Staatskrise in Ägypten 2013/2014 (Kabinett Mahlab)

Die Proteste in Ägypten 2013 sind anhaltende Demonstrationen und Aktionen von Bürgern in Ägypten gegen den Staatspräsidenten Mohammed Mursi und seine Regierung.
Hintergrund

Die Protestbewegung begann im Januar 2013, nachdem unter anderem die liberale und linke Opposition zu Demonstranten gegen die Regierung und neue Verfassung aufrief. Weiterhin angetrieben wurden die Proteste durch die schlechte wirtschaftliche Lage Ägypten und der damit verbundenen hohen Arbeitslosigkeitsquote. Weitere Hintergründe der Unruhen sind neben der seit der Revolution in Ägypten 2011/2012 nicht reformierten Sicherheitskräfte die Verurteilung zum Tode von 21 Fußballanhängern nach der tödlichen Stadion-Katastrophe von Port Said im Februar 2012,[1][2] bei der 74 Menschen getötet und mehr als 1000 verletzt wurden.[3] Nachdem daraufhin zahlreiche Menschen protestierten und versuchten, das Gefängnis zu stürmen, in dem die Verurteilten eingesperrt waren, was dazu geführt hat, dass über 30 Menschen starben, rief Staatspräsident Mursi in Port Said, Sues und Ismailia den Notstand aus.[4] Das Oberhaus stimmte daraufhin einem Gesetzesentwurf zu, der Mursi dazu ermächtigte, die Armee zusammen mit der Polizei zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit einsetzen zu dürfen.[5] Die Polizei ging in den darauffolgenden Tagen mit harten Maßnahmen gegen die Härte der Demonstranten vor. Amnesty International kritisierte die „exzessive und unverhältnismäßige Polizeigewalt in Ägypten“.[6] In der Zeit vom 25.–27. Januar 2013 sind nach Angaben von Amnesty International mindestens 45 Menschen gestorben und mehr als 1000 wurden verletzt.[7] Am 1. Februar 2013 wurde ein Video veröffentlicht, in dem zu sehen ist, wie „Polizisten einen Mann mit Knüppeln verprügeln und ihm die Kleider vom Leib reißen“. Der Mann wird daraufhin „nackt zu einem Transporter geschleift“. Infolgedessen forderten die Demonstranten und die wichtigsten Oppositionsgruppen den Rücktritt des Staatspräsidenten. Mursi teilte mit, er sei „schmerzerfüllt angesichts dieser schockierenden Bilder“, lehne einen Rücktritt jedoch entschlossen ab.[8]
Verlauf der Ereignisse
Im Juni 2013 ernannte Mohammed Mursi 17 neue Gouverneure, von denen etwa die Hälfte Islamisten sind; darunter Adel al-Chajat, ein Mitglied der ehemaligen terroristischen Vereinigung Gamaa Islamija. Kritiker fürchteten im Hinblick auf dieses Vorgehen eine „vollständige Machtübernahme der Muslimbrüder“.[9] Die im Laufe der Proteste entstandene Bewegung Tamarud bzw. Tamarod (arabisch für Rebellion), die nach eigenen Angaben im Rahmen einer Petition über 22 Millionen Unterschriften für den Rücktritt von Mursi und eine vorgezogene Präsidentschaftswahl sammelte, rief zu Massenprotesten am 30. Juni 2013 auf. Anlass war der erste Jahrestag von Mursis Amtsübernahme.[10] Um seine politischen Gegner und unzufriedene Bürger zu besänftigen, forderte er seine Minister und Gouverneure in einer „Ansprache an das Volk“ am 26. Juni 2013 dazu auf, „alle Beamten [zu] entlassen, die für die Krisen verantwortlich sind, unter denen die Bürger leiden müssen“.[11] Um die Opposition zu unterstützen, traten am 29. Juni 2013 mehrere Parlamentarier und mindestens acht Abgeordnete des Oberhauses von ihren Posten zurück.[12]
Am 1. Juli 2013 stürmten einige Regierungsgegner die Zentrale der Muslimbruderschaft in Kairo und setzten diese in Brand. Tamarod teilte mit, Mursi habe bis 17 Uhr des 2. Juli 2013 „Zeit, die Macht abzugeben und es den Behörden zu ermöglichen, eine vorgezogene Präsidentschaftswahl zu organisieren“.[13][14] Bei den Demonstrationen starben mindestens 16 Menschen und es gab über 780 Verletzte. Das ägyptische Militär stellte daraufhin ein Ultimatum und forderte die politische Führung des Landes dazu auf, „den Konflikt binnen 48 Stunden lösen und die Forderungen des Volkes [zu] erfüllen“.[15] Dies wurde von Medien so interpretiert, dass das Militär ankündigte, gegebenenfalls einen eigenen Fahrplan für die Zukunft Ägyptens vorzulegen und Mursi faktisch des Amtes zu entheben.[16] Das Militär erklärte, an den Protesten könnten bis zu 14 Millionen Menschen teilgenommen haben; auf dem Tahrir-Platz versammelten sich mindestens 500.000 Menschen.[17]
US-Präsident Barack Obama forderte Mursi in einem Telefonat dazu auf, auf die Demonstranten zuzugehen. Er betonte, dass die „USA […] keine Partei oder politische Richtung in Ägypten [unterstützen], sondern die Demokratie“.[18][19] Er betonte seine „tiefe Sorge über Gewalt bei den Demonstrationen“, insbesondere sexuelle Übergriffe auf Frauen und mahnte, „Demokratie erschöpfe sich nicht in Wahlen“.[20]
In der Nacht vom 1. auf den 2. Juli reichte Außenminister Mohamed Kamel Amr laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Mena seinen Rücktritt ein. Mursi erklärte, er werde nicht auf die Forderung des Militärs eingehen, „binnen 48 Stunden eine Lösung des Konflikts zwischen regierenden Islamisten und der Opposition zu finden“.[21] [22]
