Deutsche Kolonien
Während andere europäische Mächte ab dem 15. Jahrhundert begannen, Kolonien in Übersee zu gewinnen, trat Deutschland erst im 19. Jahrhundert als Kolonialmacht in Erscheinung. Als einziger deutscher Teilstaat bemühte sich Brandenburg Ende des 18. Jahrhunderts um einen kleinen Kolonialbesitz. Außerdem wanderten viele Deutsche nach Übersee aus und gründeten Siedlungen, die bisweilen auch als deutsche Kolonien bezeichnet werden.
Frühe Kolonien deutscher Staaten
Die Welser-Kolonie
Die Welser-Kolonie (auch Klein-Venedig ) war ein Handelsstützpunkt in Venezuela, welches Karl V. (HRR) den Augsburger Patriziergeschlechts der Welser von 1528 bis 1556 verpfändet hatte. Hierbei handelte es sich allerdings nicht um eine Kolonie im staatsrechtlichen Sinne.
Brandenburgisch-Preußische Kolonien
Im Jahr 1682 sandte Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg eine Expedition aus, um die erste brandenburgische Kolonie in Afrika zugründen. Ein Jahr später wurde am Kap der drei Spitzen der brandenburgische rote Adler im heutigen Ghana gehisst und erste “Schutzverträge” mit Häuptlingen abgeschlossen. Außerdem wurde der Grundstein für die Festung Groß Friedrichsburg gelegt.
Gehandelt wurde in den brandenburgischen Kolonien vor allem mit Sklaven, Gummi, Elfenbein, Gold und Salz. Für den Sklavenhandel pachtete der Kurfürst den karibischen Stützpunkt St. Thomas von Dänemark.
Der Sohn Friedrich Wilhelms König Friedrich Wilhelm I. von Preußen kümmerte sich nicht mehr um seine Kolonien und verkaufte sie oder ließ sie von anderen Kolonialmächten erobern.
Die brandenburgischen Kolonien waren:
- Groß Friedrichsburg (heute Ghana), Kolonie 1683-1718
- Arguin (heute Mauretanien), Kolonie 1685-1721
- St. Thomas (Karibik, heute USA, zu Amerikanischen Jungferninseln), brandenburgisches Pachtgebiet in Dänisch-Westindien 1685-1720
- Krabbeninsel (Karibik, heute USA), brandenburgische Annexion in Dänisch-Westindien 1689-1693
- Tertholen, im Karibischen Meer 1696
Die Kolonien des Deutschen Reichs
Nach der deutschen Reichsgründung von 1870/71 spielte die Kolonialpolitik in Deutschland zunächst nur eine untergeordnete Rolle. Insbesondere Reichskanzler Otto von Bismarck lehnte territoriale Erwerbungen in Übersee ab, da er im Zusammenhang mit Kolonialerwerb nur geringe wirtschaftliche Vorteile, jedoch erhebliche politische Störungen erwartete.
Im Laufe der 1870er Jahre gewann die Kolonialpropaganda in Deutschland allerdings zunehmend an Öffentlichkeitswirksamkeit. 1873 wurde die "Afrikanische Gesellschaft in Deutschland" gegründet, die ihre Hauptaufgabe in der geographischen Erkundung Afrikas sah. 1882 kam es zur Gründung des "Deutschen Kolonialvereins", der sich als Interessenverein für die Kolonialpropaganda sah. 1884 entstand die konkurrierende "Gesellschaft für Deutsche Kolonisation", die sich die praktische Kolonisation zum Ziel setzte. Beide Vereine fusionierten 1887 zur "Deutschen Kolonialgesellschaft".
