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Elektrochemische Spannungsreihe

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Die Elektrochemische Spannungsreihe ist eine Auflistung von Redox-Paaren nach ihrem Standardelektrodenpotenzial (Redoxpotenzial unter Standardbedingungen).

Interpretation und Bedeutung

Metalle

Bei Metallen bilden das Metall selbst und sein zugehöriges Ion ein Redoxpaar. Im Beispiel

Cu2+ + 2e- <--> Cu

sind Cu die reduzierte Form ("Red") und Cu2+ die oxidierte Form ("ox"). Das Redoxpotenzial ist ein Maß für die Bereitschaft der Ionen, die Elektronen aufzunehmen. Die Ionen der Edelmetalle nehmen bereitwilliger Elektronen auf als die Ionen unedler Metalle, weshalb unter Standardbedingungen das Redoxpotenzial des Cu/Cu2+-Paares mit +0,34 V deutlich positiver ist als das des Zn/Zn2+-Paares mit -0.76 V. Und das heißt wiederum, dass Zn zu den unedleren Metallen gehört und ein stärkeres Reduktionsmittel ist, also seinen Reaktionsteilnehmer reduziert und selbst oxidiert wird und Elektronen abgibt.

("Unter Standardbedingungen" bedeutet, dass die Konzentration - genauer: Aktivität - der Ionen 1 mol/l betragen muss, damit das Redoxpotenzial die tabellierten Werte annimmt. Diese Einschränkung ist notwendig, weil es sich um Gleichgewichtsreaktionen handelt. Nach dem LeChatelierschen Prinzip hat eine größere Menge Metallionen auch eine größere Bereitschaft, zum Metall reduziert zu werden und daher ein höheres Redoxpotenzial. Die Nernst-Gleichung beschreibt diesen Zusammenhang mathematisch.)

Galvanische Zelle (hier: Daniell-Element)

Redoxpotenziale selbst sind nicht messbar. Messbar ist dagegen die Differenz von zwei Elektrodenpotenzialen. Eine Elektrode unter Standardbedingungen wird einfach realisiert durch das Eintauchen eines Metalls in eine Lösung, die seine Ionen in einer Konzentration von 1 mol/l enthält. Werden zwei solcher Elektroden elektrisch leitend verbunden (Ionenbrücke), entsteht eine galvanische Zelle und man kann zwischen den Metallen eine Spannung messen. Diese Spannung ist gleich der Differenz der Standardelektrodenpotenziale, die zu den Redoxpaaren in den Elektrodenräumen gehören und in der elektrochemischen Spannungsreihe tabelliert sind. Für das Beispiel der Kombination der Redox-Paare Cu/Cu2+ und Zn/Zn2+ entsteht ein Daniell-Element mit der Spannung 1.10 V.

Allgemeines

Redox-Paare und Ion-/Ion-Elektroden

Ein Redox-Paar wird allgemein durch zwei verschiedene Oxidationsstufen eines Elements in chemischen Verbindungen gebildet. So sind auch Sulfat-/Thiosulfat-Ionen ein Redoxpaar, mit Schwefel in den Oxidationsstufen +VI und +VII:

S2O82- + 2 e- ↔ 2 SO42-

Elektroden werden für solche Redox-Paare realisiert, indem ein inertes Metall (meist Platin) in eine Lösung eintaucht, die 1 mol/l S2O82- (z. B. aus Na2S2O8) und 1 mol/l SO42- (z. B. aus Na2SO4) enthält.

