Nebelkondensation
Nebelkondensation ist eine besondere Art der Wassergewinnung, an Orten, wo nur ein geringer oder kein Niederschlag stattfindet, dagegen aber Nebelwolken mit hohem Wassergehalt über das Land ziehen.
Nutzung in der Natur


Die auf den Kanarischen Inseln Gran Canaria, Teneriffa, La Palma, El Hierro und La Gomera beheimate Kanarische Kiefer (Pinus canariensis) ist eine endemische Pflanze und kommt überwiegend in Höhenlagen von 700 Metern bis 2.000 Metern vor. Auf den Nordhängen der Inseln sind sie dem ständigen wolkenreichen Passatwind ausgesetzt und kämmen mit ihren bis zu 30 cm langen, feinen Nadeln das Nass aus den Passatwolken aus. Das an den Nadeln auskondensierte Wasser tropft als Niederschlag ab und wird als „horizontaler Regen“ (la lluvia horizontal) im Unterschied zum „vertikalen Regen“ (la lluvia vertical) bezeichnet. Er verdoppelt bis verdreifacht die lokale Niederschlagsmenge und hat für die Grundwassergewinnung große Bedeutung. Die Kiefern benötigen davon ca. nur ein Drittel der Menge.[1][2]
Die Wirkung des „horizontalen Regens“ lässt sich einfach beobachten. Unter der vom Nebel eingehüllten Kiefer fallen ständig Wassertropfen zu Boden und durchfeuchten diesen. Nur wenige Meter entfernt, wo kein Baum den Boden abdeckt, ist der Boden dagegen trocken und staubig.
Die tägliche Wassermenge, die eine 30 Meter hohe kanarischen Kiefern aus dem Nebel auskämmen kann, wurde aufgrund experimenteller und empirischer Untersuchungen mit 50 l/m² ermittelt.[3]
Die jährlichen Niederschlagsmengen in den verschiedenen Regionen auf den Inseln machen die großen Unterschiede der Wassergewinnung deutlich. Auf La Palma, der waldreichsten Insel der Kanaren mit 40 % der Waldfläche[4], trägt der Kiefernbestand erheblich zum Gesamtwasserhaushalt der Insel bei. Im passat-zugewandten waldreichen Norden fallen 1.000 l/m² und 1.500 l/m² im Jahr an, wohingegen im Passat-abgewandten Süden nur 250 Liter pro Jahr gesammelt werden.
Auf Teneriffa sind die Gegensätze entsprechend groß. Während im Süden der Insel kaum mehr als 195 Liter pro Jahr anfallen, sind es im Norden (El Sauzal) 870 Liter pro Jahr.
Die Höhenlagen der Kanarischen Inseln und der die Inseln anströmende Passat mit seinen wasserreichen Wolken sind die Bedingungen für die evolutionäre Ausprägung der Kanarischen Kiefer mit ihren langen Nadeln, mit welchen der Baum durch Nebelkondensation seine eigene Wasserversorgung sichert.
Nutzung in der Tierwelt

Auch in der Tierwelt, wie der Dunkelkäfer, Gecko und die Sandviper, wird die Nebelkondensation zum Überleben genutzt. In der wasserarmen Namibia-Wüste, die sich über 2000 km Länge hinzieht, gewinnen die Tiere durch Befeuchtung aus dem täglich aufsteigenden Nebel ihren Wasserhaushalt.[5]
Der Dunkelkäfer (Nebeltrinker-Käfer) stellt sich mit gesenktem Kopf gegen die Nebelschwaden und nimmt auf dem schräg gestelltem Körper die kondensierenden Wassertropfen auf, die an den Rinnen ihres Rückens zu den Mundwerkzeugen des Käfers laufen können.[6]
Anwendung durch den Menschen
Chilenische Forschungsinstitutionen haben in der Zeit von 1967 bis 1988 in verschiedenen Küstenregionen in Chile und Peru, in Höhenlagen von 400 bis 1000 Metern Nebelfänger zu Forschungszwecken installiert.[7] Zum Einsatz kamen Nebelfänger aus Nylon- oder Polypropylen-Netzen mit 0,1 mm feinen Fäden und 1 mm Maschenweiten, die durchschnittliche Nebelausbeuten in den untersuchten Regionen von 3.0 bis 9.0 l/ m²d erbrachten. Die ergiebigste Nebelausbeute findet im Frühjahr und Sommer statt. Die jährliche Nebelsaison variierte zwischen 365 und 210 Tagen.