Das Jahr 1884 markiert den eigentlichen Beginn der deutschen Kolonialpolitik. Otto von Bismarck stellte nach englischem Vorbild mehrere Besitzungen deutscher Kaufleute unter den Schutz des Deutschen Reichs. Damit nutzte er eine Phase außenpolitischer Entspannung zum Beginn des "kolonialen Experiments", dem er selbst allerdings weiterhin skeptisch gegenüberstand. Als wesentliches Motiv für Bismarcks Kehrtwende lässt sich vor allem das "Kolonialfieber" in der deutschen Bevölkerung anführen: Bismarck hoffte, sowohl seine eigene Position zu stärken als auch die kolonialfreundliche Nationalliberale Partei vor der Reichstagswahl 1884 zu unterstützen. Wirtschaftliche, soziale und nationale Motive dürften eher nachrangig gewesen sein.

Zunächst wurden die vom Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz erworbenen Besitzungen an der Bucht von Angara Pequena im April 1884 als Deutsch-Südwestafrika unter den Schutz des Deutschen Reichs gestellt. Im Juli folgten Togoland und die Besitzungen von Adolph Woermann in Kamerun, im Februar 1885 das von Carl Peters und dessen "Gesellschaft für deutsche Kolonisation" erworbene ostafrikanische Gebiet. Mit der Übernahme von pazifischen Gebieten, Nord-Neuguinea (Kaiser-Wilhelms-Land) und der davor gelegenen Inselgruppe (Bismarck-Archipel) im Mai 1885, war die erste Phase deutscher Kolonialpolitik abgeschlossen.
Bismarcks Politik sah vor, privaten Organisationen durch die staatlichen Schutzbriefe den Handel und die Verwaltung der jeweiligen Schutzgebiete zu übertragen. Die staatliche Intervention sollte auf ein finanzielles und organisatorisches Mindestmaß reduziert werden. Diese Strategie scheiterte allerdings innerhalb weniger Jahre: Aufgrund der schlechten finanziellen Situation in fast allen Schutzgebieten sowie der teilweise prekären Sicherheitslage waren Bismarck und seine Nachfolger gezwungen, alle Kolonien direkt und formell der staatlichen Verwaltung des Deutschen Reiches zu unterstellen.
Nach 1885 wandte sich Bismarck wieder vom Kolonialgedanken ab und setzte seine politischen Prioritäten bei der Beziehungspflege mit den Großmächten England und Frankreich. Die Kolonien dienten ihm in diesem Zusammenhang auch als Verhandlungsmasse. So verzichtete das Deutsche Reich in dem 1890 abgeschlossenen und von Bismarck maßgeblich vorbereiteten Helgoland-Sansibar-Vertrag auf potentielle Gebietsgewinne, um einen Ausgleich mit England zu erreichen.
Unter Kaiser Wilhelm II. versuchte Deutschland durch Gründung weiterer Handelsvertretungen seinen Einfluss als Kolonialmacht auszubauen. Die wilhelminische Ära steht für eine schwärmerisch-expansionistische Politik und eine forcierte Aufrüstung, insbesondere der Kaiserlichen Marine, und strebte einen "Platz an der Sonne" (Reichskanzler von Bülow, 1897) für die "zu spät gekommene Nation" an, womit nicht zuletzt auch der Besitz von Kolonien gemeint war. Diese Politik des nationalen Prestiges befand sich in scharfem Kontrast zu Bismarcks eher pragmatisch begründeten Kolonialpolitik von 1884/85.
In der Zeit Wilhelm II. gelang jedoch nur noch der Erwerb weniger Gebiete. 1888 beendete das Reich auf dem mittelpazifischen Nauru den Stammeskrieg und nahm die Insel unter seinen Schutz. 1898 kam die chinesische Stadt Kiautschou/Tsingtau, 1899 die mikronesischen Inseln der Karolinen, Marianen und Palau im Mittelpazifik sowie Samoa im Südpazifik hinzu. Eine von manchen Kolonialpropagandisten angestrebte koloniale Neuordnung Afrikas fand nicht statt. Die Ausnahme stellte hier der Erwerb eines Teils des französischen Kongogebiets für Kamerun im Zuge der Zweiten Marokkokrise von 1911 dar.
