Kastell Arrabona
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vermutlich an einer ungeeigneten Stelle eingebundenKastell Györ | |
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Alternativname | Arrabona/Arrabo/Arrabonae/Anon |
Limes | Oberpannonien |
Abschnitt | Strecke 2 |
Datierung (Belegung) | 1. Jahrhundert bis 4. Jahrhundert n. Chr |
Typ | Reiterkastell |
Einheit | a) ala I Augusta Ituraeorum b) ala I contarorium milliaria c) cuneus equitum Stablesianorum d) equites promoti |
Bauweise | Holz-Erde-Kastell Steinkastell |
Erhaltungszustand | Quadratische Anlage mit abgerundeten Ecken |
Ort | Györ |
Geographische Lage | 47° 41′ 0″ N, 17° 38′ 0″ O |
Vorhergehend | Kastell Quadrata (nordwestlich) |
Anschließend | Kastell Ad Mures (südöstlich) |



Arrabona ist ein ehemaliges römisches Kastell und eine daran angeschlossene Zivilsiedlung (Vicus) auf dem Gebiet der heutigen Stadt Györ, Komitat Győr-Moson-Sopron in Ungarn.
Das Kastell überwachte einen wichtigen Straßenknoten, war Stützpunkt der Hilfstruppenkavallerie (Auxilia) und eine der frühesten römischen Befestigungen am oberpannonischen Limes (Limes Pannonicus). Das Fundmaterial aus dem Kastell zeugt von einer nachmilitärischen Nutzung durch die Zivilbevölkerung im 5. Jahrhundert. Die Funde der Gräberfelder vermittelten weiters einen guten Eindruck vom Niedergang der römischen Kultur und dem zunehmenden Aufkommen barbarischer Elemente in einem Limeskastell zur Zeit der Völkerwanderung. Das Lager war vermutlich vom 1. bis in das 4. Jahrhundert n. Chr. mit römischen Truppen belegt, die für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben an der Donaugrenze (ripa) zuständig waren.
Lage
Das Kastell liegt im westlichen Pannonien, der Kleinen Ungarischen Tiefebene. Hier mündet die Raab in die Mosoni Duna (Moson-Donau oder Kleine Donau), einen rechtsseitigen Seitenarm des Hauptstromes. Arrabona lag an einem wichtigen Flußübergang, direkt an der Limesstraße zum Legionslager Brigetio und am Endpunkt einer wichtigen Diagonalstraße, die die Donau mit den Städten Savaria (Szombathely), Mursella, Sopianae (Pécs) und Tricciana im Landesinneren verband. Das Lager befand sich auf einer Erhebung an der Mündung der Raab in die Mosoner Donau, heute als Kaptalan-Hügel bekannt, an der selben Stelle, wo im Mittelalter die Stadtburg errichtet wurde. Der Ort zählte verwaltungstechnisch zunächst zur Provinz Pannonia Superior und ab der Spätantike zur neu begründeten Pannonia Prima.[1]
Name
Arrabona stammt wohl aus dem keltischen Sprachkreis. Er wurde acht Jahrhunderte hindurch als Ortsnamen verwendet und existiert bis heute - in verschliffener Form - im deutschen Raab weiter. In antiken Quellen wird Arrabona im Itinerarium Antonini, in der Tabula Peutingeriana (Arrabo flumen), in der Notitia Dignitatum (Arrabonae) und beim Geographen von Ravenna (Anon) erwähnt.
Forschungsgeschichte
Der Standort des römischen Lager auf dem Kaptalan-Hügel ist seit dem frühen 20. Jahrhundert bekannt. Das römerzeitliche Areal konnte wegen der dichten Überbauung aber nur sehr oberflächlich untersucht werden. Erkenntnisse über das Kastell wurden durch Grabungen im Jahre 1956 (Klärung der Stratigraphie), in den 1970er Jahren am Szechenyi-Platz und einige kleinere Sondierungen danach gewonnen. Die frühesten römischen Siedlungsspuren konnten in ca. 7 m Tiefe nachgewiesen werden. Vermutlich war der Kaptalan-Hügel schon vor Ankunft der Römer besiedelt worden.[2]
Entwicklung
Das Gebiet um Györ und entlang der mittleren Donau wurde seit der Antike von den unterschiedlichsten Kulturen besiedelt. Die erste größere Siedlung entstand im 5. Jahrhundert v. Chr. und wurde von Kelten gegründet. Römische Kaufleute tauchten in Arrabona erstmals im 1. Jahrhundert v. Chr. auf. Um 10 v.Chr. besetzten die Römer auch den nördlichen Teil des heutigen West-Ungarn und gliederten die Region in ihren Machtbereich ein. Nach Niederschlagung des pannonisch-dalmatischen Aufstandes im Jahre 9 n. Chr., wurde Illyricum geteilt und sein nördlicher Teil ging in der Provinz Pannonien auf.
