin, Köln 2000.
  • Gunter G. Wolf (Hg.): Zum Kaisertum Karls d. Gr., Beiträge und Aufsätze, Darmstadt 1972.
  • Pierre Riché: Die Welt der Karolinger, übersetzt u. hg. von Cornelia und Ulf Dirlmeier, Stuttgart 1981.
  • Peter Classen: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz, Düsseldorf 1968.
  • Dieter Hägermann: Karl der Große, Herrscher des Abendlandes, München 2003.

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