Hochfrequenzhandel
Als Hochfrequenz-Handel (HFH; englisch high-frequency trading, abgekürzt HFT) wird ein mit Computern betriebener Handel mit Wertpapieren bezeichnet, der sich durch kurze Haltefristen und hohen Umsatz auszeichnet.
Das Kreditwesengesetz beschreibt den Hochfrequenzhandel in § 1 Abs 1a Satz 4a als eine algorithmische Handelstechnik unter Nutzung von Infrastrukturen um Latenzzeiten zu minimieren und ein „hohes untertägiges Mitteilungsaufkommen in Form von Aufträgen, Quotes oder Stornierungen“. Eine weitere Eingrenzung kann man für Deutschland der Liste der häufig gestellten Fragen bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht entnehmen.[1]
Obwohl der Begriff in Presse und Medien weitläufig benutzt wird, existiert bislang keine allgemeingültige Definition und Abgrenzung des Themas.[2] Das Phänomen HFT lässt sich bislang nur über seine Eigenschaften und Beobachtungen in der Praxis definieren. So werden üblicherweise keine Positionen über Nacht gehalten (no overnight risk). HFT kann als eine Sonderform des automatisierten oder algorithmischen Handels verstanden werden.
Das Prinzip des Hochgeschwindigkeitshandels beruht darauf, dass typische Aufträge nicht an einer Börse abgewickelt werden können, sondern die gewünschten Stückzahlen nur an mehreren Börsen zusammen ge- oder verkauft werden können.[3] Der Broker sendet seine Aufträge gleichzeitig an die verschiedenen Börsen ab, die nach seinen Marktinformationen zum gegebenen Zeitpunkt in der Lage sind, durch die einzelnen Teilaufträge zusammen den Auftrag abzuwickeln. Die Teilaufträge kommen aber je nach Latenz zu unterschiedlichen Zeiten bei den Börsen an. Ein Hochgeschwindigkeitshändler, der erstens Zugang zu Marktdaten in Echtzeit der nächstgelegenen Börse hat, kann darauf spekulieren, dass zu dem von ihm gesehenen Teilauftrag weitere Teilaufträge mit Kauf- oder Verkauforders der selben Aktie oder Anleihe gehören. Wenn er zweitens optimierte Datenleitungen zu weiter entfernt liegenden Börsen hat, kann er an diese Orders absenden, die dort den Teilorders des ersten Brokers zuvor kommen. Dadurch ändert sich der Kurs an dieser Börse, so dass die später eintreffenden, aber zuvor abgesendeten Aufträge zu einem neuen, für den ursprünglichen Kunden ungünstigeren Kurs abgewickelt werden. Der Hochfrequenzhändler kauft oder verkauft dann zu diesem anderen Kurs die soeben getätigte Transaktion und hat seine Position wieder auf Null gefahren. Durch den Unterschied zwischen den Kursen zieht er einen winzigen Gewinn pro Geschäft.
Die Erlöse durch diesen Trick sind pro Transaktion sehr gering, summieren sich jedoch zu durchaus großen Erträgen. Dieser Handel wird seit Jahren betrieben und soll nach Aussage der Marktforscher der Tabb Group 2008 einen Wert von 21 Milliarden $ erreicht haben.[4] 2010 soll der Anteil dieser Form des Handels bereits über 50 % des Umsatzvolumens des US-amerikanischen Aktiengeschäfts betragen haben.[5]
Das Interesse der Öffentlichkeit wurde 2009 durch einen Blogbeitrag geweckt. In diesem wird auf die erheblichen Gewinne von Goldman Sachs aus dieser Handelsform verwiesen.[6] Zahlreiche Presseartikel folgten. Die US-amerikanische Börsenaufsicht SEC wurde von Seiten des US-amerikanischen Senators Charles Schumer 2009 aufgefordert, diese Handelsform zu verbieten.[7] Die SEC kündigte eine verstärkte Überwachung des Hochfrequenz-Handels an,[8] nachdem die US-amerikanische Aktienhandelsgruppe Knight Capital am 1. August 2012 aufgrund eines Softwarefehlers in 45 Minuten 440 Millionen $ verloren hatte.[9] Auch in Europa wird diese Handelsform diskutiert.[10][11] Der Bundestag hat einen Gesetzesentwurf zur Regulierung des Hochfrequenzhandels verabschiedet. Damit soll der Börsenhandel beschränkt und entschleunigt werden.[12]
Der Schweizer Bestseller-Autor Martin Suter thematisiert in seinem 2011 erschienenen Kriminalroman Allmen und der rosa Diamant die Möglichkeiten und negativen Folgen des Hochfrequenz-Handels.