Wirtschaftlich waren die deutschen Kolonien ein Verlustgeschäft, lediglich Togo erwirtschaftete einen geringen Überschuss. Auch die Hoffnung, den Strom deutscher Auswanderer in die Kolonien umleiten zu können, erfüllte sich nicht. 1914 lebten nicht mehr als 25.000 Deutsche in den Kolonien. Als die deutschen Kolonien nach dreißig Jahren Investitionen langsam wirtschaftlich rentabel wurden, begann der Erste Weltkrieg, der das Ende der deutschen Kolonialzeit mit sich brachte. Im Ersten Weltkrieg wurden mit Ausnahme von Deutsch-Ostafrika alle deutschen Kolonien von den Kriegsgegnern erobert. Nach der Niederlage 1918 verlor Deutschland durch den Vertrag von Versailles alle Kolonien.
Die deutschen Kolonien des 19./20. Jahrhunderts
- Deutsch-Neuguinea 1885-1919, erworben durch Otto Finsch
- Kaiser-Wilhelms-Land (heute nördliches Papua-Neuguinea)
- Bismarck-Archipel (Papua-Neuguinea)
- Bougainville-Insel (Papua-Neuguinea, siehe auch Salomonen)
- Nördliche Salomon-Inseln 1885-1899 (Salomonen)
- Marianen 1899-1919
- Marshallinseln 1885-1919
- Palau 1899-1919
- Karolinen (Mikronesien) 1899-1919
- Nauru 1888-1919
- Deutsch-Ostafrika (heute Tansania, Ruanda, Burundi, Mocambique-Ruvuma-Dreieck) 1885-1919, erworben durch Carl Peters
- Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) 1884-1918, erworben durch Franz Adolf Eduard Lüderitz
- Deutsch-Witu (heute südliches Kenia), 1885-1890, erworben durch die Gebrüder Denhardt aus Zeitz
- Kiautschou 1898-1919 (China, für 99 Jahre gepachtet)
- Kamerun 1884-1919, (heute Kamerun, Nigeria-Ostteil, Tschad-Südwestteil, Zentralafrikanische Republik-Westteil, Republik Kongo-Nordostteil, Gabun-Nordteil ) erworben durch Dr. Gustav Nachtigal
- Samoa 1899-1919, heute Unabhängiger Staat Samoa
- Togoland 1884-1919, (heute Togo, Ghana-Westteil) erworben durch Dr. Gustav Nachtigal
Sonstige Gebiete
- siehe auch: Deutsche Siedlungsräume
- Ernst-Thälmann-Insel ("karibische Besitzung" der DDR)
- Deutsche Spuren auf Antarktika
- Kaiser-Wilhelm-II.-Land, Expedition Erich Dagobert von Drygalski mit Schiff Gauss 1902-1904
- Filchner-Ronne-Eisschelf, Expedition Wilhelm Filchner mit Schiff Deutschland 1911-1912
- Neuschwabenland, Expedition Alfred Ritscher mit Schiff Schwabenland 1938-1939
- Die deutschen Forschungsstationen in der Antarktis und der Arktis
- Antarktis
- Neumayer-Station seit 1981
- Filchner-Station 1982-1999
- Drescher-Station seit 1986
- Dallmann-Labor seit 1994 auf den Südshetlandinseln
- Kohnen-Station seit 2001
- Arktis
- Koldewey-Station seit 1991 auf Spitzbergen
- Antarktis
Siehe auch
Kolonisation, Kolonialismus, Imperialismus, Entwicklungsland, Deutsche Sprache in Namibia, Liste von Kolonien
Literatur
- Horst Gründer: Geschichte der deutschen Kolonien, Paderborn u.a. 1985 (und Nachdrucke). ISBN 3-8252-1332-3
- Ulrich van der Heyden und Joachim Zeller (Hrsg.): „... Macht und Anteil an der Weltherrschaft.“ Berlin und der deutsche Kolonialismus. Unrast-Verlag. Münster 2005, ISBN 3-89771-024-2
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