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Die Physiker

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Die Physiker ist eine groteske Komödie des Schweizer Schriftstellers Friedrich Dürrenmatt. Darin weist der Autor schon 1962 darauf hin, dass uneingeschränkte Forschung auch Gefahren birgt. Die gesamte Handlung, bestehend aus zwei Akten, spielt in einem Irrenhaus für gesellschaftlich besser gestellte Menschen. Dabei symbolisieren die verschiedenen Insassen und das Personal die damaligen Machtblöcke des Kalten Krieges.

Das Stück kann als Frage nach der Ethik in der Wissenschaft verstanden werden und greift ferner die Problematik auf, dass einmal Gedachtes oder Entdecktes nicht rückgängig gemacht werden kann.

Die Rolle der Anstaltsleiterin sollte ursprünglich eine männliche sein, Dürrenmatt schrieb sie jedoch für die von ihm verehrte Schauspielerin Therese Giehse um.

Das Theaterstück wurde am 21. Februar 1962 in Zürich mit Therese Giehse als Mathilde von Zahnd uraufgeführt.

Inhalt

In dem Theaterstück geht es um drei Patienten: Newton, Einstein und Möbius. Johann Wilhelm Möbius ist ein Physiker, der Formeln (Weltformel) entdeckt hat, die in falschen Händen die Welt vernichten könnten. Newton und Einstein sind die Decknamen von Spionen, die Möbius dazu bewegen wollen, sich der jeweiligen Macht (USA und Sowjetunion) anzuschließen. Alle drei spielen Irre: Möbius, damit seine gefährlichen Formeln als Produkt des Irrsinns abgetan werden; Newton und Einstein, um unentdeckt an Möbius heranzukommen. Jeder der drei erdrosselt eine Krankenschwester, um sein jeweiliges Geheimnis zu bewahren. Zum Schluss bekommt die Chefärztin, Frl. Mathilde von Zahnd, die Formeln von Möbius in ihre Hände und ist daher in der Lage die Weltherrschaft an sich zu reißen. das Stück könnte aber auch auf einer höheren Ebene verstanden werden: Zum einen stehen Newton und Einstein für zwei unterschiedliche Etappen der Wissenschaft, die nicht unbedingt auf die Machtblöcke projeziert werden sollten. Newton als der Vertreter der "reinen Wissenschaft" (um ihrer selbst willen) und Einstein als Vertreter der pragmatisch-angewandten Wissenschaft. Aus beiden resultiert Wissen das letztendlich tötet. Beide sind somit eigentlich gescheitert. Möbius will dem entgehen, steht dabei teilweise zwischen diesen beiden Ansätzen, teilweise hat er einen neuen, eigenen: Isolation und Zurückziehung. Dass er letztendlich genau wie seine beiden "Vorgänger" scheitert, lässt wieder auf die Schlussfolgerung kommen, die Wissenschaft führt zwangsläufig zum Negativ. Ob Frau von Zahnd nun wirklich die Leiterin war und Möbius aushorchte, oder selber Insassin der Anstalt, die mensch im Glauben ihres Amtes gelassen hat, ist, kann nicht eindeutig geklärt werden. Dies spielt aber für die Endaussage nicht die entscheidende Rolle. Auch ob Newton und Einstein nun verrückt, Geheimdienstagenten oder verrückte Agenten sind, ist egal. Wichtig ist das Verständnis: Wissenschaft gerät IMMER in die falschen Hände.