Strategien im Hochfrequenzhandel
- Arbitrage
- Ausnutzen von Kursdifferenzen an verschiedenen Handelsplätzen. Dies ist nur in Märkten ohne Kurstaxen möglich, da Makler oder ihre Software dies in der Regel erkennen und die Taxen auch nach Ordereingang noch entsprechend anpassen.
- Statistische Arbitrage
- Ausnutzen von Kursdifferenzen verschiedener Instrumente die sich in der Regel gleichläufig verhalten im Ausnahmefall jedoch nicht. Beispiel: In der Regel laufen Aktien aus einer Branche in Relation zueinander. Steigt BMW, steigt auch VW. Sollte das einmal nicht so sein wird der Wert der steigt geshortet und der der fällt gekauft. Die Position wird aufgelöst wenn die übliche Relation wieder hergestellt ist oder ein Stop Loss greift.
- Market Making
- Das permanente Stellen von Bid/Ask Kursen.
- Spread Trading
- Ausnutzen von Preisineffizienzen von Futureskontrakte verschiedener Laufzeiten.
- Quote Stuffing
- Der Versuch die Börsensysteme mit Orders vollzustopfen um Verzögerungen bei der Preisfindung auszunutzen. Aufgrund der Regularien der Börsenbetreiber in Deutschland nicht möglich.
Flash-Order / Blitzhandel
Eine Sonderform des automatisierten Handels ist der Hochfrequenzhandel mittels „Blitzaufträgen“. Bei diesen werden die Computer für Millisekunden vor den anderen Marktteilnehmern über einen Kauf-/Verkaufsauftrag informiert und haben so die Möglichkeit diesen anzunehmen und sofort durch minimale Preisaufschläge weiter zu verkaufen. Selbst kleinste Margen summieren sich durch große Volumina zu beträchtlichen Erträgen auf.
Erstmals wurden Flash-Orders im Jahr 2004 von der SEC genehmigt, nachdem die Boston Option Exchange die Handelszulassung dieser beantragt hatte.[13] Aus rechtlicher Sicht ist nicht ganz klar, ob der Blitzhandel in der Europäischen Union zulässig ist. Aus deutscher Perspektive hätte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht wohl die Möglichkeit, den Blitzhandel zu untersagen.[14] In den Vereinigten Staaten wird derzeit über ein Verbot nachgedacht. Problem ist die Ungleichbehandlung der Marktteilnehmer, durch die es einzelnen Marktteilnehmern (hier den Algo-Tradern) quasi möglich ist, Gewinne auf Kosten der anderen Marktteilnehmer zu realisieren. Als Reaktion auf die Kritik seitens der amerikanischen Regulierungsbehörden haben die Börsen Nasdaq OMX und Bats Global Markets bereits bekanntgegeben, dass sie ab September 2009 das Angebot der Flash-Orders einstellen.[15]
Kritikern von Flash-Orders ist insbesondere die Tatsache, dass ein ausgewählter Teilnehmerkreis Informationen und Chancen vor anderen Marktteilnehmern erhält, ein Dorn im Auge. Dementgegen verweisen Befürworter auf die ansteigende Liquidität und Verringerung der Handelsspanne (Spread). Durch letztere sei es am Ende für alle Marktteilnehmer sicherer und günstiger zu handeln, was die „kleinen“ Gewinne der Liquiditätsprovider rechtfertige. Eine den amerikanischen Flash Orders vergleichbare Technik gibt es auch im Xetra-Handel unter dem Begriff Xetra-BEST.