Nach Keramikfunden zu urteilen, errichteten die Römer ab dem ersten Viertel des 1. Jahrhundert entlang des gesamten südlichen Donauufers erste Armeestützpunkte in unterschiedlicher Größe. Das Holz-Erde-Kastell von Arrabona zählt zu diesen militärischen Anlagen und entstand wohl um die Mitte des 1. Jahrhunderts n.Chr., als Teil eines Gesamtkonzeptes zur flächendeckenden Überwachung der neuen Reichsgrenze. Ab der Mitte des 1. Jahrhunderts löste Kaiser Vespasian die letzten Militärlager im Inneren Pannoniens auf und verlegte deren Besatzungen in die neuen Kastelle an der Donau. Damit waren gleichzeitig auch die Voraussetzungen für die Entstehung des oberpannonischen Limes geschaffen worden. Zu dieser Zeit war das Kastell auch - lt. einer Inschrift - Dienstsitz eines praefectus ripae Danuuii et civitatum duarum Boiorum et Azaliorum. [3]Im frühen 2. Jahrhundert wurde das Kastell von der ala I contarorium milliaria in Steinbauweise neu errichtet. Es war das einzige Lager in der Pannoina superior, das eine Truppe von über 1000 Mann beherbergte. Gegen Ende des 20. Jahrhunderts fanden in den Lagerdörfern von Arrabona, Albertfalva, Matrica und Intercisa umfangreiche Grabungen statt, die zeigten, dass die dortigen Vici eine Ausdehnung von 20 bis 30 ha erreichten. Ihr Siedlungsgefüge orientierte sich an der Limesstraße bzw. an den anderen zu den Lagern führenden Straßen, entlang dieser Zufahrtsstraßen entwickelte sich in mehreren Phasen die Gebäudebebauung.[4]
Zur Regierungszeit von Konstantin I. wurde das Kastell verkleinert und stärker befestigt. Die Römer hielten sich in diesem Gebiet bis in das späte 4. Jahrhundert. Das römische Militär gab Arrabona vermutlich um 380 auf und das Kastell wandelte sich in ein ziviles Oppidum, in der nun hauptsächlich die Bewohner des Kastellvicus vor den Auswirkungen der Völkerwanderung Zuflucht fanden. Die letzten römischen Münzfunde im Kastell stammen aus der Zeit des Valentinian I. und Valens. Mit der Übergabe Pannoniens an die Hunnen, 433 n. Chr., löste sich die römische Armeeorganisation endgültig auf. Trotz ständiger Bedrohung durch neu einwandernde Stämme aus dem Osten, blieb das Kastell durchgehend bewohnt.
Um 500 wandernden Slawen und Langobarden in die Region ein. Ab 547 bzw. 568 beherrschten die Awaren - bis ca. 800 - Arrabona. Dann geriet die Stadt unter fränkischen und slawischen Einfluss. Zwischen 880 und 894 war der Ort ein Teil des Großmährischen Reiches und geriet dann wieder für kurze Zeit unter ostfränkische Dominanz. Um 900 besetzten die Magyaren die Stadt und zogen die Mauer des konstantinischen Kastells in die Stadtbestigung ein. Stephan I., der erste König von Ungarn, erklärte die Stadt schließlich zum Bischofssitz. Die Stadt ist seither unter ihrem ungarischen Namen Győr bekannt.
Kastell
Die Ausdehnung des Kastells ist nicht bekannt. Überreste aus tiberischer Zeit konnten bislang nicht entdeckt werden. Aus der claudischen Holz-Erde-Periode des Lagers sind ansonsten Spuren von offensichtlich mehrmals umgebauten Mannschaftskasernen an der linken Seite der retentura (rückwärtiger Lagerteil) des Kastells bekannt. Ihre Ausmaße betrugen 3 m x 3,5 m. Südlich der porta decumana (Südtor) stieß man auf Überreste von Speicherbauten (horreum).