Charakterisierung der wichtigsten Personen

Johann Wilhelm Möbius
Ein Physiker, der mehrere große Entdeckungen gemacht hat (z.B. das System aller möglichen Erfindungen und die einheitliche Feldtheorie als Weltformel). Da er sich der Folgen seiner Erfindungen bewusst ist und die Verantwortung dafür übernehmen will, stellt er sich verrückt, um die Menschheit nicht zu gefährden und befindet sich daher im Irrenhaus. Er gibt beispielsweise vor, seine Erfindungen vom König Salomon offenbart zu bekommen. Allerdings wurde der ehemals weise König Salomo zum "arme[n] König der Wahrheit", der "nackt und stinkend [...] in [s]einem Zimmer [kauert]"; der Psalm, den Möbius in einem umgedrehten Tisch hockend vorträgt, zeichnet ein düsteres Bild von den möglichen Folgen wissenschaftlicher Erkenntnis. Außerdem tut Möbius bei einem Abschiedsbesuch seiner Ex-Frau (die nun mit dem Missionar Rose verheiratet ist) so, als ob er sie und seine 3 Kinder nicht erkennen würde. Wie sehr Möbius sich zur Rettung der Menschheit aufopfert, wird auch darin deutlich, dass er das Heiratsgesuch der Schwester Monika ablehnt, die sein Spiel durchschaut hat; obwohl er sie ebenfalls liebt, bringt er sie um, um nicht in die "Freiheit" zu kommen.
Allerdings wird er von verschiedenen Mächten ausspioniert. Er beginnt seine Unterlagen zu verbrennen, ohne jedoch zu wissen dass Frl. Doktor Zahnd sich heimlich Kopien angefertigt hat.
Herbert Georg Beutler, genannt Newton, eigentlich Alec Jasper Kilton
Er ist ein weiterer der drei Physiker, die noch im alten Gebäude des Sanatoriums betreut werden. Später stellt sich heraus, dass er nicht verrückt, sondern ein Agent eines nicht näher benannten westlichen Geheimdiensts ist. Um Möbius bespitzeln zu können, musste er extra Deutsch lernen und sich verrückt stellen (er gibt sich als Sir Isaac Newton aus). Er versucht Möbius zu überreden, für die Landesverteidigung seines westlichen Staates zu arbeiten. Er verspricht ihm den Nobelpreis und mahnt ihn an seine Pflicht, seine Entdeckungen der Menschheit zu übergeben. Eine Verantwortung des Wissenschaftlers für seine Entdeckungen lehnt er ab, stattdessen schiebt er die Verantwortung den Menschen zu.
Ernst Heinrich Ernesti, genannt Einstein, eigentlich Joseph Eisler
Der dritte der drei angeblich "verrückten" Physiker. Auch er ist eigentlich Agent und repräsentiert den zweiten großen Machtblock des Kalten Kriegs. Auch er bespitzelte Möbius und will mit ihm fliehen. Er fordert die Entscheidung für ein politisches System und des Dienstes für dieses System. Er gibt zu, dass der Wissenschaftler in seinem System ebenfalls nicht frei ist und keine Möglichkeit der Einflussnahme auf die politische Obrigkeit hat, er kann daher als Wissenschaftler keine Garantie für die Verwendung der wissenschaftlichen Ergebnisse geben. Letztendlich schiebt er die Verantwortung also auf die politischen Machthaber ab.
Fräulein Doktor Mathilde von Zahnd
Die 55 Jahre alte bucklige Irrenärztin - eine alte Jungfer - ist Besitzerin des Sanatoriums und das letzte Mitglied einer alten Adelsdynastie von bedeutenden Intellektuellen. Zunächst spielt sie eine großzügige, menschliche Ärztin. Am Schluss des letzten Akts fällt jedoch diese Charakterfassade als scheinbare sorgsame und mütterliche Samariterin. Sie ist eine machtbesessene, skrupellose Frau und die einzige wirklich Verrückte in dem Stück. Mithilfe ihrer Planungs- und Manipulierkunst hat sie sich der genialen und zugleich gefährlichen Manuskripte des Möbius bemächtigt. Sie stellt die unkontrollierbare und bedrohliche dritte Macht dar.
Der Kommissar, Richard Voß
Der Kommissar heißt Richard Voß. Er arbeitet bei der Polizei als Kommissar. Er ist nicht mehr ganz jung, da er schon einige Zeit in seinem Beruf arbeitet und eine Menge Erfahrung hat. Er ist ein gebildeter Mensch, ist aber manchmal sehr überarbeitet und daher müde in seinem Beruf. Er trägt einen Mantel und hat einen Hut auf dem Kopf. In dieser Textstelle ist er nicht wie sonst ein Kommissar, daran interessiert den Mörder ins Gefängnis zu sperren, sondern ist froh, dass er Möbius mit gutem Gewissen laufen lassen kann. Er sagt, die Gerechtigkeit mache Urlaub. Er ist deshalb sehr entspannt. Da er darüber erfreut ist, merkt man dass ihn sein Beruf sehr anstrengt und er nicht immer Spaß daran hat. Der Kommissar ist er ein Mensch der seinen Untergebenen ohne viele Bitte und Danke Befehle erteilt.