Am 2. Juli setzte der ägyptische Berufungsgerichtshof Generalstaatsanwalt Abdel Meguid Mahmud wieder ein. Mursi hatte im November 2012 seine Entlassung bewirkt und an seiner Stelle einen seiner Gefolgsleute, Talaat Abdullah, eingesetzt. [23]
Das 48-Stunden-Ultimatum läuft am Mittwoch um 17:00 ab.[24]
Reaktionen
Nachdem bei den Protesten ein US-amerikanischer Reporter erstochen wurde, zogen die Vereinigten Staaten am 29. Juni 2013 Mitarbeiter aus ihrer Botschaft in Kairo ab.[25] Auf einer Presseerklärung in Tansanien am 1. Juli 2013 erklärte Barack Obama, die Sicherheit der amerikanischen Botschaften und Konsulate in Ägypten habe für ihn höchste Priorität. Er bestehe zudem darauf, dass sowohl Mursi und seine Anhänger als auch oppositionelle Gruppen friedlich miteinander umgingen.[26]
Das Auswärtige Amt verkündete am 1. Juli 2013 Sicherheitshinweise in Bezug auf Ägypten. Reisende werden darum gebeten, ihre Reisen „auf den Großraum Kairo, die Urlaubsgebiete am Roten Meer, die Touristenzentren in Oberägypten […] und auf geführte Touren in der Weißen und Schwarzen Wüste“ in Bahariyya zu beschränken. Menschenansammlungen und Demonstrationen sollten weiträumig gemieden und die Berichterstattung der Medien aufmerksam und regelmäßig verfolgt werden. Dringend abgeraten wird von Reisen nach Nordsinai und das ägyptisch-israelische Grenzgebiet.[27]
Weblinks
- Tagesschau: Massenproteste in Ägypten: Militär stellt Mursi Ultimatum (1. Juli 2013)
Einzelnachweise
- ↑ Hass auf Polizei: Ägypten kollabiert. Die Zeit, 27. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Über 20 Tote bei Ausschreitungen wegen Urteil zu Fußball-Massaker. Der Tagesspiegel, 26. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Schwere Fußball-Randale in Ägypten: 74 Tote bei Krawallen im Stadion. Tagesschau, 2. Februar 2012, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ Mursi verhängt Ausnahmezustand über drei Städte. Die Zeit, 28. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Ägyptens Militär warnt Opposition. Focus Online, 29. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Aktion mit Nofretete-Figuren gegen Polizeigewalt. Amnesty International, 28. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Tod und Zerstörung bei Protesten. Amnesty International, 28. Januar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Polizeigewalt in Kairo: Wichtigste Oppositionsgruppe in Ägypten fordert Mursis Rücktritt. Die Zeit, 3. Februar 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Mursi ernennt Islamisten als Gouverneure. Spiegel Online, 17. Juni 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Demonstrationen in Ägypten: Mursis Prediger hetzen gegen Liberale. Spiegel Online, 28. Juni 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Proteste in Ägypten: Präsident Mursi räumt Fehler ein. Spiegel Online, 27. Juni 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Landesweit kommt es in Ägypten zu Unruhen. Süddeutsche Zeitung, 29. Juni 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Mursi-Gegner stürmen Zentrale der Muslimbrüder. Spiegel Online, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Egypt protesters storm Muslim Brotherhood headquarters. BBC News, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Armee fordert politische Lösung innerhalb 48 Stunden. Süddeutsche Zeitung, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Machtkampf in Ägypten: Militärputsch mit Ankündigung. Spiegel Online, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Ausschreitungen in Ägypten – Mehrere Minister treten zurück. Süddeutsche Zeitung, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Obama ermahnt Mursi. Die Zeit, 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ Obama – Mursi muss auf Demonstranten eingehen. Reuters, 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ Obama fordert Mursi zu Kompromissbereitschaft auf. Süddeutsche Zeitung, 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ Präsident Mursi weist Ultimatum zurück. Süddeutsche Zeitung, 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ www.washingtonpost.com 1. Juli: Here’s the Egyptian military’s full statement warning it may act in 48 hours (Übersetzung der Ankündigung des Militärs - Volltext)
- ↑ Machtkampf in Ägypten: Gericht setzt Mursis Generalstaatsanwalt ab. Spiegel Online, 2. Juli 2013, abgerufen am 2. Juli 2013.
- ↑ spiegel.de: Muslimbrüder gegen Militärs: Warum Ägypten wieder am Abgrund steht
- ↑ USA ziehen Mitarbeiter aus Botschaft in Kairo ab. Die Welt, 29. Juni 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.
- ↑ Remarks by President Obama and President Kikwete of Tanzania at Joint Press Conference. The White House, 1. Juli 2013, 2. Juli 2013.
- ↑ Ägypten: Reise- und Sicherheitshinweise. Auswärtiges Amt, 1. Juli 2013, abgerufen am 1. Juli 2013.