Ion-/Gas-Elektroden (Normal-Wasserstoffelektrode)

Gasförmiger Wasserstoff und Proton sind ebenfalls ein Redoxpaar:

2H+ + 2e- <--> H2

Elektroden für Redox-Paare mit gasförmigen Stoffen werden realisiert, indem ein inertes Metall (Pt) in eine 1 mol/l Lösung der Ionen (H+) getaucht und vom zugehörigen Gas (H2) bei einem Druck von 1 bar umspült wird. Im speziellen Fall entsteht eine Normal-Wasserstoffelektrode. Diese Elektrode ist leicht aufzubauen und liefert ein konstantes, reproduzierbares Potenzial. Da das Redox-Paar H2/H+ außerdem die Wirkung von Säuren beschreibt (es taucht immer bei der Auflösung von Metallen in Säuren auf: z. B. Mg + 2H+ --> Mg2+ + H2), wurde das Standardpotenzial der Normal-Wasserstoffelektrode aus praktischen Gründen als null definiert.

Alle anderen Standardpotenziale sind daher die Spannungen, die man in einer galvanischen Zelle misst, wenn links die Normal-Wasserstoffelektrode und rechts die Elektrode des Redox-Paares zusammengeschlossen sind. (Jeweils unter Standardbedingungen!)


Anwendungen

Die elektrochemische Spannungsreihe erlaubt die Berechnung der Spannungen, die Batterien und Akkumulatoren maximal liefern können. Im Umkehrschluß sind das die Spannungen, die mindestens für das Antreiben von Elektrolysen bzw. Laden der Akkumulatoren angelegt werden müssen.

Weiterhin sind die Berechnung von Reaktionsrichtung und -stärke möglich. Mischt man zwei Redox-Paare in einer Reaktionslösung, so wird für das Paar mit dem höheren Redoxpotenzial die Reduktion ablaufen, für das Paar mit dem niedrigeren Redoxpotenzial die Oxidation. Taucht man z. B. ein Zink-Blech in eine CuSO4-Lösung, so wird Zink aufgrund seines niedrigeren Redoxpotenzials (-0.76 V) oxidiert und geht als Zink-Ionen in Lösung, wohingegen gleichzeitig Kupfer-Ionen (+0.52 V) reduziert werden und sich als Kupfer-Überzug auf dem Zink-Blech abscheiden. (Dieses gern zitierte Beispiel mißachtet die Forderung nach Standardbedingungen. So wird sich auch ein Kupfer-Blech, das in eine ZnSO4-Lösung eintaucht, ein wenig mit Zink überziehen, weil zunächst kein Zink vorhanden und die Cu2+-Konzentration null sind. Der Effekt kann mit der Nernst-Gleichung berechnet werden, ist aber unmessbar klein, sodass das Beispiel eine gewisse Berechtigung hat.) Ein Maß für die Stärke der Reaktion ist die Gibbs-Energie (freie Enthalpie) der zugehörigen Reaktion, die nach

berechnet werden kann. Darin sind die Zahl der ausgetauschten Elektronen, = 96485 C mol-1 die Faraday-Konstante und ΔE ° die Differenz der Standardpotenziale.

Die reduzierte Form eines Redox-Paares mit sehr negativem Standardpotenzial stellt ein sehr starkes Reduktionsmittel dar, weil es zur Elektronenabgabe bestrebt ist (z. B. Natrium). Dagegen ist die oxidierte Form eines Redox-Paares mit sehr positivem Standardpotenzial ein starkes Oxidationsmittel (z. B. Fluor als stärkstes bekanntes Oxidationsmittel, d. h. mit höchstem Standardpotenzial), weil es nach Elektronenaufnahme strebt. Die elektrochemische Spannungsreihe ist damit eine Auflistung von Oxidationsmitteln nach Oxidationsstärke bzw. gleichzeitig eine umgekehrte Auflistung von Reduktionsmitteln nach Reduktionsstärke.

Außerdem enthält die elektrochemische Spannungsreihe eine Abstufung der Metalle ("sehr edles Metall", "edles Metall", "weniger edles Metall", "unedles Metall", "sehr unedles Metall") nach ihrem Bestreben, sich in Säuren oxidieren zu lassen. Die Standardpotenziale der edlen Metalle haben ein positives Vorzeichen, die der unedlen dagegen ein negatives. Die unedlen Metalle lösen sich daher in Säuren auf, weil Säuren H+ enthalten. (Die Argumente zum Beispiel Zn/Cu gelten analog.)