Detaillierter Ablauf des Stücks

Das Stück beginnt damit, dass Inspektor Voss ins Sanatorium kommt, um die Umstände des Todes einer Krankenschwester zu klären. Sie ist von Einstein, für den sie zuständig gewesen ist, erdrosselt worden. Da dieser allerdings für verrückt gehalten wird, zieht man ihn nicht zur Rechenschaft. Bereits drei Monate zuvor hat Newton seine Pflegerin auf ähnliche Weise getötet, auch er ist aufgrund seiner angenommenen Verrücktheit vom Gesetz verschont geblieben. Gemeinsam ist beiden, dass sie von ihren jeweiligen Krankenschwestern geliebt worden sind.

Nun passiert das zu Erwartende: Auch der Physiker Möbius, dessen eigentliche Frau inzwischen einen Missionar geheiratet hat und weggefahren ist, wird von seiner Krankenschwester Monika geliebt. Schließlich wird auch sie erdrosselt aufgefunden. Möbius redet sich wie üblich auf den König Salomo heraus, der ihm angeblich erscheine, ihm Anweisungen erteile und so zu seiner Genialität verhelfe. Doch diese Verrücktheit ist nur gespielt:

Später müssen die drei Physiker zumindest gegenüber ihren Mitbewohnern zugeben, dass sie nicht wirklich verrückt sind. Newton heißt eigentlich Alec Jasper Kilton und ist Agent, genauso Einstein, der in Wirklichkeit Joseph Eisler heißt. Beide sind hinter den Arbeiten von Möbius her, der sich ins Irrenhaus zurückgezogen hat, um ungestört forschen zu können - vergeblich. Jeder der beiden Agenten, sie vertreten die beiden großen Machtblöcke jener Zeit, USA und Sowjetunion, will Möbius' Forschungsergebnisse für sein Land beanspruchen. Beinahe kommt es zum tödlichen Kampf, er wird jedoch von den inzwischen eingestellten Bewachern der drei vereitelt. Zudem hat Möbius seine Aufzeichnungen bereits zuvor vernichtet, jedoch vergeblich.

Fräulein von Zahnd, die Besitzerin des Irrenhauses, hat nämlich sämtliche Aufzeichnungen bereits davor kopiert und so für sich erhalten können. So schlägt sie daraus riesige Gewinne. Sie ist die einzig tatsächlich verrückte Person im Haus und bedenkt nicht, welche großen Gefahren in den Technologien liegen, Technologien, die die ganze Menschheit vernichten könnten.

Die drei Physiker dagegen sitzen weiterhin im Sanatorium fest, der verrückten Ärztin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Sie gibt auch zu, dass sie die Krankenschwestern, die die wahre Identität der Physiker entdeckt hatten, mit Absicht auf sie gehetzt hat, so dass sie sterben mussten. Auch dadurch sind die Physiker in der Anstalt festgehalten, da sie außerhalb als "Mörder" gelten würden, als Irre sind sie dagegen nur "Täter".

Im Anhang der Komödie finden sich 21 Thesen. Die wichtigsten davon sind:

  • Die schlimmstmögliche Wendung ist nicht voraussehbar. Sie tritt durch Zufall ein.
  • Je planmäßiger die Menschen vorgehen, desto wirksamer vermag sie der Zufall treffen.
  • Ein Drama über die Physiker muss paradox sein.
  • Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen.
  • Was alle angeht, können nur alle lösen.
  • Jeder Versuch eines Einzelnen, für sich zu lösen, was alle angeht, muss scheitern.
  • Im Paradoxen erscheint die Wirklichkeit.