Im frühen 2. Jahrhundert wurde das alte Holz-Erde-Lager beseitigt und durch einen Neubau aus Stein ersetzt. Gleichzeitig dehnte man offensichtlich die Lagerfläche noch etwas weiter nach Süden aus. Hinter der Mauer war ein Erdwall aufgeschüttet, der als Wehrgang diente. Auch die o.e. Mannschaftsbaracken wurden in Steinbauweise neu errichtet. Zwischen den Gebäuden war u.a. auch eine gepflasterte Straße angelegt worden. Da Trennwände und Fußböden mehrmals erneuert wurden, nimmt man an, dass diese Kasernen über einen langen Zeitraum hindurch in Verwendung standen. Eine dieser Wände wies noch Spuren von Freskenbemalung auf, vielleicht diente das dazugehörige Gebäude einst als Unterkunft des Lagerkommandanten (praetorium). Überreste von Wehranlagen der Steinperiode I konnten hingegen keine freigelegt werden. Südwestlich des Kastells stieß man auf die Ruine des Lagerbades, das vermutlich von Angehörigen der ala I contarorium milliaria errichtet worden war. Das Frischwasser für den Betrieb des Bades wurde aus der Raab entnommen.
Im 4. Jahrhundert wurde das Kastell wieder verkleinert und die Befestigungen den Erfordernissen der spätrömischen Festungsbaukunst angepasst (Steinperiode II). Die Umfassungsmauer war bis zu 3 m dick und bestand im Kern aus Gußmauerwerk aus Bruchsteinen. Die äußere Verschalung bestand aus behauenen Quadersteinen. An der Südmauer stieß man auf die Reste eines hufeisenförmigen Turmes. Von der spätrömischen Innenbebauung konnten nur kleine Mauerpassagen freigelegt werden.
Ende 4. oder Anfang des 5. Jahrhunderts verlor das Kastell seine militärische Bedeutung und wurde zu einer befestigten Zivilsiedlung. Auch der innere Erdwall wurde nun bebaut. Einige der Gebäude dieser Zeitperiode wiesen Steinfundamente aus Trockenmauerwerk auf, die Trennwände waren in Blockbauweise oder Fachwerk errichtet worden. Ihre Böden wurden mehrmals aufgeschüttet. Weitere Bauten wurden nur mehr in Holzbauweise mit Wänden aus lehmbeworfenen Rutengeflecht errichtet, darunter ein Lagerhaus für Getreide das später durch ein Feuer zerstört wurde. Gegen Ende des 5. Jahrhunderts glich das Kastell wohl eher einem Dorf der Völkerwanderungszeit als einer spätrömischen Festung.[5]
Garnison
Grabsteine von Kavalleristen einer ala Pannoniorum belegen, dass hier schon in der Regierungszeit des Tiberius eine römische Reitereinheit gelegen hat.
Die Besatzung des claudischen Holz-Erde-Kastells dürfte die ala I Augusta Ituraeorum gestellt haben. Diese wurde zu Beginn des 2. Jahrhunderts von der ca. 1000 Mann starken ala I contarorium milliaria (vermutlich Lanzenreiter, contus = Lanze) abgelöst. Ihre Soldaten waren bis ins 3. Jahrhundert hier stationiert.
In der Spätantike stellte laut der Notitia Dignitatum hier eine gemischte Reitereinheit, bestehend aus einem cuneus equitum Stablesianorum (Gardekavallerie) sowie von equites promoti (ausgewählte Reiter), unter dem Befehl eines Dux Pannoniae Primae et Norici Ripensis, die Kastellbesatzung.[6]
Vicus
Das Lager war an seiner Ost- und Südseite von einem Vicus umgeben. Am Szechenyi-Platz stieß man auf seine frühesten Bauten aus dem 1. Jahrhundert. Noch in einer Entfernung von 300 bis 400 m vom o.g. Platz waren die Reste des Vicus zu beobachten. Es handelte sich um Pfostenständerbauten auf Schwellbalken. Im 2. Jahrhundert wurden diese durch Lehmhäuser auf Steinfundamenten ersetzt, diese etwas später wiederum durch Gebäude, die zur Zeit des Hadrian vollkommen in Steinbauweise errichtet worden waren. Einige Viertel der Siedlung wiesen sogar eine annähernd stadtähnliche Verbauung auf. Die Gebäude am Szechenyi-Platz reihten sich entlang der Nordseite einer gepflasterten, von Ost nach West verlaufenden Straße auf und dürften als