Tabelle

Element im Redox-Paar
dessen Oxidationsstufe
sich ändert Ox + z e- ↔ Red Standardpotenzial E °
---------------------------- -------------------- ----------- ---------------------------- --------------------------------
Fluor (F) F2 + 2e- ↔ 2 F- +2,87 V
Schwefel S2O82- + 2e- ↔ 2 SO42- +2,00 V
Sauerstoff H2O2 + 2 H3O+ + 2e- ↔ 4 H2O +1,78 V
Gold (Au) Au+ + e- ↔ Au +1,69 V
Gold (Au) Au3+ + 3e- ↔ Au +1,50 V
Gold (Au) Au3+ + 2e- ↔ Au+ +1,40 V
Chlor (Cl) Cl2 + 2e- ↔ 2Cl- +1,36 V
Brom (Br) Br2 + 2e- ↔ 2Br- +1,07 V
Platin (Pt) Pt2+ + 2e- ↔ Pt +1,12 V
Silber (Ag) Ag+ + e- ↔ Ag +0,80 V
Eisen (Fe) Fe3+ + e- ↔ Fe2+ +0,77 V
Kohlenstoff (Fe) C+ + e- ↔ C+ +0,75 V
Iod (I) I2 + 2e- ↔ 2I- +0,53 V
Kupfer (Cu) Cu+ + e- ↔ Cu +0,52 V
Schwefel (S) S + 2e- ↔ S2- +0,51 V
Hexacyanoferrat [Fe(CN)6]3- + e- ↔ [Fe(CN)6]4- +0.46 V
Kupfer (Cu) Cu2+ + 2e- ↔ Cu +0,34 V
Kupfer (Cu) Cu2+ + e- ↔ Cu+ +0,16 V
Wasserstoff (H2) 2H+ + 2e- H2 0 V
Blei (Pb) Pb2+ + 2e- ↔ Pb -0,13 V
Zinn (Sn) Sn4+ + 2e- ↔ Sn2+ -0,15 V
Nickel (Ni) Ni2+ + 2e- ↔ Ni -0,23 V
Cadmium (Cd) Cd2+ + 2e- ↔ Cd -0,40 V
Eisen (Fe) Fe2+ + 2e- ↔ Fe -0,45 V
Nickel (Ni) NiO2 + 2 H2O + 2e- ↔ Ni(OH)2 + 2 OH- -0,49 V
Zink (Zn) Zn2+ + 2e- ↔ Zn -0,76 V
Wasserstoff 2 H2O + 2e- ↔ H2 + 2 OH- -0,83 V
Chrom (Cr) Cr2+ + 2e- ↔ Cr -0,91 V
Niob (Nb) Nb3+ + 3e- ↔ Nb -1,099 V
Vanadium (V) V2+ + 2e- ↔ V -1,175 V
Mangan (Mn) Mn2+ + 2e- ↔ Mn -1,19 V
Zinn (Sn) Sn2+ + 2e- ↔ Sn -1,38 V
Aluminium (Al) Al3+ + 3e- ↔ Al -1,66 V
Titan (Ti) Ti2+ + 2e- ↔ Ti -1,77 V
Magnesium (Mg) Mg2+ + 2e- ↔ Mg -2,37 V
Natrium (Na) Na+ + e- ↔ Na -2,71 V
Calcium (Ca) Ca2+ + 2e- ↔ Ca -2,82 V
Kalium (K) K+ + e- ↔ K -2,92 V
Lithium (Li) Li+ + e- ↔ Li -3,04 V

Literatur

  • Handbook of Chemistry and Physics, CRC press, 1995 Electrochemical Series
  • Anorganische Chemie, Buchners Verlag, 1972