Investors Exchange
Ein Team aus Börsenanalysten und Technikern, die zum Teil vorher bei der Royal Bank of Canada arbeiteten und die Methoden der Hochfrequenzhändler erforscht hatten, gründete 2013 eine eigene Börse namens Investors Exchange (IEX).</ref>Michael Lewis: The Wolf Hunters of Wall Street. In: New York Times, 31. März 2014</ref> Diese stellt durch eine absichtliche Verzögerung aller Signallaufzeiten von exakt 350 Millisekunden sicher, dass kein Hochfrequenzhändler aus ihren Marktdaten einen Vorteil an anderen Börsen ziehen kann. So positioniert sich die IEX als vollkommen unabhängig von Banken und Brokerhäusern und deren direkte oder indirekte Beteiligung am Hochfrequenzhandel.
Die IEX nahm am 28. Oktober 2013 den Betrieb auf und konnte Mitte Dezember erstmals kurzzeitig das Handelsvolumen der NYSE Amex übertreffen.
Einzelnachweise
- ↑ Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht: Häufig gestellte Fragen zum HFT-Gesetz. Abgerufen am 5. August 2013.
- ↑ Christoph Lattemann, Peter Loos, Johannes Gomolka, Hans-Peter Burghof, Arne Breuer, Peter Gomber, Michael Krogmann, Joachim Nagel, Rainer Riess, Ryan Riordan, Rafael Zajonz: High Frequency Trading - Costs and Benefits in Securities Trading and its Necessity of Regulations. In: Business & Information Systems Engineering, Vol. 4, 2012, Iss. 2, 93–108, abgerufen 11. Juni 2012
- ↑ Soweit nicht anders angegeben, beruht die Darstellung des Hochfrequenzhandels auf: Michael Lewis: The Wolf Hunters of Wall Street. In: New York Times, 31. März 2014
- ↑ Charles DuHigg: Stock Traders Find Speed Pays, in Milliseconds. New York Times, 23. Juli 2009, abgerufen am 24. Oktober 2012.
- ↑ Jens Korte: [ Fehler] Fehler bei Vorlage * Parametername unbekannt (Vorlage:Webarchiv): "1; 3; 2" Fehler bei Vorlage:Webarchiv: Genau einer der Parameter 'wayback', 'webciteID', 'archive-today', 'archive-is' oder 'archiv-url' muss angegeben werden. In: Financial Times Deutschland, 14. Januar 2010
- ↑ Tyler Durden: Goldman’s $4 Billion High Frequency Trading Wildcard. In: Zero Hedge. 17. Juli 2009, abgerufen am 12. Mai 2010 (englisch).
- ↑ Alexis Johann: Milliardenschwere Software-Schlacht an der Wall Street soll gestoppt werden. Wirtschaftsblatt, 27. Juli 2009, abgerufen am 4. Januar 2013.
- ↑ Mary Schapiro: Chairman Schapiro Statement on Knight Capital Group Trading Issue. In: sec.gov. 3. August 2012, abgerufen am 6. August 2012 (englisch).
- ↑ Daniel AJ Sokolov: Aktienhandels-Software verzockt 440 Millionen Dollar in 45 Minuten. In: Heise-Online. 4. August 2012, abgerufen am 6. August 2012.
- ↑ Udo Rettberg: An der Börse geht es um Nanosekunden. In: Handelsblatt. 10. Mai 2010, abgerufen am 12. Mai 2010.
- ↑ Bryant Urstadt: Börse auf Speed. In: Technology Review. 21. Mai 2010, abgerufen am 11. Januar 2011.
- ↑ Bundestag will Hochfrequenzhandel entschleunigen Heise vom 28. Februar 2013
- ↑ Börsen beugen sich Kritik am Blitzhandel ( vom 31. Juli 2012 im Webarchiv archive.today)
- ↑ Dazu Forst, Gerrit: Ist der Hochfrequenzhandel in der Europäischen Gemeinschaft gestattet?, in Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR) 2009, S. 454 ff.
- ↑ Financial Times Deutschland, 10. August 2009 (Seite 19)