Wohnhäuser mit kleinen Werkstätten und Läden im Untergeschoss gedient haben. Die bisher untersuchten Gebäude dieser Bauphase waren handwerklich sehr sorgfältig ausgeführt worden. Funde von Keramik und Fragmente von Dingen des täglichen Bedarfes zeugen von einem gewissen Wohlstand der Bewohner. Zur Zeit der Markomannenkriege wurde der Vicus größtenteils zerstört, aber unter den Severern wieder aufgebaut. Die Siedlungstätigkeit ebbte in der Mitte des 4. Jahrhundert aber deutlich ab. Er wurde schließlich aufgegeben und seine Bevölkerung zog sich - wie auch häufig auch an anderen Orten des pannonischen Limes festgestellt werden konnte - hinter die Mauern des Kastells zurück. Das Areal wurde in der Spätantike zum Teil noch als Friedhof genutzt.[7]
Gräberfelder
Die Verstorbenen aus dem Kastell und der Zivilsiedlung wurden auf Gräberfeldern und einer Nekropole entlang der beiden großen Römerstraßen bestattet die sich bei Arrabona kreutzten. Östlich der Zivilsiedlung stieß man an der Straße in der Richtung zum Legionslager Brigetio um die Mitte des 19. Jahrhunderts auf die ersten antiken Bestattungen. Es ist das älteste Gräberfeld von Arrabona. Bei Notgrabungen zwischen 2005 und 2006 wurden weitere 60 Gräber (Brand- und Skelettbestattungen) untersucht. Sie stammten in der Mehrzahl aus dem 1. und 2. Jahrhundert. An der Straße nach Savaria (sog. Kalvarienberg-Gräberfeld) reichten sie bis unmittelbar an das Kastell heran. Einige der Verstorbenen wurden in Sarkophagen bestattet. Diese Gräber wurden an der Wende vom 3. auf das 4. Jahrhundert angelegt. Im 3. Jahrhundert wurde das Gräberfeld aber nur noch gelegentlich benutzt und im 4. Jahrhundert schließlich gänzlich aufgegeben. Im zerstörten Vicus wurde im 2. Drittel des 5. Jahrhunderts von den Hunnen ein weiteres Gräberfeld angelegt, in dem Anfang der 1950er Jahre u.a. einige künstlich deformierte Schädel ans Tageslicht kam (Grab 9).
Denkmalschutz
Die Denkmäler Ungarns sind nach dem Gesetz Nr. LXIV aus dem Jahr 2001 durch den Eintrag in das Denkmalregister unter Schutz gestellt. Das Kastell sowie alle anderen Limesanlagen gehören als archäologische Fundstätten nach § 3.1 zum national wertvollen Kulturgut. Alle Funde sind nach § 2.1 Staatseigentum, egal an welcher Stelle der Fundort liegt. Verstöße gegen die Ausfuhrregelungen gelten als Straftat bzw. Verbrechen und werden mit Freiheitsentzug von bis zu drei Jahren bestraft.
Siehe auch
Literatur
- Kurt Genser: Die Entwicklung des oberpannonischen Limes bis Kaiser Hadrian in: Franz Humer (Hrsg.): Legionsadler und Druidenstab. Vom Legionslager zur Donaumetropole; Sonderausstellung aus Anlass des Jubiläums "2000 Jahre Carnuntum", Archäologisches Museum Carnuntinum Bad Deutsch-Altenburg, Wien 2007, ISBN 3-85460-229-4, S. 73–79.
- Eszter Szönyi: Arrabona/Györ in: Franz Humer (Hrsg.): Legionsadler und Druidenstab. Vom Legionslager zur Donaumetropole; Sonderausstellung aus Anlass des Jubiläums "2000 Jahre Carnuntum", Archäologisches Museum Carnuntinum Bad Deutsch-Altenburg, Wien 2007, ISBN 3-85460-229-4, S. 160-161.
- Herwig Friesinger, Alois Stuppner (Hrsg.): Zentrum und Peripherie - Gesellschaftliche Phänomene in der Frühgeschichte Materialien des 13. Internationalen Symposiums "Grundprobleme der frühgeschichtlichen Entwicklung im mittleren Donauraum", Zwettl, 4. - 8. Dezember 2000, Verlag der Österr. Akademie der Wiss., Wien 2004. Darin: Peter Tomka: Kulturwechsel der spätantiken Bevölkerung eines Auxiliarkastells: Fallbeispiel Arrabona, S.389-409.
- Jenö Fitz (Hrsgb.) Der Römische Limes in Ungarn. Taschenbuch für die Teilnehmer des XI. Internationalen Limeskongresses in Székesfehérvár, Ungarn, Fejér Megyei Múzeumok Igazgatósága 1976, ISBN 963-01-0523-1, S. 23-25.