Die Technologie zeichnet sich durch eine einfache Ausführung, Benutzung und Wartung aus, wodurch die Kosten der Installation und Wartung begrenzt sind. Das Rohrleitungsverteilungssystem macht dabei den höchsten Betrag aus.
In den küstennahen Bergregionen von Chile und Peru ist die Technologie akzeptiert und findet entsprechende Anwendung.
In der Atacama-Wüste in Chile decken die Bewohner eines Dorfes seit 1986 fast ihren gesamten Wasserbedarf nach dem Prinzip des Nebelfängers. Forscher haben dort 75 Netze aus Polypropylen aufgespannt, mit denen sie am Tag etwa 11 m³ Wasser auffangen konnten.[8][9]
Die Anwendung der Nebel-Kollektortechnologie für die Landbevölkerung findet in verschiedenen Ländern, wie Nepal, Guatemala, Äthiopien, Eritrea, Marokko, Jemen, Namibia und Chile statt. Die Maximalausbeute liegt zwischen 3 l/(m²·d) und 55 l/(m²·d).[10]
In Namibia hat man die Erfahrungen aus Chile aufgegriffen und mit 1 m² großen Netzen experimentiert. Bei aufsteigendem Nebel lieferte ein Netz 14 Liter Wasser am Tag, wobei die Wassertropfen Größen zwischen 1 µm und 40 µm erreichen.[8]
Die Erforschung und Nutzung der Nebelkondensation zählt heute zur Wissenschaftsdisziplin Bionik, die sich mit der technischen Umsetzung und Anwendung von Konstruktionen, Verfahren und Entwicklungsprinzipien biologischer Systeme befasst.
Einzelnachweise
- ↑ La Palma – Guía del turismo tranquilo – Führer für den ruhigen Tourismus. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche)
- ↑ J. C. S. Cerezal, J. N. Borges: INGENIERÍA FORESTAL Y AMBIENTAL EN MEDIOS INSULARES. Técnicas y Experiencias en las Islas Canarias. Tenerife, 2013, ISBN 978-84-616-3859-8 (PDF).
- ↑ J. J. B. Ruiz: Aproximación al cálculo de la lluvia horizontal y a su incidencia en la recarga del sistema acuífero de Tenerife. In: Tema B: Hidrología y Gestión del Agua. (PDF).
- ↑ R. Goetz: La Palma, Aktivurlaub auf der grünsten der Kanarischen Inseln (= Peter Meyer Reiseführer). 5. Auflage, Frankfurt a. M. 2000.
- ↑ W. Nachtigall: Bionik: Grundlagen und Beispiele für Ingenieure und Naturwissenschaftler, Technology & Engineering. Wassergewinnung durch Nebelkondensation, 2002, S. 337 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ W. Nachtigall, A. Wisser: Bionik in Beispielen. 2013, S. 63 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ [1], „Source Book of Alternative Technologies for Freshwater Augmentation in Latin America and the Caribbean”, UNEP - International Environmental Technology Centre United Nations Environment Programme, Washington, D.C., 1997.
- ↑ a b T. Rossmann: Bionik: Aktuelle Forschungsergebnisse in Natur-, Ingenieur und Geisteswisssenschaft, Wassergewinnung durch Nebelkondensation.Springer, Berlin/Heidelberg 2002, ISBN 354043660X, S. 337 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- ↑ Nebel melken: Die neue Art, Trinkwasser zu gewinnen. Tagesanzeiger, 23.07.2010.
- ↑ M. M. Bollmann, F. Herwig: Alternativen zur herkömmlichen Trinkwassergewinnung. (PowerPoint-Präsentation).